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Ausarbeitung
Zu den völkerrechtlichen Grundlagen und Grenzen kriegsbedingter
Reparationen unter besonderer Berücksichtigung des griechisch-deut-
schen Verhältnisses
©2016DeutscherBundestag WD2-3000-041/13
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Zu den völkerrechtlichen GrundlagenundGrenzen kriegsbedingter Reparationen unter
besonderer Berücksichtigung des griechisch-deutschenVerhältnisses
- Vertraulich-
Verfasser:
Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 041/13
Abschluss der Arbeit: 26. Juni 2013
Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Verteidigung,Menschenrechte und humanitäre
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Inhaltsverzeichnis
1. Einführung 5
2. Allgemeinemateriell-rechtlicheAspektevon
Reparationsansprüchen 6
2.1. Der völkerrechtlicheReparationsbegriff 6
2.2. Der Zeitpunkt der Entstehung völkerrechtlicher
Reparationsansprüche 6
3. SpezifischeVertragsregelungenmit Auswirkung auf das
griechisch-deutsche Verhältnis 9
3.1. Reparationsansprücheauf der Grundlagefriedensvertraglicher
Regelungen 9
3.2. Londoner Abkommen über deutscheAuslandsschulden(1953) 9
3.3. Vertragzwischen der Bundesrepublik Deutschlandund dem
Königreich Griechenland (1960) 10
3.4. Vertragüber dieabschließende Regelungin Bezugauf Deutschland
(1990) 12
3.4.1. Positionenzur Regelung der Reparationsfrage durch denZwei-
plus-Vier Vertrag 12
3.4.2. Zur allgemeinenDrittwirkung völkerrechtlicher Verträge 13
3.4.3. Zur besonderen Drittwirkung des Zwei-plus-Vier-Vertrages 14
3.5. Charta von Paris für einneues Europa (1990) 15
4. Der Verlust von Reparationsansprüchen 16
4.1. Verwirkung undEinrede im Völkerrecht 16
4.2. Ausdrückliche unilaterale Verzichtserklärung 17
4.3. Impliziteunilaterale Verzichtserklärung 18
4.4. StillschweigendeZustimmungim Völkerrecht 18
5. VölkerrechtlichrelevantetatsächlicheUmstände im
griechisch-deutschen Reparationsverhältnis 20
5.1.1. Dauer des Stillschweigens 20
5.1.2. Grenzen der Durchsetzbarkeit währenddes Kalten Krieges 20
5.1.3. Briefwechsel von 1960 20
5.1.4. Öffentliche Stellungnahmen griechischer Regierungsmitglieder 21
5.1.5. DeutscheWiedervereinigung undwiederholteKundgabeder
Rechtsansicht 21
5.1.6. Einschätzung der VereintenNationen 22
5.1.7. Vertrauensschutz 22
5.1.8. Rechtssicherheit 22
6. AktuelleKonkretisierung weitererAnsprüche 23
6.1. Zwangsanleihe 23
6.2. Öffentliche Diskussiondes Anspruchsumfangs 23
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7. ProzessualeAspekte 24
7.1. Internationaler Gerichtshof (IGH) 25
7.2. Internationaleschiedsgerichtliche Verfahren 26
7.3. Gerichtshof der EuropäischenUnion 26
7.4. Innerstaatliche Verfahren in Deutschland 26
7.5. Innerstaatliche Gerichtsbarkeit anderer Staaten 27
8. IndividuelleAnsprüche 27
9. Literatur 30
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1. Einführung
Die Frage nach offenenReparationsansprüchenGriechenlands gegendie Bundesrepublik
Deutschland bedarf einer knappenErläuterungihres geschichtlichen Zusammenhangs:1 Dieam
ZweitenWeltkrieg beteiligten Staatentrafen 1945keine umfassende Vereinbarung bezüglich der
Reparationspflichtendes Deutschen Reichs. Sowar diebedingungsloseKapitulation der deut-
schen Wehrmacht nicht mit einer inhaltlich hinreichendkonkretisierten Anerkennungvon Repa-
rationspflichten des DeutschenReichs verbunden. Die Londoner Konferenz über deutscheAus-
landsschuldenendete1953mit dem Abschluss eines Abkommens, dasdie Frage der Reparations-
pflichtenDeutschlandsgegenüber seinen ehemaligenKriegsgegnerneinem endgültigenFriedens-
vertrag vorbehielt. Der Vertragüber dieabschließende Regelungin Bezugauf Deutschlandvom
12. September 1990(„Zwei-plus-Vier-Vertrag“),deranstelle eines Friedensvertrages geschlossen
wurde, regelt nachAuffassung der BundesregierungabschließendalleRechtsfragenbezüglichder
Kriegsfolgen undReparationspflichten. Soweitaus öffentlich zugänglichen Quellen ersichtlich,
hat Griechenlandseit Inkrafttretendes Zwei-plus-Vier-Vertrags auf internationaler Ebenekein
rechtsförmiges Verfahren eingeleitet, um Reparationsansprüche gegenDeutschland geltendzu
machen. Gleichwohl haltennach Presseberichten verschiedene griechische Politiker die Rechts-
folgendes Zweiten Weltkrieges im griechisch-deutschenVerhältnis fürnicht umfassendundab-
schließend geregelt.
Vor diesem Hintergrund beschreibt die vorliegende Ausarbeitung dieaus völkerrechtlicher Sicht
wesentlichen Voraussetzungen und Grenzenetwaiger Reparationsansprüche(Kapitel 2 bis 5) so-
wiedieaktuelle öffentliche Diskussioninnerhalb Griechenlands über konkreteAnspruchsgrund-
lagen unddenvorstellbarenUmfangmöglicherweise geltend gemachter Ansprüche(Kapitel 6).
Ebenfalls kurzumrissenwerden die prozessualen Aspekteder Geltendmachungvon Reparations-
ansprüchen,insbesondere die Frage nach gerichtlichen Zuständigkeitenhierfür (Kapitel 7). Da in
der aktuellen öffentlichen DiskussiondieFragenach zwischenstaatlichen Reparationszahlungen
oft mit der Problematikindividuellen Schadensersatzes für die griechischen Opfer deutscher
Wehrmachtsverbrechenverknüpft wird, skizziert dieAusarbeitungauch dieVölkerrechtslagein
diesem Bereich(8. Kapitel).2
Die vorliegendeAusarbeitungbehandelt dieReparationsfrageauf der Grundlagevonrechtswis-
senschaftlicher Fachliteratur und Presseberichten. EineAnalyseder Akten der nationalenRegie-
1 ZudenhistorischenHintergründenvgl.Pierred’Argent,ReparationsafterWorldWarII,in:RüdigerWolfrum
(Hrsg.),MaxPlanckEncyclopediaofPublicInternationalLaw(onlineedition),http://mpepil.com/subscriber_ar-
ticle?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690-e391&recno=1&searchType=Quick&query=Reparati-
ons+after+World+War+II(letzterZugriff06.06.2013).SiehehierzuauchSvenFelixKellerhoff,Schuldet
DeutschlanddenGriechen70Milliarden,in:DieWelt,17.09.2011,http://www.welt.de/politik/deutschland/ar-
ticle13610386/Schuldet-Deutschland-den-Griechen-70-Milliarden.html(letzterZugriff19.06.2013).
2 InnerstaatlichesRechtbleibtimRahmendervorliegendenAusarbeitungweitgehendaußerBetracht:Deutsche
GesetzeentfaltenihrerechtlichenWirkungeninnerhalbderdeutschenRechtsordnung;imVölkerrechtbegrün-
deteReparationsansprüchehingegenkönnendurchinnerstaatliches,einseitigerlassenesRechtnichtverkürzt
werdenoderuntergehen.
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rungen konnteim Rahmen dieser Ausarbeitungnicht durchgeführt werden. Dies wärejedocher-
forderlich, um dentatsächlichenStand der bilateralenRechtsbeziehungen wissenschaftlichum-
fassendaufarbeitenzukönnen.
Im übrigen geht dienachfolgendeDarstellungfür denvorliegendenZusammenhang voneiner
völkerrechtlichenIdentität der BundesrepublikDeutschlandmit dem DeutschenReichaus.3
2. Allgemeinemateriell-rechtlicheAspektevon Reparationsansprüchen
2.1. Der völkerrechtlicheReparationsbegriff
Das Völkerrecht der Gegenwart bezeichnetals „Reparationen“jedeZahlung, dieeinStaat leistet,
um eine VerletzungdesVölkerrechts wiedergutzumachen.4
Soweit die völkerrechtliche Literatur den Reparationsbegriff auf dieWiedergutmachungvon
Kriegsfolgen bezieht, verwendet sieden Begriffnicht einheitlich:
(a) Zum Teilwerdenalle Kompensationszahlungen des kriegsverlierenden / reparationsverpflich-
tetenStaates anden kriegsgewinnenden/ reparationsberechtigtenStaatals Reparationen bezeich-
net. Es wirdalsonicht danachdifferenziert, obder reparationsverpflichteteStaat gegenüber dem
reparationsberechtigtenStaat das Völkerrecht verletzt hat. Dieses Verständnis des Reparationsbe-
griff scheintallerdings zunehmendaußer Gebrauch zufallen.
(b) Zum Teil bezeichnet dievölkerrechtlicheLiteraturauchim Kontextder Kriegsfolgenals Re-
parationenalle Zahlungen, die geleistet werden, um eine Völkerrechtsverletzungzu kompensie-
ren, sei es eine Verletzung inGestalt eines rechtswidrigenAngriffs oder durcheinVerbrechenim
weiterenKriegsverlauf.Die vorliegende Darstellung folgt diesem neueren Reparationsbegriff.
2.2. Der Zeitpunkt der Entstehung völkerrechtlicher Reparationsansprüche
Die Frage nach dem Bestehen vonReparationsansprüchenist zunächstuntrennbar verknüpft mit
der Problematik, zuwelchem Zeitpunkt undwodurch derartigeAnsprüche rechtlicheExistenz
erlangen. Daher soll hier inGrundzügenerläutert werden, wannundwie einvölkerrechtlicher
Reparationsanspruchentsteht.
3 Vgl.BVerfGE36,1,15f.
4 DieDarstellungfolgtDinahShelton,Reparations,in:RüdigerWolfrum(Hrsg.),MaxPlanckEncyclopediaof
PublicInternationalLaw(onlineedition),http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/ent-
ries/law-9780199231690-e392&recno=1&searchType=Quick&query=reparations(letzterZugriff06.06.2013).
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In bestimmtenRechtsgebietenerwächst diePflicht, Schadensersatzzuleisten, bereits mit dem
Eintritt des schädigenden Ereignisses,auchwenn diegenaueHöhe des Schadensersatzes zudie-
sem Zeitpunkt noch nicht feststeht.5
Weite Teileder völkerrechtswissenschaftlichenLiteratur vertretendieAuffassung, der Reparati-
onsanspruchentstehe„dem Grundenachzwischen den kriegsführenden Staatenmit dem scha-
densstiftenden Ereignis“.6
Dafür, dass der Rechtsgrundsatzeiner zeitgleichen Entstehungvon Schaden und Ersatzpflicht
auchim Völkerrecht gilt, könnteauchArt. 1des Entwurf der Völkerrechtskommission(ILC) zur
Staatenverantwortlichkeit von 2001sprechen:Danachverpflichtet jede Völkerrechtsverletzung
eines Staates diesenzur Wiedergutmachung des daraus erwachsenenSchadens.7
Auf dievorliegende Problematikangewandt würde dieserAnsatz dierechtlicheMöglichkeit er-
öffnen, dass einvölkerrechtlicher Reparationsanspruch eines Gläubigerstaates bereits während
des denAnspruchbegründenden Krieges entstandensein könnte, undzwar unabhängig von ei-
ner späteren Feststellung durcheinezwischenstaatlichevertragliche Vereinbarung.
Allerdings ist zubedenken, dass die2001 vonder ILCfestgestelltenGrundsätzezur Beurteilung,
wannaus Sicht des Völkergewohnheitsrechts Reparationsansprücheentstehen, nur zum Teil der
Staatenpraxis bis 1945und damit letztlichderzum damaligenZeitpunkt geltenden Völkerrechts-
lageentsprochenhaben. Soweit ersichtlich, war dieStaatenpraxis zum Recht der Kriegsreparatio-
nen 1945noch nicht im Sinnedes ILC-Entwurfsabgesichert.
Historischbetrachtet8wurde der Reparationsanspruch zumindest bis zum Endedes 19. Jahrhun-
dertsals Recht des Siegers verstanden, der sichfür seine Kriegskostenschadlos hielt. Auf die
Rechtmäßigkeit oder -widrigkeit eines etwaigenAngriffs bzw. weiterer Kriegshandlungenkames
5 EineentsprechendeRegelungfindetsichimdeutschenZivilrechtin§823Abs.1BGB,http://www.gesetze-im-
internet.de/bgb/__823.html(letzterZugriff17.06.20913).
6 Stattvieler:BertEichhorn,ReparationalsvölkerrechtlicheDeliktshaftung,Baden-Baden1992,S.189.
7 ImWortlaut:„EveryinternationallywrongfulactofaStateentailstheinternationalresponsibilityofthatstate“,
http://untreaty.un.org/ilc/reports/2001/english/chp4.pdf(letzterZugriff06.06.2013).
DerEntwurfderILCbildetdengegenwärtigenStanddesVölkergewohnheitsrechtsab,vgl.StephanHobe,Ein-
führungindasVölkerrecht,9.Auflage,Tübingen2008,S.249.
8 DienachstehendenrechtsgeschichtlichenAusführungenfolgenimwesentlichenRandallLesaffer/Miekevander
Linden,PeaceTreatiesafterWorldWarI,in:RüdigerWolfrum(Hrsg.),MaxPlanckEncyclopediaofPublicIn-
ternationalLaw(onlineedition),http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-
9780199231690-e368&recno=1&searchType=Quick&query=Peace+Treaties+after+World+War+I(letzterZugriff
06.06.2013),(m.w.N.).
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dabei nichtan.9 Folgtemandieser nach überwiegender Ansicht nicht mehr zeitgemäßenDoktrin,
so wärenReparationsansprücheinfolgedes ZweitenWeltkriegs jedenfalls nicht im Zeitpunkt des
schadensbegründendenVerhaltens, sondern erst mit oder nachKriegsende entstanden.
Die Friedensverträgenach dem ErstenWeltkrieg verknüpftenKriegsschuld und Reparations-
pflicht.10 Die Tatsache, dass Höheund Dauer der Reparationszahlungenerst später durcheine zu
diesem ZweckeingerichteteKammer11 bestimmt werdensollten,ändertnichts daran, dass die
Reparationspflichtender Schuldnerstaaten dem Grunde nach bereits bestanden. Dennhier ist
zwischen der vorgelagerten Entstehung eines Reparationsanspruches dem Grundenachund des-
sen späterer konkretenBezifferungzu differenzieren. Der Wortlaut desdie Reparationspflicht be-
gründendenArt. 231 Versailler Vertraglegt nahe, dass dievertraglicheRegelungals konstituie-
rend für denAnspruchverstandenwurde.12 Desweiterenführt eineZusammenschau der Staaten-
praxis zwischen denbeiden Weltkriegennicht zum Nachweis konsistenten Völkergewohnheits-
rechts,wonachindiesem Zeitraum Reparationspflichtenunabhängig von einer friedensvertragli-
chen Regelunganerkannt wordenwären.13 Wollte mandieüberwiegende Staatenpraxis der Zwi-
schenkriegszeit zur Grundlagemachen,sowäredarauswohl eher der Schluss zuziehen, dass ein
Gläubigerstaatauchnach Ende des ZweitenWeltkriegs etwaigeReparationsansprüche nochauf
ausdrücklichefriedensvertragliche Regelungenstütztenmusste.
Sofern Reparationsforderungen eines Gläubigerstaates gegenüber einemSchuldnerstaat anein
Ereignis oder Verhaltenim 21. Jahrhundertanknüpfen, lässt sichargumentieren, dass Völker-
rechtsverletzungen eines Staates unmittelbar dessen Pflichtauslösen, den hieraus entstandenen
Schadenwiedergutzumachen.14 Hingegenist inbezugauf ein Ereignis oder Geschehen vor bzw.
bis 1945mit überzeugenden Gründen vertretbar, dass dierechtlicheExistenz vonReparationsan-
sprüchenzum damaligen Zeitpunkt damals vonderenvölkervertraglicher Konkretisierungab-
hing. Dies spricht für die Vermutung, dass es einer ausdrücklicheninternationalenVereinbarung
9 Dieslagnichtzuletztdarinbegründet,dassdiezwischenstaatlichenBeziehungenvonderDoktrindes„iusad
bellum“,d.h.derVorstellungderMöglichkeiteinesgerechtenKriegs,geprägtwarenunddasumfassendeGe-
waltverbotsvonArt.2Nr.4ChartaderVereintenNationennochkeineGeltungbeanspruchte.Andersdiegegen-
wärtigeRechtslage:DerAngreiferhaftetfüralleSchäden,dieauseinerillegalenAggressionoderimZugeder
KriegsführungausVerletzungendeshumanitärenVölkerrechtserwachsen,vgl.FriedrichBerber,Lehrbuchdes
VölkerrechtsII.Bd.Kriegsrecht,München/Berlin1962,§48S.238f.
10 Art.231VersaillerVertrag.(1919)225CTS188,http://www.documentarchiv.de/wr/vv.html(letzterZugriff
06.06.2013).
11 Art.233und234VersaillerVertrag(Anm.10).
12 Art.231VersaillerVertrag:„DiealliiertenundassoziiertenRegierungenerklären,undDeutschlanderkennt
an…“(Anm.10).DieFormulierungimpliziertdieIdeederBegründungeinerVerbindlichkeitdurchüberein-
stimmendeWillenserklärungen,alsoeinevertraglicheGrundlage.
13 Vgl.RandallLesaffer/MiekevanderLinden,(Anm.8).
14 DiesentsprichtdemgegenwärtigenStanddesVölkergewohnheitsrechts,wieerinArt.1deszitiertenILC-Ent-
wurfsvon2001zumAusdruckkommt,siehebereitsoben(Anm.7).
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bedurfte, um Grund und Höheder Reparationspflichteneines Schuldnerstaates gegenüber einem
Gläubigerstaat spezifisch festzustellen.
3. SpezifischeVertragsregelungenmit Auswirkung auf das griechisch-deutscheVerhältnis
3.1. Reparationsansprücheauf der Grundlagefriedensvertraglicher Regelungen
Wiebekannt,schlossenDeutschland undseineehemaligenKriegsgegner unmittelbar nach dem
ZweitenWeltkrieg keinen Friedensvertrag. DiebedingungsloseKapitulationder Deutschen
Wehrmacht war ein völkerrechtlich bindenderunilateraler Akt, der lediglich diemilitärischen
Feindseligkeitenbeendete, Reparationsfragenjedochaussparte.15 Dass in denfolgendenJahren
kein Friedensvertraggeschlossenwurde,lagnicht zuletzt inder Auseinanderentwicklungderal-
liierten Siegermächte begründet.16 Eine umfassende vertragliche Regelung der Reparationspflich-
ten Deutschlands gegenüber allenKriegsgegnern blieb somit vorerstaus. Folgt man der völker-
rechtlichim Hinblickauf die Ereignissevor bzw. bis 1945nachwie vor vertretbaren Position,
dass Reparationsansprüche nur und erst durchderenfriedensvertragliche Feststellung entste-
hen17, sowärenentsprechende Forderungeneines Gläubigerstaates in Ermangelungeiner Verein-
barungals gegenstandslos zubetrachten. Geht man hingegenvon der für den Fortgang der Unter-
suchung notwendigenArbeitshypotheseaus, dass Reparationsansprücheauchvor bzw. bis 1945
unabhängigvon einer friedensvertraglichenFeststellungentstehen konnten, soist gleichwohl zu
klären, obentsprechende Ansprüchenachwie vor bestehen.
3.2. Londoner Abkommen über deutscheAuslandsschulden(1953)
Im Rahmender Londoner Konferenzüber deutscheAuslandsschuldenschlossendie Vertrags-
staaten 1953einAbkommen, das u.a. auch dieFrage der aus dem Zweiten Weltkrieg erwachsen-
den Kriegsreparationenzum Gegenstandhatte(Londoner Abkommen).18Hierzu hießes in
Art. 5Abs. 2LondonerAbkommen:
„Eine Prüfungderaus dem ZweitenWeltkriegeherrührendenForderungen
von Staaten, die sichmit Deutschland im Kriegszustandbefanden oder deren
15 Vgl.hierzuden4.PunktderKapitulationserklärung:„DieseKapitulationserklärungistohnePraejudizfürir-
gendwelcheanihreStelletretendenallgemeinenKapitulationsbestimmungen,diedurchdieVereintenNatio-
nenundinderenNamenDeutschlandundderDeutschenWehrmachtauferlegtwerdenmögen.“http://web.ar-
chive.org/web/20070926235313/http://www.museum-karlshorst.de/html/sammlung/img/Kapitulationsur-
kunde_KH1.jpg(letzterZugriff11.06.2013).
16 SusanneWasum-Rainer,VölkerrechtsfreundlichkeitinderpolitischenPraxisderdeutschenExekutive,in:
ThomasGiegerich(Hrsg.),Der„offeneVerfassungsstaat“desGrundgesetzes,nach60Jahren,Berlin2010,
S.125ff.,126.
17 Sieheoben,Kapitel2.2.(amEnde).
18 BGBl.1953II331.
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Gebiet von Deutschlandbesetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staa-
ten gegen das Reich und imAuftragdes Reichs handelndeStellen oder Perso-
nen einschließlich der Kosten der deutschen Besatzung, der währendder Be-
setzungauf Verrechnungskontenerworbenen Guthabensowie der Forderun-
gen gegendie Reichskreditkassen,wirdbis zuder endgültigenRegelungder
Reparationsfragezurückgestellt.“
Griechenland hat sichdurch seineausdrückliche Zustimmung undRatifikationvölkervertrags-
rechtlichan das Londoner Abkommengebunden.19 Damit hat Griechenlandsichauchverpflich-
tet, vorläufigkeine Zahlungsansprüche zuerheben. Auf der Grundlagevon Art. 5Abs. 2 Londo-
ner Abkommen kam eszum damaligenZeitpunkt nicht zu einer klärenden Feststellung des Um-
fangs etwaiger Reparationsansprüche; allemöglicherweisebestehenden Forderungenwurdenauf
unbestimmteZeit gestundet.20
Zu unterstreichenist jedoch, dass einMoratorium nichtals Forderungsverzicht missverstanden
werdendarf: Das Bestehen etwaiger Reparationsansprücheblieb durchdas LondonerAbkommen
unberührt. Art. 5Abs. 2Londoner Abkommenkönnte sogar dahingehend verstandenwerden,
dass hiermit nicht nur der vorläufigeVerzichtauf eine Geltendmachung von Reparationsansprü-
chen, sondernauch das bisherigeAusbleiben und dieweitereNotwendigkeit einer endgültigen
Regelungausdrücklichbestätigt wird.
3.3. Vertragzwischen der Bundesrepublik Deutschlandund dem Königreich Griechenland
(1960)
Durch den Vertrag vom18. März1960zwischender BundesrepublikDeutschland unddem Kö-
nigreich Griechenlandüber Leistungen zugunsten griechischer Staatsangehöriger, dievonnatio-
nalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffenwordensind, verpflichtetesichDeutschland
zur Zahlung von115Millionen DManGriechenland.21 Der Vertrag bezogsichallerdings nur auf
den Ersatzvon Schädenan Freiheit, Gesundheit und Lebenderjenigen griechischenStaatsange-
19 BekanntmachungüberdenGeltungsbereichdesAbkommensüberdeutscheAuslandschuldenvom4.Juli1956,
BGBl.1956II864,http://www.bgbl.de/Xaver/text.xav?bk=Bundesanzei-
ger_BGBl&start=%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl256024.pdf%27]&wc=1&skin=WC#__Bundesanzei-
ger_BGBl__%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl256024.pdf%27]__1371463119652(letzterZugriff17.06.2013).
20 DerBGHbestätigtdieseEinschätzungundfolgthierbeideroffiziellenPositionderBundesregierung,wiesie
zugrundeliegendenVerfahrenalsParteivortragzumAusdruckkam.SieheBGH,Urteilvom26.06.2003,AZIII
ZR245/98,Rz.28ff.,insbesondereRz.29,http://beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bib-
data%2fzeits%2fNJW%2f2003%2fcont%2fNJW.2003.3488.1.htm#Y-300-Z-NJW-B-2003-S-3488-N-1-NAME-
GRUENDE1(letzterZugriff18.06.2013).SieheauchdieVorinstanzOLGKöln7.Zivilsenat,27.August1998,Az:
7U167/97.
21 Art.1desVertrages,BGBl.1961IIS.1597,http://www.bgbl.de/Xaver/text.xav?bk=Bundesanzei-
ger_BGBl&start=%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl261s1596.pdf%27]&wc=1&skin=WC#__Bundesanzei-
ger_BGBl__%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl261s1596.pdf%27]__1371213358468(letzterZugriff17.06.2013).
Description:Ausarbeitung. WD 2 - 3000 - 041/13. Seite 2. Zu den völkerrechtlichen Grundlagen und Grenzen kriegsbedingter Reparationen unter besonderer Berücksichtigung . Pierre d'Argent, Reparations after World War II, in: Rüdiger Wolfrum .. BGH, Urteil vom 26.06.2003, AZ III ZR 245/98, Rz. 30 (Anm. 20).