Table Of ContentFranz Decker · Robert Maier
Betriebliche
Mitarbeiterbildung
Dec:ker I Maier
Betriebliche Mitarbeiterbildung
Prof. Dr. Franz Decker I Dipl.-Kfm. Robert Maier
Betriebliche Mitarbeiterbildung
Einführung in die Berufspädagogik und -didaktik
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-409-38181-9 ISBN 978-3-663-13766-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-13766-5
Copyright by Springer Fachmedien Wiesbaden 1976
Ursprünglich erschienen bei Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden 1976
Vorwort
Die betriebliche Mitarbeiterbildung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Einerseits regte
die Ausbilder-Eignungsverordnung vom 20. April 1972 bei den Ausbildern in der Wirt
schaft eine Beschäftigung mit arbeits-und berufs-pädagogischen sowie -didaktischen Pro
blemen an. Zum anderen erkennen die Wirtschaftsunternehmen die zunehmende Bedeu
tung der Aus-, Fort-und Weiterbildung fiir die personale und ökonomische Entwicklung.
Wissenschaftlich begründete, praktikable Modelle fiir eine zielorientierte, systematische,
betriebliche Mitarbeiterbildung sind jedoch bisher kaum entwickelt worden. Häufig
fehlen dazu bei vielen Ausbildern noch die notwendigen Kenntnisse, vor allem aus dem
Bereich der Arbeits-und Berufsdidaktik Die Entwicklung eines betriebsspezifischen Aus
bildungsplanes bzw. eines Curriculums fur die Mitarbeiterbildung macht große Schwierig
keiten. Praxis und Theorie sind nicht genügend auf diese Aufgabe vorbereitet. Diesen
arbeits- und berufsdidaktischen Engpaß will das vorliegende Buch überwinden helfen,
indem es ein Lernsystem für die verschiedensten Stufen der Aus-, Fort- und Weiterbil
dung mit seinen pädagogisch-didaktischen, psychologischeq, lerntheoretischen, organi
satorischen und rechtlichen Aspekten entwickelt. Es legt damit die Basis für eine Mit
arbeiterbildung aus "einem Guß", gibt Hilfen fiir eine Unterweisung am Arbeitsplatz
sowie für Schulungen, entwickelt Ziele und Lernplanungen fiir unterschiedliche Qualifi
zierungeri und Voraussetzungen. Ein solches systemorientiertes arbeits-und berufsdidak
tisches Konzept wird bis zur praktischen Einsetzbarkeit, bis zur Realisierungsphase im
Betrieb erarbeitet. Das Buch entwickelt ein Modell fiir die betriebliche Mitarbeiterbil
dung, welches den theoretischen Ansatz mit der Realität der Praxis verbindet. Ein sol
ches begründetes und praktisch erprobtes Lernziel-orientiertes Mitarbeiterbildungskon
zept fehlte bisher auf dem deutschen Buchmarkt.
Die beiden Autoren haben das Buch aus angewandter theoretischer Arbeit und Ausbil
derpraxis fiir betriebliche Ausbilder, Führungskräfte mit Ausbilderfunktion, Nachwuc~
kräfte der Wirtschaft, fiir Mitarbeiter, Referenten, Lehrer an beruflichen Schulen, fiir
Studenten der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie fiir alle an beruflicher Aus-, Fort
und Weiterbildung Interessierte geschrieben.
F. Decker, R Maier
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Notwendigkeit einer Didaktik der Mitarbeiterbildung 7
1. Bildung als unternehmenscher Engpaß . . . 7
2. Begriff und Struktur der Mitarbeiterbildung 7
3. Aufgaben der Berufs-und Wirtschaftsdidaktik 11
Lernen in wirtschaftlich-beruflichen Situationen 17
1. Lehren und Lernen in der Wirtschaft 17
1.1 Was bedeutet Lernen? 17
1.2 Was bedeutet Lehren? 20
1.3 Lernsituation, Lernprozeß 23
2. Typische Lernvorgänge in wirtschaftlichen Situationen 26
2.1 Funktionales und intentionales Lernen 26
2.2 Individuelles und Gruppenlernen 26
Grundlagen der Unterrichts-und Unterweisungsplanung 29
1. Planung und Lernprozeß 29
2. Struktur und Aufbau einer Unterrichtseinheit im Rahmen der betrieblichen
Mitarbeiterbildung . . . . . . 31
2.1 Didaktische Strukturierung 32
2.1.1 Sachanalyse 32
2.1.2 Didaktische Analyse . 33
2.1.3 Planung des Unterrichtsverlaufs 35
2.1.4 Planungsbeispiele . . . . . . 38
3. Rechtliche und organisatorische, berufs- und betriebsspezifische Grundla-
gen . . . . . . . . . . . . . 47
3.1 Ausbildungsordnung 47
3.1.1 Ausbildungsberufsbild 48
3.1.2 Ausbildungsrahmenplan 50
3.1.3 Innerbetrieblicher Ausbildungsplan 54
3.1.4 Betriebliches Curriculum . . 56
3.1.5 Betrieblicher Versetzungsplan 57
3.1.6 Prüfungsanforderungen 60
3.2 Betriebliche Laufbahnen 61
3.2.1 Grundsätzliche Bedeutung 61
3.2.2 Beispiel fur eine Laufbahnplanung 62
3.2.3 Quantitative und organisatorische Überlegungen 65
4. Modell zur Planung eines Curriculums fur die Mitarbeiterbildung 71
4.1 Felder der Mitarbeiterbildungs-Planung . . . . . . . . . . 71
4.2 Basisplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.2.1 Analyse und Planung der bildungspolitischen Bedingungen im
Unternehmen dargestellt an einem Beispiel ......... . 75
4.2.2 Planung der didaktischen Planung (Curriculare Organisationspla-
nung) .......................... . 93
Zielkonzeption flir eine Didaktik der Mitarbeiterbildung 107
1. Zielorientierte Mitarbeiterbildung 107
1.1 Begründung einer Zielorientierung . . . . . 107
1.2 Konstitutive Merkmale der Mitarbeiterbildungsziele 108
1.3 Zielbereiche und Zielebenen . . . 109
1.4 Zielorientierung im Planungssystem 111
2. Zielsystem der betrieblichen Mitarbeiterschulung 112
2.1 Grundlagen der systemorientierten Mitarbeiterschulung 114
2.2 Obergeordnete Ziel-Antinomien . . . . . . . . . . . 118
2.2.1 Wirtschaftsdidaktische Imperative der Zielvereinbarung 118
2.2.2 ökonomische und soziale Ziele . . . 120
2.2.2.1 ökonomische Ziele 120
2.2.2.2 Anthropologisch-soziale Ziele 122
2.2.2.3 Ziel-Antinomie zwischen ökonomischen und anthropolo-
gisch-sozialen Zielen 122
3. Inhalts-und Zielbereiche der Mitarbeiterbildung 125
3.1 Lernbereiche der Mitarbeiterbildung 125
3.2 Obergeordnete Leitziele fur die einzelnen Lernbereiche 128
3.3 Didaktische Vorüberlegungen zur Lernzielformulierung 153
3.3 .1 Zur Zielorientierung . . . . . . . . . . . 153
3.3.2 Zu den Lernbereichen . . . . . . . . . . 153
3.3.3 Didaktische Prinzipien bei der Stoffauswahl 155
3.3.4 Problem-und Situationsorientierung 159
3.3.5 Berücksichtigung der aktiven Lernmethoden 159
4. Ableitung von Lernzielen in der Mitarbeiterbildung 160
4.1 Die Bedeutung der Lernzielformulierung 160
4.2 Phasen der Lernzielableitung . . . . . 166
4.3 Trainingsprogramm zur Lernzielformulierung 169
4.3 .1 Begriff der Lernziele . . . . . 169
4.3.2 Abstraktionsniveau der Lernziele 172
4.3.3 Strukturierung der Inhalte . 174
4.3.4.Formulierung von Feinzielen 176
4.3.5 lLernzielbierarctrie . 183
4.3 .6 lLernzielniveaustufen 197
5. Richt- und Grobziele zu den einzelnen Lernbereichen 200
Gestaltung des Unterrichts in der betrieblichen Mitarbeiterbildung 221
1. Methoden in der Mitarbeiterbildung 221
2. In der Praxis verwendete Ausbildungsmittel 227
Anhang ................. · · 229
Notwendigkeit einer Didaktik
der Mitarbeiterbildung
1. Bildung als unternehmerischer Engpaß
Die wichtigsten Veränderungen, die sich für die Zukunft des Menschen aus der indu
striellen Evolution ergeben, betreffen die Bildung. Die Bildungsfrage wird individuell und
gesellschaftlich zur "sozialen Frage" der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Individuell
bedeutet ein höherer Bildungsgrad, stärkere innere Bereicherung, größere Unabhängigkeit
und Eigeninitiative, stärkere Sachmotivierung und freiwilliges Lernen, bessere berufliche
Positionen und materielle Sicherheit. Gesellschaftlich bedeutet Bildung: Befreiung von
gesellschaftlichen Schranken und Zwängen.
Auch fiir die sich ständig den neuen ökonomischen, sozialen und technischen Verände
rungen anpassenden Unternehmungen wird Bildung, d. h. der Bildungsgrad, das Geist
kapital der Mitarbeiter in Zukunft zum entscheidenden Produktionsfaktor. ·Das ent
scheidende Unternehmerische Interesse war und ist immer auf den jeweils "knappsten"
Produktionsfaktor, auf den unternehmerischen Engpaßfaktor konzentriert. Deshalb galt
die Aufmerksamkeit der Wissenschaft sowie der Wirtschaftspraktiker seit Beginn des
industriellen Ausbaus zunächst den Rohstoffen, dann dem Kapital und der Technik
sowie dem Marketing und in Zukunft der Qualität des arbeitenden Menschen. "Die These
Peter R. Hofstätters von der Dominanzrolle des Mangels fmdet hier im Bereich der
Wirtschaft eine Parallele. "1) Damit rückt die Aus-, Fort- und Wyiterbildung in das
Zentrum der Unternehmerischen Aktivitäten.
2. Begriff und Struktur der Mitarbeiterbildung
Wenn wir in undifferenzierter Weise zuerst von Mitarbeiterbildung sprechen, so werden
darunter alle Bildungs-Aktivitäten der Unternehmung verstanden, die das Ziel verfolgen,
die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter zu verbessern. Im Einzelnen versteht
man darunter die unternehmungsinterne Aus-, Fort-und Weiterbildung, die Planung und
Durchführung der irmerbetrieblichen Aufstiegs-und Fördermöglichkeiten sowie die Maß
nahmen, die man als management developmentl) bezeichnet. Trotz der unterschied
lichen konzeptionellen Ansätze und Zielvorstellungen für diese verschiedenen Formen
1) F. Decker, Die "Entdeckung des Menschen". Die Stellung des Menschen in den Wirtschafts-und
Sozialwissenschaften, in: Die neue Ordnung, H. 3, Paderbom 1967, S. 179.
2) Vgl. D. R. Rockola, management development. Grundlagen und Methoden der innerbetrieblichen
Förderung von Führungskräften in den USA, Diss. München 1961, S. 48.
8 Notwendigkeit einer Didaktik
der Mitarbeiterbildung verfolgen alle gemeinsam das Ziel, das Qualillkationsniveau der
Mitarbeiter im Interesse der persönlichen Bildung und der Unternehmungsaufgabe zu
heben. 3)
In diesem Zusammenhang interessieren hier nur die betriebliche Fort- und Weiterbildung.
Neben die traditionellen Formen der Unternehmerischen Fortbildung und Aufstiegs
förderung im Rahmen der betrieblichen Karriere- und Nachwuchsplanung tritt die
Weiterbildung als eine Art "Anpassungsausbildung" 4), als ein Prospektiv- und Inno
vationstraining, um die immer schneller fließenden neuen Informationen und Erkennt
nisse zu sammeln, zu ordnen, zu werten und anzuwenden; aber auch um gegenzusteuern
bzw. unternehmensehe Aktivitäten anzupassen. Die Wissens- und Fähigkeitskomplexe
veraltern immer schneller und zwingen zur Reaktion. 5) Folgende Zusammenstellung
zeigt die Unterschiede zwischen Fort-und Weiterbildung auf. 6) .
Während sich die betriebliche Fortbildung bzw. Aufstiegsförderung an speziellen Ziel
gruppen in der Unternehmung wendet, e~streckt sich die Weiterbildung auf alle Mitar
peiter und alle hierarchischen Stufen, weil die sozialökonomischen Veränderungen, die
neuen Erkenntnisse in Wissenschaft und Unternehmungspraxis fli,r alle im Unternehmen
Beschäftigte Folgerungen ftir die Arbeitsaufgabe mitbringen.
Eine effektive Fort- und Weiterbildung geht von einigen Voraussetzungen aus: Daß
sich das geistige Potential an Kenntnissen und Fähigkeiten, das Know how der Unter
nehmung durch die Verbesserung des Qualifikationsniveaus und der Kooperations
fähigkeit der Mitarbeiter erhält bzw. vergrößert, um so die marktliehe und innerbe
triebliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. Der unternehmensehe Erfolg ist dann nur
ein Spiegelbild des Geistkapitals der Mitarbeiter. 7)
die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitarbeiter zum permanenten Lernen, zur stän
digen Reflexion von neuen Erkenntnissen vorhanden ist bzw. durch eine Art von
"Bildungsmarketing" geweckt werden kann. 8)
die Fähigkeit zu wissenschaftlichem, kritischen und dispositiven Denken, zur Anwen
dung neuer Methoden und instrumentalem Wissen erlernbar ist. Darüber hinaus setzt
die moderne Mitarbeiterbildung
die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, zur rationalen Lösung von Konflikten 9) voraus
und hat
neben den qualitativen Voraussetzungen gleichzeitig auch die quantitativen lmpli
kationen durch eine systematische und permanente Mitarbeiterschulung zu berück
sichtigen.
Sie erfolgt im Kontext der Personalentwicklung und Personalplanung. Dadurch können
die Ziele der Unternehmung und die Lernziele der einzelnen Mitarbeiter sinnvoll auf-
3) Vgl. D. v. Eckardstein, F. Schnellinger, Betriebliche Personalpolitik, München 1973, S. 199.
4) Ders., ebenda, S. 199.
5) A. Marx, Die berufliche Aus- und Fortbildung im Zeichen der technischen und wirtschaftlichen
Entwicklung, in: Verantwortliche Betriebsftihrung, hrsg. von E. Gaugler, Stuttgart 1969, S. 235.
6) Siehe S. 9.
7) Vgl. J. K. Galbraith, Die moderne lndustriegesellschaft, München und Zürich 1968, S. 73 ff.
8) W. D. Halwa, Ist Management-Schulung effizient? , in: Die Industrie, Wien Nr. 48, vorn
s.
30.11.1973, 27.
9) Vgl. W. Krüger, Grundlagen, Problerne und Instrumente der Konflikthandlung in der Unterneh
mung, Berlin 1972.