Table Of ContentKonstanzer Althistorische Vorträge und Forschungen
Herausgegeben von Wolfgang Schüller Heft 30
Alexander Zaicev
Das
griechische
Wunder
Die Entstehung
der griechischen Zivilisation
UVK
Je
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Zajcev, Aleksandr I.:
Das griechische Wunder: die Entstehung der griechischen
Zivihsation/Alexander Zaicev. - Konstanz: Univ.-Verl.
Konstanz, 1993
(Xenia; H. 30)
ISBN 3-87940-431-3
NE: GT
ISSN 0936-8663
ISBN 3-87940-431-3
© Universitätsverlag Konstanz GmbH, Konstanz 1993
Satz: multimedia Electronic Publishing GmbH, Konstanz
Einbandgestaltung: Riester & Sieber, Konstanz
Druck: Konkordia Druck GmbH, Bühl/Baden
Gedruckt mit Förderung der
Breuninger Stiftung GmbH, Stuttgart
Vorwort
Der Verfasser des vorliegenden Werkes, Jahrgang 1926, ist Professor für Klassische
Philologie an der Universität St. Petersburg. Wie vielen Gelehrten seiner Generation
ist auch ihm das Schicksal nicht erspart geblieben, viele Jahre seines Lebens in stati
stischen Gefängnissen zuzubringen. Trotz der Zeitverhältnisse hat er an der damals Le-
ningrader Universität eine Schule bilden können, die sich auf der Basis strenger Philo
logie durch ihr historisch-sozialgeschichtliches Interesse auszeichnet. Ein Beispiel ist
die vorliegende Arbeit, die zeigt, was die russische Wissenschaft auch in der relativen
Isolation der abgelaufenen Epoche zu leisten imstande war - und wieweit sie gleich
wohl die Zeichen dieser Epoche trägt.
Autor und Herausgeber danken der Gerda Henkel Stiftung für die Ermöglichung der
Übersetzung, die ihrerseits Peter Marmein verdankt wird. Ebenso danken sie dem wis
senschaftlichen Redakteur der russischen Ausgabe, Herrn Professor Eduard Frolov,
sehr für seine seinerzeitige Hilfe beim Zustandekommen des Werkes. Als weitere Ar
IM« I >« hü.« lu-llibhoihck CIP-Einheitsaufnahme
beit des Autors wäre eine kommentierte russische Übersetzung von Homers »Ilias« zu
nennen; eine Geschichte der griechischen Metrik ist im Entstehen.
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I m*'! eil.« Ihm lir Wunder die Entstehung der griechischen In der Reihe Xenia erscheinen vornehmlich kleinere Abhandlungen, die ursprüng
/iv iliMiiHui/AIrxmuler /aieev. - Konstanz: Univ.-Verl. lich als Vorträge an der Konstanzer Universität gehalten worden sind. Die Vorträge
ImiHnIiIH/, I‘>'j \ und ihre Veröffentlichung in dieser Reihe sind in entscheidendem Maße durch das
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Mäzenatentum Heinz E. Breuningers möglich gemacht worden, der bis zu seinem
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plötzlichen Tode großen Anteil an der Arbeit des althistorischen Lehrstuhls genom
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men hat. Danach hat die Breuninger-Stiftung die Förderung in seinem Sinne fortge
setzt; so hat sie auch das Erscheinen des vorliegenden Heftes durch einen Druckko
IV.N IM K, Kf.b < stenzuschuß gefordert, wofür ihr wieder Dank gesagt sei.
IMIN I M/'Mtl MM Der Titel der Reihe, der Gastgeschenke bedeutet, dankt somit nicht nur den einzel
nen Vortragenden für ihre Texte, sondern auch Heinz Breuninger und der Breuninger-
i1 I 'uh«i'iiiiii'.M'ihi)’ Konsianz GmbH, Konstanz 1993
Stiftung für die gesamte Hilfe. Dem Andenken von Heinz Breuninger ist daher die
ganze Reihe dankbar gewidmet.
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I Mhi t ImihVmmIim Dnu k GmbH, ßühl/Baden Der Herausgeber
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5
Inhalt
Abkürzungen....................................................................................................................9
Einführung
Das Problem des »Griechischen Wunders«............................................................... 11
Kapitel I
Die historischen Voraussetzungen des kulturellen Umbruchs
§ 1 Die antike Polis.................................................................................................... 33
§ 2 Die Zerstörung der gentilen Lebensformen und der traditionellen
Verhaltensnormen im alten Griechenland ............................................................... 41
§ 3 Die lebensbejahende Strömung im griechischen Weltgefühl der archaischen
und klassischen Zeit.................................................................................................... 55
Kapitel II
Der Agon im archaischen und klassischen Griechenland
§ 1 Der griechische Sport und die agonalen Aspekte im Leben der Griechen . .. 77
§ 2 Die schwindende Bedeutung der Athletik im Leben der Griechen...................100
Kapitel iii
Der Agon und die Freisetzung des inneren Antriebs zu künstlerischem und
intellektuellem Schöpfertum
§ 1 Psychologische Voraussetzungen schöpferischer Tätigkeit und
gesellschaftliche Bedingungen, unter denen sich diese Voraussetzungen
realisieren lassen .......................................................................................................115
§ 2 Die Entstehung einer öffentlichen Meinung in Griechenland, die das
geistige Schöpfertum anreizte.....................................................................................121
Kapitel IV
Die Entstehung der altgriechischen Literatur im Rahmen
des kulturellen Aufschwungs
§ I Der Agon in der altgriechischen Literatur ........................................................145
tj I »ii- Betonung ilcs Ästhetischen in der griechischen Literatur............................153 Abkürzungen
Kamin V
I )ic Lntstcluing der Wissenschaft
t) I I >ic Lntstelning einer deduktiven Mathematik.....................................................165
tj I )ie griechische Mathematik und die Entstehung der Methoden
logischer Argumentation..............................................................................................172
tj 1 I >ie Entstehung der Astronomie und die ersten Versuche einer Erklärung
physikalischer Erscheinungen mittels wissenschaftlicher Methoden ......................180 AATorino Atti della Accademia di scinze di Torino
Am.Anthr. American Anthropologist
/iiMimmcnfassung...........................................................................................................196 Am.J.Phys.Anthr. American Journal of Physical Anthropology
Am.Nat. American Naturalist
Ausgewiihlte Bibliographie..........................................................................................200 Am.Soc.Rev. American Sociological Review
Ann.geogr. Annales de geographie
APhC Annales de philosophie chretienne
ArB Archiv für Begriffsgeschichte
ArPsych Archivum Psychologicum
Athen.Mitt. Athenische Mitteilungen
Bibl.Math. Bibliotheca Mathematica
BrJPs British Journal of Psychology
BSGW Berichte der Sächsischen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Leipzig
C1W Classical Weekly
CTL Current Trends in Linguistics
Cur.Anth. Current Anthropology
DAN Doklady Akademii Nauk SSSR
Enseign.Math. Enseignement Mathematique
GPsM Genetical Psychology Monographs
IIJ Indo-Iranian Journal
J.Pers.Soc.Ps. Journal of Personality and Social Psychology
JAbnSoPs Journal for Abnormal and Social Psychology
JCB Journal of Creative Behavior
JCPs Journal of Comparative Psychology
JCS Journal of Cuneiform Studies
JGPs Journal of Genetical Psychology
JIES Journal of Indo-European Studies
JNES Journal of Near Eastem Studies
JPs Journal of Psychology
MEW Marx-Engels Werke
M 9
NGWG Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften Einführung
zu Göttingen
Ps.Mon. Psychological Monthly
Q&S Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik
Q&SN Quellen und Studien zur Geschichte der
Naturwissenschaften und der Medizin
(Juai1.Rcv.Biol. Quarterly Review of Biology
RBN Revue Beige de numismatique
K KI I Revue Roumaine d’histoire Das Problem des »Griechischen Wunders«
KTK Roczniki teologiczno-kanoniczne
SA Sovetskaja archeologija
SBBerl Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Die griechische Zivilisation stellt ein in der Geschichte der Menschheit einmaliges Er
Wissenschaften zu Berlin, eignis dar. Die seit dem siebten Jahrhundert v. Chr. zu beobachtende Entstehung nie
Philosophisch-historische Klasse dagewesener politischer Formen (die institutionalisierte Teilnahme der Bürgerschaft
SMI leid Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der an der Lösung staatlicher Aufgaben, d. h. die Demokratie; die Versuche, Staatsaufbau
Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse und Verfassung nach dem Prinzip der Zweckmäßigkeit zu lösen), die letztlich damit
SMMiin Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der verbundene Entwicklung von Wissenschaft und Philosophie als spezifische Formen
Wissenschaften, München, systematisierten Wissens, einer schönen Literatur, die sich von der Folklore und den
Philosophisch-historische Klasse vorliterarischen Formen des Schrifttums qualitativ unterscheidet, schließlich die Revo
SMWien Sitzungsberichte der Akademie der lution auf dem Gebiet der bildenden Künste - all das wird in der Folge von E. Renan1
Wissenschaften in Wien wieder und wieder und ganz zu Recht als »griechisches Wunder« bezeichnet.2 Schon
III Trady Instituta Etnografii Renan hatte damit eindeutig nicht den übernatürlichen, sondern den einzigartigen und
IOV Trudy Otdela Vostoka Gosudarstvennogo ErmitaZa nur schwer zu erklärenden Charakter dieses Umschwungs gemeint. Und selbstver
I TU Trady Tbilisskogo Universiteta ständlich können auch wir uns nur A. Bonnard anschließen, der energisch darauf be-
DUN Uspechi biologiöeskich nauk harrt, daß dies kein Wunder, sondern ein epochales Ereignis war, das seine natürlichen
VA Voprosy antropologii Gründe hat.3 Im Verlauf von drei bis vier Jahrhunderten bildete sich die hellenische
VI Voprosy filosofii Kultur heraus, auf deren Bedeutung für Neuzeit und Gegenwart von Flistorikem und
VI Voprosy istorii Philosophen, Gelehrten und Publizisten seit der Renaissance immer wieder hingewie
VIII Voprosy istorii estestvoznanija i techniki sen wird.4
Vl's Voprosy psichologii Wenn man bedenkt, daß das »griechische Wunder« der europäischen Renaissance
/ Film. Zeitschrift für Ethnographie an Bedeutung in nichts nachsteht5, ist es nur natürlich, daß die Notwendigkeit einer
/MNP Zumal Ministerstva narodnogo prosveäöenija Erklärung dieses Umbruchs von fast allen gesehen wird, die sich mit der Problematik
beschäftigen.6
Thema der ersten drei Kapitel dieser Arbeit ist dementsprechend die Auseinander
setzung mit der Frage, welche Faktoren dazu führten, daß so viele und scheinbar hete
rogene epochale Errungenschaften der menschlichen Kultur, die Fracht der Anstren
gungen eines Volkes und dazu noch innerhalb eines - an welthistorischen Maßstäben
gemessen - so kurzen Zeitraums erreicht worden sind.
Im vierten und fünften Kapitel werden wir die Auswirkungen dieser Faktoren auf
10 11
die ersten Schritte der griechischen Wissenschaft und der griechischen Literatur be chcn. Wenn man darunter die Tatsache versteht, daß die Griechen11 zu einer bestimm
trachten; diese Sphären der griechischen Kultur wurden deshalb ausgewählt, weil sich ten Zeit in ihrer historischen Existenz eine ungewöhnlich große Zahl schöpferisch Be
un Entstehen der Wissenschaft die Gesetzmäßigkeit des Ganzen am klarsten zeigt und gabter hervorgebracht haben und breite Schichten der Bevölkerung eine ungewöhnli
die griechische Literatur den wissenschaftlichen Interessen des Autors am nächsten che Aufnahmebereitschaft für die neuentstandenen kulturellen Werte zeigten, so kann
liegt. man dagegen nichts einwenden. Genauso berechtigt ist der Verweis auf den sogenann
Selbstverständlich ist der kulturelle Umbruch im Alten Griechenland bei aller Be ten Nationalcharakter12, der zweifellos unterschiedliche Entwicklungsstufen einzelner
deutung nur ein Ausfluß allgemeiner Gesetzmäßigkeiten, die der stark divergierenden Fähigkeiten enthalten kann.13 Nun ist aber auch der Nationalcharakter selbst einer Er
kulturellen Entwicklung der Menschheit im ganzen zugrunde liegen, wobei diese we klärung bedürftig, so daß sich also durch ihn nicht das Rätsel des »griechischen Wun
nigstens in der späten Altsteinzeit beginnt7 und sich bis zur Gegenwart hinzieht: ein ders« lösen läßt.
stürmischer kultureller Aufschwung von welthistorischer Bedeutung, der dann zum Was den Versuch betrifft, für die besondere Begabung der Griechen darüber hinaus
Stillstand kommt und nicht selten im Zerfall endet, läßt sich bei verschiedenen Völ irgendeine bestimmte Erklärung zu finden, so müssen wir zunächst und vor allem ein
kern (bzw. Gruppen von miteinander verkehrenden Völkern) beobachten. Diese Un mal den vielfach unternommenen Versuch zurückweisen, die außergewöhnlichen
gleichmäßigkeit in der kulturellen Entwicklung der Menschheit ist schon lange erkannt schöpferischen Fähigkeiten der alten Griechen durch Besonderheiten ihres Genotyps
und zum Eckstein einer Reihe von willkürlichen philosophisch-historischen Hypothe zu erklären, die aus ihrer rassischen Zugehörigkeit resultieren.
sen gemacht worden, insbesondere der Theorien Hegels, Spenglers, Toynbees und an Der erste, der diese Idee entwickelt und - soweit dies nach dem damaligen Wissen
derer. über Vererbung und die Einteilung der Menschen in Rassen überhaupt möglich war -
Es gibt auch Versuche, auf empirischer Basis, d. h. durch Sichtung des ungeheuren zu begründen versucht hat, war Gobineau.14 Den ersten Versuch, einen wissenschaftli
Materials, das uns die Geschichte zur Verfügung stellt, Erkenntnisse über die Dynamik chen Zugang zum Problem der Vererbung geistiger Fähigkeiten zu finden, stellt das
der kulturellen Entwicklung der Menschheit zu gewinnen. Einen der interessantesten 1869 erschienene Buch »Hereditary genius« von Fr. Galton dar, der, indem er den An
stellt die Arbeit A. Kroebers dar, aus der klar hervorgeht, daß sprunghafte Aufwärts teil bedeutender Persönlichkeiten am Gesamtbestand verschiedener Völker berechnet,
entwicklungen der Kultur, die sich mit Perioden eines relativen Stillstands oder Rück zu dem Schluß kommt, daß die Athener in ungewöhnlichem Maß durch erbliche Bega
schritts abwechseln, bis jetzt eine universelle Erscheinung der Menschheitsgeschichte bung ausgezeichnet waren.15 Später wurden solche Gedanken öfter, vor allem von
waren.8 Eine modifizierte Version der Kroeberschen Thesen findet sich bei Ch. Gray.9 deutschen Gelehrten16, geäußert; es gab auch keinen Mangel an Begründungen17, mit
A. Toynbee und andere haben es unternommen, diese Gesetzmäßigkeit der kulturel denen wir uns im folgenden beschäftigen wollen.
len Entwicklung aus historischen Bedingungen zu erklären, die den kulturellen Fort Die einfachste Variante einer solchen Erklärung des »griechischen Wunders« aus
schritt begünstigen, und aus Faktoren, die diese Entwicklung hemmen.10 der rassischen Zugehörigkeit stellt die Hypothese dar, daß der Genotyp der Vorfahren
I )ie konkrete historische Erforschung einer der wichtigsten Etappen in der kulturel der künftigen Griechen schon zu der Zeit, als diese auf die Balkanhalbinsel kamen, be
len Entwicklung der Menschheit - des »griechischen Wunders« - ist, abgesehen von stimmte Besonderheiten aufwies, und daß sich die herausragende Rolle der Griechen
seiner unmittelbaren Bedeutung für die Menschheitsgeschichte, auch eine unumgäng bei der kulturellen Entwicklung der Menschheit auf diese Besonderheiten gründet.
liche Voraussetzung für die Klärung allgemeiner historischer Gesetzmäßigkeiten des Diese Hypothese geht von der Vorstellung aus, daß zwischen den menschlichen Ras
kulturellen Fortschritts und seiner Bedingungen. sen grundsätzliche Unterschiede in Begabung und geistigen Fähigkeiten bewiesen
Nun hat es aber bis jetzt weder in der sowjetischen noch in der ausländischen Lite- sind. Dies ist eine Frage, deren Beantwortung den Psychologen und den Humangeneti
iiitm einen Versuch gegeben, die spezifischen historischen Voraussetzungen des »grie kern obliegt, die sie durchweg verneinen.18
chischen Wunders« zu erforschen. Die Literatur zu dieser Frage beschränkt sich viel Die beträchtlichen Unterschiede im intellektuellen Niveau, die man bei Menschen ver
mehr auf verschiedene mehr oder weniger substantielle Äußerungen zu diesem Thema schiedener Rassen findet, soweit diese in historisch gewachsenen, deutlich unterscheid
m Arbeiten zur Kultur der Antike, die in einem größeren kulturhistorischen oder philo baren kulturellen Umfeldern angesiedelt sind, schmelzen dann buchstäblich dahin, wenn
sophischen Kontext stehen. neue Generationen nachwachsen, die aus diesen oder jenen Gründen (Migration oder hi
Unter den für das »griechische Wunder« vorgeschlagenen Erklärungen findet sich storische Verschiebungen) unter gleichen Bedingungen großwerden.19 Nur ein Teil der
des öfteren der Hinweis auf eine besondere, außergewöhnliche Begabung der Grie- Spezialisten auf diesem Gebiet ist geneigt, einige unbedeutende (und bis jetzt nicht be
I.» 13
wiesene)20, genetisch bedingte Unterschiede im intellektuellen Niveau in Rechnung zu Problemlösung verbunden sind; deshalb auch hatten die Ureinwohner besondeie
stellen, und zwar nur bei weit auseinanderliegenden Menschenrassen, wobei auch eher an Schwierigkeiten bei der Lösung von Aufgaben im Einzeltest.26 Dabei bilden die Au
irgendwelche speziellen Fähigkeiten gedacht ist.21 Zudem ist jetzt, nachdem sich die mo stralier keineswegs eine Ausnahme. Individuen mit dem Hang zu allen möglichen neu
nogenetische Theorie einer Herunft der ganzen heute existierenden Menschheit aus einer en Ideen finden sich nämlich in schriftlosen Gesellschaften nicht selten.27
Population bewahrheitet hat, die Annahme erblich bedingter Unterschiede größeren Aus Aus all dem wird deutlich, daß die Hypothese von einer herausragenden erblichen
maßes in den geistigen Fähigkeiten der verschiedenen Rassen auch theoretisch untragbar Begabung der Griechen in den allgemeinen Gesetzen der Anthropologie und i lumun
geworden: genetisch determiniert sind so allgemeine Voraussetzungen der psychischen genetik keinen Rückhalt findet. Wenden wir uns nun der Frage zu, wieweit sie mit
Aktivität, daß sich im Prozeß der Entstehung der Rassen unter Kontrolle der natürlichen dem konkreten Befund in Griechenland in Einklang zu bringen ist.
Auslese überall die gleichen, für beliebige menschliche Gesellschaften gleichermaßen Die anthropologische Untersuchung an Material aus altgriechischer Zeit deutet auf
nützlichen Eigenschaften herausbilden mußten 22 das Vorhandensein aller wesentlichen Untergruppen der europiden Rasse in Griechen
Dies gilt auch für die großen Rassenkreise, in die die Menschheit zerfallt. Was die land hin, und zwar sowohl vor dem Erscheinen der Griechen um 1900 v. Chr. als auch
Hypothese genetisch determinierter psychologischer Unterschiede zwischen den ein danach (bis auf den heutigen Tag)28, wie wir es auch in anderen Gegenden finden, die
zelnen Abteilungen der Europiden betrifft, so läßt sich diese leicht und direkt widerle von indogermanischen Völkern besiedelt worden sind. Dazu kommt, daß die Bevölke
gen, denn die Vertreter der nordischen, alpinen und mittelmeerischen Menschengrup rung Griechenlands mindestens seit mykenischer Zeit (bei den vorhergehenden lipo
pen leben in Europa unter analogen kulturellen Bedingungen, und die Ergebnisse der chen reicht das Material für einen solchen Schluß nicht aus) eine ungewöhnliche an
psychologischen Untersuchungen sind in diesem Fall unmittelbar vergleichbar. Bei thropologische Heterogenität zeigt.29
entsprechenden Untersuchungen zeigten sich zwischen den Angehörigen der verschie Dazu kommt, daß das, was wir von der Evolution des anthropologischen Typus der
denen Rassenkreise keine merklichen Unterschiede, während gleichzeitig die Unter griechischen Bevölkerung vom Ende des dritten bis zum Ende des zweiten Jahrtau
schiede zwischen den Angehörigen verschiedener Nationalitäten natürlich deutlich sends v. Chr. - das heißt also in der Epoche der Formierung des griechischen Volks
hervortraten.23 Davon abgesehen gibt es keinen Gmnd anzunehmen, daß die gewalti körpers30 - wissen, keineswegs für das Überhandnehmen zugewanderter Elemente
gen Unterschiede in der kulturellen Entwicklung der verschiedenen Völker, Unter spricht31, auch nicht der zugewanderten Indoeuropäer, die die Träger der urgricchi-
schiede, die sich erst in den letzten hundert Jahren nivelliert haben, auf Unterschiede schen Sprache waren. Der linguistische Befund bestätigt indirekt diesen Schluß: das
in ihrer natürlichen Begabung zurückzuführen sind. beträchtliche nichtindoeuropäische Substrat in der griechischen Lexik weist auf eine
So schufen die Eingeborenen Australiens, die unter schwierigsten Bedingungen le intensive Vermischung der Griechen mit der vorgriechischen Bevölkemng der Balkan
ben mußten und die im großen und ganzen wohl auf dem niedrigsten Entwicklungs halbinsel in vorschriftlicher Zeit hin.32 Dies alles widerspricht der Vermutung, daß bei
stand der Weltbevölkerung stehen, eine ungewöhnlich reichhaltige und vielfältige My dem »kulturellen Umbruch« die Zugehörigkeit eines einzelnen Stammes mit besonde
thologie und entwickelten komplizierteste Formen gesellschaftlicher Beziehungen in rer erblicher Begabung zum griechischen Volk eine erhebliche Rolle gespielt hat.
Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad, ganz abgesehen von der Erfindung des Bu Zudem vermag eine solche Hypothese nicht die Dynamik der griechischen Kultur
merangs.24 Das alles wäre unmöglich gewesen ohne die sich von Generation zu Gene entwicklung zu erklären.33 Tatsache ist, daß die Griechen auf der Balkanhalbinsel, also
ration fortpflanzende schöpferische Initiative einer beträchtlichen Zahl von Individuen dem Territorium des zukünftigen Griechenland, zu Beginn des zweiten Jahrtausends v.
aus allen Ecken des Kontinents. Bereits im Blickfeld der Forschung haben sich zu Be Chr. erscheinen34, also zu einem Zeitpunkt, von dem an bis zu der Epoche, die wir die
ginn unseres Jahrhunderts unter den Eingeborenen neue Kulte verbreitet, deren be Zeit des kulturellen Umbruchs nennen, mehr als tausend Jahre vergehen. Nun kennen
kanntester und von westlichen Einflüssen am wenigsten berührter der Kurangara-Kult wir diese frühe Epoche selbstverständlich erheblich schlechter als das Griechenland
ist, ein Kult, der sich aus der zentralen Wüste nach Norden ausgebreitet hat, und für des ersten Jahrtausends v. Chr. (verhältnismäßig besser dokumentiert ist, dank den Li-
den der Bruch mit traditionellen Glaubensvorstellungen und eine für Australien unge near-B-Texten, die Zeit unmittelbar vor der Zerstörung der achäischen Staaten auf
wöhnliche Rolle der Magie charakteristisch sind.25 Die schöpferische Begabung der Kreta, der Peloponnes und Mittelgriechenlands, also ungefähr zwischen dem fünf
australischen Ureinwohner zeigt sich auch in der eigentümlichen Malerei. Forschun zehnten und dem dreizehnten Jahrhundert v. Chr.), aber es gibt keinerlei Grund dafür,
gen von Fachleuten haben bestimmte psychische Besonderheiten der Ureinwohner irgendwelche substantiellen Unterschiede zwischen der Kultur der Griechen vor dem
aufgedeckt, die aber nicht mit dem Genotyp, sondern mit der Tradition kollektiver neunten Jahrhundert v. Chr. und den auf einem entsprechenden Entwicklungsstand ste-
14 15
Iicndcn Kulturen der Völker des Alten Orient anzunehmen.35 Erst mit dem sogenann sehe Dichter aus Halikamaß, ein Verwandter Herodots, trägt einen typisch karischcn
ten geometrischen Zeitalter beginnt eine eigenständige Evolution Griechenlands.36 Die Namen.46 Aus der verworrenen Überlieferung zum Autor des »Margites« und der »Ba-
von der Forschung hervorgehobenen Besonderheiten im gesellschaftlichen Aufbau des trachomyomachie« läßt sich zumindest soviel entnehmen, daß der Karer Pigrcs, der
mykcnischcn Griechenland37 deuten, für sich genommen, noch nicht auf eine besonde Bruder der Königin Arthemisia, die am Xerxeszug teilgenommen hatte, als griechi
re Begabung der Griechen hin, sondern sind nur erste Vorboten des »griechischen scher Dichter bekannt war. Archilochos spricht selbst davon, daß er Sohn einer Skla
Wunders«.38 vin war (Kritias, 88 B 44 DK), für die sich wohl kaum griechische Herkunft annchmcn
Festzuhalten ist, daß die vorliegende Hypothese nicht zu erklären vermag, warum läßt.47 Der antiken Tradition zufolge war Alkman lydischer Herkunft, wobei er freilich
die Besonderheiten des Genotyps der Griechen erst tausend Jahre nach ihrem Erschei auch dann, wenn er tatsächlich aus Sardes kam, immer noch von einer griechischen
nen auf der Balkanhalbinsel deutlich zutage treten. Ein weiterer Punkt, der sich mit der Familie abstammen konnte 48 Die Mutter der drei bedeutenden Brüder - des Dichters
vorliegenden Hypothese schlecht vereinbaren läßt, sind die Anzeichen von Stagnation Stcsichoros, des Geometers Mamerkos (Mamertinos) und des Gesetzgebers Halianak-
und Niedergang, die sich auf geistigem Gebiet, also gerade der Domäne, die vom kul tes - war, aller Wahrscheinlichkeit nach, italischer Herkunft.49 Aesop war ein Sklave
turellen Umbrach am meisten betroffen war, ungefähr ab dem dritten Jahrhundert v. phrygischer oder thrakischer Herkunft (Hdt. 11,134; Gell. 11,29; Ael. VH X, 5; Schol.
Chr. zeigen. Ar. Av. 471; Suid. s.v. Aisopos).
Der Annahme einer besonderen erblichen Begabung der Griechen widerspricht auch Der Historiker Herodot stammte, nach dem Namen seines Vaters (Lyxes)50 und des
die Verteilung der kulturellen Aktivität unter den verschiedenen griechischen Stäm eben erwähnten Onkels Panyassis zu urteilen, von Karem ab; Thukydides war ein
men und Poleis.39 Bei dem »griechischen Wunder« spielten eine entscheidende Rolle Urenkel des thrakischen Königs Oloros (Marcell. Vit. Thuc. 16-18). Demosthenes hat
einerseits die stark mit der nichtgriechischen Bevölkerung Kleinasiens vermischten Io te von mütterlicher Seite her wahrscheinlich skythische Ahnen (Aesch. 111,172). Eben
nier, andererseits auch die nach allem, was wir wissen, bedeutend weniger vermischte so können wir den Staatsmann Themistokles nennen, der neue Ideen verfocht, die der
Bevölkerung Athens40, wobei ja gerade die athenische Kunst geometrischen Stils (dar Epoche des kulturellen Umbruchs entsprachen; seine Mutter stammte von Thrakern
unter vor allem die Dipylonvasen) als Vorbote des kulturellen Umbruchs angesehen oder Phrygem ab (Plut. Them. I; Nep. Them. 1,2; Ath. 576c-d).51
werden kann. Die Spartaner, die wie die Athener als verhältnismäßig reine Griechen Wie willkürlich die Thesen sind, die die griechische Kultur auf rassische Besonder
angesehen werden können, haben dagegen - dies ganz im Gegensatz zu den ihnen heiten der griechischen Stämme zurückfuhren, zeigt sich besonders deutlich darin, daß
blutsverwandten Dorem Kleinasiens, Süditaliens und Siziliens - am kulturellen Um cs mehrfach Versuche gegeben hat, die Wurzeln der griechischen Kultur gewisserma
bruch so gut wie gar nicht teilgenommen41 (mit Ausnahme der ersten Anfänge, und ßen umgekehrt beim alten mediterranen Substrat zu suchen, d. h. bei den Völkern, die
auch dies nur dann, wenn man die Tradition von der athenischen Herkunft des Tyrtai- vor dem Erscheinen der Griechen auf dem Balkan und den griechischen Inseln gelebt
os42 und der des Alkman aus Lydien43 als Legende ansieht). Die Bewohner des inne hatten52, wobei diese Versuche natürlich ebensowenig überzeugend sind.
ren Nordgriechenland wie auch die Arkadier der Peloponnes nehmen in archaischer Eine zweite Variante der »rassisch-genetischen« Erklärung des »griechischen Wun
und klassischer Zeit am geistigen Leben von Hellas und an der politischen Geschichte ders« besteht darin, daß man dieses nicht auf die natürliche Begabung der Griechen
so gut wie gar nicht teil, obwohl wir doch gerade bei ihnen keinerlei Grand haben, selbst, sondern auf die ungewöhnlich positiven Auswirkungen der Vermischung der
eine Zersetzung der ursprünglichen rassischen Reinheit anzunehmen. Dabei ist die griechischen Stämme mit der ansässigen Bevölkerung zurückführt.53
Korrelation zwischen Reinheit der griechischen Abstammung und Leistungen auf gei- Tatsächlich läßt sich in Griechenland mindestens seit mykenischer Zeit eine große
sligem Gebiet die eigentliche Grundlage der vorliegenden Hypothese. anthropologische Heterogenität beobachten.54 Dazu kommt, daß sich der Prozeß der
(legen diese Hypothese spricht auch die wichtige Rolle, die Künstler, Wissenschaft Vermischung mit anderen Völkern in der griechischen Welt in archaischer und klassi
ler und Denker von nicht rein griechischer Herkunft beim kulturellen Umbruch spie scher Zeit insgesamt nicht wesentlich verlangsamt haben dürfte.55 Nun hat aber die
len. Ein solcher Mischling (wenn nicht sogar rein barbarischer - karischer oder, weni Humangenetik bis heute weder signifikant negative noch signifikant positive Ergeb
ger wahrscheinlich, phönizischer Herkunft) ist Thaies von Milet (Hdt. 1,170)44, sehr nisse der Vermischung menschlicher Rassen entdecken können. Es gibt vielmehr ganz
wahrscheinlich Pherekydes von Syros45 und nach Theopomp auch Pythagoras (FGrH im Gegenteil direkte Hinweise darauf, daß die geistige Entwicklung der Hybriden von
115 F 72; Aristox. fr. 11 Wehrli). Die Mutter des Philosophen Antisthenes war wahr den jeweiligen Bedingungen abhängt, unter denen sie aufwachsen56, womit auch die
scheinlich eine Thrakerin (D.L. 11,31; VI, 1, 4; Sen. Dial. 11,18.5). Panyassis, der epi- ser Variante der biologischen Erklärung die theoretische Basis fehlt. Auch das histori
16 17
sehe Material selbst läßt nicht vermuten, daß irgendeine besonders fruchtbare Verbin und zwar im Verlauf von Migrationen, Eroberungen, von Kolonisation und ähnlichen
dung erblicher Eigenschaften der griechischen Zuwanderer mit einem uns nicht näher Prozessen, schon oftmals vorgekommen sind, daß es aber nur ein Ereignis gibt, das
bekannten Volk bei dem kulturellen Umbruch eine Rolle gespielt haben könnte. An mit dem »griechischen Wunder« verglichen werden kann, nämlich die europäische
diesem Umbruch haben Griechen aus einer ganzen Reihe von Poleis des Kontinents, Renaissance, was daraufhindeutet, daß die Heterosis als ein den kulturellen Fortschritt
aus den Kolonien in Kleinasien und aus der Magna Graecia teilgenommen. In jedem stimulierender Faktor nur eine untergeordnete Rolle spielt.
dieser Bereiche sind die Griechen mit anderen Völkern zusammengestoßen und zwar Exogamie und die Heirat mit Nichtgriechen hat es bei verschiedenen griechischen
mit, soweit dies im Mittelmeergebiet überhaupt möglich war, Völkern ganz unter Stämmen an verschiedenen Orten gegeben, und zwar im allgemeinen um so mehr, je
schiedlicher rassischer Zugehörigkeit.57 intensiver die ökonomischen, politischen und kulturellen Beziehungen waren. Übri
Untragbar ist jedenfalls, wenn H. Berve die dem Dialekt und in gewisser Weise gens waren, wie wir weiter unten noch ausführen werden, die Außenbeziehungen
auch der Mentalität nach verwandten Athener und kleinasiatischen Ionier wegen der in überhaupt ein für die Teilnahme der einzelnen Poleis am kulturellen Umbruch ent
beiden Fällen gleichartigen Rassenvermischung mit den »Karem« (wie Berve - mit scheidender Faktor.
gewissen Vorbehalten - die Träger der minoischen Kultur nennt) in einen Topf Den an sich problematischen Einfluß der Heterosis, die ja selbst von den histori
wirft58; wissen wir doch heute, daß die Griechen in Kleinasien auf eine ganze Reihe schen Ereignissen, die zum kulturellen Umbruch führten, stimuliert worden ist, von
von indoeuropäischen Völkerschaften trafen - die Lyder, die Lykier, die Phryger, die den fraglos stimulierenden Auswirkungen eines wachsenden Flusses von Menschen,
Karer -, und es wohl ganz unmöglich ist, für das Griechenland der frühhelladischen Waren und Ideen zu trennen, ist für die fragliche Epoche, wo uns sowieso jegliches
Epoche eine Bevölkerung anzunehmen, die der kleinasiatischen an der Schwelle vom statistische Material abgeht, natürlich unmöglich. Selbst der Anthropologe L. Angel
zweiten zum ersten Jahrtausend v. Chr. auch nur irgendwie genetisch äquivalent ist. kam endlich zu dem Schluß, daß die geistige Wechselwirkung unter Griechen für die
Etwas anders sieht es aus, wenn wir nach positiven Effekten der Rassenvermi Kulturblüte wichtiger als die genetische Heterogenität war.63
schung an sich fragen. Wie schon oben erwähnt, hat bereits Angel zwischen dem Mann kann also sagen, daß von den verschiedenen Varianten einer biologischen Er
»griechischen Wunder« und der ungewöhnlichen genetischen Heterogenität der grie klärung der besonderen Rolle der Griechen in der Menschheitsgeschichte keine wirk
chischen Bevölkerung einen kausalen Zusammenhang gesehen.59 Bekannt ist, daß bei lich befriedigend ist.
vielen Pflanzen- und Tierarten eine erhöhte Lebenstätigkeit der Hybriden festgestellt Vielfach wird behauptet, daß für die Entfaltung der griechischen Kultur die geogra
werden konnte: dasselbe läßt sich über eine Reihe von anthropometrischen Merkmalen phische Lage der Griechen, vor allem die der ionischen Kolonisten in Kleinasien,
auch für den Menschen feststellen. Der Mechanismus dieser Erscheinung, die Hetero- zwischen Ost und West, am Kreuzungspunkt der kulturellen Einflüsse, entscheidend
sis genannt wird, ist indessen den Biologen bis heute noch nicht ganz klar60, so daß war.64 Festzuhalten ist, daß schon die Griechen selbst die große Bedeutung der geogra
wir uns hier nicht auf eine schlüssig bewiesene Theorie, sondern nur auf Verallgemei phischen Lage für die gesellschaftliche Entwicklung erkannt haben65, obwohl sie sich
nerungen auf empirischer Basis stützen können. Nun hat die Untersuchung der Folgen deren Wirkungsweise natürlich oft sehr naiv vorgestellt haben. So schreibt etwa Ari
der Kreuzung von Vertretern weit voneinander entfernt liegender rassischer Gruppen stoteles, daß die Griechen in einem Klima leben, das eine Mittelstellung zwischen dem
keine Auswirkungen der Heterosis auf psychischem Gebiet ergeben.61 Ob es bei ver Nordeuropas und Asiens einnimmt, und daß die positive Auswirkung dieses Klimas
hältnismäßig geringem Unterschied des rassischen Genotyps in der psychischen Ent ihnen eine führende Rolle in der Welt gewährleistet (Arist. Pol. 1327 b 20 ff.; vgl. [PI.]
wicklung Heterosis gibt, ist in der Praxis sehr schwer nachzuweisen, man hat aber für Epin. 987d).66
die somatischen Merkmale, wo es leichter ist, den Einfluß genetischer Faktoren zu iso Nun hat die geographische Lage Griechenlands zweifellos eine gewisse Rolle ge
lieren, festgestellt, daß die Heterosis nicht bei einer maximalen Vermischung der Be spielt, wobei man viele positive Faktoren, unter anderem auch eine Reihe von wichti
völkerung, sondern bei einem bestimmten optimalen Niveau dieser Vermischung am gen Anleihen, konkret nachweisen kann. So mußte schon zur Bronzezeit die Mittella-
stärksten ist.62 Biologie und Psychologie können also auf die Frage nach einem mögli gc Griechenlands zwischen dem Kupferlieferanten Zypern und den Zinnlieferanten auf
chen Einfluß der Heterosis auf den kulturellen Umbmch in Griechenland keine ein dem Territorium der heutigen Tschechoslowakei, auf der Pyrenäenhalbinsel und den
deutigen Antworten geben. Britischen Inseln die Entwicklung der Bronzeproduktion und den Handel, darunter
Wir können unsererseits nur feststellen, daß die Rassenvermischung und überhaupt auch den Handel mit fernen Ländern, mächtig stimuliert haben.67 Die wichtigen und
die Exogamie, die Voraussetzung für die Heterosis ist, in der Menschheitsgeschichte, vielfältigen Einflüsse aus dem Osten während der Zeit des kulturellen Umbruchs, von
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