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Madagaskar
Mensch und Natur im Konflikt
mit Beiträgen von Lothar Albertin
Alois Basler
Alfred Bittner
Jörg U. Ganzhorn
Volkmar Köhler
Andri Mahefa
Bernhard Meier
Werner Rauh
Lotte Schomerus-Gernböck
Bernd Schmidt
Horst S. H. Seifert
Wolf-Dieter Sick
Elke Zimmermann
Helmut Zimmermann
herausgegeben von Alfred Bittner
Institut für Wissenschaftliche Zusammenarbeit,
Tübingen
in Verbindung mit der
Deutsch-Madagassischen Gesellschaft e.V, Bonn
und der Friedrich-Naumann-Stiftung, Konstanz
Springer Basel AG
Das Werk konnte dank großzügiger Unterstützung der folgenden Personen/Institutionen
in der vorliegenden Ausstattung herausgebracht werden.
Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt:
Prof. Dr. Rudolf Geigy, Basel
Air Madagaskar Deutschland
Herr W. Striegel, Hanau
Umschlagphotos :
Andreas BaBy, Helmut Zimmermann und Lotte Schomerus-Gernböck
Abbildungen:
Wenn nicht gesondert vermerkt, sind die Bilder vom jeweiligen Autor der betreffenden
Beiträge.
ISBN 978-3-0348-6408-4 ISBN 978-3-0348-6407-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-6407-7
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1992
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Madagaskar: Mensch und Natur im Konflikt/ mit Beitr. von: Wolf-Dieter Sick ... Hrsg. von
Alfred Bittner. In Verbindung mit der Deutsch-Madagassischen Gesellschaft e.v., Bonn
und der Friedrich-Naumann-Stiftung, Konstanz. - Basel; Boston; Berlin: Birkhäuser, 1992
NE: Sick, Wolf-Dieter; Bittner, Alfred [Hrsg.]
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere
die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung,
der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in
Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.
Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2 UrhG werden durch die «Verwertungsgesellschaft
Wort», München, wahrgenommen.
© 1992 Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel 1992 .
Buch-und Umschlaggestaltung: Albert Gomm swb/asg, Basel
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ... 7
Ingo Wallner
Einleitung . . 9
A/fred Bittner
Madagaskar im Überblick
1 N atur- und kulturgeographische Grundlagen . 11
Wolf-Dieter Siek
Naturpotential- Bestandsaufnahme einer «Arche Noah»
2 Klima- und Vegetationszonierung Madagaskars .. 31
Werner Rauh
3 Der Aufbau madagassischer Ökosysteme am Beispiel der
Wirbeltierfauna von Regen- und Trockenwäldern . 55
!örg U Ganzhorn und A/fred Bittner
4 Die Säugerfauna des «7. Kontinents» - Reste einer
untergehenden Tierwelt . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Bernhard Meier
5 Artendiversität der Herpetofauna von Madagaskar. 79
Helmut Zimmermann und Elke Zimmermann
Bildteil ........................ . 89-104
Landwirtschaft und Tierproduktion versus traditioneller und
postkolonialer Einflüsse
6 Landwirtschaft, Nahrungsversorgung und Ressourcenschutz 115
Alois Basler
7 Tierproduktion und Tierhygiene im Spannungsfeld zwischen
Ethnologie, Religion, Ökologie und Wirtschaftlichkeit. 137
Horst S. H Seifert
Ansätze des Umdenkens zum Schutz von Mensch und Natur
8 Gesundheitswesen, Natur- und Umweltschutz
Aufbruchstimmung in der madagassischen Gesellschaft 145
Lothar Albertin
9 Die entwicklungspolitische Stellung Madagaskars . . . . 165
Volkmar Köhler
10 Fallstudie zur integrierten Nutzung von Trockenwäldern 183
Jörg U. Ganzhorn
Kultur und Tradition im Spiegelbild einer veränderten Umwelt
11 Die Madagassen und ihre traditionelle Kultur 191
Lotte Schomerus-Gernböck
Bildteil ..................... . . 201-208
12 Ethnologische Ursachen der Naturzerstörung 221
Andri Mahe/a
13 Aus der Geschichte der madagassischen Sprache 229
Bernd Schmidt
Glossar ..... . 239
Zitierte Literatur 243
Weiterführende Literatur. 250
Reiseliteratur 256
Index ..... 257
Curriculum vitae 265
Kontaktadressen 268
7
Vorwort
Die vorliegende Monographie enthält Schwerpunktaussagen eines Mada
gaskar-Seminars, das auf Initiative der Deutsch-Madagassischen Gesell
schaft e.V. vom Institut für wissenschaftliche Zusammenarbeit, IWZ, Tübin
gen, durchgeführt wurde, wobei die Durchführung ohne die Unterstützung
der Friedrich-Naumann-Stiftung, Konstanz, nicht möglich gewesen wäre.
Beiden letztgenannten Institutionen gebührt großer Dank, das Ziel der
Veranstaltung so engagiert gefördert zu haben, nämlich wissenschaftliche
Ergebnisse deutscher Madagaskarforschung einem breiten Fachpublikum
näherzubringen. Gleichermaßen sollte mit dem Madagaskar-Seminar ein
Impuls gegeben werden, die deutsche Madagaskarforschung weiter zu bele
ben, wie die Veranstaltung auch dazu beitragen wollte, in umgekehrter
Richtung zwischen Madagaskar und Deutschland eine Brücke der wissen
schaftlichen Kooperation zu bauen. Die geographische Randlage der «Gro
ßen Insel» liefert wohl die Begründung für den sonst unerklärlichen Kon
trast zwischen schon realisierter Forschung und dem großen Potential bis
her nicht genutzter bzw. nicht erkannter wissenschaftlicher Forschungsbe
reiche.
Dem Leiter des Referates «BildunK und Wissenschaft» in der Deutsch
Madagassischen Gesellschaft e.v., Herrn Dr. Alfred Bittner, IWZ, schulden
wir großen Dank in dem erfolgreichen Bemühen, dieser Tagung zum Leben
verholfen zu haben und für die Zusammenstellung der vorliegenden Mono
graphie. Ein weiterer Dank gilt Frau Cornelia Hirrle, IWZ, für die fachkun
dige und durchgreifende Führung des Herausgebersekretariats. Außerdem
sind wir Frau Dipl.-Bibl. Jutta Beuttler, IWZ, für ihre bibliographische Bera
tung und Frau Helga Mundel für ihre aktive Mitwirkung bei der Korrektur
arbeit sehr verbunden. Dank gebührt auch den Herren Dr. Andreas Bally
und Albert Gomm vom Birkhäuser Verlag für deren großes Engagement für
dieses Buch.
Wir wünschen uns, daß mit dieser Arbeit ein Baustein geliefert wird, die
wissenschaftliche Kooperation nicht im Sinne von «l'art pour l'art» zwi
schen Madagaskar und Deutschland zu sehen, sondern im Sinne von «la
science pour l'homme» zu führen.
Ingo Wallner
Präsident der
Deutsch-Madagassischen Gesellschaft e.v.
9
Einleitung
Als Anfang dieses Jahrhunderts während des russisch-japanischen Konflik
tes auf einem russischen Kriegsschiff, das vor Madagaskar lag, die Pest aus
brach, konnte niemand ahnen, daß Madagaskar dadurch im deutschsprachi
gen Raum zu einer gewissen Berühmtheit verholfen werden sollte. Dieses
tragische Ereignis wird als die Grundlage für das von dem Berliner Schla
ger- und Operettenkomponisten Just Scheu 1934 verfaßte populäre Volks
lied «Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord ... » angesehen.
Viel mehr als dieses Lied und die Vorstellung, daß Madagaskar eine südöst
lich vor Afrika gelegene große Insel ist, ist vielen nicht bekannt. Manch
einer erinnert sich vielleicht auch noch daran, daß er einmal eine sogenannte
«Madagaskar-Palme» als Zimmerpflanze hatte; mittlerweile muß diese
gleichsam als ein Symbol für die Ausbeutung und Zerstörung der Natur
Madagaskars angesehen werden.
Die weltweite Zerstörung der Umwelt dringt immer mehr in das
Bewußtsein der Menschheit ein. Setzt man optimistisch voraus, daß es glo
bal betrachtet, noch nicht zu spät ist, der starken Naturzerstörung ent
gegenzuwirken, könnte Madagaskar in der Zukunft als ein Aufbaumodell
für Naturschutz und schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen gel
ten. Dies setzt jedoch voraus, daß unmittelbar und umfassend ein Umden
ken auf Madagaskar beginnen muß, da der bisherige Umgang mit der Natur
nicht nur zu einzelnen Problemen geführt, sondern sich mittlerweile immer
stärker zu einem unüberschaubaren Konfliktfeld ausgeweitet hat. Gleich
wohl ist zu sagen, daß niemand das Recht hat, dieses Umdenken zu fordern,
es sei denn, die Madagassen selbst. Potentielle Geldgeber sollten dies
berücksichtigen, denn es gibt nur eine Welt und diese gilt es gemeinsam und
freiwillig für alle zu erhalten.
Zahllose Entwicklungsländer befinden sich in dem Teufelskreis der
Armut und einer daraus resultierenden Bevölkerungsexplosion, die wie
derum zu einer immer stärkeren Übernutzung der Umwelt führt. Diese
Naturzerstörung ist ihrerseits für neue Armut verantwortlich.
Obwohl bedingt durch die Insellage erst vor nahezu 2000 Jahren besie
delt, gilt dieses Szenario auch für Madagaskar. Weite Teile des Landes sind
zerstört, zahllose Tier- und Pflanzenarten sind ausgerottet oder zumindest
so stark dezimiert, daß ihr Bestand als ungesichert betrachtet werden muß.
Zwangsläufig drängt sich ein Vergleich mit einer anderen bereits unter
gegangenen Inselkultur auf - nämlich die der Osterinseln. Wenn auch vor
einigen Jahren zum Teil noch kontrovers diskutiert, geht man heute im Prin
zip davon aus, daß neben einem möglichen Zerfall der politischen und
gesellschaftlichen Führung, Überbevölkerung und daraus resultierende
10 Einleitung
Übernutzung der Umwelt für den Niedergang verantwortlich waren. Es sei
hier auf das Buch «1500 Jahre Kultur der Osterinseln», das im Philip von
Zabern-Verlag (1989) erschienen ist, verwiesen.
Was letztendlich innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne auf Mada
gaskar zu einer so starken Naturzerstärung geführt hat, muß sorgfältig
recherchiert werden. Hierzu beizutragen ist die Aufgabe dieses Buches, das
keineswegs eine vollständige Beschreibung bzw. Analyse dieses Problem
kreises darstellt. Vielmehr soll es ein Einstieg und eine Anregung sein, sich
mit Madagaskar, das gleichsam durch die Vereinigung der Kulturen Süd
ostasiens und Afrikas als ein wesentliches ethnologisches Bindeglied zwi
schen Asien und Afrika zu verstehen ist, intensiver auseinanderzusetzen. Es
bleibt zu hoffen, daß dieses Buch durch weitere Bände ergänzt wird, in
denen wichtige Themen, die hier noch nicht oder nur randlich beschrieben
worden sind, diskutiert werden.
Alfred Bittner Tübingen, im Frühjahr 1992
•
11
N atur- und kulturgeographische Grundlagen
von Wolf-Dieter Sick
Mit einer Länge von 1500 km, einer Maximalbreite von rund 800 km und
einem Flächeninhalt von 590000 km2 gehört Madagaskar zu den vier gro
ßen Inseln der Erde und wird deshalb auch als «La Grande Ile» bezeichnet.
Zwar spielt Madagaskar in der bewegten Weltpolitik unserer Tage
keine größere Rolle und vielen ist es auch nur vom Namen her bekannt.
Trotzdem verdient diese Insel durch ihre Lage zwischen den Kontinenten
und ihrer vielseitigen, fast allen Zonen der Tropen zugehörigen Naturaus
stattung besondere Beachtung. Ebenfalls ist sie ein gutes Beispiel zur Dar
stellung und Beschreibung wirtschaftlicher Möglichkeiten und Probleme,
die für viele Entwicklungsländer typisch sind.
Die Grundlagen der madagassischen Wirtschaft sind einerseits in der
Naturausstattung, d. h. in Bodengestalt, Klima und Vegetation begründet,
andererseits in der Entwicklung und Struktur der Bevölkerung, die dieses
Angebot nutzt, aber auch schädigt. Diese komplexen Wechselbeziehungen
zwischen Natur und Mensch sollen hier aufgezeigt werden.
Die Insellage und der Höhenaufbau Madagaskars (bis zu 3000 m) sind
Faktoren, die einen entscheidenden Einfluß auf die wirtschaftlichen Grund
lagen ausüben. Die Insellage besteht seit dem Erdmittelalter, als sich der
Urkontinent des Gondwanalandes aufspaltete. Damit war die eigenständige
und eigenartige Entwicklung von Flora und Fauna verbunden, aber auch
der späte Zugang für menschliche Einflüsse mit Wirtschaftsformen aus den
benachbarten Kontinenten.
Geologisch-morphologischer Aufbau
Der geologisch-morphologische Aufbau umfaßt alle Epochen der Erdge
schichte - ein wichtiges Faktum bei der Ermittlung von Bodenschätzen -
und reicht von warmtropischen Küsten bis zu kühltropischen Gebirgen mit
einem entsprechenden Wandel der Nutzung. Der Kern der Insel besteht aus
Grundgebirge mit Gneisen, Glimmerschiefern und Quarziten, in die mäch
tige Granitintrusionen eingeschaltet sind. Nach frühen Gebirgsbildungen
wurde dieser Sockel gehoben und schräggestellt, woraus die west-östliche
Asymmetrie der Insel resultiert. Die Abtragung hat seit dem Tertiär auf die
sem Grundgebirge weite Hochflächen (fampoketsa) in verschiedenen
Niveaus entstehen lassen. Doch ragen darüber Härtlinge als Höhen auf, bei
spielsweise das Andringitragebirge aus Granit oder das Itremogebirge aus
Quarzit. Ferner wird das Hochland von vielen Brüchen durchsetzt, die den
Abfall zu den tieferen Küstengebieten, besonders an der steilen Ostflanke,
verursachten. Dabei entstandene Niederungen werden in der Regel für den
Reisanbau genutzt.