Table Of ContentPolitische Beteiligung junger Menschen
Jörg Tremmel • Markus Rutsche (Hrsg.)
Politische Beteiligung
junger Menschen
Grundlagen – Perspektiven –
Fallstudien
Herausgeber
Jörg Tremmel Markus Rutsche
Universität Tübingen, Deutschland Universität St. Gallen, Schweiz
ISBN 978-3-658-10185-5 ISBN 978-3-658-10186-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-10186-2
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Lektorat: Jan Treibel, Katharina Gonsior
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Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Jörg Tremmel und Markus Rutsche
1 Einführende und systematisierende Beiträge
Jugend und politische Partizipation in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . 13
Wolfgang Gaiser, Winfried Krüger, Johann de Rijke und Franziska Wächter
Wird es zu Jugendprotesten in Deutschland kommen? Eine Einschätzung
auf Grundlage der Ergebnisse der Shell-Jugendstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Klaus Hurrelmann, Mathias Albert und Gudrun Quenzel
Einmischen, mitmischen, aufmischen – Partizipation in und durch
politische(r) Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Ursula Bischoff , Susanne Johansson, Frank König, Alexander Leistner,
Katja Schau und Eva Zimmermann
Kinder und vorpolitische Beteiligung: Partizipatives Demokratie-Lernen
von Anfang an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Julia Wittig
VI Inhalt
2 Perspektiven
Wahlrecht unter 18
Demokratie, Epistokratie und der Ausschluss Minderjähriger vom
Wahlrecht. Der Vorschlag eines Wahlregisters für Jugendliche und
ältere Kinder ....................................................... 107
Jörg Tremmel
Ein Wahleignungstest für Minderjährige? .............................. 145
Nicholas Munn
Gibt es ein Kinderrecht auf die Teilnahme an politischen Wahlen? ........ 165
Alexander Bagattini
Wählen mit 16 – Chance oder Risiko? ................................. 185
Sylvia Kritzinger und Eva Zeglovits
Jugend- und Nachwuchsquoten
Mitspracherechte für alle, auf allen Ebenen und auf jeweils eigene Weise?
Eine Diskussion der Jugendquote als inkrementeller Politik-Innovation
für Nachhaltigkeit ................................................... 203
Rafael Ziegler
Quoten für eine bessere politische Beteiligung junger Bürgerinnen
und Bürger? ........................................................ 225
Ivo Wallimann-Helmer
Jugendbeteiligung im Internet
Jugend und politische Partizipation: Online- oder Offline-Beteiligung? . . . . 253
Norbert Kersting
Technikfaszination braucht Demokratiekompetenz:
Zur Jugendbeteiligung im Internet .................................... 271
Stephan Eisel
Inhalt VII
Jugendliche, Politik und das Internet – Wie die Generation YouTube
online partizipieren will ............................................. 295
Yannick Haan
3 Fallstudien: Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg
Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg ........................... 317
Sebastian Müller und Urs Unkauf
Junge Menschen bei der Kommunalwahl 2014 in der Region Stuttgart ..... 341
Tobias B. Bacherle
„Wir waren keine bekannten Gesichter und wurden erst mit der Wahl
interessant“. Junge Listen als aktive kommunal- und jugendpolitische
Wählervereinigungen in Baden-Württemberg .......................... 361
Udo Wenzl
Jugendbeiräte in der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes
Baden-Württemberg ................................................ 389
Lena Krumbein, Katrin Maier-Sohn und Frank Ulmer
Kontinuierliche Beteiligung und viele Beteiligte zugleich – ein unlösbarer
Widerspruch? Ein praktischer Lösungsversuch eines Beteiligungsdilemmas
durch den Jugendbeteiligungsprozess in Biberach an der Riß ............. 413
Erik Flügge und Lucas Gerrits
Mitbestimmung in der Schule ........................................ 435
Annika Franz
Studentische Mitbestimmung in Baden-Württemberg: Der Weg zur
Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft ................... 459
Lukas Kurz
Angaben zu den Autorinnen und Autoren .............................. 485
Einleitung
Jörg Tremmel und Markus Rutsche
1 Vorbemerkung
Der vorliegende Band versammelt Beiträge, die sich aus empirischer oder norma-
tiver Sicht mit den Formen und Bedingungen der politischen Partizipation junger
Menschen beschäft igen. Die Beiträge des interdisziplinär angelegten Sammelbandes
wurden etwa zur Hälft e von den Studierenden und Teilnehmenden des zugehörigen
‚Buchseminars‘ an der Universität Tübingen, zur Hälft e von erfahrenen Expertinnen
und Experten aus Wissenschaft und Praxis beigesteuert. Dabei ist es der erklärte
Anspruch des Buchprojekts, Studierende ausdrücklich auch als Forscherinnen
und Forscher ernst zu nehmen sowie jungen Nachwuchswissenschaft lerinnen und
Nachwuchswissenschaft lern in der Qualifi kationsphase ein breites Forum für die
Publikation eigener Arbeiten zur politischen Partizipationsforschung (im weitesten
Sinne) zur Verfügung zu stellen.1
2 Block I: Einführende und systematisierende Beiträge
Den Auft akt machen vier einführend bzw. systematisierend angelegte Beiträge.
Eröff net wird der Sammelband durch einen Artikel von Wolfgang Gaiser, Winfried
Krüger, Johann de Rijke und Franziska Wächter, die in ihrem Beitrag einen em-
pirischen Überblick über die vielfältigen Partizipationsformen von Jugendlichen
1 Die Herausgeber haben davon abgesehen, den Autorinnen und Autoren des Sammel-
bandes für ihre Beiträge spezifi sche Formvorgaben hinsichtlich eines geschlechterge-
rechten Sprachgebrauchs zu machen. Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass nur die
männliche Form verwendet wird.
J. Tremmel, M. Rutsche (Hrsg.), Politische Beteiligung junger Menschen,
DOI 10.1007/978-3-658-10186-2_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016
2 Jörg Tremmel und Markus Rutsche
und jungen Erwachsenen in Deutschland und Europa geben. Dabei gehen sie
zunächst auf das Ausmaß des politischen Interesses von Jugendlichen und jungen
Erwachsenen ein, bevor sie die breite Palette partizipatorischer Verhaltensweisen
vom Wahlakt über die Demonstrationsteilnahme und die sozialen Medien bis hin
zum Konsumboykott beleuchten. Ein eigener Abschnitt widmet sich der Thematik
‚Jugend und Politik‘ aus europäisch-vergleichender Perspektive. Als Grundlage für
die Darstellung werden Daten aus verschiedenen Erhebungen zu Jugendlichen in
Deutschland und Europa herangezogen.
Im Anschluss daran widmen sich Klaus Hurrelmann, Mathias Albert und
Gudrun Quenzel der Frage, ob es in Deutschland auf absehbare Zeit zu ähnlichen
Jugendprotesten kommen wird, wie sie in der jüngsten Vergangenheit etwa in einigen
südeuropäischen Ländern zu beobachten waren. Auf der Basis der Ergebnisse der
letzten Shell-Jugendstudien kommen sie zu der Prognose, dass dies nicht zu erwarten
ist. Drei Faktoren sind dafür aus ihrer Sicht ausschlaggebend: Erstens stehen hier-
zulande bildungs- und sozialpolitische Institutionen zur Verfügung, die Jugendliche
bis zum Eintritt in ein gesichertes Beschäftigungsverhältnis im Bildungssystem
halten, zweitens herrscht bei der jungen Generation eine stark ausgeprägte Kultur
des pragmatischen Individualismus vor, die nur wenig Freiraum für traditionelle
politische Betätigungen lässt, und drittens wird den etablierten politischen Parteien
eine starke Skepsis entgegengebracht, die ein durchaus vorhandenes politisches
Interesse auf Seiten der Jugendlichen nicht zur vollen Entfaltung kommen lässt.
Der dritte Beitrag, verfasst von Ursula Bischoff, Susanne Johansson, Frank
König, Alexander Leistner, Katja Schau und Eva Zimmermann, geht anhand von
Programmen und Projekten zur Demokratieförderung der Frage nach, inwieweit
(politische) Beteiligung in den entsprechenden pädagogischen Angeboten angestrebt
wird bzw. welche Aktivitäten in dieser Hinsicht umgesetzt werden. Ihre Auswertung
verschiedener Studien des Deutschen Jugendinstituts macht die Chancen, aber
auch die Grenzen von Versuchen deutlich, jugendliches Partizipationsverhalten
pädagogisch zu ‚aktivieren‘.
Der letzte Beitrag des einführenden Blocks thematisiert die (vor)politische
Beteiligung von jungen Kindern. Julia Wittig erinnert daran, dass demokratische
Regierungssysteme darauf angewiesen sind, dass nachrückende Generationen von
Kindesbeinen an demokratische Normen, Werte und Verhaltensweisen erlernen und
einüben. Sie führt aus, dass Kinder sich bereits in sehr jungen Jahren in geschützten
Erfahrungsräumen wie der Familie und der Kindertagesstätte bzw. dem Kinder-
garten vorpolitisch beteiligen können, wollen und sollten. Anhand verschiedener
Fallbeispiele erläutert sie exemplarisch, wie eine angemessene Beteiligung in diesen
Erfahrungsräumen konkret ausgestaltet werden kann.
Einleitung 3
3 Block II: Perspektiven
Die Beiträge des zweiten Blocks zeigen ‚Perspektiven‘ auf: Sie sind größtenteils
normativ ausgerichtet, entfernen sich beherzt vom Status quo oder analysieren
neuartige Beteiligungsformen für junge Menschen und denken dabei ohne Ge-
länder in die Zukunft. Die Beiträge in diesem Block lassen sich drei verschiedenen
Themenbereichen zuordnen:
1. Wahlrecht unter 18 Jahren: In das Thema ‚Mindestaltersgrenze für das aktive
Wahlrecht‘ ist in den letzten Jahren nach jahrzehntelanger Stabilität auf verschiede-
nen Ebenen einige Bewegung gekommen – und dies nicht nur in Deutschland. Der
Frage, ob die Minderjährigen zum Wahlvolk gehören, wird von der Politikwissen-
schaft in jüngster Zeit aus guten Gründen wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet.
Denn das klassische Problem der normativ gerechtfertigten Zusammensetzung
des Demos ist immer noch nicht abschließend gelöst – und bleibt eine beständige
Herausforderung für unsere heutige Demokratie, sofern es nicht ignoriert wird.
Der Beitrag von Jörg Tremmel verdeutlicht, dass der gegenwärtige pauschale
Ausschluss aller Minderjährigen vom Wahlrecht den normativen Begründungen
der Staatsform Demokratie, insbesondere dem ‚all-affected-principle‘, wider-
spricht. Anschließend wechselt er auf die praktische Ebene und stellt ein eigenes
Modell zur Diskussion: das altersunabhängige Recht Minderjähriger, sich in ein
Wählerverzeichnis einzutragen. Dieses Modell stellt eine pragmatische Lösung
dar, die zwei Sachverhalte gleichermaßen berücksichtigt – sowohl die Gradualität
des Reifungsprozesses von Heranwachsenden als auch die Nichtabstufbarkeit der
normativen Prämissen der Demokratie.
Die Eintragung – also eine bloße Willensbekundung – erscheint Nicholas Munn
als eine zu geringe Auflage für die Gewährung des Wahlrechts. In seinem Beitrag
plädiert er daher für einen Wahleignungstest für junge Menschen. In der modernen
demokratischen Praxis gelten Alphabetisierungstests und andere Mechanismen, um
Bürgerinnen und Bürger vom aktiven Wahlrecht auszuschließen, zwar weithin und
zu Recht als verpönt. Allerdings gibt es bereits jetzt eine Ausnahme bei erwachsenen
Menschen mit kognitiven Defiziten. Im Rahmen von Entscheidungen für oder ge-
gen Entmündigungen bzw. Vormundschaften kommt ein Eignungstestregime zur
Anwendung. Dieses müsste, so argumentiert der Autor, nur geringfügig modifiziert
werden, um auf die gegenwärtig von Wahlen ausgeschlossenen jungen Menschen
angewendet werden zu können – zu ihrem eigenen Vorteil und zum Vorteil der
demokratischen Staaten, die es einführen würden.
Grundsätzlich gegen ein Wahlrecht für Minderjährige spricht sich hingegen der
nächste Beitrag aus. Nach Auffassung von Alexander Bagattini sind Erwachsene