Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE
DES WIRTSCHAFTS- UND VERKEHRSMINISTERIUMS
NORDRHEIN-WESTFALEN
Herausgegeben von Staatssekretär Prof. Leo Brandt
Nr.75
Max-Pianck·lnstitut für Eisenforschung, Düsseldorf
·Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schoubilder als Grundlage
der Wärmebehandlung der Stähle
Als Manuskript gedruckt
SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH
1954
ISBN 978-3-663-12786-4 ISBN 978-3-663-14255-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-14255-3
Forsohungsberiohte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen
G 1 i e d e r u n g
Vorwort • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • s. 5
Gleichgewichtsdiagramm und Zeit-Temperatur-Umwandlungs-
Schaubilder • • • • • • • • • • • • • • • • • • s. 6
Anwendungsmöglichkeiten des isathermischen Zeit
Temperatur-Umwandlungs-Schaubildes • • • • • • • • • s. 10
Anwendungsmöglichkeiten des Umwandlungs-Schaubildes für
kontinuierliche Abkühlung • • ••••••••• s. 17
Ermittlung des Abkühlungsverlaufs aus Gefügezusammen
setzung und Härte • • s. 20
Zusammenfassung •
Verzeichnis der Abbildungen • • s. 33
Literaturverzeichnis
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ForeohUDI!beriohte dee Wirtschafte- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen
V o r w o r t
Die klassische Metallkunde hat die Grundlagen für die Beschreibung der
Zustandsformen von Legierungen in den Gleichgewichtsschaubildern gegeben.
Diese Zustandsschaubilder haben auch grundlegende Bedeutung für die Aus
wahl der Legierungselemente und der Ausgangstemperatur von Wärmebehand
lungsvorgängen technischer Eisenlegierungen. Sie können aber im allgemei
nen nicht mehr die Zustände beschreiben, in denen die Stähle nach Durch
führung der meisten Wärmebehandlungen vorliegen. Ausgangspunkt für diese
Wärmebehandlungen ist zwar auch der Gleichgewichtszustand der -Phase.
Der Zerfall dieser Phase erfolgt aber nicht nach dem Gleichgewicht, son
dern aus unterkühlten Zuständen.
Für die Beschreibung derartiger Umwandlungsvorgänge sind Zeit-Temperatur
Umwandlungs-Schaubilder heute allgemein eingeführt sowohl für isathermi
sche als auch für kontinuierliche Versuchsführung. Die vorliegende Unter
suchung setzt sich zum Ziel, die Möglichkeiten einer Anwendung dieser
Schaubilder, insbesondere des ZTU-Schaubildes für kontinuierliche Abküh
lung, auf praktische Fragen der Wärmebehandlung darzustellen. Für die in
Deutschland gebräuchlichsten Einsatz- und Vergütungsstähle sind solche
Schaubilder aufgestellt und in einem "Atlas zur Wärmebehandlung der Stäh
le" zusammengestellt worden. Dieser wird zur Zeit für den Druck vorberei
tet. Es soll damit die Möglichkeit gegeben werden, die praktischen Wärme
behandlungsverfahren mit größerer Sicherheit und Wirtschaftlichkeit durch
zuführen und neue Verfahren aufzufinden und anzuwenden.
Die Untersuchungen wurden zu einem wesentlichen Teil mit Unterstützung des
Wirtschaftsministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen durchgeführt, dem
wir unseren besonderen Dank auch an dieser Stelle zum Ausdruck bringen
möchten. Ebenso sind wir dem Verein deutscher Eisenhüttenleute und vielen
Werken der stahlerzeugenden Industrie zu Dank verpflichtet.
Der Inhalt der vorliegenden Zusammenstellung ist zu einem Teil bereits
w.
veröffentlicht in einer Arbeit von A. ROSE und STRASSBURG im "Archiv
für das Eisenhüttenwesen" Band 24 (1953), Heft 11/12, S. 505/14. Ein wei
terer Teil von den Verfassern F. WEVER und A. ROSE wird in Kürze in der
Zeitschrift "Stahl und Eisen" erscheinen. Die hier wiedergegebenen Abbil
dungen sind diesen Arbeiten entnommen.
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Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Yestfalea
Gleichgewichtsdiagramm und Zeit-
Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder
Der Polymorphismus und die unterschiedliche Lösungsfähigkeit der einzel
nen Modifikationen machen das Eisen und seine Legierungen zu einem der
aufschlußreichsten Beispiele für die Konstitutionsforsohung. Die Grundla
gen für die Darstellung der Phasengrenzen in einem Temperatur-Konzentra
tions-Schaubild wurden durch die klassische Metallkunde mit einem auSer
ordentlich geringen Aufwand an Geräten, mit dem Thermoelement, dem Dilato
meter und dem Mikroskop geschaffen1• Es schien damit die Möglichkeit gege
ben, alle Zustandsformen von Zwei- und Kehrstofflegierungen in Zustande
schaubildern zu beschreiben.
Das Wort Zustandsschaubild kennzeichnet, daß eich das Bild auf eine stati
sche Beschreibung beschränken will, das heißt, der Zeiteinfluß wird zu
nächst bewußt ausgeschaltet.
Für jeden, der sich mit Gleichgewichtsschaubildern beschäftigt, ist schon
seit langem klar, daS bei einer Erörterung der Lage bestimmter Phasengren
zen die G.enauigkeit der Bestimmung nicht gegen zwei grundsätzliche Einwän
de gesichert war; einmal, daS bei keinem der zugrunde liegenden Versuche
die Einflußgröße "Zeit" wirklich ausgeschaltet war, so daS die Gleichge
wichtseinstellungen nur immer angenähert erreicht worden sind, und zum
anderen, daS die dem Legierungssystem zugrunde liegenden Elemente nur in
beschränkter Reinheit zur Verfügung gestanden haben. Diese Einwände prä
gen sich darin aus, daß die bereits untersuchten Legierungssysteme einer
immer erneuten tlberprüfung unterzogen werden und einer dauernden Änderung
in den festgelegten Phasengrenzen unterworfen sind. Daraus ergibt sich die
Aufgabe, sowohl mit den heutigen sehr differenzierten Regelverfahren für
Zeit und Temperatur möglichst nahe an die Gleichgewichtseinstellung heran
zukommen als auch durch eine Steigerung des Reinheitsgrades der Ausgangs
elemente die schwerwiegenden Einflüsse kleiner Beimengungen kennenzulernen
und sie auszuschalten2•
Zur Erfassung der Einflußgröße "Zeit" sind in neuerer Zeit sogenannte
Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder entwickelt worden, die jeweils nur
für eine bestimmte Legierungszusammensetzung gelten3.
Wir haben heute zwei Arten von Umwandlungsschaubildern zu unterscheiden,
das isothermische Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubild und das Zeit-
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Temperatur-Umwandlungs-Schaubild für kontinuierliche Abkühlung. Das iso
thermische Schaubild kommt so zustande, daß Stahlproben von Härtetempera
tur, d.h. aus dem Temperaturgebiet des homogenen Austenits, meist 50°C
übe~ Ac3, möglichst schnell auf eine Haltetemperatur unterhalb des Perlit
punktes abgeschreckt werden. Bei der Haltetemperatur werden sie solange
gehalten, bis die UmwandlUng vollständig !Lbgelaufen ist, dabei werden Be
ginn und Ende der Umwandlung mit irgendeinem geeigneten Verfahren, z.B.
dilatometrisch, magnetometrisch oder metallographisch, bestimmt. Veränder
licher Parameter ist also die HaltetemperaturJ die Auswertung einer Ver
suchsreihe mit verschiedenen Haltetemperaturen ergibt die Kurven für Be
ginn und Ende der Umwandlung. In Abbildung 1 bezeichnet A das Gebiet des
nicht umgewandelten Austenits, F den Bereich der Ferritbildung, P den der
Perlitbildung, Zw den der Zwischenstufengefügebildung und K den der Kar•
tensi tbildung.
Es wird in zahlreichen Veröffentlichungen4 darauf hingewiesen, daß die
praktische Anwendung dieser Schaubilder auf solche Wärmebehandlungsvorgän
ge beschränkt bleiben muß, die den bei der Aufstellung der Schaubilder an
gewendeten entsprechen. Trotzdem werden in einigen Fällen reale Abkühlungs
kurven mit kontinuierlichem Zeit-Temperatur-Verlauf in isothermlachen ZTU
Bildern zur Erläuterung der Anwendungsmöglichkeiten dieser Schaubilder auf
technische Vorgänge dargestellt5•6• Dabei wird unterstellt, daß der Ab
kühlungsvorgang die Bereiche des isothermischen ZTU-Bildes tatsächlich
durchläuft und die den Bereichen entsprechenden Gefüge gebildet werden.
Die Umwandlungsbereiche gelten aber nach ihrer Temperatur- und Zeitlage
nur für den isothermischen Vorgang: Schnelles Abschrecken von Austeniti
sierungstemperatur auf die jeweilige Umwandlungstemperatur und nachfolgen
des Halten bei dieser Temperatur.
Diese Voraussetzungen sind bei technischen Wärmebehandlungsvorgängen nur
in den Fällen des isothermischen Perlitglühens, der.Zwischenstufenvergü
tung und der Warmbadhärtung hinreichend erfüllt. Bei allen anderen Här
tungsvorgängen erfolgt die Abkühlung stetig, und zwar in erster Näherung
nach einer e-Funktion. Sollen für derartige Vorgänge Aussagen über die bei
der Abkühlung durchlaufenen Umwandlungen gemacht werden, so ist erforder
lich, ein Umwandlungsschaubild für kontinuierliche Abkühlung zu ermitteln.
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Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen
5o Cr V4
Korngröße
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Abschrecktemperatur ~ BBo °C
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Zeit Stunden 1 Tag
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Isothermisches Zeit-Temp~ratur-Umwandlungs
Schaubild des Vergütungsstahles 5o CrV 4
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Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen
Erschmelzungs- Korngröße (AST1.1)
Bez. %c % Si %Mn %P %s % Cr % Ni %Cu % V art ldc Quaid-Ehn
1 o,43 o,41 o,82 o,o41 o,o15 1,22 o,o4 o,14 o, 11 b.S.-M. 4
Abschrecktemperatur ~ 88o0c Abschreckkorngröße (ASTIA) ~ 1o - 11
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Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubild für konti
nuierliche Abkühlung des Vergütungsstahles 50 CrV 4
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Forsohungeberiohte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums
Nordrhein~Westfalen
Das Schaubild für kontinuierliche Abkühlung (Abb. 2) wird in der Weise
aufgenommen, daß die Proben kontinuierlich, im allgemeinen nach dem New
tonsehen Gesetz, von Härtetemperatur auf Raumtemperatur abgekühlt werden;
dabei werden ebenfalls Beginn und Ende der Umwandlungen mit geeigneten
Verfahren bestimmt und in einem Zeit-Temperatur-Schaubild eingetragen.
Veränderlicher Parameter ist also im kontinuierlichen Diagramm die Abküh
lungsgeschwindigkeit. Die Koordinaten sind die gleichen und in gleicher
Weise geteilt wie im isathermischen Schaubild. Die Bezeichnung der einzel
nen Umwandlungsbereiche ist ebenfalls die gleiche. Da die Größe der bei
der Abkühlung durchlaufenen Bereiche F, P, Zw kein Maß für die dort gebil
deten Gefügemengen darstellt, ist das Umwandlungs-Schaubild durch Angabe
der Prozentzahlen in den Feldern nachträglich vervollständigt. Die Anga
ben beziehen sich auf eine quantitative Auswertung der Gefüge nach been
deter Abkühlung. Beide Umwandlungsschaubilder sehen sich ähnlich, obwohl
sie in ganz verschiedener Weise zustande gekommen sind und ganz verschie
dene Aussagen beinhalten. Das mag der Grund dafür sein, daß sie häufig
miteinander verwechselt werden. Demgegenüber muß immer wieder hervorgeho
ben werden, daß jedes dieser Schaubilder nur so gelesen werden darf, wie
es entstanden ist, d.h. daß jedes nur über solche Wärmebehandlungen Aus
sagen machen kann, die den Versuchsbedingungen seiner Aufnahme entspre
chen. Zwischen beiden Schaubildern bestehen Zusammenhänge. So hgben
W.J. PUMPHREY und F.W. JONES7 sowie R.A. GRANGE und J.M. KIEFER8 gezeigt,
daß sich Umwandlungsvorgänge bei kontinuierlicher Abkühlung in einem ge
wissen beschränkten Umfang aus dem isathermischen Schaubild ableiten las
sen; umgekehrt hat o. KRISEMENT9 nachgewiesen, daß sich das isathermische
Schaubild eines Stahles unter bestimmten Voraussetzungen aus dem kontinu
ierlichen ableiten läßt. Für die Praxis haben diese Ansätze bisher keine
Bedeutung erlangt.
Anwendungsmöglichkeiten des i s o t h e r m i s c h e n
Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubildes
An Hand einiger Beispiele soll zunächst die Anwendung des isathermischen
Zustandsschaubildes erläutert werden. Nach den einleitenden Bemerkungen
ist eine solche Anwendung gegeben, wo ein austenitisches Ausgangsgefüge
isothermisch umgewandelt wird. Das ist auch dann der Fall, wenn die Ab
kühlung auf Haltetemperatur nicht unendlich schnell ist, sondern nur im
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