Table Of ContentBirgit Gillemot
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
bei der Behandlung von Säuglingen
mit Regulationsstörungen
im osteopathischen Kontext
Begutachtung:
Prof. Dr. Hartmut Schröder, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)
Zuschriften an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Hackerbrücke 6, 80335 München
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1. Auflage 2015
© Elsevier GmbH, München
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Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatikalisch
maskuline Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint.
Planung und Lektorat: Alexandra Frntic, Ulrike Kriegel
Herstellung: Elisabeth Märtz
Satz: abavo GmbH, Buchloe/Deutschland; TnQ, Chennai/Indien
Druck und Bindung: Printforce, Alphen/NL
Umschlaggestaltung: Spiesz Design, Neu-Ulm
ISBN Print 978-3-437-31642-5
ISBN e-Book 978-3-437-31643-2
Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevier.com
Vorwort
Das Thema der schreienden Babys und ihrer geplagten Eltern liegt mir schon lange am Herzen, sie
stellen einen beträchtlichen Teil der Patienten in meiner Praxis dar. Während meiner Zeit in Me-
xiko fiel mir auf, dass die Kinder der indigenen Maya-Indianer offenbar dieses Problem nicht
kannten. Es war mir eine besondere Freude, dass ich während der Recherchen zur vorliegenden
Arbeit, Studien und Artikel fand, die meine Beobachtungen bestätigten. So schlossen sich für
mich die Kreise und ich durfte nochmal eintauchen in die faszinierende Welt der indigenen Völ-
ker, auf deren uraltes Wissen wir zurückgreifen können, wenn die Belastungen in unseren hoch-
modernen Informationsgesellschaften wieder einmal zu hoch werden und die Neugeborenen sich
in dieser Welt nicht zurechtfinden wollen. Ich wünsche allen betroffenen Eltern, dass sie kluge,
einfühlsame Berater und Therapeuten finden und ich hoffe, dass meine Arbeit dazu beiträgt, dass
Osteopathen mit ihren ganz speziellen Behandlungsmethoden und mit hoher Beratungskompe-
tenz einen Platz in den interdisziplinären Teams finden.
Birgit Gillemot im Sommer 2014
Danksagung
Mein Dank gilt meinen vielen Lehrern, die in mir die Begeisterung für die Osteopathie geweckt
haben.
Frau Ruth Wollwerth von der Säuglingsambulanz der LMU in München hat durch ihre offene und
unbürokratische Zusammenarbeit mit uns, diese Thesis erst möglich gemacht. Von ihr habe ich
viel gelernt über den Umgang mit betroffenen Babys und deren Eltern.
Großer Dank gilt Frau Prof. Dr. Barbara Pfeiler, die mir bereits an der Universidad de Yucatán die
ersten, faszinierenden Einblicke in das Leben der Maya-Indianer ermöglicht hat, über das sie seit
vielen Jahren forscht. Ihr Artikel, zusammen mit Cora Roiser über die Teenek-Maya hat meine
Sichtweise sehr beeinflusst. Danke auch dafür, dass sie meine Einlassungen auf ihre Richtigkeit
hin überprüft hat.
Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Andreas Koechert, Walter Glück und Gerhard Rehmann für ihre
Hilfe und Unterstützung bei der Ausarbeitung am PC.
Mein Dank gilt meinen Betreuern Prof. Dr. Hartmut Schröder, Dr. Bernhard Hartwig und Tjalf
Hoyer, von der Steinbeis-Hochschule, die mich bei der Erstellung dieser Thesis unterstützt haben.
Nicht zuletzt danke ich allen Eltern und ihren Kindern, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben, in
den vielen Jahren meiner Arbeit mit kleinen und großen Patienten.
Vorwort
Das Thema der schreienden Babys und ihrer geplagten Eltern liegt mir schon lange am Herzen, sie
stellen einen beträchtlichen Teil der Patienten in meiner Praxis dar. Während meiner Zeit in Me-
xiko fiel mir auf, dass die Kinder der indigenen Maya-Indianer offenbar dieses Problem nicht
kannten. Es war mir eine besondere Freude, dass ich während der Recherchen zur vorliegenden
Arbeit, Studien und Artikel fand, die meine Beobachtungen bestätigten. So schlossen sich für
mich die Kreise und ich durfte nochmal eintauchen in die faszinierende Welt der indigenen Völ-
ker, auf deren uraltes Wissen wir zurückgreifen können, wenn die Belastungen in unseren hoch-
modernen Informationsgesellschaften wieder einmal zu hoch werden und die Neugeborenen sich
in dieser Welt nicht zurechtfinden wollen. Ich wünsche allen betroffenen Eltern, dass sie kluge,
einfühlsame Berater und Therapeuten finden und ich hoffe, dass meine Arbeit dazu beiträgt, dass
Osteopathen mit ihren ganz speziellen Behandlungsmethoden und mit hoher Beratungskompe-
tenz einen Platz in den interdisziplinären Teams finden.
Birgit Gillemot im Sommer 2014
Danksagung
Mein Dank gilt meinen vielen Lehrern, die in mir die Begeisterung für die Osteopathie geweckt
haben.
Frau Ruth Wollwerth von der Säuglingsambulanz der LMU in München hat durch ihre offene und
unbürokratische Zusammenarbeit mit uns, diese Thesis erst möglich gemacht. Von ihr habe ich
viel gelernt über den Umgang mit betroffenen Babys und deren Eltern.
Großer Dank gilt Frau Prof. Dr. Barbara Pfeiler, die mir bereits an der Universidad de Yucatán die
ersten, faszinierenden Einblicke in das Leben der Maya-Indianer ermöglicht hat, über das sie seit
vielen Jahren forscht. Ihr Artikel, zusammen mit Cora Roiser über die Teenek-Maya hat meine
Sichtweise sehr beeinflusst. Danke auch dafür, dass sie meine Einlassungen auf ihre Richtigkeit
hin überprüft hat.
Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Andreas Koechert, Walter Glück und Gerhard Rehmann für ihre
Hilfe und Unterstützung bei der Ausarbeitung am PC.
Mein Dank gilt meinen Betreuern Prof. Dr. Hartmut Schröder, Dr. Bernhard Hartwig und Tjalf
Hoyer, von der Steinbeis-Hochschule, die mich bei der Erstellung dieser Thesis unterstützt haben.
Nicht zuletzt danke ich allen Eltern und ihren Kindern, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben, in
den vielen Jahren meiner Arbeit mit kleinen und großen Patienten.
Abkürzungsverzeichnis
ADHS Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung
AZ Allgemeinzustand
C0-C1 Übergang vom Atlas zum Occiput
DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information
EZ Ernährungszustand
FAQ Frequently asked questions (häufig gestellte Fragen)
GAIMH Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der frühen Kindheit
HTA-Bericht Schriftenreihe Health Technology Assessment
IQ Intelligenz quotient
ISG Ileosakralgelenk
KISS Kopfgelenk-induzierte Symmetriestörung
KIZ Kinderzentrum
L5-S1 Übergang vom 5. Lumbalwirbel zum Sacrum
NICHD National Institute of Child Health and Human Development
PRM Primary Respiratory Mechanism
PTDS Posttraumatic Disorder Syndrom
REM Rapid Eye Movement
SAFE Sichere Ausbildung für Eltern
TH12 12. Brustwirbel
TDR Transfer Dokumentations Report
WAIMH World Association for Infant Mental Health
Abbildungsnachweis
Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet sich bei allen Abbildungen/Tabellen im
Werk am Ende des Legendentextes in eckigen Klammern.
F709 Schriftenreihe Health Technology Assessment (HTA) in der Bundesrepublik
Deutschland: Effektivität und Effizienz von psychologischen, psychiatrischen,
sozialmedizinischen und komplementär-medizinischen Interventionen bei Schreibabys
(z.B. regulative Störung) in Schreiambulanzen. Bd. 124, ISSN: 1864-9645, 1. Auflage
2012, © DIMDI, Köln 2012.Alle Rechte vorbehalten.
M902 Birgit Gillemot
Abkürzungsverzeichnis
ADHS Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung
AZ Allgemeinzustand
C0-C1 Übergang vom Atlas zum Occiput
DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information
EZ Ernährungszustand
FAQ Frequently asked questions (häufig gestellte Fragen)
GAIMH Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der frühen Kindheit
HTA-Bericht Schriftenreihe Health Technology Assessment
IQ Intelligenz quotient
ISG Ileosakralgelenk
KISS Kopfgelenk-induzierte Symmetriestörung
KIZ Kinderzentrum
L5-S1 Übergang vom 5. Lumbalwirbel zum Sacrum
NICHD National Institute of Child Health and Human Development
PRM Primary Respiratory Mechanism
PTDS Posttraumatic Disorder Syndrom
REM Rapid Eye Movement
SAFE Sichere Ausbildung für Eltern
TH12 12. Brustwirbel
TDR Transfer Dokumentations Report
WAIMH World Association for Infant Mental Health
Abbildungsnachweis
Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet sich bei allen Abbildungen/Tabellen im
Werk am Ende des Legendentextes in eckigen Klammern.
F709 Schriftenreihe Health Technology Assessment (HTA) in der Bundesrepublik
Deutschland: Effektivität und Effizienz von psychologischen, psychiatrischen,
sozialmedizinischen und komplementär-medizinischen Interventionen bei Schreibabys
(z.B. regulative Störung) in Schreiambulanzen. Bd. 124, ISSN: 1864-9645, 1. Auflage
2012, © DIMDI, Köln 2012.Alle Rechte vorbehalten.
M902 Birgit Gillemot
Projektstudienarbeit
In meiner Praxis behandle ich viele Säuglinge und deren Familien. Häufig werden Babys mit Regula-
tionsstörungen bei mir vorgestellt. Diesen Kindern gilt mein besonderes Augenmerk, denn die Pro-
blematik ist sehr komplex, der Leidensdruck für die betroffenen Kinder und ihre ganzen Familien ist
sehr hoch. Die Leitsymptome dieser Störungen sind Schlafstörungen und exzessives Schreien und
Quengeln. Obwohl es sich in den allermeisten Fällen nicht um eine ernste Erkrankung handelt, sind
doch die Folgen im psychosozialen Bereich sehr gravierend und die Beziehungen zwischen dem
Säugling und seinen Eltern können empfindlich und irreversibel gestört werden. Psychosoziale Be-
lastungen und spätere Verhaltens-und Beziehungsstörungen sind bekannte und in der Literatur be-
schriebene Folgen, wenn Regulationsstörungen nicht, oder nicht ausreichend behandelt werden. Die
Bindungsforscher warnen davor, dass exzessives Schreien und anhaltende Schlafstörungen zu Bin-
dungsstörungen zwischen dem Säugling und seinen Eltern führen können (Brisch 2005; 2007; 2008;
Jenni 2012). Werni (2011) hat in ihrer Studie einen signifikanten Zusammenhang nachgewiesen,
zwischen unsicheren Bindungsverhältnissen im Kindesalter und Burnout im Erwachsenenalter.
Die Zahl der Todesfälle durch Schütteltraumata, weil entnervte Eltern die Kontrolle verlieren, steigt
ständig an. Allein in Deutschland liegt, nach Schätzungen der Techniker Kasse (2011), die Zahl der auf
solche Art getöteten Kinder bei ca. 100 pro Jahr. Die Dunkelziffer wird noch viel höher angesetzt.
Viele schwere Behinderungen durch Verletzungen des Gehirns werden ebenfalls auf Schütteltrauma-
ta zurückgeführt. Zusammen mit der Medizinischen Hochschule Hannover wurde bereits im Jahre
2004 das Shaken-Baby-Syndrom-Projekt ins Leben gerufen. Dank einer umfassenden Aufklärungs-
kampagne konnte die Zahl der geschädigten Kinder gesenkt werden. Grund genug, um diesem Thema
große Aufmerksamkeit zu schenken und die Eltern eines betroffenen Kindes zu betreuen und zu un-
terstützen. Da diese Kinder in meiner Praxis einen großen Anteil der Patienten ausmachen, habe ich
schon seit Langem an einem Behandlungskonzept gearbeitet, das ich auch in einer früheren Version
schon in einer Fachzeitschrift veröffentlicht hatte. In der osteopathischen Lehre gibt es dazu noch
recht wenig Literatur. Die ständig steigende Zahl der betroffenen Babys und auch viele Anfragen von
Kollegen zu diesem Thema verlangen jedoch nach Ausarbeitung von Konzepten und Empfehlungen.
Es war deshalb naheliegend, dass die Arbeit mit Säuglingen mit Regulationsstörungen das Thema
meiner Bachelorthesis sein sollte. Im ersten Gespräch mit dem Projektkoordinator wurden die
Eckdaten der Arbeit festgelegt und die Anforderungen und Kriterien der SHB mit dem geplanten
Vorhaben abgeglichen.
Anhand der täglichen Arbeit in der Praxis wurde sodann ein mögliches Vorgehen erwogen. Dafür
wurden zunächst die Säuglinge katalogisiert und die Zahl derer ermittelt, welche die Kriterien ei-
ner Regulationsstörung erfüllen. Es zeigte sich, dass der Anteil der betroffenen Kinder, aber auch
die Zahl der Kinder im Patientenstamm insgesamt in den vergangenen Jahren stark zugenommen
hatte. Eine Auswertung der Patientendatei zur Frage der Verteilung nach Kinder/Erwachsene und
nach Herkunft aus den Postleitzahlenbereichen, die für das Fach „Marketing“ erstellt wurde, zeig-
te außerdem, dass die Kinder zwar noch immer aus den umliegenden Stadtbezirken kamen, dass
aber zunehmend auch Kinder aus weiter entfernten Regionen zu uns kamen. Diese Kinder wiesen
fast alle die Symptome von Regulationsstörungen auf. Dies legte die Schlussfolgerung nahe, dass
sich das in unserer Praxis angewandte Konzept bewährt und herumgesprochen hatte.
Interdisziplinäre Behandlung von Säuglingen. http://dx.doi.org/10.1016/B978-3-437-31642-5.00001-4
Copyright © 2015 Elsevier GmbH. All rights reserved.
2 Interdisziplinäre Behandlung von Säuglingen
Die Suche nach osteopathischer Literatur zum Thema war wenig ergiebig. Auch über die Zusam-
menarbeit mit Säuglingsambulanzen konnte ich keine Artikel finden. So entstand die Idee nicht
nur über die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu informieren, sondern auch praxisnahe Richtli-
nien zu erstellen, die von Osteopathen in der täglichen Arbeit angewendet werden können.
Die Aktualität des Themas wurde betont durch die Veröffentlichung einer DIMDI-Studie, über die
Interventionen bei Schreibabys. Der HTA-Bericht 124 liegt deshalb den Betrachtungen zugrunde
und wird in einem eigenen Kapitel dargestellt.
Weitere Studien, die vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben wurden, beschäftigen sich mit
dem Thema der Prävention von Shaken-Baby-Syndroms und der Bewertung von Hilfsangeboten. Allen
gemeinsam ist die Forderung nach mehr Aufklärung, nach mehr niedrigschwelligen Angeboten für
betroffene Familien und nach besserer Ausbildung der beteiligten Pflegepersonal und Therapeuten. Die
umfangreichen Recherchen machten deutlich, dass Osteopathen in aller Regel nicht die erforderlichen
Kompetenzen besitzen, die für alle Personen gefordert werden, die mit Kindern von 0–3 Jahren und
ihren Familien arbeiten. Deshalb sollte ein ausführlicher theoretischer Teil diese Themen behandeln.
Professor Schröder erklärte sich bereit, das Projekt als Tutor und Prüfer zu begleiten und mich bei
der wissenschaftlichen Arbeit zu unterstützen. Auf seine Anregung hin, sollte ein Fallbeispiel die
Arbeit veranschaulichen.
Die konkrete Umsetzung des Projekts führte dann im Verlauf der zwei Jahre zu einigen weiteren
Anpassungen. So wurde eine Einzelfallstudie geplant, als Beispiel und Grundlage für weitere Stu-
dien, welche die Rolle der osteopathischen Behandlung im interdisziplinären Kontext evaluieren
sollte. Angeregt wurde diese Überlegung durch die Vorlesungen zum Thema qualitative For-
schung, die mein Interesse geweckt hatten. In einem TDR sind die Überlegungen dazu niederge-
schrieben. Auf Anraten des Koordinators, wurde dann aber auf die sehr umfangreiche Studie ver-
zichtet, da diese den Rahmen der Bachelorthesis gesprengt hätte. In der vorliegenden Arbeit wird
stattdessen eine Fallvignette vorgestellt, welche die Zusammenarbeit verdeutlicht.
Um die Arbeit zu dokumentieren und für weitere Anwender nachvollziehbar zu machen, wurden
Befund-und Fragebögen teilweise übernommen, teilweise selbst entwickelt. So ist der osteopathi-
sche Befundbogen bereits eine Kurzfassung des Behandlungskonzepts und beinhaltet auch Kriterien
für die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Ein nach osteopathischen Kriterien modifizierter Ent-
scheidungsbaum erleichtert die Frage nach einer nötigen Überweisung an eine Säuglingsambulanz.
Zur Erfassung und Verifizierung des Schlafverhaltens und ggf. der Evaluierung der Veränderun-
gen, wurde ein Schlafprotokoll eingesetzt, das in der Säuglingsambulanz des Kinderzentrums
München verwendet wird. Die Zusammenarbeit mit dieser Einrichtung liegt dem Behandlungs-
konzept zugrunde und wird in der Fallvignette beschrieben. Das das sog. „Münchner Modell“, das
vom Ehepaar Papousek begründet wurde und als wegweisend gilt für die Arbeit in Säuglingsam-
bulanzen, wird genauer beschrieben. Aktuelle Studien und Veröffentlichungen schaffen einen
Überblick über den heutigen Stand der Forschungen zum Thema.
Es zeigte sich in den beobachteten Behandlungen, dass viele Eltern nur wenig wissen, über die
Entwicklung des Schlafverhaltens und dass die Glaubenssätze darüber häufig Ursache sind für ei-
nen vermeintlich gestörten Schlaf des Kindes. Für mich war es besonders interessant, wie unter-
schiedlich die kulturell bedingten Annahmen, die cultural parental beliefs, die Bewertung des
kindlichen Schlafverhaltens beeinflussen. Studien mit Maya-Indianern, die in der Literatur-Re-
cherche ausgewertet wurden, deckten sich mit eigenen Beobachtungen während des Studiums der
Anthropologie in Yucatán (Mexiko).
Die Forschungen zum Schlafverhalten und zur Bewertung von exzessivem Schreien sind in vollem
Gange. Besonders die Spätfolgen in Bezug auf Bindungsverhalten, geistige und körperliche Ent-
wicklung und psychosoziale Fähigkeiten sind Gegenstand von intensiven Investigationen.
Projektstudienarbeit 3
Auch das Schreien als physiologisches Signal für kindliche Bedürfnisse wird beleuchtet und die
Erkenntnisse fließen ein in die Entwicklungsberatung für Eltern.
Diesen Themen wird viel Aufmerksamkeit gewidmet, um auch den osteopathischen Kollegen da-
mit fundiertes Wissen zu vermitteln, das sie dann in den Behandlungen einsetzen können. So
entstand aus den Anforderungen der Praxis heraus ein umfangreicher theoretischer Teil dieser
Thesis, der sich wiederum als Grundlage für die praktische Anwendung versteht.
Während die Fallvignette einen detailliert beschriebenen Einzelfall darstellt, wird im Teil der os-
teopathischen Behandlung versucht, ein allgemein gültiges Behandlungskonzept zu erstellen. Nun
widersetzt sich die Osteopathie grundsätzlich jeder „kochbuchartigen“ Behandlungsrezeptur,
denn sie arbeitet strikt „on-demand“ und wird geleitet vom aktuellen Befund des Individuums.
Das vorgestellte Konzept soll deshalb nur einen Rahmen darstellen, der auf der Erfahrung in mei-
ner Praxis basiert und der jeden erdenklichen Freiraum lässt für die unterschiedlichen Methoden
der osteopathischen Behandlungen. Gespräche mit Kollegen während der Erstellung des Konzepts
fanden Zustimmung, obwohl die Herangehensweisen sehr unterschiedlich waren.
Ein weiteres Fallbeispiel zeigt, dass eine gezielte osteopathische Behandlung auch den Verdacht
auf eine Regulationsstörung entkräften kann und innerhalb kurzer Zeit die Probleme beseitigen
kann. Die Osteopathie verfügt über viele Methoden, um Störungen, die intrauterin, oder perinatal
erworben wurden, zu beheben. Dadurch kann eine vermeintliche Anpassungsstörung als Reakti-
on auf störende und mitunter schmerzliche Dysfunktionen erkannt werden und langwierige Be-
handlungen vermieden werden.
Die Zusammenarbeit mit Ruth Wollwerth vom Kinderzentrum München war die Grundlage für
die Beschreibung der interdisziplinären Zusammenarbeit. Sie übernahm die Behandlung des
Säuglings für die Fallvignette und stellte sämtliche Befunde zur Auswertung zur Verfügung. In
einem Interview konnten Details besprochen werden und aktuelle klinische Anwendungen der im
Münchner Modell beschriebenen theoretischen Grundlagen erläutert werden.
Der Austausch mit ihr besteht seit 2008 und hat wesentlich zur Erstellung des vorgelegten Kon-
zepts beigetragen. Zahlreiche Patienten wurden seitdem gemeinsam betreut. Diese Zusammenar-
beit gab auch mir den Anstoß eine Ausbildung zur SAFE-Mentorin zu durchlaufen. Die darin er-
worbenen Kenntnisse stellen einen wichtigen Beitrag dar zur Arbeit mit den Säuglingen und ihren
Eltern. In einem eigenen Abschnitt wird darauf eingegangen.
Besonderes Augenmerk liegt auf dem Notfallmanagement. So wurden Handouts für die Eltern
erarbeitet, die auf den häufig gestellten Fragen (FAQ) basieren und die den meist beobachteten
Problemen der Eltern Rechnung tragen sollen. Auch ein Notfalltelefon gehört dazu. Auch hier
flossen die Erfahrungen während des Projekts in die Entwicklung ein.
Die von der GAIMH (2010) geforderten Standards für Therapeuten, die mit Schwangeren und
Kindern von 0–3 Jahren arbeiten, wurden modifiziert und als Anregung für die Weiterbildung
von Osteopathen übernommen.
Im Laufe der zwei Jahre wurde das Konzept immer wieder überarbeitet, kritischen Betrachtungen
unterzogen und anhand der Literatur-Recherchen auf den neuesten Stand gebracht. Die vorlie-
gende Arbeit ist deshalb als work-in-progress zu verstehen und nicht als endgültiges Konzept.
Die jetzt vorliegende Arbeit beinhaltet also einen theoretischen Teil, der als Grundlage für Ent-
wicklungsberatung und Aufklärung dienen soll. Die Beschreibung der Arbeit in einer Säugling-
sambulanz soll die Zusammenarbeit verbessern und schließlich wird im praktischen Teil das Kon-
zept meiner Praxis beschrieben und in der Diskussion bewertet. Im Anhang finden sich Fragebö-
gen und Handouts von Säuglingsambulanzen in ganz Deutschland.
1
Einleitung
Osteopathen sind oft die erste Anlaufstelle, wenn das Baby zu wenig schläft, schlecht trinkt, zu viel
schreit und alle Bemühungen es zu beruhigen fruchtlos bleiben. Viele Hebammen arbeiten mit
Osteopathen zusammen und auch in den einschlägigen Krabbelgruppen, oder Internetforen für
Eltern wird die Behandlung beim Osteopathen empfohlen, wenn sich Probleme mit dem Baby er-
geben. Die meisten betroffenen Säuglinge weisen Störungen der Symmetrie auf, sowie Blockaden
des Bewegungsapparates und Fehlspannungen im faszialen und viszeralen System. Die Behand-
lung dieser Störungen gehört zu den Kernkompetenzen der Osteopathie und häufig stellt sich eine
Besserung der Symptome schon allein durch die Beseitigung dieser Probleme ein. Doch immer
häufiger persistieren die Klagen der Eltern über die Schlafstörungen und das exzessive Schreien
ihrer Kinder. In diesen Fällen reicht die osteopathische Behandlung alleine nicht mehr aus und
eine Beratung der Eltern, bis hin zu therapeutischen Interventionen wird nötig. Hier überschnei-
det sich die osteopathische Fachkompetenz mit der Kompetenz der psychotherapeutisch geschul-
ten Mitarbeiter der Säuglingsambulanzen. Es ist wichtig, dass Osteopathen erkennen, wo die
Grenzen ihrer Kompetenz liegen und an welchem Punkt, bzw. bei welchen Symptomen sie die
Eltern an eine Säuglingsambulanz überweisen sollen. Da die Gründe für Regulationsstörungen
nicht nur im körperlichen und seelischen Zustand des Säuglings liegen, sondern immer auch eine
psychosoziale Komponente beinhalten, die Eltern betreffend, weil es sich also um Störungen eines
bilateralen Anpassungsprozesses handelt, ist die Mitbehandlung der Eltern obligatorisch (Pa-
pousek 2005; Tro-y-Baumann 2012).
In der Regel sind Osteopathen nicht ausgebildet für die Diagnose und Therapie von psychosozia-
len, innerpsychischen, oder psychopathologischen Störungen. Es kommt leicht zur Fehleinschät-
zung und zu gutgemeinten, aber wirkungslosen, oder auch fatalen Therapieversuchen, denen die
professionelle Grundlage einer Beratungskompetenz im Sinne der GAIMH fehlt.
Die deutschsprachige Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der frühen Kindheit (GAIMH), die
eine interdisziplinäre Tochtergesellschaft ist, der World Association for Infant Mental Health
(WAIMH), fordert für alle an der Pflege und Therapie in der frühen Kindheit Beteiligten Stan-
dards, für deren Fort- und Weiterbildungsprogramme. Diese gelten auch und gerade für Osteopa-
then und sollten Eingang finden in die Lehrpläne der einschlägigen Schulen und Institute.
In der vorliegenden Fallvignette soll exemplarisch eine solche Zusammenarbeit vorgestellt wer-
den. Die Darstellung der verwendeten Methode soll die Grundlage bilden für weitere qualitative
und quantitative Untersuchungen zu diesem Thema. Außerdem soll ein Leitfaden erstellt werden
für Osteopathen, der es ermöglicht, Regulationsstörungen sehr viel genauer zu diagnostizieren
und psychische, oder psychosoziale Probleme der Eltern, sowie des Kindes und der Familie zu er-
kennen. Die Betrachtung von Regulationsstörungen als multifaktoriell bedingte Störungen, wei-
sen der osteopathischen Behandlung eine Rolle zu, in der engen Zusammenarbeit mit anderen
Disziplinen. Dies verbessert nicht nur die Ergebnisse, sondern trägt auch zur Einbindung der Os-
teopathie in interdisziplinäre Teams bei. Dies ist ein wesentlicher Schritt hin zur wissenschaftli-
chen Anerkennung unserer Methode.
Das Ziel dieser Arbeit ist, Fachwissen über die Hintergründe von Regulationsstörungen und deren
Genese im Kontext der Familie zu vermitteln. Es sollen Informationen über die Zusammenarbeit
Interdisziplinäre Behandlung von Säuglingen. http://dx.doi.org/10.1016/B978-3-437-31642-5.00001-4
Copyright © 2015 Elsevier GmbH. All rights reserved.