Table Of ContentBarbara Korte · Horst Tonn (Hrsg.)
Kriegskorrespondenten
Barbara Korte
Horst Tonn (Hrsg.)
Kriegs-
korrespondenten:
Deutungsinstanzen
in der Mediengesellschaft
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich 437 „Kriegserfahrungen.Krieg und Gesellschaft
in der Neuzeit“ (Tübingen) entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung
der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt.
.
1.Auflage Juli 2007
Alle Rechte vorbehalten
©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2007
Lektorat:Monika Mülhausen
Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.
www.vs-verlag.de
Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist
ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere
für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspei-
cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Satz:Anke Vogel
Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands
ISBN 978-3-531-15091-8
Inhaltsverzeichnis 5
Inhaltsverzeichnis
Barbara Korte und Horst Tonn
Einleitung ...........................................................................................................9
Douglas Kellner
Kriegskorrespondenten, das Militär und Propaganda
Einige kritische Betrachtungen..................................................................17
Thomas Hanitzsch
Kriegskorrespondenten entmystifizieren
Eine integrative Heuristik zur Beschreibung der journalistischen
Inaugenscheinnahme von Kriegen.............................................................39
Manuel Köppen
Im Krieg gegen Frankreich
Korrespondenten an der Front. 1870 vor Paris – 1916 an der
Westfront – 1940 im Blitzkrieg.................................................................59
Wolfgang Hochbruck
‚From Our Fighting Editor‘
Unionssoldaten als Zeitungskorrespondenten während
des Amerikanischen Bürgerkriegs.............................................................77
Fabian Virchow
Das Militär als Deutungsinstanz
Medienapparat und Medienpolitik der Bundeswehr
in aktuellen Konflikten..............................................................................93
Gerhard Paul
Der ‚Pictorial Turn‘ des Krieges
Zur Rolle der Bilder im Golfkrieg von 1991 und
im Irakkrieg von 2003.............................................................................113
6 Inhaltsverzeichnis
Christer Petersen
„Informationsbomben“
Mediale Eskalations- und Deeskalationsstrategien von Krieg
und Terror im Kontext von 9/11..............................................................137
Benedikt Strunz und Ingeborg Villinger
Heckenschütze im Informationskrieg?
Zur Rolle Al-Jazeeras im Irakkrieg von 2003.........................................155
Johanna Roering
‚Getting the Word Out’
Warblogs als Kriegsberichterstattung......................................................181
Barbara Korte
Dargestellte Kriegsdarsteller
Typisierungen des Kriegsreporters in Roman und Film
des 21. Jahrhunderts.................................................................................197
Andreas Steinsieck
Old Boys-Netzwerke und formale Zensur
Die Ausweitung der Kriegsberichterstattung im Südafrikanischen
Krieg (1899-1902) und die Folgen für das Verhältnis von
Berichterstattern und Militärs .................................................................215
Sigurd Paul Scheichl
Humor in der Kriegsberichterstattung
Roda Roda und Ludwig Ganghofer im Ersten Weltkrieg.......................237
Jörn Glasenapp
„For most of it I have no words“
Zur Befreiung der Konzentrationslager in der westlichen
Bildpresse.................................................................................................255
Lars Klein
Vietnamkrieg-Berichterstatter als unerreichtes Vorbild?
Selbst- und Fremdzuschreibungen einer Reporter-Generation...............269
Inhaltsverzeichnis 7
Horst Tonn
Wie wird Krieg erzählt?
Rock and Roll als Deutungsschema in amerikanischen
Kriegsreportagen zwischen Vietnamkrieg und Irakkrieg........................287
Julia Müller
Beobachter oder Akteure?
Autobiographische Darstellungen britischer Korrespondenten
im Bosnienkrieg.......................................................................................305
Christoph Schüly
„Shut up, I’m broadcasting“
Neuere Entwicklungen in der Kriegsberichterstattung
am Beispiel von John Simpson (BBC)....................................................321
Anne Ulrich
‚Credibility is the Message‘
Zur visuellen Rhetorik von Kriegskorrespondentendarstellungen
in Fernsehnachrichten.............................................................................339
Julia Hillgärtner
Show and Tell – Die and Talk
Aspekte der Kriegsberichterstattung in einer Arbeit von Jeff Wall........359
Die Beiträgerinnen und Beiträger................................................................375
Register...........................................................................................................379
Einleitung 9
Einleitung
Barbara Korte und Horst Tonn
Schon vor dem 11. September 2001 war Kriegs- und Krisenberichterstattung ein
Thema, das auch in der Öffentlichkeit verhandelt wurde. Seit 9/11 jedoch und
dem sich anschließenden ‚War on Terror‘ erscheinen Publikationen zum Thema
Krieg und Medien und zu verschiedensten Aspekten der Kriegsberichterstattung
mit großer Geschwindigkeit und in einer kaum mehr überschaubaren Zahl.1 Sie
richten sich an Fachleute in den Medien und in verschiedenen akademischen
Disziplinen, aber auch an ein allgemeines Publikum. In der Medienberichterstat-
tung, in Dokumentar- und Spielfilmen, in Autobiographien und Romanen sind
Kriegskorrespondenten heute – oder heute wieder – eine unübersehbare kulturel-
le Präsenz, über die die Öffentlichkeit ihr Verhältnis zu Kriegen definiert, und
zwar über die Akteure selbst ebenso wie über ihre Darstellungen und Deutungen.
Das neu erwachte Interesse an Kriegsberichterstattung hat wiederum die Auf-
merksamkeit für historische Dimensionen des Themas geschärft und die kritische
Auseinandersetzung mit verschiedenen Phasen der journalistischen Kriegsbe-
richterstattung vor den 1990er Jahren befördert – von den Anfängen im Krim-
krieg und im amerikanischen Bürgerkrieg über die Weltkriege des 20. Jahrhun-
derts bis in die unmittelbare Gegenwart.2
Krieg ist spätestens seit Ende des 20. Jahrhunderts ein ‚Medienereignis‘,
vielleicht sogar ein Medienspektakel, und wird als solches auch explizit reflek-
tiert. Im Mittelpunkt dieser Reflexion steht, angeregt durch die ‚Fernsehkrie-
ge‘ in Bosnien und vor allem am Persischen Golf 1991, der besondere Einfluss
der technologischen Medien und deren Einfluss auf die Wahrnehmung und Me-
diatisierung von Krieg.3 Im Zeitalter der Distanzmedien und -waffen sind
1 Vgl. etwa die medienkritischen Analysen von Katovsky/Carlson (2003), Allan/Zelizer (2004),
Miller (2004)oder Tumber und Webster (2006).
2 Viele dieser historischen Überblicksdarstellungen sind aus journalistischer Innenperspektive
verfasst, wie etwa die Standardpublikation von Phillip Knightley (2004), die seit ihrem Erster-
scheinen 1975 mehrfach aktualisiert wurde. Vgl. auch Hohenberg (1995), Lande (1995) und
Stein (1995). Aus Sicht der Geschichtswissenschaft wendet sich der von Ute Daniel herausge-
gebene Band Augenzeugen (2006) dem Thema zu.
3 Siehedie mittlerweile klassische These Paul Virilios aus Krieg und Fernsehen (1993).
10 Barbara Korte und Horst Tonn
Kriegskorrespondenten keinesfalls obsolet, sondern sie sind im Gegenteil in ihrer
Vermittlerrolle immer selbst-/bewusster und zentraler geworden. Darüber hinaus
haben Politik und Militär Kriegsberichterstatter gezielt eingesetzt, zuletzt mit der
durch Amerikaner und Briten im Irakkrieg 2003 – „the most reported war in
history“ (Beck/Downing 2003: 16) – eingeführten Medienstrategie des ‚Embed-
ded Reporting‘.4 Dieses Embedding hat das allgemeine Bewusstsein für die Tat-
sache geschärft, dass Kriegsberichterstattung grundsätzlich in einem Handlungs-
feld mit vorgegebenen Strukturen stattfindet, die einerseits Möglichkeiten eröff-
nen, aber andererseits ihren Akteuren auch Restriktionen auferlegen. Zu den
vorgegebenen Systembedingungen5 gehören die sich jeweils wandelnden techni-
schen, ökonomischen und institutionellen Voraussetzungen des jeweiligen Me-
diums ebenso wie politische Einflussnahmen und die Abhängigkeit von der In-
formationspolitik des Militärs und anderer Institutionen: „Successive new tech-
nologies, new methods of military censorship and control, have redefined the job
to an extent that undermines their professional integrity and effectiveness“, beo-
bachtet Greg McLaughlin (2002: 201) in seiner einschlägigen Studie The War
Correspondent, die noch vor dem Irakkrieg erschien. Ein anderer Faktor des
Wandels in der Kriegsberichterstattung ist die Art der Kriegsführung, die den
Zugang der Korrespondenten zum und ihre Orientierung über das Kampfgesche-
hen wesentlich beeinflusst, von einer relativen Überschaubarkeit des Schlacht-
feldes bis zu einer zunehmenden Unübersichtlichkeit räumlich zersplitterter
Kriegsschauplätze.6
Bei aller strukturellen Determiniertheit agieren Kriegskorrespondenten aber
auch als Subjekte, die über Handlungs- und Gestaltungsräume verfügen. Dabei
sind sie geleitet durch politisch-ideologische Voreinstellungen, ethisch-morali-
sche Grundhaltungen, professionelle Normen und Bilder von ihrem Berufsstand.
Kriegskorrespondenten sind vor allem wegen ihrer räumlichen Nähe zum
Kriegsgeschehen und ihrer personalen Nähe zu den Kriegshandelnden wichtige
Akteure in der Auseinandersetzung um die mediale Deutung von Kriegen. Sie
fungieren als stellvertretende ‚Augenzeugen‘ für ihr Publikum und entwickeln
dementsprechend verschiedene Beobachterpositionen und Perspektiven, die
interpretationsleitend sind, wie auch Ute Daniel argumentiert:
Der Augenzeuge leiht dem Publikum nicht nur seine Augen, sondern auch den Be-
obachterstandpunkt, von dem aus er selbst ‚sieht‘, und verleiht dem Geschehen
4 Eine interessante Variante des Embedding wurde im Dezember 2006 und Januar 2007 durch
den Militärhistoriker Dietmar Herz praktiziert, der fast vier Jahre nach der Invasion des Irak als
‚teilnehmender Beobachter‘ in eine Einheit amerikanischer Marines eingebettet war und da-
rüber einen Bericht für die Süddeutsche Zeitung verfasste (Herz 2007).
5 Vgl. hierzu auch Pedelty (1995) und McLaughlin (2002).
6 Vgl. dazu Münkler (2002).
Einleitung 11
durch diese Erzählperspektive eine für das menschliche Vorstellungsvermögen fass-
liche Ordnung.
Erst diese Einbeziehung der Figur des Augenzeugen in die Narratio schuf [...] das
Genre Kriegsberichterstattung in seiner modernen Form (Daniel 2005: 102).
Mit dem Genre entstand bald auch ein Mythos des Kriegsreporters, zu dessen
Konstruktion die Reporter und ihr Publikum gleichermaßen beigetragen haben.
Seit dem 19. Jahrhundert lässt sich bei Kriegskorrespondenten eine Neigung zur
Selbstinszenierung beobachten: schon in ihren während des Krieges entstande-
nen Artikeln, aber auch in Illustrationen und Fotografien sowie insbesondere in
retrospektiv verfassten autobiographischen Darstellungen. Gerade heute ist die-
ses self-fashioning wieder unübersehbar, und zwar keineswegs nur in der Fern-
sehberichterstattung. Reportagen, in denen neben den Kriegsnachrichten auch
die subjektive Befindlichkeit der Korrespondenten thematisiert wird, finden sich
seit den 1990er Jahren in wachsender Zahl. Hinzu kommen zahlreiche Autobio-
graphien, die seit den 1990er Jahren – auffällig schnell auch nach dem Irakkrieg
– in vielen westlichen Ländern auf den Markt gekommen sind.
Die Rolle von Kriegsjournalisten als Deutungsinstanzen des Krieges und
seiner humanitären Seiten, ihre besondere Art, Krieg in Wort und Bild zu perspektivie-
ren, aber auch ihre Selbst- und Fremdbilder sind bislang erst in Anfängen wis-
senschaftlich untersucht. Der vorliegende Band will einen Beitrag leisten, diese
Lücke in der integrierenden Perspektive verschiedener geistes- und sozialwissen-
schaftlicher Disziplinen zu schließen. Im Juni 2006 trafen sich Medienwissen-
schaftler, Historiker, Politologen, Literatur-, Kultur- und Kunstwissenschaftler
zu einer Fachtagung, aus der der hier vorliegende Band hervorgegangen ist. Die
Gesamtheit der Beiträge eröffnet Einblicke in die historische Gewachsenheit und
die heterogene Vielfalt der Kriegsberichterstattung. Vielfältig sind nicht nur die
Kriegsszenarien, sondern auch die Medien – vom Soldatenbrief im amerikani-
schen Bürgerkrieg bis zu Weblogs aus dem Irakkrieg – in denen diese Berichter-
stattung stattfindet. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Kriegsjournalismus in der
britischen, US-amerikanischen und deutschsprachigen Tradition; mit einem Bei-
trag über den arabischen Fernsehsender Al-Jazeera wird aber auch eine Perspek-
tive aufgezeigt, die außerhalb westlicher Medienkontexte liegt.
Eine Reihe von Beiträgen akzentuiert die ästhetische und fiktionale Reprä-
sentation des Krieges und des Kriegsberichterstatters, denn diese Art der Reprä-
sentation reflektiert auf besonders differenzierte und teils auch selbstkritische
Weise das sinnstiftende Potential, das Kriegsberichterstattung inhärent ist. Ästhe-
tisierung und Fiktionalisierung eröffnen Möglichkeiten der Distanzierung, Verfrem-
dung und Umdeutung nicht nur in Hinblick auf die Darstellung des Krieges,
sondern auch in Bezug auf die Korrespondentenfigur selbst, etwa bei der De-