Table Of ContentTragwerke
aus Aluminium
Von
Fritz Stiissi
Dr. sc. techn., LL. D. h. c., Dr. Ing. h. c., Dr.-Ing. E. h.
o. Professor an der Eidg. Technischen Hochschule. ZUrich
Mit 174 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin I Gottingen IHeidelberg
1955
Aile Rechte, insbesondere das der Dbe:'setzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
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ISBN-13: 978-3-642-49062-0 e-ISBN-13:978-3-642-92661-7
DOl: 10.1007/978-3-642-92661-7
® by Springer.Verlag OHG., Berlin/G6ttingen/Heidelberg 1955.
Sof'tcover reprint of the hardcover 1s t edition L955.
Vorwort.
Das vorIiegende kleine Buch verdankt sein Entstehen der Initiative
der zur"Aluminium Limited"-Gruppe gehorenden Gesellschaft "L'Alu
minium Commercial S.A." in Zurich. Die Aufgabe, die es sich stelit, kann
etwa wie folgt umschrieben werden:
Es sollte versucht werden, auf Grund der besonderen Eigenschaften
des Baustoffes die wesentlichen Grundsiitze fUr den Entwurf, die Be
rechnung und die Ausfiihrung von Tragwerken aus Aluminiumlegierun
gen herauszuarbeiten. Da sich diese Grundsiitze an diejenigen des Stahl
baues anlehnen, schien es gegeben, ihreDarstellung auf dengegenwiirtigen
Stand des europiiischen Stahlbaues zu orientieren.
Es ist selbstverstiindlich, daB der vorIiegende Versuch sich weit
gehend auf die heutige Technologie der Aluminiumlegierungen stiitzen
muBte, und ich hiitte diese Arbeit ohne die groBzugige und entgegen
kommende Unterstiitzung der verschiedenen Gesellschaften der Alu
minium Limited nicht iibernehmen konnen. Insbesondere wurden mir
eine Reihe interner Versuchsberichte, vor allem aber eine eingehende
Darstellung der Eigenschaften sowie der Herstellung und Verarbeitung
der Aluminiumlegierungen als Grundlage fiir die Bearbeitung der ent
sprechenden Abschnitte zur Verfugung gestellt. Ich mochte hier dafiir der
Aluminium Limited meinen herzIiche!l Dank aussprechen, ohne damit
jedoch die Verantwortung fUr das Ergebnis von mir abwiilzenzu wollen.
Neben den Unterlagen der Aluminium Limited habe ich auch die vor
handene Fachliteratur, soweit sie mir zugiingIich war, zu Rate gezogen.
AuBer den jeweils im Text erwiihnten Zeitschriftenaufsiitzen haben mir
besonders die folgenden Handbucher und Darstellungen gute Dienste
geleistet:
Aluminium-Taschenbuch, Aluminium Zentrale E.V., 10. Auflage,
Dusseldorf 1951;
Alcoa Structural Handbook, Aluminum Company of America, Pitts
burgh 1945;
A. von Zeerleder: Technologie der Leichtmetalle, Ziirich 1947.
Aluminium ist ein hochwertiger Baustoff, der auf allen Stufen auch
eine hochwertige Verarbeitung verlangt. Es schien mir deshalb angezeigt,
hier auch einige theoretische Fragen zu streifen, die noch nicht iiberall
Bestandteil der Alltagspraxis des Stahlbaues sind, die aber auch dort
mehr und mehr Beachtung finden mussen. Auch schien es mir notwendig,
in det Frage der Dauerfestigkeit die maBgebenden Zusammenhange zu
IV Vorwort.
suchen, um. damit beizutragen, daB das im Bauwesen iiberlieferte und
noch weitverbreitete "statische Denken" durch eine der Wirklichkeit
besser gerecht werdende, umfassendere Beurteilung der Festigkeits
eigenschaften und Beanspruchungsverhaltnisse erganzt werde.
lch bin mir bewuBt, daB der vorliegende Versuch noch liickenhaft und
mit Mangeln behaftet sein muB; ich hoffe jedoch, daB er trotzdem beim
Entwurf von Tragwerken aus Aluminium der Konstruktionspraxis ge
wisse Dienste wird leisten konnen. FUr jede Anregung zu Verbesserungen
bin ich dankbar.
lch freue mich, daB dieser Beitrag an die Entwicklung einer Leicht
metallbauweise im Springer-Verlag erscheinen kann, und ich danke Herrn
Dr.-lng. E. h. JULIUS SPRINGER fiir seine Aufgeschlossenheit gegeniiber
diesem Versuch.
Mein Assistent Dipl.-lng. E. BOSSHARD hat mich durch die An
fertigung eines Teils der Abbildungsvorlagen unterstiitzt, wofiir ich ihm
hier ebenfalls bestens danke.
Ziirich, Juni 1955.
F. Stiissi.
InhaItsverzeichnis.
Seite
I. Allgemeine 'Oberlegungen. . . . . . . 1
II. Der Baustoff und seine Eigenschaften . 7
1. Die Herstellung von Aluminium 7
a) Geschichtliches . . . . . . . 7
b) Der Herstellungsvorgang. . . 10
c) Eigenschaften von Aluminium 12
2. Die Aluminiumlegierungen ... 13
a) Legierungsbestandteile und Legierungsarten 13
b) Legierungsbezeichnungen . 18
c) Knetlegierungen 20
d) GuBlegierungen . 23
3. Lieferformen . . . 23
a) Strangpressen 24
b) Platten und Bleche 27
c) Blechprofile . . 28
d) Schmiedestiicke. . 33
e) GuB • ...... 34
4. Festigkeit, Verformung und zullissige Beanspruchung . 36
a) Das Spannungsdehnungsdiagramm 36
b) Dauerfestigkeit . . . . . . . . . . . . 44
c) EinfluB von Temperaturanderungen. . . 56
d) Sicherheit und zulassige Beanspruchungen 58
III. Verbindungsmittel. 63
1. Allgemeines . . 63
2. Nieten .... 64
a) Nietmaterial 64
b) Nietformen . 65
c) Nietberechnung 67
d) Bauliche Einzelheiten 69
3. Schrauben . . 72
4. SchweiBen 73
a) Allgemeines 73
b) Die SchweiBverfahren 76
c) Berechnung von SchweiBverbindungen 78
d) Bauliche Einzelheiten 80
5. Kleben ............... . 83
IV. Besondere Festigkeitsprobleme und Stabilitiitsprobleme 84
1. Biegung und Verdrehung ............ . 84
a) Grundlagen und Voraussetzungen ....... . 84
b) Doppelbedeutung und Grenzlagen des Schubmittelpunktes 85
VI Inhaltsverzeichnis.
Seitc
c) Stabe mit offenem Quer~chnitt . . . . 88
d) Die numerische Losung der Torsionsgleichung 96
e) Stabe mit geschlossenem Querschnitt 103
2. Knicken ..•...•...... 105
a) Knickvorgang und Knickbedingung 105
b) Unelastisches Knicken . . . III
c) Exzentrisches Knicken .•. 118
d) Zulii.ssige Knickspannungen . 123
e) Der Rahmenstab .... 124
3. Torsionsknicken und Kippen 126
a) Grundgleichungen .... 126
b) Torsionsknicken ••... 131
c) Kippen bei doppeIt'symmetrischem Querschnitt 133
d) Kippen bei einfach·symmetrischem Querschnitt . 135
e) Biegung und Langskraft 137
f) Der unelastische Bereich . . . . . . 138
4. Ausbeulen ............ . 139
a) Grundgleichungen der ebenen Platte 139
b) Beulwerte k rechteckiger Platten . . 143
c) Bleche mit Langsaussteifungen . . . 148
d) Uberkritische Belastungen - Leichtprofile 151
e) Ausbeulen zylindrischer Rohre . . . . . 154
V. Ausbildung und Bemessung der Bauelemente 156
1. Zusammengesetzte Vollwandtrager . 157
a) Bauformen. • . . . . . . 157
b) Einzelheiten der Bemessung . 160
2. Fachwerktrager . . . . . . . . 163
a) Besonderheiten des Netzbildes 163
b) Bauliche Einzelheiten . . . . 165
3. Besondere Bauformen . . . . . 169
VI. Die Herstellung von Aluminiumtragwerken 171
1. Werkstattarbeiten 172
a) Anreitlen. . . . . . . . . . . 172
b) Schneiden ......... . 172
c) Bohren, Stanzen und Ausreiben . 173
d) Frasen, Drehen, Robeln usw. .. 174
e) Verformen .•........ 175
f) Besonderheiten der Werkstattbehandlung 177
2. Montagearbeiten. . . . . . . . . • . . • 177
3. Korrosionsschutz und Oberflachenbehandlung 177
VII. Ausfiibrungsbeispiele. . . . . . . . . . . . . 181
1. Briickenbauten . . . . . . . . . . . . . . 181
a) Smithfield-Stratlenbriicke in Pittsburgh (USA) 181
b) Grasse River-Briicke bei Massena, N. Y. (USA) 181
c) Klappbriicke bei Sunderland (England). . . 184
d) Saguenay River-Briicke bei Arvida (Kanada) . 184
e) FuBgangerbriicke in Schottland. . . . ... 186
f) FuBgangerbriicke in Diisseldorf (Deutschland) 188
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
2. Hochbauten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189
a) Aluminium-Hangar fur "Comet" der de Havilland Aircraft Co. 189
b) Hallenkonstruktion "Le Plaza" in Genf (Schweiz). . 190
3. Verschiedene Anwendungsformen . . . . . . . . . . 191
a) Beleuchtungsturme im Rangierbahnhof Biel (Schweiz) 191
b) Leichter Freileitungsmast "Panzermast" 191
e) Lawinenverbauungen 192
d) Baggerausleger . . . . . . . . . . . 193
e) Kornsilo . . . . . . . . . . . . . . 193
f) Leitungsturme in Kitimat (British Columbia, Canada) 194
VIII. Ubersicht fiber die Normen und mechanischen Eigenschaften der
Knetlegierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
I. Allgemeine Uberlegungen.
Jeder der im Bauwesen verwendeten Baustoffe besitzt seine charak
teristischen Merkmale und Eigenschaften, die ihm zu seinen besonderen
Anwendungsgebieten verholfen haben. Die Grenzen dieser Anwendungs
gebiete liegen nicht fest, sondern verschieben sich mit Anderungen der
Marktlage und mit der technischen Entwicklung. Erst in jungster Zeit
sind die Leichtmetalle und unter dies en im besonderen die Aluminium
legierungen in Wettbewerb zu den bisherigen Baustoffen Holz, Stein,
Beton, Stahlbeton UJid Stahl getreten, zunachst noch zogernd und in
vereinzelten Anwendungen. Es ist heute jedoch mit Sicherheit zu
erkennen, daB die Leichtmetalle im Bauwesen eine mit der Zeit zu
nehmende Bedeutung besitzen werden. In den verschiedenen An
wendungsgebieten des Transportwesens (Flugzeugbau, Fahrzeuge fur
StraBen- und Eisenbahnverkehr, Schiffsbau) werden Aluminium
legierungen heute schon in groBem MaBstab verwendet.
Die Leichtmetallbauweise besitzt in bezug auf allgemeine Material
eigenschaften, Bauformen, Konstruktionsgrundsatze und Herstellungs
verfahren weitgehende Analogien mit der Stahlbauweise. Doch bestehen
andererseits ebensosehr grundsatzliche Unterschiede in den Material
eigenschaften zwischen Leichtmetallen und Baustahl, so daB die Bau
formen und Berechnungsregeln, die sich im Stahlbau bewahrt haben,
nicht einfach auf den Leichtmetallbau ubertragen werden durfen. Es
ist im Gegenteil notwendig, ausgehend von den Besonderheiten der
Leichtmetalle, die besonQ.eren Merkmale der Leichtmetallbauweise zu
erkennen, damit sowohl technisch hochwertige wie gleichzeitig wirt
schaftliche Bauwerke entstehen konnen. Nur die Kenntnis der typischen
Besonderheiten des Baustoffes erlaubt seine volle Ausnutzung. Es
scheint dabei selbstverstandlich, daB bei dies em Versuch, die Auswir
kungen der Baustoffeigenschaften auf die bauliche Gestaltung zu for
mulieren, die Erfahrungen des Stahlbaues wertvolle Richtlinien liefern
konnen. Deshalb basieren die folgenden Uberlegungen, Untersuchungen
und Folgerungen auf Vergleichen mit dem Stahlbau und sie setzen
deshalb auch die Kenntnis der wichtigsten Konstruktionsgrundsatze des
Stahlbaues voraus.
Die bautechnisch wichtigsten Eigenschaften von Aluminiumlegierungen
(im Vergleich zu Baustahl) sind ihr geringes spezifisches Gewicht, ihre
guten Festigkeitseigenschaften, die gute Korrosionsbestandigkeit und die
stussi, Tragwerke aus Aluminium.
2 1. Allgemeine Oberlegungen.
Mog1ichkeiten de1' leichten F01'mgebung de1' Einzelteile. Dabei sind jedoch
der nied1'ige E1astizitiitsmodul und die gegeniiber Stahl merklich g1'o(.Je1'e
Tempemtu1'ausdehnungszahl sowie de1' g1'o(.Jel'e Einheitspl'eis zu beachten.
Das ge1'inge spezifische Gewicht eines Baustoffes besitzt fUr sich allein
genommen keine ausschlaggebende Bedeutung, sondern nur im Zu
sammenhang mit der Festigkeit und dem Einheitspl'eis. Einige einfache
"Oberlegungen sollen diese VerhliJtnisse beleuchten.
Ein an einer Decke aufgehangter Draht der Lange 1 von konstantem
Querschnitt F soIl ein an seinem unteren Ende aufgehangtes Gewicht
P = p 1 tragen (Abb. I). 1m maBgebenden Querschnitt a-a tritt
somit die Beanspruchung a,
;)1,
a=(YF;lll=(r+ (I)
ci, (L auf, wenn wir mit I' das spezifische Gewicht des
Drahtmaterials bezeichnen. Bei voller Ausniitzung
des Drahtes im Schnitt a-a ist a = azul. zu setzen;
F der erforderliche Drahtquerschnitt F ergibt sich somit
aus Gl: (I) zu
F=~
a - y l
und sein auf die Langeneinheit bezogenes Eigengewicht
P=!l-·l g = rF betragt
l
g=p-a-· (2)
Abb.1. --l
y
Das maBgebendc Verhaltnis all' besitzt die Dimension einer Lange; es
bedeutet die "Rei(.Jliinge" lR' wenn wir fUr a die Zugfestigkeitaz des
Materials einsetzen und die "Gl'enzliinge" lGr. fUr a = azul.' bei der das
Drahtmaterial an der maBgebenden Stelle gerade voll ausgeniitzt ist:
1 _ az 1 =ayzltl.'
R- y' Gr.
Gl. (2) liefert uns somit das "theol'etische Gewicht" unseres Tragsystems
in der Form
l
(2a)
g = Plar. -l;
wir erkennen, daB der Draht fUr 1 = lGr. unter Einhaltung der zu
lassigen Spannung gerade noch sein Eigengewicht, aber keine Nutzlast p
mehr zu tragen vermag. Eine theoretische Gewichtsformel, Gl. (2a),
kann nun fUr jede Tragwerksform aufgestellt werden, wobei lediglich
der Begriff der Grenzlange auf
1 -_ -a;zuyl. (2b)
Gr.
zu erweitern ist; sei als "Systembeiwert" bezeichnet.
(X
I. Allgemeine Oberlegungen. 3
Bei einem Vergleich zwischen normalem Baustahl und Leichtmetall
ist nun allerdings zu beachten, daB es ncirmalerweise nicht gelingt, das
Eigengewicht eines bestimmten Tragsystems in Leichtmetall gegenuber
Stahl im VerhliJtnis der spezifischen Gewichte y der beiden Baustoffe
(bei gleich angenommenem azuz.) zu vermindern; der Systembeiwert (XL
fUr Leichtmetall wird normalerweise etwas groBer sein als der Beiwert
(XSt. fur das gleiche Tragsystem in Stahl (EinfluB des Konstruktions
faktors, Knicken, Dauerfestigkeit). Fur den in Abb. 2 skizzierten Ver.
q,Or-------,----.,--,--------r--r----,-,
8,O~------4---~---+--------r+------~
1~ o~------~-+-----+-----,!--~------~
~
1,0~------~------~~------~------~
o 1,0 1,.7
l/ls:..
Abb.2.
gleich der Eigengewichte g sind, mehr oder weniger willkiirlich, die
Werte
azLu Z.. = 0 ' 80· aSzut.l .' (XL = 1,10· (XSt.,
YL = ~,, ~~. YSt. = 0,344 ·YSt.
angenommen worden; damit ergibt sich das Verhaltnis der Grenzspann
weiten zu
lGL r. ---- 1, 1·0 0,8, 3 44 . lSGtr.. =~ 2, 1 . lSGtr. . •
Abb.2 zeigt nun, daB das Eigengewicht einer Tragkonstruktion in
Leichtmetall mit wachsender Spannweite viel langsamer zunimmt als
fUr das gleiche Tragsystem in Stahl. Ein bestimmtes Tragsystem kann
in Leichtmetall auch bei Spannweiten noch ausgefUhrt werden, bei denen
die Verwendung von Stahl nicht mehr in Frage kommt. So Iiegt bei
spielsweise die Grenzspannweite fUr einen einfachen Fachwerkbalken
aus normalem Baustahl bei etwa 500 m; die oberste, wirtschaftlich
noch zu rechtfertigende Anwendungsgrenze, bei der das aufzuwendende
1*