Table Of ContentARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
GEISTESWISSENSCHAFTEN
89. SITZUNG
AM 20. Juni 1962
IN DüSSELDORF
ARBEITSGEMEIN SCHAFT FüR FORSCHUNG
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
GEISTESWISSENSCHAFTEN
HEFT 114
WERNER CASKEL
Der Felsendom
und die Wallfahrt nach Jerusalem
HERAUSGEGEBEN
IM AUFTRAGE DES MINISTERPRASIDENTEN Dr. FRANZ MEYERS
VON STAATSSEKRETAR PROFESSOR Dr. h. C., Dr.E. h. LEO BRANDT
WERNER CASKEL
Der Fe1sendom
und die Wallfahrt nach Jerusalem
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-322-98214-8 ISBN 978-3-322-98903-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-98903-1
© Springer Fachmedien Wieshaden 1963
Urspriinglich erschienin hei Westdeutscher Verlag, K6ln und OpJaden 1963
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag .
INHALT
Werner Caskei, Köln
Der Felsendom und die Wallfahrt nach Jerusalem 9
Diskussionsbeiträge
Staatssekretär Professor Dr. h. C., Dr.-Ing. E. h. Lea Brandt, Professor
Dr. phil. Werner Caskei, Frau Professor Dr. phil. Eleanar van Erd
bergCansten, Professor Dr. phil. Kurt Weitzmann, Professor Dr. phil.,
D. Litt. h. c. "Walther Haltzmann, Professor Dr. phil. fasef KrolI, Pro
fessor Dr. phil. Theadar Kraus, Landtagsabgeordneter Dr. rer. pol.
fase f Ha fmann, Ministerialdirigent Werner H augg, Professor Dr. jUf.,
Dr. jur. h. c. Hans Peters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39
ABKüRZUNGEN
van Bermem M. van Bermem, Matériaux pour un Corpus Inscrip
tionum Arabicarum. 11, 2, Jérusalem "Haram", 1927
(Mémoires ... de l'Institut Français d' Arméologie Orien
tale du Caire, 44).
Chronographia L. Caetani, Principe de Teano, Chronographia Islamica,
1-3, Roma 1912.
Creswell K. A. C. Creswell, A Short Account of Muslim Armi
tecture. 1958. (Pelican Book.)
El Enzyklopaedie des Islam. 1-4. Leiden 1913-34.
GAL C. Brolkelmann, Gesmimte der arabismen Litteratur, 1.2.
Weimar 1898, Berlin 1902.
GAL,S 1.,2.,3. Supplementband. Leiden 1937, 1938, 1942.
O. Grabar The Umayyad Dome of the Rolk in Jerusalem 1. Ars
Orientalis 3 (1959), 33-62.
R.Hartmann Der Felsendom in Jerusalem und seine Gesmimte. StraB
burg 1909. (Zur Kunstgesmimte des Auslandes, Heft 69.)
Wellh J. Wellhausen, Muhammed in Medina. Das ist Vakidi's
Kitab al Maghazi in verkürzter deutsmer Wiedergabe.
Berlin 1882.
WÜ 1 F. Wüstenfeld, Die Chroniken der Stadt Medina. 1. Leip
zig 1858.
Wü 2 Die von Medina auslaufenden HauptstraBen. Abh. G. W.
Gött.11 (1862),1-52 des Sonderdrudts.
1 BibJiographie
ZUR UMSCHRIFT DES ARABISCHEN
Geläufige arabische Namen werden nicht ausgezeichnet, deutsche Weiter
bildungen solcher deutsch geschrieben. Sonst ist aus praktischen Gründen
(auBer g), in Anlehnung an englische Transcriptionen, th g kh dh sh statt
! g ij g ~ gesetzt, ein circonflexe als Längezeichen, ein accent grave über
alif maq~üra, und das i der Nisbe unbezeichnet gelassen.
Bei Daten, wie 72/691, bedeutet die erste Zahl das Datum der higra (be
ginnt Sonnenuntergang des 15. VII. 622).
Bei Koranstellen, z. B. Koran 2, 119/125, bezieht sich die erste Zahl auf
die Verszählung in Flügels Ausgabe, die zweite auf die (richtige) in der
ägyptischen Standardausgabe.
b., z. B. in 'AbdaIIah b. az-Zubair, steht für ibn, bin "Sohn".
Es sind nun viele Jahre her, daB unser verehrtes Mitglied, der in diesem
Jahre von uns gegangene Prälat Prof. Dr. Georg Schreiber, in einer Diskus
sion äuBerte, es werde bei uns [in der Wissenschaft] zuwenig für den Islam
getan. Dieser Ausspruch lieB zwei Deutungen zu, eine allgemeine und eine
spezielle. Bei der ersten wäre der Vorwurf berechtigt gewesen, wenn er auf die
Vergangenheit abzielte; denn die Islamkunde ist durch die Beziehungen der
Kolonialmächte zu ihren muslimischen Schutzbefohlenen angeregt worden,
also GroBbritanniens in Indien, RuBlands in Mittelasien, Frankreichs in
Nordafrika und der Niederlande in Indonesien. Die Kenntnis von Recht
und Sitte des Islam wurde notwendig. In Indien ist vor dem Aufstand von
1857/58 durch britische Richter nach islamischem Recht entschieden worden,
in der juristischen Fakultät der französischen Universität zu Algier bestan
den zwei Lehrstühle für islamisches Recht. Deutschland blieb in dieser Fach
richtung zurück, weil es erst 1884 Kolonialmacht wurde, noch dazu in Ge
bieten mit nur geringem islamischem Einschlag. - War aber mit jenen Worten
die Gegenwart und die jüngste Vergangenheit gemeint, so träfen sie nicht zu.
Zum Beweis nenne ich fünf Meister jener Richtung der Wissenschaft vom
Neuen Orient: C. H. Becker, der sie in Deutschland begründet hat und Ihnen
allen als der preuBische Kultusminister der Weimarer Republik bekannt ist
- durch sein Wohlwollen auch für den jüngsten Privatdozenten unvergeBlich.
Richard Hartmann, der schon in jungen Jahren - 1909 - ein sehr gründliches
Werk zu unserem Thema veröffentlichte. Er gab - bis zum 13. August 1961 -
die Orientalistische Literaturzeitung für die Berliner (vielmehr die Ostber
liner) Akademie der Wissenschaften heraus, ohne daB auch nur ein Schatten
der dort herrschenden Ideologie auf die Zeitschrift gefallen wäre. Hellmut
Ritter, der uns das eigentümliche Verhältnis zwischen der klassischen Dich
tung der Perser und dem Islam erkennen gelehrt hat und der in das Wesen
der arabischen Sprachkunst tiefer eingedrungen ist als irgendeiner vor ihm.
Noch ist ein Vorläufer jener drei zu nennen, kein Deutscher, aber zum deut
schen Sprachgebiet gehörig, Ignaz Goldziher, weil er neben anderen bedeu
tenden Werken den hadith, die Tradition des Islam, als erster kritisch durch-
10 Werner Caskel
leuchtet hat, und sein später Widerpart, Johann Fück in Halle, der diese
Grundwissenschaft des Islam von innen erschloB.
Aus solchen und ähnlichen überlegungen ergab sich, da~ der Ausspruch
des Herrn Prälaten nur eine spezielle Bedeutung haben konnte, mit anderen
Worten, da~ er an mich gerichtet war. Ich nahm mir vor, der darin liegen
den AuHorderung zu folgen, stie~ aber aufein unvermeidliches Dilemma.
Wer über einen Gegenstand oder einen Vorgang aus der Welt des Islam vor
Uneingeweihten spricht, mu~ weit ausholen, urn den Hörer in die fremde
Umwelt einzuführen. Da ab er 1957 eine Improvisation über dasselbe Thema
in Rom geglückt war 1, entschlo~ ich mich, es erweitert und verändert in
diesem Kreise vorzutragen.
Wer je in Jerusalem geweilt hat, der wird sich eines Bauwerkes erinnern,
das durch seine lichte Schönheit und seine freie Lage die christlichen Heilig
tümer in den Schatten stellt, ich meine das Gebäude, das dem Fremden von
und in Führern - ich wei~ nicht, ob jetzt noch - als 'Omar-Moschee vorge
stellt wird (Abb. 1). Es ist aber weder eine Moschee, noch ist sie von dem
Kalifen 'Oma r , dem zweiten Nachfolger - das bedeutet Kalif - des Prophe
ten errichtet worden. Von den Muslimen wird sie qubbat a~-~akhra, der
Kuppelbau über demFelsen, genannt2• Was für einem Felsen? Dem Fels, auf
dem David den Brandopferaltar errichtete (2. Sam. 24, 16 H.). Dieser befand
sich dort zur Zeit des salomonischen Tempels (?-587), des zweiten nach der
Rückkehr aus dem Exil in den Jahren 520-515 erbauten und des von
Herodes (20/19 v. Chr.) begonnenen, im jüdischen Krieg verbrannten und
zerstörten Tempels (AD 70). Freilich wird der Fels unter dem Altar weder
im AT noch im NTerwähnt, sondern erst in der Mischna und im Targum,
und nicht überall auf den Brandopferaltar bezogen Er wird dann durch
3.
den Bericht des nPilgers von Bordeaux" für 333 bezeugt; denn der lapis
pertusus, den die Juden einmal im Jahr unter Klagen mit Ol zu salben
pflegten, ist unser tatsächlich durchbohrter Fels. Die Ortsangabe stimmt. -
Die weite Fläche des haram ash-sharH, des Hig. Bezirkes der Muslime, wo
der Felsendom und andere Gebäude stehen, entspricht genau dem Platz,
dessen Mauernden Tempel der Juden mit seinen Vorhöfen und Hallen zu
der Zeit Jesu Christi einschlossen (Abb. 2). Entgegen früheren Ansichten
1 Ich habe selten eine so festliche Stunde in meinem Gelehrtendasein erlebt und danke
hier noch einmal allen Beteiligten.
2 Von uns auch ,die Sakhra'.
3 Lag darüber das Allerheiligste? Vgl. O. Grabar, 38 Anm. 34.
Der Felsendom und die Wallfahrt nach Jerusalem 11
steht seit längerer Zeit fest, daB auf diesem Platz kein Tempel der - nach
der Niederwerfung des jüdischen Aufstandes unter Simon bar Kochba -
durch Kaiser Hadrian gegründeten Römischen Kolonie Aelia Capitolina ge
standen hat und ebensowenig im christlichen Aelia eine Basilika. Es ist das
Verdienst der französischen Dominikaner von Jerusalem, diese Tatsachen
festgestellt zu haben. Sie sind von Bedeutung, weil sie zu dem Bericht des
Eutychius (933-39 Patriarch von Alexandrien) und dem eines ein Jahrhun
dert später schreibenden arabischen Lokal-»Historikers" über den Zustand
des Tempelplatzes zur Zeit der Kapitulation Jerusalems und bei dem Einzug
des Kalifen 'Omar - 63 8 - stimmen.
Sechs Treppen, die unter Arkaden enden, führen auf eine Plattform, auf
der sich der Felsendom und einige kleinere Gebäude erheben. Sein GrundriB
ist ein regelmäBiges Achteck mit einer Seitenlänge von je 20,60 m. Die
Mauern sind 9,50 m, die Brüstung 2,60 m hoch. Sie werden durch je sieben
Nischen - 30 cm tief - gegliedert, die oben in Kielbogen auslaufen. Die
Nischen sind in der oberen Hälfte an den Eckpfeilern mit je einer Blende
ausgefüllt, die fünf übrigen durch Fenster. Vier Türen öffnen sich an den
nach den Himmelsrichtungen zu liegenden Seiten. Schmale Eingangshallen
sind ihnen vorgelagert. Nur die südliche macht einen stattlichen Eindruck.
Die westliche hat ein Dach von 1194/1780. Das ist türkisches Rokoko
(Abb. 3,4).
Die Mauern sind unten mit Marmorplatten belegt, welche geometrische
Muster zeigen, oben mit wohlgeordneten und bunt bemalten Fliesen bedeckt.
über dem Sims mit den Wasserspeiern läuft ein ebenso dekoriertes Band,
darüber ei ne hohe Schriftleiste mit weiBen Zeichen auf blauem Grund.
Hinter dem ober en Sims kommt ein schwach geneigtes Pultdach zum Vor
schein. Darüber erhebt sich die Trommel, durch 16 Rundbogenfenster unter
brochen. Dber ihr wölbt sich die Kuppel. Die vier flachen Streben, die den
Tambour halten, steigen aus den pfeilern auf, welche ihn samt der Kuppel
tragen (Abb. 6).
Das Innere des Domes ist in zwei Wandelgänge geteilt. Sie fassen einen
dritten Raum ein, über dem die Kuppel schwebt. Der äuBere Gang - 4,50 m
breit - wird durch acht pfeiler und 16 Marmorsäulen, welche 24 Rundbögen
tragen, begrenzt. Ihre Ordnung folgt dem Oktagon der AuBenwände; dem
entsprechend haben die pfeiler Flügelform. Der Schub wird durch Balken
aufgefangen, die über den Stützen liegen, durch eine Marmodage beschwert,
4
4 Bei den Säulen auf eincm Kämpfcr ruhend (auf Abb. 8 zwischen den Säulen des inneren
Ringes deutlich sichtbar).