Table Of ContentSpringer-Verlag Berlin Heide1berg GmbH
Hans und Erika Kothe
Pilzgeschichten
Wissenswertes aus der Mykologie
Springer
Mit 19 Abbildungen und 18 Farbtafeln
ISBN 978-3-540-61107-3 ISBN 978-3-662-09361-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-09361-0
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1996
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg
NewYork 1996.
Redaktion: Ilse Wittig, Heidelberg
Umschlaggestaltung: Bayerl & Ost, Frankfurt
unter Verwendung einer Illustration von LTF Michler,
Helga Lade Fotoagentur, Frankfurt
Innengestaltung: Andreas Gösling, Bärbel Wehner, Heidelberg
Herstellung: Andreas Gösling, Heidelberg
Satz: Schneider Druck GmbH, Rothenburg ob der Tauber
67/3134 -5 43210 - Gedruckt auf säurefreiem Papier
Für meinen Vater, dem ich den ersten Kon
takt zu diesen ungewöhnlichen Organismen
verdanke, und für meine Mutter, die durch
eine schmackhafte Zubereitung beweisen
konnte, daß Liebe tatsächlich durch den Ma
gen gehen kann.
Hans Kothe
Für meine Eltern
Erika Kothe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung................................................. 1
Das Geheimnis wird gelüftet.... ........... ........ .... 3
Systematische Stellung der Pilze .......... ........ .... 8
2 Der grüne Mörder......... ........ ........... ........ 19
Pilzgifte in der Antike ..................................... 19
Die Wirkung des Grünen Knollenblätterpilzes 21
Vergiftungsfälle .............................................. 25
Gibt es Gegenmittel? ......................................29
Weitere Pilze mit Amanitin ............................. 32
3 Saft-, Täub-, Schleier- und andere
Fieslinge .................................................. 34
Der Pantherpilz.. ....... ........ ..... ........... ......... .... 34
Muscarin in Rißpilzen und Trichterlingen ...... 36
Die Orellanine der Haarschleierlinge ... ....... .... 37
Magen-Darm-Gifte ........................................ 38
Aldehydvergiftung durch Tintlinge ................. 39
Giftanreicherung durch Pilze. ...... ......... ....... ... 41
Gefährliche Gutgläubigkeit ............................ 43
4 Ein weiterer Fluch der Pharaonen.......... 46
Massenvergiftungen durch Mykotoxine ......... 49
Der Fluch der Pharaonen................................ 51
Pilzasthma ...................................................... 53
Phototoxine verursachen Hautkrebs............... 55
VII
5 Das Fleisch GoHes - Schamanen- und
Kultpilze ............ ....................................... 56
6 Der Narrenschwamm.............................. 67
Der Fliegenpilz in verschiedenen Kulturkreisen 68
Medizinische Verwendung und Wirkung ........ 74
7 Das Heilige Feuer..................................... 80
Der Mutterkornpilz........................................ 80
Hofmanns Droge: LSD ................................... 84
Der Aufstieg zur Massendroge........................ 91
8 Irish Connection ....................................... 115
Kartoffelfäule .......... ......... .............................. 115
Brandpilze ...................................................... 120
Rostpilze .................... .......... .......................... 123
Weitere pflanzenpathogene Pilze..................... 131
Pilzparasiten des Menschen............................ 13 7
9 Zufälligkeiten ........... ............................... 13 7
Die Entdeckung des Penizillins. ...................... 13 7
Wie wirkt das Penizillin? ................................ 145
Antibiotikaresistente Bakterien....................... 147
10 Die kulinarische Bereicherung ............. 152
Wo Bacchus das Feuer schürt.. ........................ 152
Der Deutschen liebstes Getränk ...................... 160
Pilze verfeinern Nahrungsmittel ..................... 163
Speise- und Kulturpilze ................................... 168
Pilze in der biologischen Schädlingsbekämpfung 171
11 Wahlverwandtschaften ........................ 176
Die Rolle der Pilze für den Stoffkreislauf ........ 176
Unerwünschter Abbau.................................... 179
Lebensgemeinschaften mit Pflanzen ................ 184
Flechten ......................................................... 189
Schlußworte....... ........... ............................... 197
Literatur und Abbildungsnachweis ............ 200
Sachverzeichnis ............................................ 203
VIII
Die Pilze nehmen in besonderer Weise am
Werden und Vergehen teil. Sie sind der
Erde näher als die grünen Pflanzen, ganz
ähnlich wie die Schlange ihr näher als die
anderen Tiere ist. Hier wie dort ist der
Körper in geringem Maße gesondert;
der Fuß dominiert. Dafür ist auch der
Reichtum an heilenden und tödlichen
Kräften stärker - und an Geheimnissen.
Ernst Jünger
1 Einleitung
Alle Schwämme seyndt weder Kräuter
(usw.), sondern eytel oberflüssige Feuchtig
keit der Erden, Bäume, der faulenden
Hölzer und anderer faulender Dingen,
darumb sie auch nur eine kleine Zeit
währen, innerhalb silben Tag ist ir Geburt
und Abgang, denn was da bald aufkompt
nimpt auch bald ab.
Andrea Mattioli
(italienischer Arzt, 1500-1577)
Pilzen haftet schon seit Urzeiten etwas Geheimnis
volles an, und vielen Menschen sind diese merkwürdig
anmutenden Organismen auch in der heutigen Zeit im
mer noch nicht ganz geheuer (Farbabb. 1 )1. Gründe
dafür gibt es viele: Pilze sehen häufig schleimig und ein
wenig ekel erregend aus, wachsen manchmal in geheim
nisvollen Kreisen, den sogenannten Hexenringen, verän
dern bei Berührung die Farbe, verbreiten einen fürchterli
chen Gestank oder enthalten sogar Drogen und tödliche
Gifte. Aber auch das sprichwörtlich schnelle Wachstum,
also der Umstand, daß Pilze über Nacht aus dem Boden
schießen, obwohl tags zuvor noch keinerlei Anzeichen
von ihnen zu erkennen war, macht diese mysteriösen Or
ganismen nicht unbedingt vertrauenswürdiger.
Es ist daher auch kaum verwunderlich, daß sich die
Menschen der Antike eine natürliche Entstehung der Pil
ze nicht vorstellen konnten, sondern glaubten, sie wür-
1 Alle Farbabbildungen finden sich im Bildteil in der Buchmitte
1
den sich durch eine sogenannte Urzeugung (Generatio
spontanea) stets neu aus Schlamm und faulendem feuch
ten Erdreich entwickeln. Möglich machen sollte das nach
Ansicht der Gelehrten eine geheimnisvolle Kraft, »Le
benswärme« genannt, die angeblich in der Feuchtigkeit
des Bodens enthalten war, und die, je nach Ausgangssub
stanz, mehr oder weniger vollkommene Lebewesen ent
stehen ließ.
Diese heute etwas seltsam anmutende Vorstellung
versetzte vor 2000 Jahren niemanden in Erstaunen, denn
neben den Pilzen gab es auch zahlreiche andere Organis
men, etwa Flöhe, Läuse, Mücken, Muscheln, Krebse,
Würmer und sogar Aale oder Mäuse, von denen man an
nahm, sie würden sich praktisch aus dem Nichts ent
wickeln.
Bei den Pilzen gingen die Gelehrten noch einen
Schritt weiter. So machte man bis ins 19. Jahrhundert zu
sätzlich Hexen, den Teufel oder Blitz und Donner für ihr
Auftauchen verantwortlich - ein Umstand, der auch in
vielen der volkstümlichen Namen, wie z. B. »Satans-oder
Hexenpilz«, zum Ausdruck kommt. Andere Vermutun
gen gingen dahin, »urinöse Salze« könnten eine Schlüs
selrolle bei der Pilzentstehung spielen, da sie angeblich
bevorzugt an Stellen wuchsen, an denen Hirsche und
Wildschweine ihren Urin hinterlassen hatten. Und ein
Herr namens J. S. T. Frenzel (1740-1807) äußerte noch
1804 die interessante Theorie, es seien Sternschnuppen,
die für das Auftauchen von Pilzen verantwortlich zeich
neten.
Viele Experten hielten Pilze auch für Ausscheidun
gen des Bodens oder der Bäume, an denen sie wuchsen.
Diese Theorie hielt sich ebenfalls sehr lange, so daß bei
spielsweise Friedrich Casimir Medicus (1736-1808),
seinerzeit Direktor des Botanischen Gartens in Mann
heim, noch Ende des 18. Jahrhunderts vermutete, Baum-
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