Table Of ContentGerhardW allner
Wahrnehmen
undL ernen
DieF eldenkrais-Methoduen d
der PragmatismuDs eweys
Gerhard Wallner
Wahrnehmen und Lernen
Die Feldenkrais-Methode und der Pragmatismus Deweys
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Gerhard Wallner
Wahrnehmen
und Lernen
Die Feldenkrais-Methode und
der Pragmatismus Deweys
Junfermann Verlag • Paderborn
2000
© Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 2000
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Satz: adrupa Paderborn
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Wallner, Gerhard:
Wahrnehmen und Lernen: Die Feldenkrais-Methode und der Pragmatismus Deweys /Gerhard
Wallner - Paderborn: Junfermann, 2000
ISBN 3-87387-448-2
ISBN 3-87387-448-2
Inhalt
1. Einleitung. 7
1. Die Feldenkrais-Me chode . 7
2. Ein biographischer Überblick . 12
3. Funktionale Integration als Individualmethode . 14
4. Bewußtheit durch Bewegung als Gruppe nmethod e . 19
5. Kriterien einer guten Bewegung . 23
6. Korrekte Körperhaltung . 26
7. Organisches Lernen . 34
II. Bewegungsanalyse. 39
1. Einleitung. 39
2. Strukturanalyse der Lektion . 41
a) Bewegungsanalytische Darstellung mit Bildserie 41
b) Darstellung der zeitlich abgestimmten Abläufe als Chronogramm 45
2.1 Interpretation der Feldenkraislekcion 48
3. Zusammenfassung . 71
III. Lerntheoretische Aspekte der Feldenkrais-Methode . 73
1. John Dewey. 73
2. Der Einfluß der Umwelt. 81
3. Dualismus und Kontinuität . 83
4. Erfahrungen . 85
5. Wie wir denken . 90
6. Konkretes und abstraktes Denken . 94
7. Denken und Handeln . 95
8. Ziele und die Miccel, um sie zu erreichen 100
9. Ändere sich die menschliche Natur? . 103
6 • Wahrnehmen und Le r nen
IV. Subjektive Wahrnehmungen 107
1. Das Selbstbild . . . . . . . . . . . . . 107
2. Menschliche Gewohnheitsbi ldung. . . 113
3. Sinnesorgane und subjektive Innenwelt . 118
4. Introspektion und Aufmerksamkeit . 128
5. Incellekcuelles Wissen . 130
6. Denken . . . 132
7. Ordn ung . . 135
8. Unsicherheit . 138
V. Zusammenfassung . 143
VI. Anhang . .. ..... . 149
Bildserie der Feldenkraislektion . 149
VII. Anmerkungen . . . 162
VIII. Quellenverzeichnis 166
1. Einleitung
1. Die Feldenkrais-Methode
Das Leben ein~s Mensc~en ist ein k?ntin~ ierlicher Prozeß, und wenn es ~twas zu
verbessern gibt, dann m der Qualität dieses Vorgangs - laut Feldenkrais - und
nicht in den Veranlagungen oder Eigenschaften, die jemand besitzt.1 Viele Faktoren
beeinflussen diesen Prozeß, und sie sind miteinander so zu kombinieren, daß er flie
ßend und selbstregulierend wird. Je klarer die fundamentalen Grundlagen dieses Pro
zesses verstanden werden, um so besser wird sein Ergebnis sein.
So wie in jedem komplizierten Prozeß Abweichungen genutzt werden, um seinen
Verlauf zu korrigieren und zu optimieren, so sollte einer, der den Gebrauch, den er
von sich selbst macht, verbessern möchte, seine Fehler und Abweichungen nicht über
sehen, unterdrücken oder mit Gewalt überwinden, sondern sie sich zunutze machen,
um seine Selbstkorrektur zu lenken.
Die Feldenkrais-Methode ist demnach eine Aufforderung, ein Anstoß, eine Einla
dung, sich selbst kennenzulernen und sich seiner selbst bewußt zu werden. Dieses Be
wußtsein ist nicht nötig, um das Leben zu leben, sofern Bewußtsein nur den Zustand
des Wachseins meint. Man ist „bei Bewußtsein", wenn man weder tot noch ohnmäch
tig ist, weder schläft noch träumt. Demnach wäre einer sich bewußt, der bewußt bei
Bewußtsein wäre; der sein Bewußtsein wahrnimmt, gewahrt; der sich selbst inne wird,
und dieses Bewußtsein wird in weiterer Folge- um vom gängigen Sinn des Worts Be
wußtsein zu unterscheiden - ,,Bewußtheit" genannt.
Am Lebenden unterscheidet man in der Regel zwei Daseinszustände: den des Wa
chens und den des Schlafens. Wachsein impliziert nicht, daß jemand auch weiß, was
er, während er wach ist, tut. So mag einer z.B. mit vierzig sich dessen bewußt werden,
daß eines seiner Beine kürzer ist als das andere; er wird sich dessen bewußt erst nach
Rückenschmerzen, Röntgenaufnahmen und einer Diagnose durch den Arzt; er wird
sich dessen erst jetzt bewußt, weil der Zustand des Wachens dem des Schlafens ähnli
cher zu sein pflegt als dem der Bewußtheit. Er wünscht sich seine Schmerzen weg und
merkt, daß wunschvolles Denken die Lösung seines Problems nicht finden kann.
Denken kommt aus dem Gedächtnis , und der Gedächtnisinhalt ist immer alt, vergan
gen. Der Denker, der Intellekt findet die Lösung nicht zu seinem lebendigen Problem,
er hat keine Ahnung, was er mit den Schmerzen machen soll.
8 • Wahrnehmen und Lernen
Wachsein besteht nicht nur aus Denken. Der Wachzustand besteht aus vier Kom
ponenten :2 Sinneswahrnehmungen,G efohle,D enken und Bewegung.Z u den Sinnes
wahrnehmungeng ehört, zusätzlich zu den üblichen fünf Sinnen, auch der kinästheti
sche Sinn einschließlich Schmerz, Orientierung im Raum, Vergehen der Zeit und
Rhythmus.
Zu den Gefohlen gehören - neben Emotionen wie Freude, Gram, Ärger etc. -
Selbstachtung, Minderwertigkeitsgefühl, Überempfindlichkeit und noch andere be
wußte und unbewußte Gefühle, die unser Leben farbig gestalten.
Zum Denken gehören alle Funktionen des Intellekts wie die Gegenüberstellung von
links und rechts, gut und schlecht, richtig und falsch; zu verstehen und wissen, daß
man versteht; klassifizieren, kategorisieren, Regeln erkennen; imaginieren, vorstellen;
zu wissen, was wahrgenommen, gefühlt, empfunden wird, sich an all dies zu erinnern.
Zur Bewegungg ehören alle örtlichen und zeitlichen Veränderungen des Körpers
und seiner Funktionen wie Atmen, Essen, Sprechen, das Zirkulieren des Bluts und das
Verdauen.
Wenn hier auch die vier Komponenten eine nach der anderen aufgezählt werden,
so besteht in Wirklichkeit keine der vier für sich allein oder losgelöst auch nur von ei
ner der anderen. Es ist z.B. unmöglich, sich an ein Ereignis zu erinnern, an eine Person
oder an eine Landschaft, ohne zumindest einen der Sinne-Sehen, Hören, Schmecken
- zu verwenden, verlmüpft mit dem eigenen Selbstbild zu dieser Zeit, das sich aus der
Körperhaltung , dem Alter, der Handlung oder einem angenehmen oder unangeneh
men Gefühl zusammensetzt. Das Einfallen eines Details des Erinnerungsbi lds ruft
aufgrund dieser Assoziationen das gesamte Bild hervor. Eine Komponente beeinflußt
die andere, somit die ganze Person. Die Erinnerung ist nicht getrennt von der Person,
sondern die Person ist die Erinnerung. Jede Komponente des Bilds beeinflußt daher
die ganze Person. Eine Korrektur des Bilds, eine Korrektur der Person gelingt in der
Realität nur durch graduelle schrittweise Veränderung , indem man sich das eine Mal
dem einzelnen Detail zuwendet und das andere Mal dem Ganzen.
Keiner der vier Bestandteile des Wachseins kann ohne die drei anderen bestehen
und jeder wirkt auf die übrigen ein. Die Feldenkrais-Methode wählt für die Verbesse
rung unserer selbst die Bewegung, und dies hat folgende Gründe: 3
l. Bewegungen beschäftigen das Nervensystem mehr als irgend etwas sonst, weil wir
nicht wahrnehmen, fühlen, empfinden oder denken können ohne eine vielseitige und
komplizierte Reihe von Tätigkeiten, welche vom Gehirn eingeleitet werden, um den
Körper gegen den Zug der Schwerkraft zu halten. Zur selben Zeit müssen wir wissen,
wo wir sind und in welcher Haltung . Um die Lage innerhalb des Erdgravitationsfelds
in Beziehung zu anderen Objekten zu kennen oder um die Körperstellung zu ändern,
muß von den Sinnen Gebrauch gemacht werden, von den Gefühlen und von der
Kraft des Denkens. Alle Methoden, um sich selbst kennenzulernen , beziehen aktiv das
gesamte Nervensystem mit ein, auch jene, die vorgeben, nur mit einer der vier Kom
ponenten des Wachzustands zu tun zu haben.
Einleitung• 9
2. Es ist wesentlich mehr exaktes, physikalisches Wissen vorhanden, wie sich ein Kör
per gegen den Zug der Schwerkraft organisiert, als es Wissen über die anderen Kom
ponenten gibt. Viel mehr ist über Bewegung bekannt als über Ärger, Liebe, Mißgunst
oder die Gedanken. Es ist weit einfacher, die Qualität einer Bewegung erkennen zu
lernen als die Qualität der anderen Faktoren.
3. Der eigene Körperbau und die Fähigkeit, sich zu bewegen, haben möglicherweise
den größten Anteil am Selbstbild. Es genügt, ein Kind zu beobachten , das eine Unzu
länglichkeit an seinem Äußeren gefunden hat, welche es anscheinend unterschiedlich
von anderen Kindern macht, um zu der Überzeugung zu gelangen, daß diese Ent
deckung sein Verhalten wesentlich beeinflußt. Wenn z.B. seine Wirbelsäule sich nicht
normal entwickelt hat, wird es bei Bewegungen, die einen subtilen Gleichgewichts
sinn erfordern, Schwierigkeiten haben. Es wird leicht straucheln und eine ständige be
wußte Anstrengung benötigen, um zu erreichen, was andere Kinder ganz natürlich zu
wege bringen. Diese Schwierigkeiten, sich zu bewegen, untergraben und verzerren
sein Selbstwertgefühl und verführen es zu einem Verhalten, das seine Entwicklung in
Richtung seiner natürlichen Neigungen störend beeinflußt.
4. Jedes Tun nimmt seinen Ursprung aus einer Bewegung eines Muskels. Sehen, Spre
chen und auch Hören brauchen Muskelaktivitäten. Beim Hören reguliert der Muskel
die Spannung des Trommelfells entsprechend der Lautstärke des wahrgenommenen
Geräuschs.
5. Von dem, was im Zentralnervensystem vorgeht, bleibt das meiste zunächst dumpf
und verborgen. Es bedarf nur einer kurzen Zeit, um Gesichtsmuskeln, Herz oder die
Atmungsmuskulatur zu einer Gestalt, zum Ausdruck der inneren Reaktion, basierend
auf Gedanken oder Gefühlen, zu organisieren. Diese Vorgänge werden leichter wahr
genommen, sobald man sich der Änderungen bewußt wird, die sich in der Körperhal
tung vollzogen haben; denn diese Änderungen in der Körperhaltung sind leichter
spürbar als selbst die Änderungen, welche in den Muskeln geschehen sind. Das ganze
System ist so angeordnet, daß es den Muskeln Bereitschaft befiehlt, eine Handlung
auszuführen; oder es verhindert deren Ausführung.
Beim „Pendelversuch" hält eine Versuchsperson mit einer Hand einen Faden, an
dem ein Lot hängt, läßt ihren Arm bewegungslos und denkt sich für ein bis zwei Mi
nuten eine Bewegungsrichtung wie z.B. links, rechts, einen Kreis, etc. Währenddessen
mag das Pendel beginnen, in genau die gedachte Richtung zu schwingen: Die Person
ist sich des Vorgangs nicht bewußt, daß Gedanken mit Muskelreaktionen assoziiert
sind. Die ruhig gehaltenen Finger bewegen sich subtil mit, und diese Bewegung bleibt
zu klein, als daß sie von einer wenig sensitiven Versuchsperson wahrgenommen wer
den könnte.
Sobald man sich der Mittel bewußt wird, durch die der Muskelausdruck organisiert
wird, kann man gelegentlich auch den Reiz erkennen, der den ganzen Vorgang ausge-