Table Of ContentKulturelle Figurationen: Artefakte,
Praktiken, Fiktionen
Herausgegeben von
J. Ahrens, Gießen, Deutschland
J. Bonz, Bremen, Deutschland
M. Hamm, Luzern, Schweiz
U. Vedder, Berlin, Deutschland
Kultur gilt – neben Kategorien wie Gesellschaft , Politik, Ökonomie – als eine
grundlegende Ressource sozialer Semantiken, Praktiken und Lebenswelten. Die
Kulturanalyse ist herausgefordert, kulturelle Figurationen als ebenso fl üchtige wie
hegemoniale, dynamische wie heterogene, globale wie lokale und heterotope Phä-
nomene zu untersuchen. Kulturelle Figurationen sind Produkt menschlichen Zu-
sammenlebens und bilden zugleich die sinnstift ende Folie, vor der Vergesellschaf-
tung und Institutionenbildung stattfi nden. In Gestalt von Artefakten, Praktiken
und Fiktionen sind sie uneinheitlich, widersprüchlich im Wortsinn und können
doch selbst zum sozialen Akteur werden. Die Reihe »Kulturelle Figurationen: Arte-
fakte, Praktiken, Fiktionen« untersucht kulturelle Phänomene in den Bedingungen
ihrer Produktion und Genese aus einer interdisziplinären Perspektive und folgt
dabei der Verfl echtung von Sinnzusammenhängen und Praxisformen. Kulturelle
Figurationen werden nicht isoliert betrachtet, sondern in ihren gesellschaft lichen
Situierungen, ihren produktionsästhetischen und politischen Implikationen ana-
lysiert. Die Reihe publiziert Monographien, Sammelbände, Überblickswerke sowie
Übersetzungen internationaler Studien.
Herausgegeben von
Jörn Ahrens Marion Hamm
Universität Gießen Universität Luzern
Deutschland Schweiz
Jochen Bonz Ulrike Vedder
Universität Bremen Humboldt‐Universität zu Berlin
Deutschland Deutschland
Andreas Heilmann • Gabriele Jähnert
Falko Schnicke • Charlott Schönwetter
Mascha Vollhardt (Hrsg.)
Männlichkeit
und Reproduktion
Zum gesellschaftlichen Ort
historischer und aktueller
Männlichkeitsproduktionen
Herausgeber
Andreas Heilmann Charlott Schönwetter
Humboldt-Universität zu Humboldt-Universität zu
Berlin, Deutschland Berlin, Deutschland
Gabriele Jähnert Mascha Vollhardt
Humboldt-Universität zu Cornell University
Berlin, Deutschland Ithaca, USA
Falko Schnicke
Universität Hamburg
Deutschland
ISBN 978-3-658-03983-7 ISBN 978-3-658-03984-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-03984-4
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Lektorat: Dr. Cori Mackrodt, Daniel Hawig.
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Inhalt
Männlichkeit als Reproduktionsbedürft igkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Andreas Heilmann, Gabriele Jähnert, Falko Schnicke, Charlott Schönwetter,
Mascha Vollhardt
1 Narrative Strategien der Reproduktion von Männlichkeit
Freundesklage. Diskursive Reproduktion von Männlichkeit in
Alfred Lord Tennysons Gedicht In Memoriam (1849) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Andreas Kraß
Reproduktion in Gefahr. Männliche Junggesellen in Literatur und
Wissenschaft en des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Ulrike Vedder
Der gebärende Mann. Reproduktionsphantasien in der europäischen
Avantgarde (1880-1933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Christine Kanz
„Ein Mann ist ein Körper, der in die Bilder will“. Impotenz und
(Un-)Männlichkeit in Norbert Krons Roman Autopilot (2002) . . . . . . . . . . . . . 79
Mascha Vollhardt
6 Inhalt
2 Reproduktionsarbeit und neue Männlichkeit
Männlichkeit im Reproduktionsdilemma?
Sozial- und zeitdiagnostische Perspektiven von Krisenanalysen .......... 99
Andreas Heilmann
Zum Wandel von Väterlichkeit und Care/Sorge in der Literatur .......... 117
Toni Tholen
Neue Väter auf Zeit? Praktiken und Hindernisse egalitärer Vaterschaft ... 135
Johanna Possinger
Ambivalenzen und Spezifika in ostdeutschen Paar-Arrangements
und väterlichen Praxen ............................................. 155
Cornelia Behnke und Sylka Scholz
Nicht/Männlich: Alltag, Prekarität und soziale Reproduktion ............ 175
Stephan Trinkaus und Susanne Völker
3 Selbstreproduktion männlicher Kollektividentitäten
Zur symbolischen Reproduktion von Männlichkeit am Beispiel
der historischen Formierung des Ingenieurberufs ...................... 197
Tanja Paulitz
„Eine große Familie“. Das historische Seminar und die Vermännlichung
der Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert ........................ 213
Falko Schnicke
Ausweisungen als Element der (Re-)Produktion kolonialer Maskulinität
während der deutschen Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika
(1884-1915) ........................................................ 235
Jan Severin
Männlichkeit im Radikal-Pietismus des 18. Jahrhunderts ................ 251
Christina Petterson
Inhalt 7
4 Reproduktion männlich dominierter Machtverhältnisse im Netz
und in den neuen Medien
Reproduktion männlicher Machtverhältnisse in der Online-
Enzyklopädie Wikipedia ............................................ 271
Andreas Kemper und Charlott Schönwetter
Männliche Strategien im deutschsprachigen Gangsta-Rap im Umgang
mit weiblichem Empowerment ........................................ 291
Malte Goßmann und Martin Seeliger
Männlichkeiten in queer-feministischen Blogs ......................... 309
Gesche Gerdes und Anna Seidel
Touch of Concern. Queere Mikropolitiken affektiver Reproduktion
bei GayRomeo und Grindr .......................................... 329
Katrin Köppert
Autor_innenverzeichnis ............................................ 349
Männlichkeit als
Reproduktionsbedürftigkeit
Andreas Heilmann, Gabriele Jähnert, Falko Schnicke, Charlott Schönwetter,
Mascha Vollhardt
A. Heilmann, G. Jähnert, F. Schnicke, C. Schönwetter, M. Vollhardt
Als sozialer Tatbestand und dominante Position im Geschlechterverhältnis ist
Männlichkeit historisch und kulturell kontingent und gesellschaft lichem Wandel
unterworfen. Was als männlich gilt, reproduziert sich fortlaufend in Akten der
Wiederholung dichotomer Geschlechterdiff erenzierung, aber auch in Auseinander-
setzungen zwischen verschiedenen Männlichkeiten. Diese Akte verweisen auf die
grundsätzliche Instabilität und Legitimationsnotwendigkeit männlicher Herrschaft
und ebenso auf eine soziale Off enheit, die das Potential für geschlechteremanzi-
pative Transformationen enthält. Zugleich stützt sich Männlichkeit auf kollektive
und/oder institutionalisierte Muster moderner bzw. industriegesellschaft licher
Arbeitsteilung mit geschlechtsspezifi schen Zuweisungen von Produktions- und
Reproduktionstätigkeiten. So lässt sich der Grad geschlechtlicher Emanzipation
auch an der Bereitschaft von Männern ermessen, reproduktive Tätigkeiten (Care
Work) zu übernehmen.1 Andererseits erneuert sich männliche Herrschaft fortlaufend,
indem sie die gesellschaft lichen und ökonomischen Bedingungen ihrer Souveränität
reproduziert.2 An dieser Ambivalenz des Begriff s sozialer Reproduktion setzt der
vorliegende Sammelband an und macht sie zum heuristischen Ausgangspunkt für
inter- und transdisziplinäre Erkundungen der historischen, sozialen und kulturellen
Konstitution, Konstruktion und Transformation von Männlichkeiten.
Männlichkeitsforschung hat in den Sozial- und Kulturwissenschaft en nach wie
vor Konjunktur. Mit den hier versammelten Beiträgen wollen wir die Diskussio-
nen auf vier Ebenen vertiefen. Zum ersten setzen wir den Fokus bewusst auf die
Verhältnisse von Reproduktion und Männlichkeit. Der Zusammenhang von Repro-
duktion und Produktion/Arbeit ist zwar ein klassisches Th ema der Kultur- und
Sozialwissenschaft en und war auch früh ein zentrales Th ema der sozial- und kul-
1 Chorus 2007.
2 Forster 2006.
A. Heilmann et al. (Hrsg.), Männlichkeit und Reproduktion, Kulturelle Figurationen: Artefakte,
Praktiken, Fiktionen, DOI 10.1007/978-3-658-03984-4_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
10 A. Heilmann, G. Jähnert, F. Schnicke, C. Schönwetter, M. Vollhardt
turwissenschaftlich orientierten Frauenforschung – neben Regina Becker-Schmidts
wegweisendem Theorem von der ‚doppelten Vergesellschaftung von Frauen‘ ist auch
an die Auseinandersetzungen auf der ersten Berliner Sommeruniversität von 1976
zu denken, die sich explizit mit der historischen Entstehung der geschlechtlichen
Verteilung von Produktions- und Reproduktionsarbeit, der Erfindung der Tren-
nung von Haus- und Erwerbsarbeit beschäftigt hat.3 Die kritische Männer- und
Geschlechterforschung sowie politische Forderungen nach der Einbeziehung von
Männern in die Reproduktionsarbeit haben das Thema Männlichkeit in den ver-
gangenen Jahren zudem verstärkt in die Diskussion gebracht.4 Eine umfassende
geschlechtertheoretische Perspektive, die die Doppelseitigkeit der Prozesse von
Männlichkeit und Reproduktion in den Blick nimmt, findet sich bislang jedoch
kaum – neuere Publikationen haben sich entweder mit verschiedenen Rollen von
Männern in der Gesellschaft beschäftigt5 oder lediglich mit einzelnen, engen Be-
reichen von Reproduktionsarbeit.6
Zweitens fokussiert unsere Konzentration auf Reproduktion den Aspekt der
permanenten, ritualisierten, alltäglich stattfindenden Herstellung von Männlichkeit.
Während der Terminus der Konstruktion eher einen einmaligen, ephemeren Vorgang
nahelegen würde, hebt der Begriff der Reproduktion auf die Wiederholungsnotwen-
digkeit von Männlichkeitsproduktionen ab. Mit Bourdieu gesprochen, geht es damit
um die Aufarbeitung der „‚Geschichte der geschichtlichen Enthistorisierungsar-
beit‘“, die er als „fortdauerend[e]“, d. h. ständig ablaufende „(Wieder-)Herstellung
der objektiven und subjektiven Strukturen der männlichen Herrschaft“ fasst.7
Drittens wählen wir mit der Zusammenstellung der Beiträge einen inter- und
transdisziplinären Zugriff auf den Gegenstand. Damit wollen wir unter anderem
den Begriff der Reproduktion in dem Sinne öffnen, dass wir ihn mehrdimensional
verorten sowohl bezogen auf den Bereich der Reproduktionsarbeit als auch auf
die Selbstreproduktion von Männlichkeiten im (kollektiven) Handeln wie auf
narrativer Ebene.
Viertens schließlich eröffnet die Analyse von Männlichkeiten und Reproduktion
auch neue Perspektiven auf der methodologischen Ebene durch die Bezugnahme
und gegenseitige Spiegelung von verschiedenen Medien (Literatur, Film, Bilder),
Gegenständen und Zugriffen (Interviews, Internet).
3 Vgl. Gruppe Berliner Dozentinnen 1977.
4 Scholz 2009 / Bereswill et al. 2009 / Meuser und Scholz 2012.
5 Vgl. z. B. Thibodeaux 2010 / Glawion et al. 2007 / Martschukart und Stieglitz 2007 /
Buchbinder 2013 / Davis und Lubovich 2008 / Glawion 2012.
6 Vgl. z. B. Buschmeyer 2013 / Gerheim 2012.
7 Bourdieu 2005, 144.
Description:Die Ambivalenz des Begriffs sozialer Reproduktion nimmt der vorliegende Band als Ausgangspunkt für die Analyse von Männlichkeiten in Geschichte und Gegenwart. Fokussiert werden gesellschaftliche Verhältnisse, in denen Männlichkeiten permanent ritualisiert und alltäglich hergestellt werden. Der