Table Of ContentNikolaus Schröck
Change Agents im strukturellen Dilemma
VS RESEARCH
Nikolaus Schröck
Change Agents
im strukturellen
Dilemma
Eine qualitativ-rekonstruktive
Studie zu Orientierungen
schulischer Steuergruppen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Sibylle Rahm
VS RESEARCH
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Dissertation Otto-Friedrich-Universität Bamberg,2009
1.Auflage 2009
Alle Rechte vorbehalten
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH,Wiesbaden 2009
Lektorat:Dorothee Koch /Dr.Tatjana Rollnik-Manke
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Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-531-17119-7
Geleitwort
Angesichts der Herausforderungen gesellschaftlichen Wandels sind Bildungsin-
stitutionen aufgefordert, unter Mobilisierung organisationseigener Ressourcen
Schulentwicklung zu betreiben. Nicht nur die Schulleitung, sondern auch schuli-
sche Steuergruppen müssen schulische Veränderungsmaßnahmen einleiten,
durchführen und evaluieren. Die unter Heranziehung vielfältiger Theorienhori-
zonte entwickelte Programmatik der Schulentwicklung unterstreicht die hohe
Bedeutung der Change Agents im schulischen Qualitätsentwicklungsprozess.
Die vorgelegte Studie von Herrn Dr. phil. Nikolaus Schröck unternimmt die the-
oretische Verortung des Steuergruppenkonzeptes sowie die empirische Untersu-
chung der Orientierungen von Steuergruppenmitgliedern. Die Erschließung theo-
retischer und empirischer Perspektiven auf Change Agents basiert auf gründlicher
Forschungsarbeit, die die Schulentwicklungsforschung durch das Aufmachen
begründeter Perspektiven für weitere Innovationen einen entscheidenden Schritt
voranbringt.
Der Verfasser entfaltet gesellschaftliche und bildungspolitische Begrün-
dungszusammenhänge, die auf die Notwendigkeit schulischen Wandels weisen.
Die systematische Qualitätsentwicklung der Einzelschule impliziert eine mikro-
politische Sicht auf Bildungsinstitutionen, die sich als lernende Einrichtungen
auf der Basis eigener Ressourcen weiterentwickeln sollen. Im Sinne einer geteil-
ten Führungsverantwortung sind nicht nur Schulleitungen, sondern auch das
mittlere Management aufgefordert, schulischen Wandel zu gestalten. In der deut-
schen Schulberatung gilt die Einrichtung von Steuergruppen als probates Mittel
einer Gestaltung lernender Schulen. Die Aufgaben der Steuergruppen sind kom-
plex und überlappen sich mit Tätigkeitsfeldern der Schulleitung. Die Schulbera-
tungsliteratur ist breit angelegt, doch liegen nur wenige Forschungsergebnisse zu
Modellen einer shared leadership vor. Vor allem der Steuergruppenansatz ist un-
zulänglich erforscht. Evaluationsforschung weist jedoch bereits auf Spannungs-
felder geteilter Führungsverantwortung. Theorieofferten, die heterogenen Theo-
riehorizonten entstammen, implizieren strukturelle Ungereimtheiten, die für
Change Agents schwierige Ausgangsbedingungen bedeuten.
6 Geleitwort
Die vorgelegte Studie unternimmt die empirische Untersuchung dieser Zu-
sammenhänge. Sie fragt nach Selbstauskünften der Change Agents zu ihrer Ver-
ortung in schulischen Strukturen und nach den Orientierungen der Steuergrup-
penmitglieder. Vorgenommen wird die Rekonstruktion kollektiver Orientierungen
von Steuergruppen, die sich mit komplexen Führungsaufgaben konfrontiert se-
hen. Das Gruppendiskussionsverfahren und die Interpretation der gewonnenen
Daten nach der dokumentarischen Methode werden in Anlehnung an Bohnsack
auf die entfaltete Fragestellung bezogen. Für die vorgelegte Forschungsfrage
bedeutsam ist die Unterscheidung von kommunikativ-generalisierendem, theo-
retischem Wissen auf der einen und dem handlungspraktischen, konjunktiven
Wissen auf der anderen Seite. Gerade im programmatisch aufgeladenen Bereich der
Schulentwicklung muss Forschung Tiefendimensionen der Handlungspraxis, die
den Akteuren nicht unbedingt reflexiv begrifflich zugänglich sein muss, erfassen,
um den Gegenstandsbereich umfassend zu erhellen. Als Ergebnis der komparati-
ven Analyse und der sich anschließenden sinngenetischen Typenbildung stellt
der Verfasser vier Idealtypen von Steuergruppen vor.
Die empirischen Forschungsergebnisse werden überzeugend u. a. in profes-
sionstheoretische Diskurse um Autonomie-Paritäts-Normen eingebunden. Diese
stellen für Steuergruppenarbeit eine nicht lösbare Herausforderung dar. Gleich-
zeitig dokumentieren die erhobenen Daten Unwägbarkeiten, die organisations-
und schulentwicklungstheoretisch explizit werden können. Die Diskussion der
gewonnenen Daten stellt einen bedeutsamen wissenschaftlichen Beitrag zur
Aufklärung innovativer Leitungsmodelle in der Schulentwicklung dar.
Prof. Dr. Sibylle Rahm
Vorwort
Schulen sind steigenden gesellschaftlichen Anforderungen ausgesetzt, sie sind
aufgefordert auf den sozialen Wandel zu reagieren. Von ihnen wird erwartet, auf
die gravierenden Mängel des Schulwesens zu reagieren, wie sie in den internati-
onalen Vergleichsstudien deutlich wurden. Als Lernende Organisation sollen
Schulen selbst aktiv werden und auf die Herausforderungen gestaltend eingehen.
Die Einzelschule wird somit zum Akteur der Schulentwicklung.
Damit Schulen dies leistet können, werden in Konzepten zu Schulentwick-
lung Steuergruppen empfohlen und in der Praxis eingerichtet. Steuergruppen sol-
len, als Change Agents agieren und das Zustandekommen und die Nachhaltigkeit
von Entscheidungen und ihre Umsetzung absichern und unterstützen.
Ausgangspunkt meines Interesse an schulischen Steuergruppen war die Be-
obachtung, dass Steuergruppen international zwar keine Rolle spielen, in der
Konzeptliteratur und der Praxis der Schulentwicklung in Deutschland aber zu ei-
nem zentralen Moment geworden sind. So wurde z. B. in einer Studie am IFS
Dortmund festgestellt, dass im Schuljahr 2004/05 40% der Sekundarlehrer
Deutschlands in Steuergruppen tätig waren. In der Praxis der Schulberatung
werden Steuergruppen mittlerweile wie selbstverständlich eingesetzt.
Die große Bedeutung, die Steuergruppen für den Schulentwicklungsprozess
zugeschrieben wird, steht im Widerspruch zum geringen Wissen über die Arbeit
von Steuergruppen. Die bislang vorliegenden Untersuchungen können die Dis-
krepanz zwischen der konzeptionellen Empfehlung, mit Steuergruppen zu arbei-
ten, und den Widersprüchlichkeiten im Alltag schulischer Steuergruppen nicht
aufklären. Die Spannungsfelder, in denen Steuergruppen arbeiten, sind empirisch
keineswegs hinlänglich erforscht. Sowohl aus inhaltlichen wie auch aus metho-
dischen Gesichtspunkten ergeben sich Desiderate: Zum einen erfassen die bishe-
rigen Forschungen nicht die Ebene der Handlungspraxis von Steuergruppen.
Zum anderen berücksichtigen die vorwiegend durchgeführten Einzelbefragungen
nicht den kollektiven Charakter von Schulentwicklungsprozessen im Allgemei-
nen und der Arbeit in Steuergruppen im Besonderen. Eine empirisch begründete
Erklärung der vorliegenden Befunde steht noch aus – wie kommt es beispiels-
weise, dass Steuergruppen irritieren?
8 Vorwort
Gegenstand meiner Studie ist die Handlungspraxis schulischer Steuergrup-
pen. Durch die Methodik sowohl in der Datenerhebung wie auch in der Daten-
auswertung wird dem kollektiven Charakter ihres Agierens Rechnung getragen.
Eine derartige Forschungsarbeit ist nicht ohne Unterstützung möglich, die
ich von vielen Seiten erfahren habe.
Ohne die Beteiligung der schulischen Akteure hätte die vorliegende Arbeit
gar nicht entstehen können. Deswegen gilt mein besonderer Dank zunächst den
Lehrkräften, die sich in Steuergruppen engagiert haben und die mir einen Ein-
blick in ihre Tätigkeit ermöglichten. Mein Dank gilt Schulleiterinnen und Schul-
leitern, die entweder selbst an einer Gruppendiskussion teilgenommen haben –
oder die Kontakte zu ihrer Steuergruppe hergestellt haben.
Herzlich bedanken möchte ich mich bei den beiden Betreuerinnen meiner
Arbeit, Prof. Dr. Sibylle Rahm und Prof. Dr. Annette Scheunpflug für ihre Be-
gleitung. Unterstützung habe ich zudem von Frau Prof. Dr. Barbara Asbrand er-
fahren, die maßgeblich an der Ausarbeitung des Forschungsdesigns beteiligt war.
Die Teilnahme an der Forschungswerkstatt von Prof. Dr. Ralf Bohnsack an
der Freien Universität Berlin legte die Grundlage zur Auswertung des empiri-
schen Materials. Ein herzlicher Dank gilt ebenso den Mitgliedern unserer univer-
sitätsübergreifenden Interpretationsgruppe Bamberg/Erlangen-Nürnberg. Insbe-
sondere meinen Kolleginnen Dr. Claudia Bergmüller von der Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Sigrid Zeitler von der Humboldt-
Universität zu Berlin möchte ich danken für die Diskussion in allen Phasen der
Arbeit. Für die beständige Ermutigung und Motivation danke ich meinem Kolle-
gen am Lehrstuhl für Schulpädagogik PD Dr. Roland Bätz. Dank auch an Hans
B. Schmid vom Pädagogischen Institut der Stadt Nürnberg für die Gespräche –
über Schulentwicklung im Allgemeinen und Steuergruppen im Besonderen.
Darüber hinaus haben mir weitere Kolleginnen und Kollegen ihre Zeit ge-
schenkt und mit mir meine Ergebnis immer wieder neu diskutiert oder Kontakte
zu Steuergruppen hergestellt. Ihnen sei allen herzlich gedankt.
Bei der Textkorrektur und der Formatierung der Arbeit haben mich Yvonne
Goldammer und Andreas N. Schubert unterstützt.
Schließlich danke ich ganz herzlich meiner Frau Elisabeth und meinem
Sohn Simon, für das stärkende familiäre Umfeld und die große Geduld und Un-
terstützung, die sie mir immer wieder haben zuteil werden lassen.
Nikolaus Schröck
Inhalt
1 Einführung..........................................................................................11
1.1 Problemhorizont der Untersuchung......................................................11
1.2 Diskussionskontext...............................................................................13
1.3 Steuergruppen im Praxisdiskurs............................................................16
1.4 Steuergruppen im Forschungsdiskurs...................................................19
1.5 Theoriemodelle zur Verortung von Steuergruppen...............................26
1.6 Forschungsdesiderat, Forschungsfrage und Forschungsdesign.............29
1.7 Aufbau der Arbeit.................................................................................31
2 Methodischer Ansatz der Studie........................................................33
2.1 Grundannahmen der qualitativen Forschung........................................33
2.2 Methodologische Grundlagen der dokumentarischen Methode
und des Gruppendiskussionsverfahrens................................................35
2.3 Zum Zusammenhang von Methode und Fragestellung.........................36
2.4 Das Gruppendiskussionsverfahren........................................................37
2.4.1 Abgrenzung zu Gruppenbefragung, Gruppeninterview und
Gruppengespräch..................................................................................38
2.4.2 Grundzüge des Gruppendiskussionsverfahrens....................................38
2.5 Die Interpretation nach der dokumentarischen Methode......................46
2.5.1 Formulierende Interpretation................................................................47
2.5.2 Reflektierende Interpretation und Diskursanalyse................................48
2.5.3 Komparative Analyse und Typenbildung.............................................54
2.6 Zur Auswahl des Samples.....................................................................56
3 Darstellung der empirischen Ergebnisse..........................................59
3.1 Kurzportraits der empirischen Demonstrationsfälle.............................59
3.2 Diskursbeschreibungen der empirischen Demonstrationsfälle.............62
3.2.1 Die Gruppe Weizen..............................................................................62
3.2.2 Die Gruppe Gerste................................................................................76
3.2.3 Die Gruppe Mais.................................................................................102
3.2.4 Die Gruppe Roggen............................................................................122
3.2.5 Die Gruppe Hirse................................................................................136
10 Inhalt
4 Typenbildung....................................................................................153
4.1 Typ 1: Agieren im Modus der Abarbeitung........................................154
4.2 Typ 2: Agieren im Modus von schulentwicklerischer
Deutungshoheit...................................................................................155
4.3 Typ 3: Agieren im Modus der Nebenregierung..................................156
4.4 Typ 4: Agieren im Modus aufgabenorientierter Professionalität........158
4.5 Steuergruppentypen im Überblick......................................................159
5 Diskussion der Ergebnisse................................................................161
5.1 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse..................................161
5.1.1 Steuergruppen und die Hierarchiestruktur von Schulen.....................162
5.1.2 Auswirkungen der Hierarchieproblematik..........................................163
5.1.3 Umgang der Steuergruppen mit dem Hierarchiedilemma...................165
5.2 Theorieperspektiven auf die Ergebnisse.............................................165
5.2.1 Steuergruppen und die Autonomie von Lehrkräften...........................165
5.2.2 Steuergruppen und organisationale Konfliktpotentiale.......................168
5.2.3 Steuergruppen und die Struktur der Schule........................................169
5.3 Hypothesen zu Steuergruppen als Innovation in der Schule...............171
6 Ausblick.............................................................................................179
6.1 Anregungen für die Praxis..................................................................179
6.2 Anregungen für die weitere Forschung...............................................181
6.3 Anregungen für die Theoriearbeit.......................................................182
7 Literaturverzeichnis.........................................................................185