Table Of Content3
1
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2
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T
K
A
P
M
O
K
n
e
s
y
l
a
n
A
-
R
S
B
B
Vorsorge gegen Beeinträchtigungen des Bodens
Der Sachstand im Kontext
Bodenschutz
Boden ist neben Wasser und Luft die Lebensgrundlage. Zwischen Schlag-
wörtern wie Nachhaltigkeit, Flächeninanspruchnahme und Ressourcenschutz
im baulichen Umfeld
scheint jedoch der Schutz des Umweltmediums Boden mit seinen natürlichen
Funktionen getrübt. Gerade im Umfeld und im Zuge von Baumaßnahmen
werden große Massen an Boden unterschiedlich beansprucht. Hier lohnt es,
genauer hinzusehen.
n Boden – im fachlichen Umfeld
Spezialisten betrachten und bewerten Boden
je nach Fachbereich unterschiedlich
n Boden – was ist das?
Zusammensetzung, Aufbau und Funktionen von Boden
n Boden – im rechtlichen Kontext
Das Bodenschutzrecht setzt sich aus einer Vielzahl
rechtlicher Regelungen zusammen
n Boden – im Bauablauf
Boden kann vielfältig vorsorgend geschützt werden
n Fazit
22 Bodenschutz im baulicBhoedne Unmscfehludt z| iBmo dbeanu l–ic ihme nfa Uchmlifcehlde n| VKoornwteoxrtt
Vorwort
Nehmen wir Boden wahr, so sehen wir tatsächlich nur seine Oberfläche, die in
der Regel bewachsen oder bebaut ist. Boden hat wichtige Funktionen im Ökosy-
stem: als Filter, Speicher und Puffer. Das ist uns im Alltag selten bewusst. Wird
beim Bau in den Boden eingegriffen, so geht es zumeist um technische Aspekte.
Die zu schützenden Bodenfunktionen werden vor allem durch mechanische
Einwirkungen beeinträchtigt. Auf Baustellen geschieht dies vorrangig durch
Verdichtung und Bodenumlagerung. 33
11
00
22
Während die Land- und Forstwirtschaft den Bodenschutz weitreichend in die 8/8/
00
Arbeitsabläufe integriert hat, geht es im Baubereich noch zögerlich voran. Ein T T
KK
Hindernis sind die verschiedenen Blickwinkel und Interessen der Akteure am AA
PP
Bau. MM
OO
KK
n n
Diese Broschüre begrenzt sich auf mechanische Bodenbeeinträchtigungen im ee
Autorin ss
baulichen Umfeld. Sie wirft die Frage auf, ob Boden im Zuge von Baumaßnah- yy
alal
Bettina Stock men ausreichend geschützt wird und gibt Lösungsansätze. Ziel ist es, damit eine nn
AA
Architektin konstruktive Diskussion zu fördern. R-R-
SS
Dipl.-Umweltwissenschaftlerin BB
Referat II 6 So wünsche ich, dass die Broschüre eine hilfreiche Unterstützung sein wird auf BB
Bauen und Umwelt dem Weg zu einer bodenschonenden Bautätigkeit.
Mit herzlichem Gruß, Ihr
(Direktor und Professor Harald Herrmann)
Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – im fachlichen Kontext 3
Boden – im fachlichen Kontext
Spezialisten betrachten und bewerten Boden je nach
Fachbereich unterschiedlich
Boden ist wesentlicher Teil des Bodennutzung beim Bau Gerade in Siedlungsbereichen
Ökosystems und unterliegt übernehmen naturnahe Areale
mannigfachen Beeinflussungen Der Boden wird im Umfeld von Kompensationsfunktionen. Dies gilt
durch unterschiedlichste anthro- Baumaßnahmen betrachtet. Dabei ist kontinuierlich für siedlungsbedingte
3 pogen bedingte Eingriffe. Es gibt zu unterscheiden zwischen Boden, Verunreinigungen, im Einzelfall auch
1
0 eine Vielzahl von Ansätzen, Boden welcher für bauliche Zwecke ver- für wetterbedingte Extremereignisse.
2
/
8 je nach Fachbereich zu betrachten, wendet wird und dem, der weiterhin Boden wirkt speichernd und puffernd
0
T zu bewerten und zu systematisie- möglichst natürliche Funktionen bei Starkregen- und Hochwasser-
K
A ren. Wenn wir über Maßnahmen übernehmen soll. vorkommen und beeinflusst die
P
M zum vorsorgenden Bodenschutz Grundwasserneubildung positiv. Bei
O
K diskutieren wollen, müssen wir alle Ersterer dient als Baugrund oder Hitzeperioden übernimmt natürlich
n
e Ansätze im Blick behalten. Baustoff (z. B. Wälle und Dämme) und genutzter Boden merkliche Kühlfunk-
s
y ist in der Regel hoch zu verdichten. Er tionen.
l
a
n muss bodenmechanischen Anforde-
A
- rungen genügen. Seine natürlichen Nicht bautechnisch genutzter Boden
R
S
B Eigenschaften, insbesondere Spei- im baulichen Umfeld übernimmt damit
B
cher und Filterfunktionen, werden wichtige ökologische Funktionen und
dadurch weitgehend begrenzt. sollte auch deshalb vor Gefügeschä-
den, insbesondere vor Verdichtung,
Der übrige Bodenanteil im Umfeld geschützt werden. Die Relevanz
der Bauwerke soll aber weiterhin dieser Forderung wird durch die im
möglichst umfassend natürlichen Folgenden beschriebene Statistik zur
Zwecken dienen und für Grün- sogenannten Flächeninanspruchnah-
oder Gartenanlagen oder auch für me deutlich (siehe Abb. 1).
landwirtschaftliche Flächen genutzt
werden. Struktur und insbesondere
Flächeninanspruch-
Porenanteil und Porenkontinuität des
Bodens sind zu erhalten bzw. wieder- nahme
herzustellen.
Eine Reduzierung der Flächenneu-
inanspruchnahme wird häufig gleich-
Nutzung des Bodens als baulichen Untergrund und zu natürlichen Zwecken gesetzt mit Bodenschutz im weitesten
am Beispiel des Bundesamts für Naturschutz (BfN), Bonn
Sinn. Das Bundesamt für Naturschutz
definiert Flächeninanspruchnahme
als „Indikator, der Auskunft gibt
über die Beeinträchtigung der bio-
logischen Vielfalt durch Flächen-
inanspruchnahme für Siedlungs- und
Verkehrszwecke (SuV)“ (BfN 2010).
Der Boden wird dabei nur indirekt
angesprochen.
Statistiken des Statistischen Bundes-
amts zur Flächeninanspruchnahme
unterteilen die Bodenflächennutzung
in Gebäude- und Freifläche, Betriebs-
fläche, Verkehrsfläche, Erholungs-
fläche und Friedhöfe. Diese Flächen
dürfen nicht gleichgesetzt werden
Foto: BBSR mit versiegelten Flächen, da die
4 Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – im fachlichen Kontext
Abbildung 1
Siedlungs- und Verkehrsfläche einen
erheblichen Anteil unbebauter und Flächennutzungsanteile in Deutschland (Daten des Statistischen Bundesamts, Stand 2008)
nicht versiegelter Flächen umfasst.
Dieser liegt derzeit bei über 50 % der
Wasserfläche
Sonstige Flächen
SuV-Fläche. In der Summe macht das 2,3 %
2,4 %
über 6 % der Gesamtfläche Deutsch-
lands aus und entspricht in etwa Waldfläche
der Ausdehnung des Bundeslandes 29,5 %
Hessen (Destatis: 2009).
Landwirtschaftsfläche
In diesen unbefestigten Bereichen 53,5 %
zwischen bebauter und versiegelter 3
1
Fläche sollen die oben angeführten 0
2
natürlichen Funktionen des Bodens Siedlungs- und Verkehrsfläche 8/
0
auch nach Baudurchführung so weit 12,3 % T
K
wie möglich erhalten bleiben. Dies A
Quelle: Eigene Darstellung, BBSR P
ist auch eine Forderung im Bundes- M
O
Bodenschutzgesetz (BBodSchG, § 1). K
n
In der Regel werden diese Flächen- e
s
anteile für Bauzwecke unbedacht y
l
a
mitgenutzt und der dort befindliche n
A
Boden geschädigt. Er könnte bei Zusätzlich zu den genannten SuV- Unterstützung von Bodenkundlichen -
R
S
besonnenem Handeln weitgehend Flächen werden auch erhebliche Baubegleitern (BBB) seit längerer
B
geschont werden (siehe auch S. 15). Anteile im Außenbereich baulich Zeit vorbildhaft bemüht, Bodenbe- B
beansprucht. Hier rücken derzeit einträchtigungen möglichst gering
besonders Baumaßnahmen zur zu halten. Dabei wurden wertvolle
Gewinnung Regenerativer Energien Erfahrungen im schonungsvollen Um-
in den Blick. gang mit Boden bei Baumaßnahmen
gesammelt.
Stark beeinträchtigter Boden nach Bau einer
Solarstromanlage auf ehemals landwirtschaftlich Regenerative Energien
genutzter Fläche Auch im Innenbereich werden Boden-
strukturen z. B. durch Einbauten für
Während man im Innen- und oberflächennahe Geothermie negativ
Verkehrsbereich (SuV-Fläche) die verändert oder gar zerstört. So werden
Flächeninanspruchnahme auch als in die Unterbodenschicht Heizkörbe
indirekten Indikator für den Boden- und -schlangen eingebaut und für ei-
schutz verwendet, gehen Bauprojekte nen guten Kontakt zwischen Rohr und
des Außenbereiches nur bedingt Boden wird der Boden häufig mit Was-
in die Statistik ein. Bodennutzung ser eingeschlämmt. Das Bodengefüge
und Beeinträchtigungen werden in ist damit zerstört. Wird die Anlage in
diesem Zusammenhang derzeit nicht Betrieb genommen, verändert sich
berücksichtigt. Werden Windkraft- zusätzlich das natürliche Bodenklima
und Solaranlagen auf ehemals und damit auch der Lebensraum der
Neu erstellte Zufahrt für eine Windkraftanlage
landwirtschaftlicher Nutzfläche Bodenorganismen. Die natürlichen
gebaut, bedeutet das immer einen Bodenprozesse werden gestört.
Bodenverlust und massive Boden-
beeinträchtigungen. Diese gehen in Wird der Einbau von Geothermiean-
keine Statistik ein. lagen in den Boden oder der Bau von
Windkraft- oder Solaranlagen auf na-
Gleiches gilt grundsätzlich auch turnaher Fläche in Betracht gezogen,
für den ober- und unterirdischen sollten die dadurch bedingten Beein-
Leitungsbau über Land und auch trächtigungen des Bodens abgewo-
quer über landwirtschaftlich genutzte gen und ebenso die Auswirkungen
Flächen. Beim Leitungsbau sind En- auf Bodenökologie und Vegetation
ergieunternehmen in Kooperation mit berücksichtigt werden. Ein solches
Fotos: BBSR den betroffenen Landwirten und mit Projekt sollte nicht nur aus Sicht der
Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – im fachlichen Kontext 5
Abbildung 2 Qualität der Nachhaltigkeit – Hauptkriteriengruppe
Primärenergieeinsparung, sondern
im Gesamtkontext ökologisch sinnvoll
und nachhaltig sein.
Nachhaltigkeits
bewertung
Soziokulturelle
Die ursprüngliche Verwendung des Ökologische Ökonomische
und funktionale
Begriffes Nachhaltigkeit ist auf eine Qualität Qualität
Qualität
Wirtschaftsmethode im Forstwesen
3 zurückzuführen. Ziel nachhaltigen
1
0 Handelns war dort, Ressourcen nicht
2
/
08 über deren eigene Regenerations Technische Qualität
T möglichkeit hinaus zu beanspruchen.
K
A
Boden entsteht in erdzeitlichen
P Prozessqualität
M Maßstäben. Er gilt daher als nicht-
O
K nachwachsende Ressource. Diese
n Standortmerkmale
e Tatsache verpflichtet unter oben ge
ys nannter Nachhaltigkeitsbetrachtung Quelle: www.nachhaltigesbauen.de
l
a
n zu einer besonders schonungsvollen
A
- und ressourcensparenden Nutzung
R
S
B des Gutes Boden. vor chemischen Verunreinigungen BBodSchG behandelt und
B
Boden und Vegetation auch „vor „[s]chädigende mechanische Ein
Mit wissenschaftlicher Begleitung schädlichen mechanischen Einflüs flüsse auf den Boden, die aus der
des BBSR hat das BMVBS das sen geschützt (werden). Schädliche Bodenbearbeitung resultieren – wie
Bewertungssystem Nachhaltiges mechanische Einflüsse sind z. B. unnötige Verdichtung und Ver
Bauen für Bundesgebäude (BNB) unnötige Verdichtungen oder eine mischung von unterschiedlichen
und BNB-Außenanlagen erstellt. Das Vermischung von unterschiedlichen Bodenschichten, Bodenarbeiten im
System hat seine eigenen Maßstäbe Bodenschichten.“ Diese Formulie ungeeigneten (z. B. nassen) Zustand“
und stützt seine Bewertungskriterien rung lässt noch breiten Spielraum für vermieden wurden.
auf die drei Säulen: Interpretation. Die Schutzmaßnah
men gehen zu weniger als ein Prozent Vorsorge vor Verdichtung und Vermi
n Ökologische Qualität in die Bewertung ein. schung wird also gefordert, geht aber
n Ökonomische Qualität als einer von vier weiteren Bewer
n Soziokulturelle Qualität Darüber hinaus wird aber auf die tungsmaßstäben nur nachgeordnet in
Schweizer Broschüre „Für einen die Bewertung ein.
Im Querschnitt werden folgende wirksamen Bodenschutz im Hoch
Punkte betrachtet: bau – Tipps und Richtlinien für die In der Gesamtbetrachtung wird
Planung“ der Aktion „Bodenschutz deutlich, dass Bodenschutz in der
n Technische Qualität
lohnt sich“ der Bodenschutzfachstel Nachhaltigkeitsbewertung durchaus
n Prozessqualität
len der Kantone und des Schweizer ein Aspekt ist. In der Summe fällt
n Standortqualität
Bundesamtes für Umwelt (BAFU) er jedoch aufgrund des geringen
Im Bewertungssystem Nachhaltiges hingewiesen.2 Bewertungsfaktors und der verall
Bauen, z. B. für Neubau Büro- und gemeinerten Beschreibung kaum ins
Verwaltungsgebäude, wird der Im Bewertungssystem Nachhaltiges Gewicht.
Bodenschutz aus nichtstofflicher Bauen für Außenanlagen fließt
Sicht lediglich unter dem Aspekt des Boden im Bewertungskriterium
Flächenrecyclings berücksichtigt.1 „Ökologische Qualität“ nur unter dem
Aspekt der Flächennutzung in die
In der Querschnittsbetrachtung Gesamtbewertung ein.3 In der Quer
(1) Vgl. 1.2.4 Ökologische Qualität > Ressourcen
„Prozessquallität“ wird in einem schnittsbetrachtung „Prozessquali
inanspruchnahme > Flächeninanspruchnahme
nachgeordneten Unterpunkt tät“ wird die Bodenbeeinträchtigung (2) Vgl. 5.2.1 Prozessqualität > Bauausführung >
Baustelle/Bauausführung
„4. Bodenschutz“ im Rahmen der beim Bau behandelt.4 Mit minde- (3) Vgl. 1.2.2 Ökologische Qualität > Ressourcen
Bewertung die Punktehöchstzahl stens Qualitätsstufe 2 von 3 wird be inanspruchnahme > Boden
(4) Vgl. 5.2.1 Prozessqualität > Bauausführung >
vergeben, wenn neben dem Schutz wertet, wenn Kontaminat ionen nach Baustelle/Bauausführung
6 Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – im fachlichen Kontext
Ressourcenschutz Abbildung 3
Abfallaufkommen 2009
Siedlungsabfälle
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz 15 %
(KrWG) fordert in § 1, „die Kreislauf
wirtschaft zur Schonung der natür
Abfälle aus Produktion
lichen Ressourcen zu fördern und Bau- und und Gewerbe
den Schutz von Mensch und Umwelt Abbruchabfälle 16 %
58 %
bei der Erzeugung und Bewirtschaf
tung von Abfällen sicherzustellen.“
Laut Abfallstatistik macht Boden
aushub als Anteil der Bauabfälle Abfälle aus Gewinnung
einen beachtenswerten Anteil von und Behandlung von 3
Bodenschätzen 1
nahezu einem Drittel des Gesamtab 11 % 20
/
fallaufkommens aus (2010: 105,7 Mio. 8
0
Tonnen ohne Bergbau) (ARGE KWTB T
Quelle: Destatis 2011 K
2010) (vgl. Abb. 3 und 4). Sicher muss A
P
man die Statistik genau betrach Abbildung 4 M
O
ten, um ihre konkrete Aussage zu K
Bau- und Abbruchabfälle 2010 n
bewerten. Grundsätzlich ist jedoch e
s
laut den Erläuterungen zur Umwelt- Straßenaufbruch
y
l
14,1 Mio. t
a
statistischen Erhebung zu beachten, n
A
dass ein unmittelbarer Nachweis -
R
S
der Abfallvermeidung statistisch Boden und Steine Bauschutt B
nicht möglich sei und dass verschie 105,7 Mio. t 53,1 Mio. t B
dene Abfallstatistiken durchgeführt
werden, um die Ziele messbar zu ma
chen, insbesondere Erhebungen über
die Abfallentsorgung, die Abfallerzeu
gung und den Nachweis bestimmter
Abfälle (Destatis 2012).
Baustellenabfälle
13,5 Mio. t
Hier werden die ermittelten statis
tischen Werte bezüglich Baumaß Quelle: Kreislaufwirtschaft Bau 2013
nahmen betrachtet: „Der Einsatz
von Bodenaushub, Bauschutt und
Straßenaufbruch bei Bau- und
Rekultivierungsmaßnahmen der Auch wenn ein großer Teil des zerstört sind durch Schadstoffeintrag
öffentlichen Hand wurde bis 2003 sen wieder als Boden natürlichen oder auch durch mechanische Beein
ebenfalls st atistisch e rfasst un d Zwecken zugeführt werden kann, so trächtigung.
zum Abfallaufkommen gezählt. Die bedingt jeder Bodenaushub, -trans
Rechtsgrundlage für diese Erhebung port und Wiedereinbau eine Beein Der Rechtsbegriff „Abfall“ und die
ist 2005 entfallen“ (Destatis 2011). trächtigung der Bodenstrukturen und Verwendung des Begriffes für die
Bodenfunktionen. subjektive Einschätzung von zer
Andererseits werden unter dem störtem Boden als „nutzlos“ und
Begriff Boden und Steine auch der In die genannten Abfallmassen noch damit als „Abfall“ sind also nicht im
Untergrund und nicht nur der Ober- nicht eingerechnet ist der Bodenan Einklang. Dies bedingt häufig Miss
und Unterboden subsumiert. Die teil, welcher innerhalb von Bau verständnisse in Diskussionen.
statistischen Abfallwerte können da grundstücken bewegt wird, aber dort
her nur eine grobe Orientierung zum verbleibt, da er nicht der Abfalldefi Ein bewusster Umgang mit Boden
Abfallaufkommen von Boden geben. nition unterliegt. Falls er baulichen auf Baustellen sollte grundsätzlich
Sie machen aber sicher die enorme Zwecken zugeführt wird (Wälle, der vorrangigen Forderung des KrWG
Menge an Bodenaushub allein im Dämme usw.), verliert er darüber folgen und Abfall vermeiden und
Sinn des Abfallbegriffes nach KrWG hinaus seine natürlichen Funktionen. dementsprechend einen möglichst
deutlich. Nicht zum Abfall gerechnet werden geringen Bodenaushub zum Ziel ha
zudem Böden, welche noch in situ, ben. Über dieses Verständnis hinaus
also unbewegt am Entstehungsort sind die Vorsorgepflichten nach
liegen, aber bereits geschädigt oder BBodSchG zu beachten.
Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – was ist das? 7
Boden – was ist das?
Zusammensetzung, Aufbau und Funktionen von Boden
Sprechen wir von Boden, so Der Boden aus Sicht Bino Tdaeuns, ednedr eunn sv oenr nJäahhrrte –n entstanden
glauben wir zu wissen, was des Pedologen
darunter zu verstehen ist. In einer
fachübergreifenden Diskussion Die Grundbausteine
zeigen sich jedoch die unterschied- Aus mineralischem Ausgangsgestein
lichen Sichtweisen. Nachfolgend (G) haben sich in der Regel in den
3 soll der Boden primär aus Sicht des letzten 15 000 Jahren unsere Böden
1
20 Pedologen (Bodenkundler) näher unterschiedlichen Alters entwickelt.
/
08 betrachtet werden und danach Beginnend mit der Besiedlung von
T eine knappe Übersicht über weitere Organismen (O) und unter dem
K
A
Sichtweisen erfolgen. Einfluss von Klima (K), Relief (R) und
P
M
zunehmend auch dem Menschen
O
K (M), entstanden durch vielfältige
en biologische, chemische und physi- Foto: BBSR
s
y kalische Prozesse im Laufe der Zeit
l
a
n (Z) Naturkörper. Diese sind durch (KAK). Sie ist ein wesentliches Maß
A
R- die klimabedingte ortstypische für die Beurteilung der Bodenaktivi-
S
B Vegetation (organischer Anteil) tät.
B
und die Lebensgemeinschaften der
Organismen(Biozönose) geprägt. Die beschriebenen Molekülstrukturen
werden als Tonmineral bezeichnet.
Boden = f (G , O, K, R, M) • Z Sie sind die kleinsten mineralischen
Teilchen im Boden und bestimmen
Die Grundbausteine des Bodens sind durch ihre KAK wesentlich die Filter-,
also mineralische und organische Puffer- und Stoffumwandlungseigen-
Teile. Die mineralischen Anteile wer- schaften des Bodens. In die Struktur
den in unseren Breiten von Silizium können aus verfügbarem Wasser
(Si) und Sauerstoff (O) bestimmt. gelöste Hydroxidionen (OH-Ionen)
2
Deshalb ist das tetraederförmige eingebunden sein, die sich bei Tro-
SiO-Molekül der häufigste Grund- ckenheit wieder lösen. Der Mensch
4
baustein von Boden. nimmt diesen Prozess wahr am
Quellen und Schrumpfen des Bodens
Statt eines Siliziumions können auch sowie an der Plastizität von tonigen
andere Elemente wie Aluminium oder und lehmigen Böden. Dies erklärt,
Magnesium vertreten sein. Dadurch weshalb ein Sandboden über solche
entstehen weitere Molekülformen. Eigenschaften nicht verfügt.
In der Addition zu Ketten, Bändern
und Schichten bilden sich Makro- Organische Anteile werden durch
moleküle. An den Randbereichen absterbende Vegetation stetig nach-
und zwischen den Schichten können geliefert (Streuauflage) oder bewusst
sich weitere Ionen anlagern. Diese durch Menschenhand aufgebracht.
werden entsprechend chemischer Organismen zerlegen diese orga-
Gesetzmäßigkeiten ausgetauscht. nischen Anteile (Zersetzung) und
Hauptfaktor ist dabei die elektroche- bauen sie weiter ab zu Huminstoffen
mische Bindungskraft neben dem wie Polisacharide und Proteine
umgebenden Milieu (z. B. basisch (Huminifizierung), welche im Boden
oder sauer) und den im Umfeld zur gebunden werden. Die Gesamtheit
Verfügung stehenden Kationen. Die der toten organischen Stoffe wird als
„Böden sind der belebte Teil
gesamte Ladungsmenge an Kationen, Humus bezeichnet.
der obersten Erdkruste.“
die ein Boden in austauschbarer
SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL (2010):
Form adsorbieren kann, entspricht Huminstoffe gehen bis zu Jahrzehnte
Lehrbuch der Bodenkunde
der Kationenaustauschkapazität stabile Verbindungen mit Tonmine-
8 Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – was ist das?
ralen ein (Ton-Humus-Komplex). nehmen die Humusanteile nach unten jeweiligen Erscheinungsform. Der
Vereinfacht beschrieben gehen hin ab, was die heller werdende Begriff „klassifizieren“ darf also nicht
mineralische und organische Makro- Verfärbung des Bodens zur Folge hat. mit der Klassifikation von Böden nach
Molekülteile eine elektrochemische Diese Schichtung führt zur Einteilung Korngröße gemäß „DIN 18196 Boden-
und äußerst stabile Verbindung ein. des Bodens in Horizonte: klassifikation für bautechnische
Das hat diverse positive Einflüsse auf Zwecke“ gleichgesetzt werden.
die Bodenentwicklung (Pedogene- n Die oberste, humusreiche und
se), wie z. B. ein Verlangsamen der dunkle Schicht von durchschnitt- Das Gefüge
Bodenalterung. Als solche bezeich- lich ca. 20 cm wird als Horizont Die oben in den Grundzügen dar-
net man die Wanderung und den A oder Oberboden, umgangs- gestellten mineralischen und
Um- und Abbau von mineralischen sprachlich auch als Mutterbo- organischen Moleküle und deren
Bestandteilen im Boden. den, bezeichnet. Zusammenhänge beschreiben das 3
1
Grundgerüst des Bodens im mo- 20
/
Durch fortschreitenden mikrobiellen n Die darunter liegende humus- lekularen Maßstab (ca. 1 μm bis 08
Abbau der Huminstoffe entstehen die arme Schicht mit deutlich hel- 1 nm bzw. 10-6 m bis 10-9 m). Diese KT
A
anorganischen Grundstoffe Kohlen- lerer Farbe nennt der Pedologe Bausteine konglomerieren mit
P
M
dioxid (CO) und Wasser (HO) sowie Horizont B oder Unterboden. primären Mineralen und organischen
2 2 O
Pflanzennährelemente wie z. B. Fe, Wegen der Tiefe ist sie arm an Substanzen zu Mikroaggregaten K
n
Na, Mg, N, S oder P. Diese Nährstoffe Luft-Sauerstoff und damit arm an (Bereich 1 mm bis 1 μm) und weiter e
s
werden von den Pflanzen über ihre Organismen. zu Makroaggregaten (> 1 mm). Hier y
l
a
Wurzeln aufgenommen. Sterben die wirken zusätzlich bindend die Rück- n
A
Pflanzen ab, gelangen die Anteile n Darunter befindet sich lockeres stände von Bodenlebewesen wie Kot R-
S
wieder in den Boden und der Kreis- oder festes Ausgangsgestein, und Schleim, aber auch Pilzmyzele B
B
lauf kann von Neuem beginnen. der Untergrund oder C-Horizont, und Wurzeln. Durch externe Einflüs-
welcher in der Regel weitgehend se wie Temperaturschwankungen,
Der Aufbau unbelebt ist und in der Betrach- Vernässen, Austrocknen, Frost- oder
Der organische Kohlenstoffanteil tung der Pedologen nicht zum Salzeinwirkungen verbacken Böden
am terrestrischen C-Kreislauf ist zu Boden gehört. und reißen großmaßstäblich auf.
ca. 80 % in Böden gebunden. Die Dieses entstehende Gerüst an Stoffen
dadurch bedingte typische schwarze Diese Schichtung gilt grundsätzlich mit seinen Zwischenräumen wird als
Farbe ist charakteristisch für die für alle Böden. In Abhängigkeit der Gefüge bezeichnet.
oberste Bodenschicht, da von der lokalen Gegebenheiten und der histo-
Bodenoberfäche die organischen rischen Einflüsse haben sich jedoch Die Zwischenräume im Gefüge
Anteile eingetragen werden. Durch unterschiedlichste Böden ent - machen ca. 50 % eines gesunden
die Abbau-, Umwandlungs- und Ver- wickelt. Pedologen klassifizieren Bodens aus und werden als Poren
lagerungsprozesse in den Untergrund nach Bodentyp entsprechend der bezeichnet. Durch Verbindungen
Abbildung 5 Abbildung 6
Bodenprofil Schematische Darstellung von Bodenporen
Vegetation Sickerwasser
Streuauflage
Bodenteilchen, umgeben
Kapillarwasser von Adsorptionswasser
aufsteigend
Bodenluft mit Wasserdampf
A-Horizont
Ober-/
Mutterboden
(offener) Kapillarwasserraum
scheinbare Grundwasser-
oberfläche
B-Horizont (geschlossener) Kapillar-
Unterboden wasserraum
C-Horizont
Untergrund Grundwasser
Quelle: Eigene Darstellung, BBSR Quelle: Eigene Darstellung, BBSR
Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – was ist das? 9
unter den Poren entstehen Leitungs- Verfestigter Tonboden wird durch Mikroorganismen aufgeschlossen
systeme (Porenkontinuität). In ihnen
zirkuliert Luft mit dem für Organismen
lebenswichtigen Sauerstoffanteil,
der mit größerer Bodentiefe immer
geringer wird, sowie Wasser, in
welchem (Nähr-)Stoffe gelöst sind.
Über diese im Boden sich bewe-
gende Lösung werden die am oben
beschriebenen Austausch beteiligten
Ionen bewegt und bereitgestellt.
3 Wasser- und Gasaustausch erfol-
1
20 gen von der Oberfläche in die Tiefe.
/
08 Beides ist nur möglich, wenn die
T Oberfläche nicht durch Überbauung
K
A
oder Verschlämmung verschlossen
P
M
ist. Wasser füllt die Bodenzwischen-
O
K räume, bindet sich molekular, aber
n
e auch durch Adhäsion, und bleibt so
s
y bedingt pflanzenverfügbar. Wasser
l
a
n kann durch Kapillarwirkung (Saug- Bodenlebewesen
A
R- spannung) über große Höhen auch
S
B entgegen der Schwerkraft wieder
B
zu den Pflanzenwurzeln aufsteigen.
Auch dafür müssen entsprechende
Porenzusammenhänge und -dimensi-
onen vorhanden sein (siehe Abb. 6).
Die Porenanteile und Porengröße
werden wesentlich durch Boden-
zusammensetzung und -zustand
bestimmt und bedingen schon
allein aus physikalischen Gründen
wesentliche natürliche Bodeneigen-
schaften. Je feiner die mineralischen
Bodenanteile sind, umso größer ist
der Volumenanteil der Poren am
Gesamtboden. Gesunder Tonboden
hat damit im Vergleich das größte
Porenvolumen. Fotos: BBSR
Vereinfacht beschrieben verhält sich
Boden wie ein technisch ausge-
n Mikroflora Unter einer Fläche von einem Qua-
stattetes Gebäude mit Ver- und
(z. B. Bakterien, Pilze) dratmeter Boden werden bis zu 3 kg
Entsorgungsleitungen. Kommt es
an Organismen-Masse gerechnet.
zu Beschädigungen der Leitungen n Mikrofauna 0,002…0,2 mm
Daran haben Mikroorganismen bis
oder gar zum Einsturz des Gebäudes (z. B. Geißel-, Wimperntierchen,
zu 2,5 kg Anteil, welche ca. 91 % zur
(Verdichtung oder Gefügezerstörung Fadenwürmer)
Gesamtrespiration beitragen.
des Bodens durch Umschichtung), n Mesofauna 0,2…2 mm
versagen die Funktionen. (z. B. Milben, Springschwänze) Die Bodenorganismen übernehmen
Die Bodenlebewesen n Mesofauna 2…20 mm folgende Funktionen:
(z. B. Schnecken, Spinnen,
Boden ist belebt. Die Lebewesen
n Abbau organischer Substanzen
Asseln)
werden entsprechend ihrer Größe
bis zur Bildung von Huminstoffen
eingeteilt: n Megafauna 20…200 mm
(z. B. Regenwürmer, Wirbeltiere)
10 Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – was ist das?
n Gefügeaufbau und Bioturbati- Abbildung 7
on (Transport von Humus und Unterschiedliche Verwendung des Begriffes Boden bzw. seiner einzelnen Schichten
Vermischung mit vorhandenen
er
n ARendteuikletino)ns- und Oxidationsvor- GG BBodSchG Pedologe Geotechnik DIN 18300E VSetrgeeutaautifloang e
gänge
n Abbau von Schadstoffen
A-Horizont
Die Organismen sind abhängig von Ober-/Mutterboden
den sie umgebenden Lebensbe-
dingungen. Ihre Abundanz kann
entsprechend stark variieren. Primär 3
1
limitierende Faktoren sind Sauerstoff, 20
/
ungünstige Feuchtigkeitsverhältnisse 08
(zu trocken, zu nass) und Temperatur. B-Horizont T
Unterboden K
A
(vgl. Scheffer/Schachtschabel 2010:
P
M
1–105)
O
K
Natürliche Bodenfunktionen C-Horizont n
e
Untergrund s
Die Gesamtheit aller biologischen, y
l
a
chemischen und physikalischen n
A
Vorgänge im Boden sowie deren Bjee Fzaecichhbneurnegic fhür Boden g(kgofn. tBeexzteaibchhännugnigg )für Boden R-
S
Wechselwirkungen untereinan- Quelle: Eigene Darstellung, BBSR B
B
der und mit der Umwelt stellen die
natürlichen Bodenfunktionen dar.
Eine hohe Bodenaktivität (= biolo-
gische Aktivität) gilt als Indikator für
funktionierende Stoffkreisläufe und
Bodenfruchtbarkeit und damit für die
natürlichen Bodenfunktionen. Nicht n Das Bundesbodenschutzgesetz bereich ausgenommen und VOB
zuletzt ist eine gesunde Bodenakti- (BBodSchG), welches den Boden DIN 18 320 „Landschaftsbau-
vität notwendig für Resilienz gegen- über seine Funktionen definiert, arbeiten“ zugewiesen.
über Umwelteinflüssen (vgl. WWU entspricht der Betrachtungswei-
Münster 2004). se des Pedologen weitgehend. n In der Geodäsie, aber auch in der
Der Begriff wird dort aber um Raumplanung und dementspre-
den Untergrund erweitert, wenn chend in der Flächeninanspruch-
Weitere Sichtweisen
dieser z. B. den Zweck der Roh- nahme beschäftigt man sich
von Boden stofflagerstätte erfüllt. wiederum mit der Erdoberfläche.
Dem Pedologen sind die vielfältigen n Im baurelevanten Umfeld bezieht Der Begriff „Boden“ wird im Sprach-
Funktionen des Bodens geläufig und der Geotechniker grundsätz- gebrauch also mit unterschiedlicher
bewusst. Spricht er von Boden, hat lich alle drei Schichten, also Bedeutung verwendet. Die Abbil-
er die Horizonte A und B im Blick. Ober- und Unterboden sowie dung 8 veranschaulicht – je nach
In anderen Fachbereichen gibt es Untergrund, in seine Analysen fachlicher Sicht – das Verständnis
weitere fachspezifische Interpretati- mit ein. Er betrachtet Boden im von „Boden“ (rot) und unter Umstän-
onen und Verwendungen des Begriffs Hinblick auf bautechnische Funk- den die Erweiterung des Begriffes
Boden. Dies führt in der Diskussion tionen und benutzt synonym die (gelb). Als Resümee ist festzustellen,
zu Missverständnissen und soll hier Formulierung „Lockergestein“ dass bei einer so unterschiedlichen
verdeutlicht werden. (Möller 2007: 1). Bodenfunktionen Betrachtungsweise und einem so
werden dabei nicht betrachtet. differenziertem Verständnis von
n Im Grundgesetz wird der Begriff „Boden“ einer einvernehmlichen
„Grund und Boden“ verwendet. n Im aktuellen Entwurf zur VOB Diskussion bereits die Grundlage
Er bezieht sich primär auf die DIN 18 300 „Erdarbeiten“ wird fehlt. Es gilt primär diese Hürde zu
Eigentumsverhältnisse und ist der Oberboden vom Geltungs- überwinden.
daher eher flächig zu verstehen.
Description:Bodenschutz im baulichen Umfeld | Boden – im fachlichen Kontext. BBSR- .. moleküle. An den Randbereichen und zwischen den Schichten können.