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FORSCH U NGSB ER ICHTE
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr.974
Dr. rer. not. Else Haine, Bonn
Nehmen luftelektrische Faktoren Einfluß auf die Aktivitäts
wechsel kleiner Insekten, insbesondere auf die Häutungs
und Reproduktionszahlen von Blattläusen?
Als Manuskript gedruckt
WESTDEUTSCHER VERLAG / KOLN UND OPLADEN
1961
ISBN 978-3-663-04088-0 ISBN 978-3-663-05534-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-05534-1
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A. Problemstellung und Voruntersuchungen . . s. 5
B. 1. Versuchsserie: Häutungs- und Produktionsversuche unter
verschieden abgeschirmten Bedingungen
s.
(F- und G-Experimente) ..... . 14
c.
2. Versuchsserie: Häutungsversuche im abgeschirmten Raum
unter Vermeidung des Luftaustausches
(K-Experimente) ..•..... s. 25
D. 3. Versuchsserie: Häutungsversuche unter Einfluß künstli
cher negativer Ionisation mit Hilfe der stillen
Entladung . . . . . . . . . . . . . . . . . s. 34
E. 4. Versuchsserie: Häutungsversuche unter Einfluß künstli
cher negativer Ionisation mit Hilfe radioaktiver
stoffe . . . . s. 48
F. Zusammenfassung. s. 58
s.
G. Literaturverzeichnis 64
Sei te 3
A. Problemstellung und Voruntersuchungen
Seit vielen Jahrzehnten hat man vielerorts in biologischen und lokomoto
rischen Vorgängen der Insekten Periodizitätserscheinungen wahrgenommen
und sich um die Erklärung und Deutung derselben bemüht.
Bei den Blattläusen stieß man auf diese Frage, als man in R. E. St. 1)
1948 die Saugfallen, sogenannte Suction Traps, entwickelt hatte und mit
diesen zu arbeiten begann.
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Englische Suction Traps nach C.G. JOHNSON und
L.R. TAYLOR, 1955, Ann. Appl. Biol. Al, Plate 1
1. Rothamsted Experimental Station
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Es war die Idee von C.G. JOHNSON, Rothamsted, mit Hilfe eines Ventila
tors in einen Metallgazekonus Luft einzusaugen und die darin enthaltenen
lnsekten auf kleine Metallplatten am Boden aufzufangen, die stündlich
oder halbstündlich durch einen Relaismechanismus den vorherigen Fang
abdeckten und zugleich zur Aufnahme des neuen Fanges bereit standen.
Mit diesen Saugfallen (Abb. 1) war es möglich, den Tagesfang in 24-
Stunden- oder 48-Halbstundenfänge aufzugliedern.
Erstmalig erlaubten die Suction Traps, ununterbrochen und unabhängig vom
Wetter in verschiedenen Höhen zu arbeiten und eine exakte quantitative
Analyse von der Artenzusammensetzung" Dichte und Verteilung der Blatt
läuse in der Luft für jede Tages- und Nachtstunde durchzuführen.
Die Ergebnisse, die man durch den Einsatz dieser Fallen erhielt, waren
überraschend. Es zeigte sich nämlich, daß die Blattlauskonzentration in
der Luft tags und nachts keineswegs die gleiche war. Vielmehr waren die
Tagesgänge durch hohe Vormittags- und Nachmittagsgipfel mit einer De
pression über Mittag und völliges Absinken der Zahlen nachts gekenn
zeichnet (Abb. 2).
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Stundenfänge von Aphis fabae Scop. über einem Bohnenfelde 1949
mit einer Saugfalle erzielt, die 19.000 cu./ft. Luft
per Stunde sammelt: Tagesaktivität mit zwei Maxima,
einer Depression um Mittag (N) und nächtlicher Ruhe
Nach JOHNSON 1951, Sc. Progress, S. 48, Fig. 2
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Diese Erscheinung war nicht nur an der schwarzen Bohnenlaus, Aphis fabae
Scop., zu beobachten, sondern ebenfalls an der in der Landwirtschaft ge
fürchteten Myzus persicae Sulz, und einer ganzen Reihe anderer Arten.
(Abb.3)
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Tim. G.N. T.
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Stundenfänge von 7 Blattlausarten aus 2 Saugfallen vom
23.Juli bis 28.August. Nach EASTOP 1951,
Proc. R. Ent. Soc .. (A), 26, S. 131, Fig. 1
Die Blattläuse, darauf sei in diesem Zusammenhang hingewiesen, ziehen
deshalb unser Interesse immer wieder von neuem auf sich, weil sie zu
unseren gefährlichsten Schadinsekten gehören, die jährlich erhebliche
Schäden durch direkten Befall und indirekt durch Virusübertragung auf
unseren wichtigsten Agrarpflanzen verursachen. Die Erforschung der Mi
grationserscheinungen ihrer Überträgerformen ist daher von größtem theo
retischen und wirtschaftlichen Interesse.
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Zur Erklärung der beobachteten Tagesgänge im Blattlausfang versuchte
man die Wetterfaktoren Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit und die
~indgeschwindigkeit heranzuziehen. Jedoch ließen sich nur unbefriedi
gend Korrelationen zwischen diesen und den Blattlauszahlen in der Luft
herstellen. (C.G. JOHNSON, 1952)
Es wurde daher 1952 ein großes Freilandexperiment geplant und durchge
führt, das sich drei Aufgaben stellte:
a) Die Analyse der Blattlauszahlen in der Luft über einem stark befal
lenen Bohnenfeld mit Hilfe einer Saugfalle.
b) Das Studium des Abflugs der Geflügelten von der Wirtspflanze, der
auf bestimmten Blättern in stündlichen Kontrollen an Hand frisch ge
häuteter und markierter Tiere verfolgt wurde.
c) Das Studium der Häutungszahlen des letzten Stadiums der Geflügelten,
die wiederum auf bestimmten Blättern in stündlichen Kontrollen fest
gestellt wurden.
An diesem von C.G. JOHNSON und L.R. TAYLOR durchgeführten Experiment
nahm ich 1952 teil. Seine Auswertung konnte inzwischen in vier engli
schen Veröffentlichungen vorgelegt werden (Ann. Appl. Biol. 45, 608-701,
1957; Ann. Appl. Biol. 45, 702-708, 1957; Journ. Exp. Biol. ~, Nr. 2,
209-221, 1957; Journ. Exp. Biol. 34, Nr. 2, 189-206.)
Das Resultat war kurz folgendes: Sowohl die Blattlauszahlen in der Luft
(aufgenommen durch die Saugfalle) als auch der Abflug der Geflügelten
von den Blättern und die Häutung der letzten Stadien hatten Tagesgänge
ergeben, die durch hohe Morgengipfel und ausgeprägte Nachmittagsgipfel
4).
charakterisiert waren (Abb. Wiederum lassen sich die Aktivitäts
wechsel im Flug- und Häutungsverhalten der Blattläuse, wie wir sie ein
gehender nicht hätten im Gelände studieren können, nur unbefriedigend
mit der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit und dem Wind di
rekt korrelieren.
Während es jedoch gelang, die täglichen Flugkurven mit solchen zu ver
gleichen, die sich aus der Häutungszahl, der Flugreifeperiode und dem
Wetter-kontrollierten Flugverhalten der Blattläuse konstruieren ließen,
und jene somit in ihrem Verlauf eine vorläufig akzeptable Erklärung
fanden, konnten die Häutungskurven zunächst nicht befriedigend erklärt
werden. Licht und Temperatur spielen im Reifeprozeß und Abflugverhalten
frisch gehäuteter letzter Geflügelter-Stadien eine wichtige Rolle, wie
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Typische Häutungskurve (ausgezogene Linie) des letzten
Larvenstadiums geflügelter A.fabae Scop.-Tiere von
Bohnen mit charakteristischen Morgen- und Nachmit
tagsgipfeln, 4. Juli 1952. Nach JOHNSON, HAINE,
COCKBAIN, TAYLOR 1957, Ann. Appl. Biol. 45,
s.
704, Fig. 1
wir in unseren letzten Arbeiten zeigen konnten (Ann. Appl. Biol. 45,
682, 1957; Ann. Appl. Biol. 45, 702, 1957). Die Frage blieb offen, ob
sie auch für die Häutungskurven die ausschlaggebenden Faktoreq waren.
Um dies zu prüfen, wurden Häutung und Reproduktion in konstantem Licht
und konstanter Temperatur verfolgt. Übereinstimmend zeigten sich mit
vorangehenden Testexperimenten in einem ersten Hauptexperiment, das
als D-Experiment im Dezember 1953 in England durchgeführt wurde, daß
sich auch unter diesen Bedingungen erhöhte Häutungsaktivität am Vormit
tage und späten Nachmittage, unterbrochen von einer Depression am Mit
tag abzeichneten (Abb. 5). Das Experiment wurde an A. fabae vorgenommen.
Es wurden insgesamt 13 636 Häutungen in 2stündlichen Kontrollen über
fünf Tage hin von 700 bis 1900 abends ausgezählt.
Die hohen Zahlen erlaubten eine statistische Auswertung, in welcher
sich der Abfall der Zahlen zwischen 900 und 1100 und der Anstieg der
Zahlen zwischen 1500 und 1700 und 1700 und 1900 als statistisch gesichert
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Hours
A b b i 1 dun g 5
Häutungskurve von A. fabae Scop. in konstantem Licht
und konstanter Temperatur. Nach HAINE 1957,
Z. Angew. Ent. ~ S. 105, Fig. 4
erwiesen. (Siehe T-Test, Zeitsehr. angew. Entomol. 40, 105.) Das Expe
riment fand in einer ruhigen Wetterperiode statt.
Da das D-Experiment keine Auskunft über den Verlauf der Häutung in den
Nachtstunden gab und somit sich die Frage stellte, wann die erhöhte
Häutungsaktivität am frühen Morgen beginnen würde und wie lange das
Nachmittagsmaximum in die Nacht hinein fortgesetzt würde, und ob es
eine Mitternachtsdepression gebe wie diejenige am Mittag, wurde ein
neues umfassendes Experiment, das E-Experiment, geplant, das stündli
che Auszählungen bei Tag und Nacht in einem Zeitraum von sechs Tagen
umfaßte. Es konnte nur in team-Arbeit ausgeführt werden und fand in
einem unterirdischen Klimaraum Ende April/Anfang Mai 1954 in Rothamsted
statt. Als Beobachtungsmaterial diente M. persicae, und zwar wurde Häu
tung und Reproduktion verfolgt. Insgesamt wurden 15 829 Häutungen und
1 443 junge L1-Larven ausgezählt. Die Temperatur schwankte in dem engen
Bereich von 230 bis 24,5 oe, was mit Hilfe eines elektrisch regulierten
Heizlüfters erreicht wurde. (R.L. 52-70 %.) Wie im D-Experiment wurden
auch im E-Experiment (EI) die Populationen für mehrere Wochen vor Beginn
der Auszählungen Temperatur- und Licht-konstanten Bedingungen unterworfen.
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