Table Of ContentLand der Heimat . Land der Berge
Fritz Hlnrlchs . Anred Brenne
Land der Heimat
Land der Berge
Heimatkundliches Lesebuch
für den Rhein-Wupperkreis
3. und 4. Schuljahr
Westdeutscher Verlag. Köln und Opladen
ISBN 978-3-663-03095-9 ISBN 978-3-663-04284-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-04284-6
1950
Genehmigt für den Gebrauch in Schulen. Kult. Min. Nordrh.-Westf. 11 E 2/018 -Tgb.-Nr. 3418/50
Alle ReChte vorbehalten
Copyright 1950 by Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen
Einbandentwurf: Wolfram Schmidt
REICHE TRACHT IN DER BERGISCHEN KIEPE
Wir packen aus
Beim ieschte Schrettche. Gedicht von Franz Peter Kürten. 7
Vom Werden und Wachsen der Heimat
Wir lesen in einem Steinbruch. 8
Bunte Sande erzählen. 11
Die Wupper hat das Wort 15
Fröhliche Bachkinder . 24
Im Talsperrenländchen 30
Rähne, Rähne-Dröppche. Gedicht von Franz Peter Kürten. 32
Solinger Klingen und Remscheider Werkzeuge . 33
Spröche. Von Fritz Halbach . 36
Die höchste Stadt im Kreise. 39
Auf der Köln-Berliner Straße 41
Der Dom an der Dhünn . 49
Die Burg an der Wupper . 55
Das Butterdorf Witzhelden . 63
Us Hus. Gedicht von Franz Peter Kürten 66
In der Bergischen Obstkammer . . . 67
Am Finster. Gedicht von Fritz Halbach . 70
In Reusrath wohnen Gemüsebauern . . 71
Kappesbure. Gedicht von Franz Peter Kürten . 72
Die junge Stadt an der alten Straße. 73
Bergische Fuhrmannsaat. Ged.icht von Franz Peter Kürten. 75
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Der Rhein zwischen Wiesdorf und Monheim . 75
Holl üvver! Gedicht von Franz Peter Kürten. 79
Vom Fischerdorf zur Farbenstadt . 79
Die Verkehrsstadt Opladen . 82
Von Gottes Geschöpfen in Wald und Flur
Wat es Heemet. Gedicht von Fritz Halbach 86
Aus der heimischen Pflanzenwelt. 86
Im bergischen Tierreich . 90
Di Markelster es Hä'er em Böseh. Gedicht von Fritz Halbach . 91
Aus der Bergischen Sagentruhe . 93
Karten und sprechende Zahlen 114
Bildnachweis 123
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Beim iesehte Smrettme
Am leev'ste läht ich dir ne Steen
Jitz ob dat Krölleköppche.
Dann wöhß du nit un blevs su kleen
Un wüeds keen Stroßeströppche.
Du stehß su faß un schricks su staats!
Kütt iesch dat Fröhlingslüffche,
Dann häß du hee ze winnig Plaatz,
Dann wied ze eng et Stüvvche.
Jo, freu dich dinger schönste Zick!
Der Herrgott mag nur gevve,
Dat gruß un schön genog dir bliev
Ding Heimat all dien Levve.
Pranz Peter Kürten
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VOM WERDEN UND WACHSEN DER HEIMAT
Wir lesen in einem Steinbruch
Lesen könnt ihr doch schon? Märchen und Sagen, auch Ge
schichten von Tieren und Pflanzen hört ihr gern, das weiß ich.
Aber, daß man auch in einem Steinbruch lesen kann, das scheint
ihr mir nicht glauben zu wollen.
Der Besuch in einem Steinbruch ist sehr lehrreich. Wollen wir
einmal hingehen? Ja, damit seid ihr gleich einverstanden. Da
draußen im Tal und im Wald ist es ja auch viel schöner als in der
Schulstube. Erinnert euch doch an unseren letzten Ausflug. Was
haben wir da nicht alles gesehen! Den dicken Hasen, der gemüt
lich über die Kuhweide hoppelte, die Wildtaube, die noch in der
Tanne gurrte, als wir schon unter dem Baum standen. Emsig
sammelte das Eichhörnchen im Buchenwald seine Nahrung.
Lange haben wir dem Habicht zugeschaut, der hoch in der Luft
seine Kreise zog.
Hoffentlich haben wir auch heute wieder Glück! Also, auf in
den Steinbruch! Frisch gebrochene Steine und verwitterte Stücke
liegen überall herum. Sucht schnell einige kleine Brocken und
zerdrückt sie in der Hand. Nun blast einmal kräftig über die zer
bröckelte Masse. Und was seht ihr da? Staubkörnchen fliegen
davon. Die kleinen Wichte haben wohl in dem Stein fest ge
schlafen. Wir weckten sie. Erschrocken fliegen sie davon. Ob sie
Angst vor uns haben? Das glaube ich nicht. Sie werden sich
freuen, daß sie wieder frei sind. Nun nimmt sie der Wind mit auf
eine lange Reise.
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Ihr mödltet gern mit ihnen davonfliegen. Das wäre herrlidl,
denn auf einer Windfahrt gibt es allerlei Schönes zu sehen. Wir
müssen aber noch hierbleiben, denn die Geschidlte, die wir im
Steinbrudliesen wollen, fängt ja erst an.
Die Staubkörnchen, die eben ihren Flug in die Welt angetreten
haben, sind das Reisen gewohnt. Sie machten schon mal eine
sehr weite Fahrt. Das war zu der Zeit, als unsere Heimat, das
Bergische Land, noch mit einem tiefen Meer bedeckt war. Damals
lebte unsere Wupper nodl nidlt. Menschen waren noch nicht
geboren, auch Städte und Dörfer gab's noch nicht. Aber viele
große und seichte Ströme, die sich in viele Nebenarme zerteilten,
ergossen ihre Wasser in das Meer. Die Strömung war zeitweise
so stark, daß sie nicht nur Sand und Ton, sondern auch schwere
Steine mit sich führte. Die schweren Brocken verlor das Wasser
schon in der Nähe des Ufers, die Sand- und Tonteilchen dagegen
schwammen weiter ins Meer hinaus. Sie bildeten Sandbänke
und Schieferschichten. Und nun überlegt, was geschehen mußte,
wenn dieser Transport Tagfür Tag, Wocbe für Woche und Jahr
für Jahr anhielt.
Auf dem Meeresboden häuften sich die erdigen Stoffe höher
und höher. Das Gewicht drückte die Schichten fest aufeinander,
aber die Versteinerung entstand im Laufe von Jahrtausenden
durch Verkittung. Die Natur preßte die Erdschichten aufeinander,
wie der Schreiner die Sperrholzplatten schichtweise aufeinander
leimt. Und diese versteinerten Schieferschichten seht ihr hier im
Steinbruch nun vor eudl. Doch gibt's die nidlt nur hier in
unserem Tal. Durch das ganze Bergische Land zieht sich dieses
Schiefergebirge hin. Der Schiefer ruht unter dem Acker, den der
Bauer pflügt. Unsere bergischen Wälder stehen darauf. Auch da,
wo· in den Städten oder Dörfern Baugruben beim Hausbau aus
geschadltet werden, stoßen Bauarbeiter auf diesen felsigen
Boden. So lesen wir in jedem Steinbruch, daß unsere Heimat
einst Meeresboden war. Die Steinwände, die wir hier vor 'uns
sehen, sind also Schieferbildungen oder vorzeitlicher, uralter
Meeresschlamm. Schauen wir sie jetzt einmal genauer an. Seht
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ihr die Risse, die über den Stein laufen? Die obere Schicht.läßt
sich stellenweise abblättern. Einzelne Steinbrocken kö~nen wir
in der Hand leicht zerdrücken. Und hier und da sind auch Baum
wurzeln in die Felsspalten gewachsen.
Wie ist das zu erklären? - Wenn es regnet, läuft Wasser über
die Steinplatten. Es dringt in die Risse und Spalten ein. Das
Regenwasser gefriert im Winter zu Eis. Durch das Gefrieren wird
es dicker als das Wasser. So hat es in dem Spalt keinen Platz
mehr; darum sprengt es den Stein auseinander. Legt einmal bei
strengem Frost eine mit Wasser gefüllte Flasche draußen hin.
Wenn ihr sie nach einiger Zeit hereinholen wollt, ist sie ge
sprungen. Das Eis hat sie gesprengt. Aber auch die Sonnen
strahlen, die im Sommer die Steinwände bescheinen, drücken
sie auseinander So zersetzen Kälte und Wärme, Wasser und Eis
die Steine immer mehr. Die Wurzeln der Bäume und Pflanzen
helfen ihnen dabei. Weil aber das Wetter die meiste Arbeit
leistet, sagt man: Die Steine verwittern. So verwandeln sich
nach vielen Jahren die oberen Schichten nach und nach in Erde.
Mit ihr mischen sich die Blätter der Bäume, die im Herbst auf
die Erde fallen. Auch die Blumen und Gräser, die sterben, und
das Holz, das vermodert, düngen die Erdschicht. Wenn dann nach
Jahren der Wald gerodet wird, kann der Bauer den Boden be
arbeiten. Er besät ihn mit Getreide, Gras und Feldfrüchten. So
sind die Felder, Weiden und Wiesen entstanden, die heute weite
Flächen der bergischen Höhen bedecken.
Es ist schon eine lange Geschichte, die uns der Steinbruch er
zählt hat. Aber er weiß noch mehr.
Die Bruchsteine werden von den Arbeitern mit Hämmern zer
kleinert. Pferdekarren oder Autos fahren den Schotter auf die
Straßen. Mit dem Kleinschlag werden die Straßendecken aus
gebessert. Wenn eine Straße neu gedeckt werden muß, kommt
die Dampfwalze und fährt so lange über die Steindecke, bis sie
ganz fest ist. Mit Sand oder Teer werden die Lücken zwischen
den Steinen ausgefüllt. So entstehen neue Straßen. Früher sind
aus Bruchsteinen auch Häuser, Burgen und Kirchen gebaut
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worden. Im Oberbergischen, in der Gegend von Gummersbach,
gibt es viel größere Steinbrüche als bei uns an der unteren
Wupper. Die Steine, die hier gebrochen werden, sind auch viel
härter. Sie heißen Grauwacke. Steinarbeiter behauen sie mit
Hammer und Meißel zu Würfeln. Diese· Würfelsteine kennt ihr
sChon; es sind Pflastersteine. Die Eisenbahn bringt sie in die
Städte. Hier werden die Straßen damit gepflastert. Gepflasterte
Straßen halten sehr lange. Sie sind auch immer sauber.
So, für heute haben wir genug gelesen. Weil ihr so fleißig
gewesen seid, hat der Steinbruch noch eine Uberraschung für
euch. Kommt mal mit mir! Hier an dieser Stelle sind schon lange
keine Steine mehr gebrochen worden. Fällt euch hier nichts auf?
Erdbeeren! Erdbeeren! Ja, viele kleine Walderdbeeren wachsen
hier. Im Steinbruch ist es im Sommer sehr warm. Die Walderd
beere liebt die Wärme; sie ist ein Sonnenkind. Eßt, so lange der
Vorrat reicht!
Bunte Sande erzählen
Kennt ihr das Spielliedchen vom Sandmann? Das wollen wir
heute singen und spielen. Es heißt: "Der Sandmann ist da, der
Sandmann ist da! Er hat so schönen weißen Sand, ist allen Leuten
wohlbekannt. Der Sandmann ist da!"-
Wißt ihr, wie das Liedchen entstanden ist? Ich will es euCh
erzählen:
Vor vielen Jahren, als eure Großeltern noch auf ihren Holz
schuhen zur Schule klapperten, da fuhr der Sandmann von Dorf
zu Dorf. Schneeweißer Sand lag auf seiner Karre, die ein ESf'1
zog. Neben dem Eselchen schritt der Sandhändler. Nach Fuhr
mann's Art steckten seine Hände tief in den Hosentaschen. Die
Peitsche trug er festgeklemmt unter dem rechten Arm. Seine
verwaschene SChirmmütze saß schief auf dem weißen Haar, und
ein buntes Tuch schützte seinen Hals.
Jeder im Dorf kannte ihn amPeitschenschlag. Wenn er seine
große Glocke schwang, dann eilten Frauen und Kinder aus den
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