Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE
DES WIRTSCHAFTS- UND VERKEHRSMINISTERIUMS
NORDRHEIN-WESTFALEN
Herausgegeben von Staatssekretär Prof. Leo Brandt
Nr. 117
Dr.-lng. H. Beisswänger
Dr.-lng. S. Schwandt
Untersuchungen an einigen Problemen des Tiefziehens
II. Teil
im Auftrage der
Forschungsgesellschaft Blechverarbeitung, Düsseldorf
Als Manuskript gedruckt
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
1954
ISBN 978-3-663-19387-6 ISBN 978-3-663-19525-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-19525-2
Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen
Untersuchungen über den Einfluß der Werkzeugform auf die maximale Zieh
kraft und das maximal erreichbare Ziehverhältnis beim Weiterschlag run
der zylindrischer Hohlteile1)
G l i e d e r u n g
. . . . . . . . . .
Einleitung und Aufgabenstellung •. s. 5
1. Versuchseinrichtungen, Werkzeuge und Versuchswerkstoffe s. 6
2. Die Verformungsmechanik im An- und Weiterschlag S. 1o
. . . . . . . . . . .
3· Versuchsergebnisse • S. 2o
. . .
Zusammenfassung • • • s. 74
Literaturverzeichnis s. 77
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Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen
E i n l e i t u n g u n d A u f g a b e n s t e l l u n g
Das Tiefziehen runder Teile im Anschlag wurde bereits vielfach untersucht.
Dagegen liegen über das Ziehen im Weiterachlag nur wenig Forschungsar
beiten vor. Häufig werden Angaben über die beim Weiterschlag mögliche
Werkzeugabstufung gemacht, meist jedoch ohne Nennung der Werkzeugabmes
sungen und Ziehbedingungen. In Anlehnung an früher durchgeführte Unter
suchungen über den Anschlagzug runder Teile2'3,4,) wurde daher das Tief
ziehen im ersten Weiterschlag mit St VIII 23, Ms 63, Al 99,8 und rost
freiem Stahl (mit 18 % Cr und 8 %Ni) untersucht. Dabei wurde der Ein
fluß der Abrundungen von Ziehring und Stempel, sowie der Einfluß des
Ziehringwinkels, außerdem der Einfluß der Spaltweite zwischen Ring und
Stempel auf die Ziehkraft und die Bodenreißkraft ermittelt. Weiter wur-
de das größtmögliche Ziehverhältnis im ersten Weiterschlag bestimmt, in
der Regel ohne Zwischenglühung nach dem Anschlag, in einigen Fällen je
doch auch nach einer Zwischenglühung. Darüber hinaus wurde untersucht,
wie bei mehreren Zügen das Ziehverhältnis in An- und Weiterschlag gewählt
werden muß, um bei einer vorgegebenen Zugzahl ein größtmögliches Gasamt
ziehverhältnis zu erreichen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Einfluß
der Auslagerungszeit im Anschlag gezogener Teile auf die Ziehfähigkeit
im Weiterschlag geprüft. Außerdem wurden Vorversuche zur Bestimmung des
mit mehreren Zügen maximal erreichbaren Gesamtziehverhältnisses durch
geführt.
Daneben war zu bestimmen, von welcher Blechdicke an im Weiterschlag hal
terfrei gezogen werden kann, außerdem die beim Ziehen mit Niederhalter
erforderliche spezifische Mindesthalterpressung. Zum Vergleich wurde im
Anschlag ebenfall diese Mindesthalterpressung bestimmt. Für die verschie
denen Werkstoffe wurde das im Anschlag maximal mögliche Ziehverhältnis
bestimmt, neben der Ermittlung der üblichen Werkstoffkennwerte.
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Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen
1. Versuch s ein r i c h tun g e n , Werk z e u g e
u n d V e r s u c h s w e r k s t o f f e
Zur Durchführung der Versuche stand eine Universalwerkstoffprüfmaschi
ne5) mit eingebautem Ziehprüfgerät zur Verfügung. Abbildung 1 zeigt
einen Schnitt durch das für die Weiterschlaguntersuchungen abgeänderte
Gerät. Auch sämtliche im Weiterschlag bei den Untersuchungen gezogenen
Becher wurden mit diesem Gerät und entsprechenden Anschlagziehwerkzeu
gen vorgezogen. Mit dem Gerät selbst konnte der Hub von 3oo mm der 35 t
MAN-Prüfmaschine voll ausgenutzt werden. Zur Ziehkraftmessung diente das
zur Prüfmaschine gehörende Pendelmanometer in den Laststufen 7 - 17,5
und 35 t. Mit einer Schreibvorrichtung konnten Kraft-Weg-Schaubilder auf
genommen werden. Die Ziehgeschwindigkeit betrug in der Regel o,15 m/min.
Bei Diagrammaufnahmen mußte der Ziehvorgang wegen der Trägheit des Pen
dels mit einer Ziehgeschwindigkeit von o,o17 m/min eingeleitet werden;
die Geschwindigkeit konnte nach einem Ziehweg von einigen Millimetern auf
o,o6 m/min erhöht werden. Die Ziehgeschwindigkeit der Prüfmaschine weicht
erheblich von jener der Betriebspressen ab. Doch wurde bereits der Einfluß
der Ziehgeschwindigkeit im Anschlagzug für St VIII 23 und Ms 635) unter
sucht und festgestellt, daß von o,1 bis rd. 3o m/min das größtmögliche
Ziehverhältnis praktisch unverändert bleibt und sich bis zu Fallhammer
geschwindigkeiten von rd. ~40 m/min nur gering verschlechtert. Al 99,5
zeigt nach neueren Untersuchungen nahezu dasselbe Geschwindigkeitsverhal
ten wie St VIII 23 und Ms 63, während sich bei nichtrostendem Stahl (V2A)
das größtmögliche Ziehverhältnis von 2,12 bei o,1 m/min auf 2,o3 bei
15 m/min, bzw. auf 1,94 bei 24o m/min verringerte. Die Geschwindigkeits
versuche werden für V2A mit verbesserter Schmierung der Ronde wiederholt,
da das erreichbare Ziehverhältnis bei diesem Werkstoff - im Gegensatz zu
den übrigen - stärker vom Schmiermittel abhängt. Auf Grund der genannten
Anschlagziehversuche bei verschiedenen Geschwindigkeiten kann angenommen
werden, daß sich die bei St VIII 23, Ms 63 und Al für den Weiterschlag bei
geringen Geschwindigkeiten gewonnenen Erkenntnisse ohne Einschränkung auf
das Ziehen mit Betriebspressen übertragen lassen, während beim nichtrosten
den Stahl ein geringer Geschwindigkeitseinfluß erwartet werden muß.
Bei dem für die Versuche benutzten Ziehprüfgerät wird der Kolben des Nie
derhalters pneumatisch betätigt. Zur Verfügung steht Preßluft von höchstens
2o atü, die über ein Druckminderventil zugeleitet wird. Der Druck wird
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Weiterschlag
(2.Zug)
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nicht einge
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zeichnet)
Prüfmaschine
A b b i l d u n g 1
Ziehvorrichtung für Weiterschlagsversuche
an einem Manometer abgelesen. Die Niederhalterkraft beträgt höchstens
22oo kg, bei Niederhalterkräften unter 1oo kg wird mit Gegendruck auf
der unteren Kolbenfläche gearbeitet, um die Halterkraft bei großem Preß
luftdruck hinreichend genau einstellen zu können. Die Halterkraft wurde
in Abhängigkeit des Manometerdrucks durch Kraftmessung bestimmt.
Der Stempelträger ist im Niederhalterkolben geführt und so mit der Prüf
maschine verbunden, daß von dort nur Druck- oder Zugkräfte übertragen
werden können. Der Niederhalter kann planparallel zum Ziehring einge
stellt und der Ziehring durch vier Zentrierschrauben zum Stempel zen
triert werden.
Die zur Durchführung der Versuche benutzten Stempel waren aus gehärte
tem Stahl; sie waren an der Arbeitsfläche geschliffen und poliert. Die
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Ziehringe wurden ebenfalls, wenn nicht besonders angegeben, für die An-
o
schlagzüge sowie für Weiterschläge bei Ziehringwinkeln von 2 a = 9o aus
gehärtetem Stahl hergestellt und an den Arbeitsflächen geschliffen und
poliert. Sämtliche Stahlringe stammten aus früheren Versuchen. Die üb
rigen Ringe wurden aus Spezialgußeisen durch Drehen hergestellt und auf
der Drehbank an den Arbeitsflächen mit Schmirgelleinen poliert. (Zieh
ringe aus Gußeisen werden als solche bei den Werkzeugangaben jeweils ge
nannt). Durch besondere Versuche war in anderem Zusammenhang gefunden
worden, daß der Unterschied im Ziehergebnis zwischen Ziehringen aus ge
härtetem und geschliffenem Stahl und solchen aus dem benutzten Spezial
gußeisen gering ist. Die Auswertung der Versuche wurde zwar durch diese
Kombination gelegentlich erschwert, die Versuchsergebnisse selbst wur
den jedoch dadurch in den wesentlichen Punkten nicht beeinflußt. Der
Spalt zwischen Ziehring und Stempel war gleich dem 1,4-fachen der Aus
gangsblechdicke. Ein Abstrecken erfolgte außer bei einigen gesondert be
handelten Versuchen daher nicht. Die Gußringe genügten daher für die oh
ne Abstrecken durchgeführten Ziehversuche.
In Tabelle 1 sind für die in die Untersuchung einbezogenen Werkstoffe,
die Analysen, die Kennwerte des Zugversuchs, die Vickershärte H und die
V
Erichsentiefung t genannt. Dabei wurde die Bruchdehnung 6 an Zugstäben
nach DIN 5o 114 mit 5o mm Meßlänge bestimmt. St VIII 23, 1,25 mm dick,
hatte infolge sehr langer Auslagerung wieder eine ausgeprägte Streck
grenze und damit eine Neigung zur Fließfigurenbildung, außerdem bilde
ten sich in der Regel beim Ziehen in und senkrecht zur Walzrichtung
relativ hohe Zipfel. Das Gefüge dieses St VIII 23 zeigte außer einigen
Schlackenzeilen keine Besonderheiten. Der StahlSt VIII 23, 1,o mm dick,
hatte geringe Neigung zur Zipfelbildung und keine Neigung zur Fließfi
gurenbildung.
Bei den Messingblechen der verschiedenen Blechdicke fällt ein stärkerer
Unterschied in der Dehnung auf. Die Bleche mit einer Ausgangsblechdicke
s 1,o; o,B und o,6 mm ergaben beim Ziehen vier Zipfel von geringer
0
Höhe unter 45° zur Walzrichtung, ebenso zeigte das Aluminium eine leich-
te Zipfelbildung.
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en 2 m 8 3 7 o 2 8 55 5o 4o 48 34 52
der untersucht aBo, 2 c1 2 kg/mm kg/m WR 21,2 35, Dr 24,2 38, 23,2 Q3R 6, 2o,6 34, 6o,21 .4 6,3,5 O'B 2 kg/mm WR QR 6,6 36,4 6,5 35 6 9,4 38,6 6,o 36,3 5,2 33,2 6,5 36,5
3 3 3 3 3 3
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zung un Mn % o,35 o,36 - -L Fe % o,o15 o,o5 o,o2 o,27 o,o o,o2 messen en
mische Zusammenset c s Si 0 % % mm 1, 25 o,oo,1 o5 o,o95 o,o7 1 '0 -o,o7 1 '2 --1 '25 --- s Cu Pb 0 % mm % o,o2 64,4 1 '25 Spur 63,4 1 '0 o,S o, 6o31 ,6 o,6 o,o1 63,3 Spou,r 5 63,4 o,4 62,8 o,o2 htung gemessen ur Walzrichtung ge Walzrichtung gemess
Che t VIII 23 t VIII 23 3o4 uss 18-8) Al 99,8 Ms 63 Ms 63 Ms 63 Ms 63 Ms 63 Ms 63 n Walzric Diagonal z Quer zur
S S ( I
1. 2. 3· 4· 5· 6. 1· 8. 9. 1 o. WR DR QR
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2. D i e V e r f o r m u n g s m e c h a n i k
i m A n - u n d W e i t e r s c h l a g
Die Verformungsmechanik des An- und Weiterschlags wird ausführlich an
anderer Stelle behandelt und es soll daher hier nur kurz darauf einge
gangen werden. Beim Anschlag geht die Verformung zwischen Ziehring und
Halter entlang der Ziehringrundung vor sich, wenn ohne Abstrecken gear
beitet wird. Die erforderliche Kraft wird vom Stempel über Becherboden
und Becherrundung in die Verformungszone übertragen. Die Größe dieser
Stempelkraft ist durch die Verhältnisse in der Verformungszone bedingt.
Abbildung 2 zeigt ein Stempelkraft-Stempelweg-Diagramm des Anschlagzugs.
Die maximale Stempelkraft wächst mit zunehmendem Rondendurchmesser
3).
(Abb. Von einem bestimmten Rondendurchmesser ab treten Bodenreißer
auf, d.h. dann, wenn die größte Stempelkraft gleich der durch die Ver
hältnisse an der Stempelrundung bedingten Bodenreißkraft wird. Die Bo
denreißkraft nimmt bei größeren Rondendurchmessern wieder ab, weil der
Bruch in einem frühen Stadium erfolgt, in dem das Blech noch nicht voll
an der Stempelrundung anliegt.
Ziehring- bzw. Stempelrundung haben einen großen Einfluß auf Stempelkraft
bzw. Bodenreißkraft und damit auf das größte Ziehverhältnis. Beim Ziehen
mit Abstrecken wird sowohl die Stempel- wie auch die Bodenreißkraft er
höht: das größte Ziehverhältnis hängt von der Größe der Abstreckung ab
und ist in der Regel größer als beim reinen Tiefziehen.
Beim Ziehen im Anschlag kann die Spannungsverteilung in der Verformungs
zone über verschiedene Ansätze6'7) bestimmt werden. Die im Ziehteil vor
handene Spannungsverteilung ist dabei aus Abbildung 4 links ersichtlich.
dt ist eine tangentiale Druckspannung, ur eine radiale Zugspannung.
Im Bereich plastischer Verformung kann als Fließbedingung die Schubspan
nungshypothese benutzt werden, die besagt, daß ar - dt = kf ist. kf ist
ein Werkstoffkennwert, der vom Verformungsgrad abhängt und durch Zug
oder Druckversuche bestimmt wird. Die Fließkurve eines Werkstoffs stellt
diese sogenannte Formänderungsfestigkeit kf in Abhängigkeit vom Verfor
mungsgrad dar. Beim Ziehen im An- und Weiterschlag ist am Rand der Ver
formungszone dr = 0, somit dt = -kf. ~t nimmt gegen den Stempeldurch
messer hin ab, ~ entsprechend der Fließbedingung zu.
r
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