Table Of ContentOrtrud Wörner-Heil
Adelige Frauen als Pionierinnen der Berufsbildung
Die ländliche Hauswirtschaft und der Reifensteiner Verband
o r t r u d Wö r n e r - H e i l
A D e l i g e F R A u e n
A l s P i o n i e R i n n e n
D e R B e R u F s B i l D u n g
Die ländliche Hauswirtschaft und der Reifensteiner Verband
dank und Impressum
Dank gebührt dem Reifensteiner Verband e. V. –
Verein ehemaliger Reifensteiner für die großzügige
Unterstützung bei der Drucklegung des Buches.
Abbildung Umschlag :
Maiden in der Wirtschaftlichen Frauenschule Obernkirchen, 1910.
In der Mitte die spätere Schulvorsteherin Margarethe von Spies.
Zitat Umschlag :
Elizabeth Mary Annette Gräfin von Arnim,
Elizabeth and her German Garden, Erstveröffentlichung London 1898.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar
ISBN print : 978-3-89958-904-7
ISBN online : 978-3-89958-905-4
URN : http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0002-9055
© 2010, kassel university press GmbH, Kassel
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Satz und Gestaltung : Jörg Batschi Grafikdesign, Kassel
Printed in Germany
Vorwort
„Adel im Untergang“: dazu gehörte für Ludwig Renn (Arnold
Vieth von Golßenau), den Autor dieses Romans, auch die pre-
käre Situation junger adeliger Frauen, die im Kaiserreich – ge-
fangen in den Normen ihres Standes – keinen Beruf ergreifen
konnten, obwohl die ökonomische Lage vieler Adelsfamilien
dies nahe legte. Vielmehr war ihre Jugendzeit mit der Vorberei-
tung auf eine standesgemäße Ehe ausgerichtet ; gelang dies nicht,
so blieb nur das Leben als Stiftsdame oder als arme Verwandte.
Dieses Schicksal vor Augen und das Ungenügen an einem an-
gesichts der Herausforderungen der sich entwickelnden Indus-
triegesellschaft als unnütz empfundenen Leben unternahmen es
die preußische Offizierstochter Ida von Kortzfleisch und einige
Standesgenossinnen in Preußen wie in anderen deutschen Regi-
onen – gemeinsam mit gleich gesinnten nicht-adeligen Frauen – ,
sich ein außerhäusliches Berufsfeld zu erschließen, das ihnen zu-
gleich ökonomische Selbständigkeit wie neue Formen einer an
adeligen Werten orientierten Lebensgestaltung ermöglichte.
Als geeignetes Handlungsfeld bot sich ihnen die qualifi-
zierte Ausbildung junger Frauen für die ländliche Hauswirt-
schaft an, ein Bereich, dessen wirtschaftliche Relevanz weder
von den Nationalökonomen noch von den auf die Städte ori-
entierten Vertreterinnen der Frauenbewegung gesehen wurde.
Während es für die Ausbildung in „Ackerbau und Viehzucht“
höhere, mittlere und niedere Landwirtschaftliche Lehranstalten
gab, fehlten sie für solche Bereiche, die traditionell zu den Auf-
gaben der ländlichen Hausfrau zählten: Garten- und Obstbau,
Milchveredelung, Tierhaltung, insbesondere Kleintierhaltung.
Dieser Ausbildungsbereich erscheint heute, wo die Erforder-
Vorwort
nisse von Gewerbe, Industrie und Dienstleistungsbetrieben do-
minieren, marginal. Eine solche Wahrnehmung verkennt jedoch
die wirtschaftlichen Verhältnisse im Kaiserreich. Noch um 1900
lebten und wirtschafteten mehr als die Hälfte der deutschen Be-
völkerung in Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern ; der
ländliche Raum bot eine Vielzahl von Möglichkeiten für quali-
fiziertes Wirtschaften, das sich auf die steigende Nachfrage der
Städte richtete, weniger auf den eigenen Bedarf.
Hier setzten die „Wirtschaftlichen Frauenschulen auf dem
Lande“ an, die von Ida von Kortzfleisch initiiert wurden und
sich später zum Reifensteiner Verband zusammenschlossen, um
junge Frauen für die Übernahme eines Haushaltes, die Wirt-
schaftsführung mittlerer und größerer Betriebe oder für eine
anschließende Lehrtätigkeit zu qualifizieren. Dazu gehörte
breites Fachwissen, die Fähigkeit, Arbeitsprozesse zu rationali-
sieren, technische Hilfsmittel, etwa moderne Arbeitsmaschinen,
einzusetzen und sich für die effektive Vermarktung zusammen
zu schließen, etwa in Landwirtschaftlichen Hausfrauenvereinen.
Mit diesen Zielen betraten die privaten landwirtschaftlichen
Schulen Neuland und haben mit ihren Erfolgen die Entwick-
lung dieses Bildungsbereichs entscheidend geprägt.
In einer ersten Studie hat Ortrud Wörner-Heil die Ge-
schichte des Reifensteiner Verbandes von den Anfängen 1896 bis
zu ihrer Schließung 1990 erforscht. Damit ist der Beitrag die-
ser Schulen zum beruflichen Bildungswesen für Frauen erstmals
erkennbar geworden, zugleich wurden die Gründerinnen und
Lehrerinnen als Teil der Frauenbewegung im Kaiserreich und
in der Weimarer Republik gewürdigt. Im vorliegenden Band
gelingt Ortrud Wörner-Heil die Verankerung der dargestellten
Berufsbildungsbewegung in den gesellschaftlichen Umbrüchen
Vorwort
des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts, indem sie die
Rolle adeliger Frauen in der Gründungs- wie der Expansions-
phase analysiert. Für sie war es ein entscheidender Schritt in die
„Moderne“, in der Standesvorurteile und Dünkel für die Berufs-
wahl nicht mehr maßgebend waren; er bewirkte eine Annähe-
rung, wenn nicht gar eine gewisse gesellschaftliche Integration
adeliger Frauen in die moderne Berufswelt. Als ausschlaggebend
für den Erfolg erwies es sich, an traditionelle adelige Werte wie
Wohltätigkeit und Fürsorge anzuknüpfen, aber zugleich die
schulische Arbeit – analog zum Dienst des adeligen Offiziers –
in den Dienst der Nation zu stellen. Auf diese Weise gelang
die Transferierung älterer ständisch exklusiver Werte in neue
standesübergreifende Tätigkeitsbereiche, die zugleich mit der
Weiterführung der adeligen Führungsrolle in der ländlichen
Gesellschaft verbunden waren. Für die Darstellung dieser kom-
plexen Transformationsprozesse hat Ortrud Wörner-Heil eine
überzeugende Form gefunden : Auf ein fundiertes Einleitungs-
kapitel folgen fünf Persönlichkeits- und Lebensprofile von Ade-
ligen der ersten drei Reifensteiner Generationen, in denen nicht
allein sehr unterschiedliche Persönlichkeiten konturiert werden,
sondern insbesondere die sich verändernden politischen und ge-
sellschaftlichen Anforderungen an die Schulen des Reifensteiner
Verbandes hervortreten.
In der Verbindung von Schulgeschichte und Personenge-
schichte ist der Band als wichtiger Beitrag zur Gesellschaftsge-
schichte des 20. Jahrhunderts zu lesen.
Heide Wunder
Inhalt
5 Vorwort
11 Einleitung
41 Adelige Frauen, Berufsbildung und Frauenbewegung
181 Bildungsreformerin in der Moderne
Ida von Kortzfleisch (1850 – 1915)
255 Der Weg zur Wissenschaft der Landfrau
Elly Gans Edle Herrin zu Putlitz (1869 – 1924)
305 Gründerin der Landfrauenbewegung in Württemberg
Ruth von Kalckreuth, verheiratete Steiner (1879 – 1955)
371 „Vorsteherin“ der Wirtschaftlichen
Frauenschule Obernkirchen
Agnes Freiin von Dincklage (1882 – 1962)
399 Berufswünsche werden verwirklicht
Elsbeth von Oppen (1904 – 1978)
452 Bildnachweis
453 Quellen und Literatur
477 Personenregister
488 Vita