Table Of ContentAktuelle Frauenforschung
Band 34
Schwangerschaft im Fadenkreuz
am Beispiel von Pränataldiagnostik
und »Erlanger Fall«
Astrid Beermann
Centaurus Verlag & Media UG 1997
Zur Autorin: Astrid Beermann ist Industriekauffrau und studierte Soziologie an der
Universität Marburg, 1994 Abschluß zur Diplom-Soziologin. Sie absolvierte eine
Weiterbildung zur analytisch orientierten Familientherapeutin und ist derzeit als
Mitarbeiterin in einer Frühförder-und Beratungsstelle tätig.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Beermann, Astrid:
Schwangerschaft im Fadenkreuz: am Beispiel von
Pränataldiagnostik und "Erlanger Fall" / Astrid Beermann. -
pfaffenweiler : Centaurus-Verl.-Ges., 1997
(Aktuelle Frauenforschung ; Bd. 34)
ISBN 978-3-8255-0081-8 ISBN 978-3-86226-461-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-86226-461-2
NE: GT
ISSN 0934-554X
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© CENTAURUS-Verlagsgesellschaft mit beschränkter Haftung, Pfaffenweiler 7997
Satz: Vorlage der Autorin
was aber im großen geschieht
hat seinen grund im kleinsten
der geist des ganzen erwächst aus dem
was jeder einzelne tut
kar! jaspers
v
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil I
1 Das Interesse an der sozialen Kontrolle der Frau und die medizinische 4
Wissenschaft aus historischer Perspektive
2 Zur Verflechtung von Staat, medizinischer Wissenschaft und Industrie 12
2.1 Die Subpolitik der Medizin 12
2.2 Bio-Macht -leben machen und sterben lassen 14
2.3 Zum Prozeß der staatlichen Entscheidungsfindung 17
2.4 Die nationale und internationale Förderung auf dem Gebiet der Erforschung 20
des menschlichen Genoms
Teil 11
3 Gesetze, Richtlinien, Schwangerschaftsdokument und Datenvernetzung 26
3.1 Embryonenschutzgesetz (ESchG) 26
3.2 Mutterschafts-Richtlinien 29
3.3 Mutterpaß 30
4 Eugenische Indikation 38
5 Humangenetische Beratung 42
6 Die Orientierung am Risiko 47
6.1 Der Risikobegriff in der Krankheitsforschung 47
6.2 Der Risikobegriff in der pränatalen Diagnostik 48
6.3 Das Risikobewußtsein in der Öffentlichkeit 53
7 Individualisierung der Fruchtbarkeitskontrolle 54
Die Qual(-ität) der Wahl
VI
Teil III
8 Zur Praxis der pränatalen Diagnostik 61
Methoden, Risiken und Bedenken
8.1 Alphafetoprotein-Test 63
8.2 Ultraschall (Sonographie) 65
8.3 Fruchtwasseruntersuchung (Amniocentese) 72
8.4 Chorionzottenbiopsie 76
8.5 Nabelschnurpunktion 80
8.6 Embryoskopie/Fetoskopie 82
8.7 Präimplantationsdiagnostik 82
8.8 Weitere pränatale Tests 83
9 Der »Erlanger Fall« -eine »posthume« Schwangerschaft 85
9.1 Was geschah in Erlangen? 87
9.2 Der Status der »hirntoten Schwangeren« 93
9.3 Der Status des »Fötus« 95
9.4 Resümee 99
Schlußbetrachtung 102
Danksagung 104
Glossar 105
Literaturverzeichnis 109
VII
Einleitung
Die Hummel
wiegt 4.8g.
Sie hat eine
Flügelfläche
von 1,45 cm3
bei einem
Flächenwinkel
von 6°.
Nach dem Gesetz
der Aerodynamik
kann die Hummel
nicht fliegen.
Aber die Hummel
weiß das nicht!
(D. Dorenbeck)
Qua Natur ist Frauen die Fähigkeit gegeben zu gebären. Ihre Fruchtbarkeit hält den
Ursprung existentiellen Seins immer wieder vor Augen und gibt bis heute viele
Rätsel auf. In frühen Naturvölkern stand das weibliche Gebärvermögen für ein Bild
kosmischer Schöpfung und wurde hoch verehrt.
Heutzutage ist von den jahrtausendealten kulturellen Traditionen im Umgang
mit Zeugung, Schwangerschaft und Geburt kaum noch etwas übriggeblieben. An
ihre Stelle sind die Maxime der Plan- und Machbarkeit getreten mit dem Ziel, den
Entstehungsprozeß menschlichen Lebens mit technologischer Unterstützung zu
nehmend herstellbar und dadurch manipulierbar zu machen.
Die im genannten Sinne spezifisch »weibliche Natur« gilt im medizinisch-wis
senschaftlichen Rahmen als »unperfekt«, »willkürlich« und aus diesem Grund
»behandlungsbedürftig«. Der Frau wurde ihre »Natur« zu einer »biologischen Last«
umgedeutet.
Der Titel meiner Arbeit beinhaltet bereits die Hypothese, die von einer staatli
chen Kontrolle weiblicher Gebärfähigkeit ausgeht. Diese gilt es in der Auseinan
dersetzung mit den sie berührenden Aspekten zu überprüfen.
Teil I befaßt sich mit der Entstehung und Entwicklung der Kontrolle weiblicher
Gebärfahigkeit (Punkt 1). Im Mittelpunkt steht die Betrachtung der sozialen Kon
trolle der Frau durch die medizinische Wissenschaft, die im Laufe der Geschichte
immer besser zu gelingen scheint und in Zusammenhang mit dem gesellschaftli
chen Wandel des Naturbegriffes gesehen werden muß. Mittels des historischen
Kontextes lassen sich Motivationen erkennen und Sinnzusammenhänge zur aktuel
len Situation herstellen.
Die Natur der Sache bedingt eine zwangsweise Verbindung zwischen Staat und
medizinischer Wissenschaft. Unter Punkt 2 stelle ich die Verflechtung dieser Be
reiche und ihre ökonomische Dimension dar, um mich der Klärung der Frage zu
nähern, wer eigentlich kontrolliert und welche Bedeutung dieser Kontrolle beige
messen wird. Hierbei wird im besonderen auf die staatliche Förderung im Bereich
der Genomforschung eingegangen, deren Forschungsergebnisse sich im Rahmen
pränataler Diagnostik niederschlagen.
In Teil II setze ich mich mit der Frage auseinander, wie, d.h. auf welchem Wege,
die Kontrolle weiblicher Gebärfähigkeit funktioniert. Die Gewährleistung von Kon
trolle bedingt ein bestimmtes Instrumentarium, das handlungsanleitende Regelun
gen im Umgang mit Zeugung, Schwangerschaft und Geburt vorgibt. Mittel zum
Zweck sind hierbei Gesetze und Richtlinien. Die Einhaltung formaler Kriterien und
eine gesicherte Datenerfassung und -vernetzung vervollständigen den Kontrollme
chanismus. In diesem Zusammenhang stehen auch die »eugenische Indikation«
(Punkt 4) und die »humangenetische Beratung« (Punkt 5), wobei Institutionen wie
Jurisprudenz und Medizin staatliche Interessen in die Praxis umsetzen.
Punkt 6 zeigt auf, wie wissenschaftliche Defintionsmacht gesellschaftliche
Wahrheiten hervorbringt, und wie diese im Bereich von Schwangerschaft und Ge
burt neue Zwänge bedeuten. Indem Schwangerschaft zum Risiko erklärt wird, er
hält sie die Aura einer Bürde, deren Bewältigung nur mit medizinisch-wissen
schaftlicher Unterstützung gelingen kann. Hierbei nimmt die »Orientierung am
Risiko« eine Schlüsselfunktion ein.
Zur Beurteilung der Effizienz von Kontrolle muß die Frage geklärt werden, ob
die Gesellschaftsmitglieder, auf die die Kontrolle ausgerichtet ist, hier: die Frauen
bzw. Eltern, tatsächlich erfaßt werden und das erwünschte Verhalten hervorbrin
gen. Punkt 7 stellt heraus, wie das staatlich »Gesollte« zum individuellen Maßstab
des Handeins gemacht wird. Hierbei spielen sozialer Druck, negative und positive
Sanktionen in Form von Drohung und Ansporn eine Rolle.
Teil III der Arbeit wendet sich der Auseinandersetzung mit der Praxis pränataler
Diagnostik und dem (noch) Spezialfall Schwangerschaften hirntoter Frauen zu.
Punkt 8 behandelt die Darstellung und den Charakter der verschiedenen vorge
burtlichen Diagnoseverfahren, die inzwischen zu selbstverständlichen Eingriffen in
der Schwangerenvorsorge geworden sind. Hierbei wird auch einer kritischen Be
trachtungsweise Platz gewährt, die sich mit der Abwägung der vorgegebenen Risi
kovermeidung gegenüber der durch Pränataldiagnostik erzeugten Risiken beschäf
tigt.
Der »Erlanger Fall« zeigt den Umgang mit einer »hirntoten Schwangeren«. In
dieser Situation, in der die Frau ganz »ausgeschaltet« zu sein scheint, gilt mein
Interesse der Art und Weise der hier greifenden Mechanismen. Im Zentrum steht
2
die Frage, welche Bedeutung der schwangeren Frau und welche ihrer Leibesfrucht
zukommt.
In diesem Kontext drängt sich die Verbindung zur Forschung an einer künstli
chen Gebärmutter auf, die den Entstehungsprozeß menschlichen Lebens ohne die
Frau zum Ziel hat, und die abschließend das »große Ziel« staatlicher, d.h. patriar
chaler Kontrolle weiblicher Gebärfähigkeit herauskristallisiert, nämlich die Aneig
nung des weiblichen Gebärvermögens durch die männerdominierte medizinische
Wissenschaft.
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