Table Of ContentMedienbildung und Gesellschaft
Band 27
Herausgegeben von
J. Fromme, Magdeburg, Deutschland
W. Marotzki, Magdeburg, Deutschland
N. Meder, Essen, Deutschland
D. Meister, Paderborn, Deutschland
U. Sander, Bielefeld, Deutschland
Winfried Marotzki (cid:129) Norbert Meder (Hrsg.)
Perspektiven
der Medienbildung
Herausgeber
Prof. Dr. Winfried Marotzki Prof. Dr. phil. Norbert Meder
Universität Magdeburg Universität Duisburg-Essen
Fakultät für Humanwissenschaft en Fakultät für Bildungswissenschaft en
Institut für Erziehungswissenschaft Institut für Berufs- und Weiterbildung
Magdeburg, Deutschland Essen, Deutschland
ISBN 978-3-658-03528-0 ISBN 978-3-658-03529-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-03529-7
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Springer VS
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Lektorat: Stefanie Laux, Yvonne Homann
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Inhaltsverzeichnis
Norbert Meder
Einleitung ................................................................................................. 7
Wemer Sesink
Eine kritische Bildungstheorie der Medien. ........................................... 11
Norbert Meder
Das Medium als Faktizität der Wechselwirkung von Ich und Welt
(Humboldt) ............................................................................................. 45
TIlmann Sulter
Selbstsozialisation und Medienbildung ................................................. 71
IsabelZom
Selbst-, Welt-und Technologieverhältnisse im Umgang mit
Digitalen Medien ................................................................................... 91
Dieter Spanhel
Der Prozess der Medienbildung auf der Grundlage von
Entwicklung, Lernen und Erziehung ................................................... 121
Torsten Meyer
Die Bildung des (nenen) Mediums -
Mediologische Perspektiven der Medienbildung ................................. 149
Manuela Pietraß
Medienbildung als Umgang mit Medienwirklichkeit(e n) - Ein
ralnnentheoretischer Ansatz ................................................................. 171
Wolfgang B. Ruge
Pädagogik • Medien - Eine Suchaufrage ............................................ 187
Ben Bachmair, John Cook, Norbert Pachler
Mobile Medien als Kulturressourcen fiir Lernen, ein
kulturökologischer Beitrag zur Medienbildung ................................... 209
Inhaltsverzeichnis
Johannes Fromme, Christopher Könitz
Bildungspotenziale von Computerspielen - Überlegungen zur
Analyse und bildungstheoretischen Einschätzung eines hybriden
Medienphänomens ............................................................................... 235
Jens Holze, Dan Verständig
Krisenerfahrungen in der Moderne -
Bildungstheoretische Überlegungen am Beispiel des Kinos von
Angelopoulos ....................................................................................... 287
Autorinnen und Autoren ...................................................................... 313
Einleitung
Norbert Meder
Der vorliegende Sammelband enthält die ausgearbeiteten Vorträge des
Theorie-Forums in Magdeburg 2011. Hinzugekommen sind solche Bei
träge, die während des Theorie-Forums aus Zeitgriinden nicht als Vortrag
gehalten werden konnten. Im Ganzen geht es in den Beiträgen um die
Grundlagen einer Medienbildungstheorie. Wemer Sesink geht von einem
Medienbegriff aus, der als die konkrete Allgemeinheit der Potentialität
aller möglichen Manifestationen bestimmt ist. Medien sind damit Orte
der Verwirklichung, der Performanz, eigener Dispositionen, des eigenen
dispositiven Könnens. Als solche Orte bilden sie die Mittelsphäre, in
der das dispositive Können performant wird und damit handelnd in die
gegenständliche und soziale Realität eingreift. Dabei kann diese Mittel
sphäre einengend und erweiternd wirken, was im wesentlichen von den
gesellschaftlichen Verhältnissen abhängt. Letzteres wird dann in einer his
torischen Analyse aufgezeigt. Mein eigener Beitrag versucht in systema
tischer Weise aus einem allgemeinen Bildungsbegriff, der sich als Korre
lation von Sich-bilden und Gebildet-werden bestimmt, die Medialität als
notwendigen Ort aufzuzeigen, an dem der Bildungsprozess faktisch sich
vollzieht. TiImann Sutter sieht den Medienbildungsbegriff in dem Begriff
der Selbstsozialisation im Sinne Lubmann. begriindet. Das sich selbst so
zialisierende Bewusstsein als operativ geschlossenes System interagiert
mit seiner medialen Umwelt nach Maßgabe der Eigenlogik und mögli
cher struktureller Kopplungen. Selbstsozisalisation wird als Reflexion auf
den eigenen Prozess zur Medienbildung, die in einem besonderen Gedan
kengang von der Medienkompetenz abgegrenzt wird. Isabel Zorn schlägt
vor, die Neuen Medien stärker von den alten Medien abzugrenzen, um
damit zu einem besonderen ,,Neue-Medienbildungsbegriff" zu kommen.
Dabei hebt sie - wie schon Sesink - die Progranunierbarkeit der digita
len Medien als deren spezifische Mensch-Maschinen-Interaktion im Mo
dus der Konsttuktivität hervor. Da Konsttuktionstätigkeiten immer auch
von Reflexionen auf die Technologie begleitet sind, soll das Technolo
gieverhältnis das Selbst- und Weltverhältnis im Medienbildungsbegriff
bezöglich Neuer Medien ergänzen. Dieter Spanhel fokussiert zum einen
darauf, Bildung radikal als Prozess zu verstehen, und zum anderen dar-
W. Marotzki, N. Meder (Hrsg.), Perspektiven der Medienbildung, Medienbildung und
Gesellschaft 27, DOI 10.1007/978-3-658-03529-7_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
Norbert Meder
auf, Medien als Zeichen-Gebrauchssysteme zu verstehen. Medienbildung
ist fiir ihn damit in den Zeichenentwicklungs- und Zeichengebrauchs
prozessen grundgelegt. Und solche Prozesse sind stets - in Anlehnung
an Piaget als Äqnilibrationen im Wechselspiel von Assimilation und Ak
komodation zu verstehen. Torsten Meyer geht ähnlich wie Sesink von
Medien als dem Dazwischen, dem Milieu, aus. Solange das Milieu nicht
gewechselt werden kann, bleibt es als Ganzes ein blinder Fleck in der
Auseinandersetzung mit den Sachen und Sachverhalten in der Umwelt.
Kann das Milieu aber gewechselt werden, dann ist es eine theoretische
Herausforderung von einer Pluralität von, Ganzen' zu sprechen. Vor dem
Hintergrund seines Medienversländuisses spielt er mit dem Bildungsbe
griff. Im Rückgang auf die etymologischen Wurzeln vor der Aufklärung,
aber auch im Rückgriff auf die Humboldtsche Bestimmung als Wechsel
verhälmis von Ich und Welt, das über die Sprache vermittelt ist, stellt er
heraus, dass Bildung nicht auf das menschliche Selbst allein fokussiert
werden kann. Bildung als Transformationsprozess verändert nicht nur das
Ich (Selbst), sondern auch die Welt. Und insofern diese Veränderungen in
den ganzheitlichen Milieus unterschiedlicher Medien stattfinden, verän
dert sich auch eine Vielzahl von Welten, in denen sich das Ich auch stets
anders bestimmt. Der Begriff der Medienbildung muss mithin sehr viel
komplexer und umfassender in den Blick genommen werden. Die Orien
tierung am Subjektbegriff greift zu kurz. Er schlägt deshalb die franzö
sische Fassung als Sujet mit dem Bedeutungshorizont von Thema, Stoff,
Beweggrund und Gebiet vor. Demgegenüber hält Manuela Pietrass das
,Maß des Menschen' als Ausgangspunkt einer Medienbildungstheorie
fiir unerlässlich. Ein technizistisch-funktionalistischer Ausgang kann nur
bei Kompetenz und nicht bei Bildung landen. Das ,Maß des Menschen'
sieht Pietrass im interaktiouistischen Ansatz von Goffman gewahrt, der
vor allem die Gerahrntheit kommunikativer, zeichenverarbeitender in
teraktionen herausstellt. Mit Rahmung kommt ein Begriff ins Spiel, der
systematisch die Stelle von Milieu (Meyer), von Mittelsphäre (Sesink)
oder Medium als Faktizität (Meder) einnimmt. Werden Rahmungen in
und durch Medien fraglich, doppeldeutig oder widersprüchlich, dann
löst dies Medienbildungsprozesse aus. Wolfgang B. Ruge reflektiert die
Grundlegungsproblematik im Vergleich der medienpädagogischen An
sätze: Mediendidaktik, Medienerziehunglmedienpädagogisches Handeln
und Medienbildung. Er arbeitet entlang von sechs Deskriptoren mehr
Unterschiede als Gemeinsamkeiten heraus, so dass man seinen Resulta
ten zufolge von drei heterogenen Subdisziplinen der einen Medienpäd
agogik auszugehen hat. Eine gemeinsame Grundlegung gibt es (noch?)
nicht. Ben Baclnnayer, Norbert Pachler und John Cook analysieren das
Einleitung
infonnelle Lernen und konzipieren Fonnen des fonnellen Lemens mit
mobilen Computern (=Handies) vor dem Hintergrund einer dreifachen
Topologie. Die Topoi sind Strukturen, Handlungszusammenhänge und
Kulturpraktiken. Analytisch zeigen sie, dass infonnelles und formales
Lernen gegeuläufige Praktiken sind - bestenfalls nichts mit einander zu
tun haben. In einem kullurökologischen Ansatz konzipieren sie Parame
ter und Eckpunkte einer Verschränkung beider Praktiken mit dem Ziel
der Verträglichkeit. Johannes Fromme und Christopher Könitz geht es
um die Bildungsmöglichkeit in Computerspielen. Sie legen die Metho
dik der Strukturalen Bildungstheorie zugrunde. Diese geht auf strukturale
Kunstwerkanalysen des Neoformalismus zurück. Sie erlaubt es, an den
alternativen Wahmehmungs-, Selbstdefinitions- und Aktionsweisen, das
Bildungspotential des Mediums ,Computerspiel' analytisch zu erfassen.
Ähn1iches zeigen auch Jens Holze und Dan Verständig am Beispiel des
Mediums Film auf. Dabei geht es ihnen weniger um die systematische ka
tegoriale Anwendung der Methodik strukturaler Medienbildungstheorie,
sondern um deren Anwendung im Fokus der Interpretationsvorgabe einer
sich ändernden Moderne.
Mit der Kurzcharakteristik der Beiträge des vorgelegten Sammelban
des hat der Leser nun den Überblick, der es ihm erlaubt, seine eigene
Navigation durch die Beiträge zu konstruieren, um ein eigenes Bild von
der Medienbildung zu erzeugen.
Eine kritische Bildungstheorie der Medien
Wemer Sesink
1. Einleitung
Obwohl Medien seit jeher die menschlichen Weltverhältnisse vermittelt
haben, ja das menschliche Dasein auf dieser Welt ohne Medien gar nicht
denkbar ist, wurden sie erst spät zu einem bevorzugten Thema des öf
fentlichen wie auch des wissenschaftlichen Diskurses. Nicht dass über
bestimmte Medien nicht auch früher schon intensiv und kontrovers dis
kutiert worden wäre, nicht dass bestimmte Medien, insbesondere das Me
dium der Sprache (und der Schrift) nicht auch früher schon Gegenstand
gründlichen theoretischen Nachdenkens und wissenschaftlicher Erfor
schung gewesen wären. Aber das Medium oder die Medien als solcheis,
in dieser Allgemeinheit abstrahiert von ihren je zeit- und funktionsspe
zifischen Vermittlungsformen, ist erst mit dem Vordringen dessen, was
man die Neuen Medien nennt, zu einem öffentlichen und wissenschaftli
chen Thema mit prominentem Stellenwert geworden. Das müsste auf den
ersten Blick verwunderlich erscheinen, wenn die Neuen Medien selbst
wiederum nur eine spezifische Mediensorte von zeitgebundener Relevanz
wären. Dass diese vermeintliche Modeerscheinung längst zum Dauerthe
ma geworden ist (und als solches auch zunehmend an spezieller Beach
tung einbüßt), lässt sich jedoch inzwischen nicht mehr leugnen; die Zeit
der Abwehrkämpfe ist vorbei. Dennoch ist das Thema noch nicht so rich
tig dort angekommen, wohin es gehört: in den Kem der pädagogischen
Selbstverständigung in Theorie und Praxis.
So scheint mir immer noch die Spezifität der Neuen Medien verkannt
zu werden, welche gerade in der Paradoxie liegt, dass die Abstraktion von
den besonderen Formen und Ausprägungen medialer Vermittlung sich in
einer speziellen Technologie repräsentiert und diese eben deshalb eine
universelle Potenzialität möglicher Medien in sich birgt. Insofern ist es
eben alles andere als verwunderlich, dass gerade die Neuen Medien das
Medienthema in seiner Allgemeinheit aufwerfen.
Auf der phänomenalen Ebene macht sich diese paradoxe Spezifität
der Neuen Medien als beschleunigte Entwicklungsdynamik und explosiv
W. Marotzki, N. Meder (Hrsg.), Perspektiven der Medienbildung, Medienbildung und
Gesellschaft 27, DOI 10.1007/978-3-658-03529-7_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014