Table Of ContentHirnorganische
Psycho syndrome
im Alter II
Methoden zur Objektivierung
pharmakotherapeutischer Wirkungen
Herausgegeben von
D. Bente H. Coper S. Kanowski
Mit Beitragen von M. M. Baltes E. Ba~ar D. Brunner H. Coper
H. Ellgring G. Grunewald E. Grunewald-Zuberbier A. Herz
W.-D. Heiss B.Janicke S. Kanowski T. Kindermann
R. Kriebitzsch E. Lehmann B. Nickel C. Niemitz K. Offenloch
W. D. Oswald K. Poeck D. Ploog H. Remschmidt E. Roth
G. Schulze R. Sinz G. StOcklin G. Zahner
Mit 62 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York Tokyo
Professor Dr. Dieter Bentet, Abteilung fUr Psychophysiologie, Freie
Universitat Berlin, Eschenallee 3, 0-1000 Berlin 19
Professor Dr. Helmut Coper, Institut fUr Neuropsychopharmakologie,
Freie Universitat Berlin, Ulmenallee 30, 0-1000 Berlin 19
Professor Dr. Siegfried Kanowski, Institut fUr Gerontopsychiatrie, Freie
Universitat Berlin, Reichsstral3e 15, 0-1000 Berlin 19
ISBN-13:978-3-540-15310-8 e-ISBN-13:978-3-642-70354-6
DOl: 10.1007/978-3-642-70354-6
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutsehen Bibliothek
Himorganisehe Psyehosyndrome im Alter 1 hrsg. von D. Bente ... -Berlin; Heidelberg; New York;
Tokyo; Springer NE: Bente, Dieter [Hrsg.]2. Methoden zur Objektivierung pharmakotherapeutiseher
Wirkungenl mit Beitr. von M. M. Baltes". - 1985.
ISBN-13:97S-3-540-15310-S
NE: Baltes, Margret M. [Mitverf.]
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1985
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2125/3140-543210
Vorwort
In einem freien Land sind Wissenschaft und Kultur ohne eine dynami
sche Wirtschaft nur schwer vorstellbar. Urn so erstaunlicher sind die Be
riihrungsangste, die zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft er
zeugt worden sind und immer wieder erzeugt werden. Sie basieren auf
dem Konflikt zwischen Verantwortungsethik, die die sozialen Foigen
menschlichen Handelns bedenkt und Gesinnungsethik, die absolute
Prinzipien zum Ziel von Tun und Lassen des Menschen setzt. Dajedoch
die Existenz einer Industriegesellschaft nur durch die Bereitschaft zur
Zusammenarbeit zwischen allen Institutionen produktiven Denkens
und Handelns garantiert wird, hangt die Auflosung des Widerspruchs
zwischen beiden Ethiken weitgehend yom Willen und der Kraft ab, vor
handene Fahigkeiten und Moglichkeiten ohne KOITumpierung und
Opportunismus einzusetzen.
Zur Losung von Problemen sind auf allen Ebenen, der Politik, der
Wirtschaft und der Wissenschaft, mit Phantasie gekoppelte Ideen not
wendig. Ihre Durchsetzung mitgestalten zu konnen, kann faszinierend
und begliickend sein. Dieses GefUhl entsteht im Bereich der Wissen
schaft weniger nach zufiilligen Entdeckungen, in der Wirtschaft nicht
durch hohen materiellen Ertrag allein oder in der Politik durch Macht
ausubung. Gluck durch Kunst und Wissenschaft ist im Sinne Spinozas
"Liebe zu Gott", die das Denken und Erleben, die sinnliche Wahrneh
mung der Natur und auch die Phantasie und deren Verarbeitung einbe
zieht. Zum Gliicklichsein gehort Bemuhen urn einen eigenen Beitrag,
eine eigene Idee in der Auseinandersetzung mit der Kernfrage, die nicht
nur die Philosophie, sondern jede Wissenschaft seit jeher bewegt: Was
ist der Mensch in all seinen Erscheinungsformen und Reaktionen, zu
denen auch die durch Krankheit veranderten gehoren?
Nachdem im ersten Band Hirnorganische Psychosyndrome im Alter
Konzepte und Madelle fUr die pharmakotherapeutische Forschung dis
kutiert worden sind, werden im zweiten Band "Methoden zur Objekti
vierung pharmakotherapeutischer Wirkungen" abgehandelt. Wieder
haben sich Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen zusammen
gefunden, urn an einem schon en, ruhigen art, nach der Devise von
Ernst Mach, Gedanken, Erfahrungen und Anregungen zu einem spe
ziellen Thema auszutauschen: "Stellen wir uns vor, daB verschiedene
Intelligenzen in freien Verkehr treten, in inniger Beriihrung sich gegen
seitig anregen bei Unternehmungen, we1che wie Wissenschaft, Technik,
VI Vorwort
Kunst usw. eben gemeinsame Angelegenheiten sind, so kann man die
gewaltige, gegenwartig fast unausgenutzte geistige Potenz der Mensch
heit abschatzen". Ein kleiner Teil dieser geistigen Potenz wurde in
Taormina, wie wir hoffen, mit Erfolg genutzt, urn neue fruchtbare An
satze fiir die pharmakotherapeutische Forschung auf dem Gebiet der
Nootropika zu entwickeln. Das Ergebnis des Symposions wird nur den
nicht befriedigen, der wie in Hegels kleiner Geschichte Obst mochte
und darum Apfel, Birnen, pflaum en, Kirschen und Quitten verschmaht.
Die Einzelbeitrage sind keine Handlungsanweisung dafiir, wie Arznei
mittel am besten zu priifen sind, und sollen es auch nicht sein. Sie geben
aber einen guten und aktuellen Oberblick iiber die Vielfalt der Oberie
gungen in einem stetigen Problemlosungsproze13. Methoden konnen
sich leicht selbstandig mach en und in eine Sackgasse fiihren. Sie sindje
doch nicht Selbstzweck, sondern modifizierbare und kontrollierbare In
strumente und Hilfsmittel im eigentlichen Sinne des Wortes und damit
erfolggesteuertes Regulativ. Ihre Weiterentwicklung ist Voraussetzung
fiir die Beantwortung bisher ungeloster Fragen in der Wissenschaft:
Deshalb mu13 urn sie gerungen und gestritten werden.
Die Herausgeber
N achruf auf Dieter Bente
Den ersten, einfiihrenden Vortrag an dies em Tag hatte Herr Bente hal
ten soli en, dem wir zu einem wesentlichen Teil das Zustandekommen
und die thematische Organisation dieses Symposions ebenso verdanken
wie die des vorangegangenen vor zwei Jahren auf Malta, das vielen von
uns noch wegen seiner vielfiiltigen, wissenschaftlichen wie atmosphiiri
schen Eindriicke in lebhaftester Erinnerung ist und das so wie dieses
mit seinem Namen verbunden bleibt. Das Schicksal, das wir friiher
schon einmal mit Sorge fiber ihm schweben sahen, hat Herro Bente nun
mitten aus seiner Arbeit dahingerafft. Wir verlieren in ihm einen in die
Tiefe denkenden Wissenschaftler voller origineller und stets anregender
Ideen, einen offenen und aufrichtigen Kollegen und einen stets hilfsbe
reiten, warmherzigen und humorvollen Freund, der in Gespriichen und
Diskussionen zu fruchtbarer Auseinandersetzung beitrug, der aber den
noch an den als richtig und tragfiihig erkannten Grundfiberzeugungen
unbeirrt festhielt.
Viele von uns hatten die Freude, ihn in entspannter Atmosphiire in
seinem treffenden, aber nie verletzenden Witz und seinem aus dem Her
zen kommenden, oft spriihenden Humor kennen zu lemen und sich von
ihm, der so geme lachte, mitreiBen zu lassen. Oft genug beriihrte er da
bei seine Gespriichspartner durch die Breite seines Wissens, seine weite
Belesenheit und seine brillante, nicht selten eine neue Sicht beleuchten
de Verknfipfung von Ideen aus Denk-, Wissens- und auch Erlebnisbe
reichen, die fiber sein engeres Arbeitsgebiet weit hinausgingen.
In stiindiger Arbeit - und auch in stiindigem Lemen - hat er, seiner
Ausbildung nach aus der klinischen Psychiatrie stammend, aber vor
allem an der grundlagenorientierten Entwicklung der klinischen Neuro
physiologie, zunehmend vor allem auch der Psychophysiologie, nicht
nur teilgenommen, sondem diese Entwicklung zu Disziplinen mit
neuem methodischem Rfistzeug und mit neuen Inhalten mit vorange
trieben.
In Bereichen der Biologie, der Geologie, der Kunst- und Friihge
schichte, der Literatur, der Wissenschaftsgeschichte und der Erkennt
nistheorie war er kenntnisreich, belesen und interessiert.
Lassen Sie mich bitte zu seinem wissenschaftlichen Oeuvre noch
einige Worte sagen in dem respektvollen Versuch einer kritischen Wfir
digung. Seine Publikationsliste umfaBt 212 Arbeiten, die sich fiber ei
nen breiten thematischen Bereich erstrecken. Viele von ihnen fiber die
VIII Nachruf auf DIETER BENTE
elektroencephalographische Objektivierung cerebraler Medikations
effekte haben seinen Ruf als einen der Pioniere des Pharmako-Elektro
encephalogramm begriindet. Damit in gewissem Zusammenhang stehen
zahlreiche Arbeiten, die die methodische Grundlagenentwicklung der
EEG-Analyse betreffen und die sich fernerhin mit der Dokumentation
und den Problemen einer multivariaten Statistik in Anwendung auf Re
sultate der EEG-Analyse auseinandersetzen und in denen der metho
denkritische Ansatz ganz im Vordergrund steht. Diese Arbeitsrichtung
hat Herr Bente aber auch, seinem umfassenden Interesse und seiner
Kompetenz entsprechend, auf allgemeinere psychiatrische Problem
kreise angewandt. Beispiele hierfiir ohne Anspruch auf VollsUindigkeit
sind Arbeiten fiber faktorenanalytische Untersuchungen zur Struktur
psychiatrischer Merkmalzusammenhange (1966), methodenkritische
Untersuchungen zur Anwendung multivariater Verfahren bei psychia
trischen Alternativmerkmalen (1969), informationsstatistische Untersu
chungen zur Struktur einfacher Handlungsfolgen bei Psychosen (1979)
oder methodologische Aspekte der Faktorenanalyse spektraler EEG
Daten (1980). Aber auch allgemeinpsychiatrische Fragen werden be
handelt, wie etwa das akinetisch-abulische Syndrom (1977) oder Phar
makopsychiatrie und Sozialpsychiatrie: Wege zu einer Systemtherapie
psychischer StOrungen (im Druck). Gerade in den letzten beiden Jahren
hat sich Herr Bente interessanten neuen Moglichkeiten der Analyse bio
logischer Signale zugewandt mit den Versuchen zur Erfassung des Ma
gneto-EEG sowie der cerebro-magnetischen Manifestation evozierter
Potentiale. Die Basisbreite seiner Interessen belegen Arbeiten fiber psy
chotherapeutische Probleme bei der medikamentOsen Behandlung von
Psychosen (1966) oder quantitative Textanalysen zum Sprachwandel
HOlderlin's in der Psychose (1969).
Zweifellos aber lag ihm eine Denk- und Arbeitsrichtung besonders
am Herzen, deren Kern das von ihm entwickelte Vigilanzkonzept dar
stellt und mit dem er auf dem Vigilanzkonzept von Head (1923) in einer
durchaus originellen Weise aufbaut. Schon in seiner ersten groJ3eren Ar
beit zu diesem Thema aus dem Jahre 1964 mit dem Titel "Vigilanz, dis
soziative Vigilanzverschiebung und Insuffizienz des Vigilitatstonus. Ein
Beitrag zur psychophysiologischen Fundierung der Psychiatrie" laJ3t er
die zentrale Richtung seines Denkens erkennen, die er in der Folge im
mer wieder aufnahm, ausfeilte und weiterentwickelte bis zu seinem Vor
trag auf dem diesjahrigen Venezianischen Symposion "Elektroencepha
lographische Vigilanzbestimmungen; Methoden und Beispiele". Erlau
ben Sie mir den Versuch, diese Entwicklung ein wenig nachzuzeichnen
anhand einiger Zitate.
In seiner bereits zitierten Arbeit aus dem Jahre 1964 tiber Vigilanz,
dissoziative Vigilanzverschiebung und Insuffizienz des Vigilitatstonus
schreibt Herr Bente, "daB es sich bei unserer Betrachtungsweise zu
nachst urn ein Denkmodell handelt, das die Form und die Funktion
einer verbindenden Arbeitshypothese hat. Sein Wert und seine Geltung
bestimmen sich daher nach dem Grad seiner Anpassung an die kli-
Nachruf auf DIETER BENTE IX
nisch-experimentellen Tatbestande und seiner heuristischen Leistung
bei der ErschlieBung und Ordnung neuer Fakten. Die Funktion dieses
Modells besteht demnach darin, daB es isoliert stehende oder zunachst
widerspriichlich erscheinende Erfahrungsdaten in einen logisch ge
schlossenen Begriffzusammenhang zu transponieren vermag. Je mehr
sich die ordnende Kraft einer derartigen Konzeption an experimentell
kontrollierbaren Befunden bewahrt und je mehr sich aus ihr verifizier
bare Voraussagen ableiten lassen, desto hOher wird seine Giiltigkeit zu
veranschlagen sein." Diese Formulierung wirft bereits Licht auf Bente's
Denkweise und sein stets Bemiihen, von der konkret-gegenstandlichen
Befundebene zu abstrahieren auf umfassendere Denkmodelle in steter
Beziehung zu Strukturkriterien. Des weiteren schreibt er in dieser Arbeit
an anderer Stelle: "Aus dieser Perspektive heraus ergibt sich, daB es
nicht die Aufgabe pharmako-elektroencephalographischer Untersu
chungen sein kann, die Analyse medikamentOser Wirkungen von vom
herein auf isolierte, meBtechnisch leicht zugangliche GroBen einzu
engen, sondem daB man den gesamten Formwandel der himelektri
schen Aktivitat im Auge zu behalten und zu analysieren hat. Diese Auf
fassung resultiert aus der Uberlegung, daB gerade die als Veranderun
gen hoherer Strukturmerkmale imponierenden Effekte entscheidende
Informationen iiber die Beeinflussung organisatorischer Grundprozes
se enthalten konnen, deren Kenntnis fur die Beurteilung der Wirkungs
weise psychotroper Pharmaka von wesentlicher Bedeutung ist." Aus
dieser Grundhaltung heraus ergeben sich schon aus dieser Arbeit des
Jahres 1964 Mahnungen an die Pharmako-EEGisten, die nur zu selten
wirklich verstanden und beachtet wurden und die auch heute noch und
immer wieder ins Gedachtnis gerufen werden mussen.
In seiner aus dem gleichen Jahr stammenden Habilitationsschrift
hat Bente dann bereits in einem groBeren Wurf zum gleichen Thema
Grundlegendes verOffentlicht. Wie sehr sich sein Denken seitdem ent
wickelt hat, laBt sich aus seiner abgerundeten und zusammenfassenden
Darstellung ersehen, die er auf dem Malta-Symposion vor 2 Jahren zum
Thema "Vigilanz-Regulation, himorganisches Psychosyndrom und
Alterserkrankungen: ein psychophysiologisches Modell" gegeben hat.
Auch hieraus seien einige charakteristische Absatze zitiert: "Mit seinem
Vigilanzkonzept hat der englische Neurologe Head (1923) eine Bezie
hung hergestellt zwischen der funktionalen Verfassung eines neuralen
Systems einerseits und der Differenziertheit und dem Anpassungsgrad
seiner Reaktionen andererseits. Vigilanz im Sinne Heads ist demnach
eine neurodynamische GroBe, die den Organisationsgrad des aktuellen
Verhaltens und sein adaptives Niveau bestimmt." Und weiter: "Hieraus
wird ersichtlich, was wir unter Vigilanz verstehen und welche Rolle das
EEG im Rahmen dieses Konzeptes spielt. Vigilanz ist eine systemdyna
mische GroBe, die sich in der Organisationsform der himelektrischen
Aktivitat manifestiert. Andererseits bestimmt diese SystemgroBe aber
auch, wie die Psychophysiologie des Wach-Schlafiiberganges zeigt, das
dynamische Niveau informationsverarbeitender und -generierender
x
Nachruf auf DIETER BENTE
Prozesse, das sich objektiv in der Struktur und AdaptiviUit des Verhal
tens auBert und subjektiv seine Reprasentanz in der Art unseres Selbst
und Umwelterlebens findet. Dieses die himelektrische Organisation,
Informationsverarbeitung und Verhaltensstruktur miteinander ver
knupfende BeziehungsgefUge, dessen innerer Aufbau dem Head-Kon
zept entspricht, weist dem EEG die Rolle eines pradilektiven Vigilanz
indikators zu."
Bente hat manche Kritik seines Vigilanzkonzeptes erfahren, die ihn
urn so mehr schmerzen muBte, als sie offensichtlich aus einem mangeln
den begriffiichen Erfassen der umfassenden Bedeutung dieses Konzep
tes entsprang, einer Bedeutung, die den engen Rahmen einer Vigilanz
im alltaglichen Sinne weit hinter sich lieB und auf ein gesamthaft ord
nendes Denken und auf eine Zusammenschau von EEG-Manifestation,
Leistungsorganisation und Verhalten in den Begriffen einer dynami
schen Funktionsstruktur abzielte. Diese integrative Denkweise, die er
schon vor 2 lahrzehnten als richtig erkannt hatte und an der er unbeirrt
festhielt, zieht sich gleichsam als roter Faden durch sein ganzes wissen
schaftliches Werk. Noch einmal sei eine Folgerung hieraus, die er im
Malta-Symposion vor 2 lahren in aller Klarheit formuliert hat, in das
Gedachtnis gerufen: "Geht man von diesem Rahmenkonzept aus, das
der Schlussel fUr eine niveau-adaquate Analyse und Interpretation des
himelektrischen Verhaltens ist, so ergeben sich bestimmte methodische
Forderungen, deren Beachtung von wesentlicher Bedeutung fUr den
Aussagegehalt einer elektroencephalographischen Untersuchung ist.
Schon im Beginn der Ara, die uns den Einzug signalanalytischer Ver
fahren in die Elektroencephalographie brachte, habe ich darauf hinge
wiesen, daB Frequenz und Spannung zwar fundamentale Parameter der
EEG-Aktivitat sind, ihre Bestimmung aber nur dann zu sinnvollen Aus
sagen fUhren kann, wenn sie im Rahmen einer musterorientierten Be
trachtung erfolgt. Nur eine Analyse, die Organisationsniveau, Struktur
und Dynamik der himelektrischen Musterbildung gebuhrend beruck
sichtigt, wird in der Lage sein, genugend differenzierte und hinreichend
interpretationsflihige Aussagen uber die Art patho-und pharmakogener
Veranderungen des himelektrischen Verhaltens zu machen."
Es hieBe, Bentes Denken in zu engem Rahmen zu sehen, wollte man
diese Aussage auf das EEG und seine Interpretation beschranken, die
er hier offensichtlich nur als besonders augenfalliges Beispiel verstan
den wissen wollte. Es war ihm nicht mehr vergonnt, dieses physiolo
gisch-elektroencephalographische Vigilanzkonzept weiter auszuarbei
ten und es schlieBlich in Zusammenhang zu bringen mit der sich ent
wickelnden Theorie synergetischer, zur Selbstorganisation tendierender
Systeme, die uns vor aHem von Prigogine (1977, 1979) nahegebracht
worden sind - was Bente zweifellos vorgeschwebt hat. Dies ist vielleicht
das Vermachtnis, das er uns hinterlassen hat und das fUr uns noch lange
eine Herausforderung bedeuten wird. Hieran uns immer wieder zu mes
sen und uns damit kritisch auseinanderzusetzen ist vielleicht die am be
sten angemessene Weise, sein Andenken zu bewahren und sein Denken
und Wirken lebendig zu erhalten. H. Kunkel
Inhaltsverzeichnis
Teil A. Veriinderungen kognitiver Leistungen und der Persiinlichkeit
Kognitive Prozesse, Informationsverarbeitung und Gedachtnis
(E. ROTH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Personlichkeitsveranderungen, Affektivitat und Antrieb
(H. REMSCHMIDT) ..................... 9
Neuropsychologische Aspekte hirnorganischer Psychosyndrome
(K. POECK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24
Hirnorganische Psycho syndrome und Leistungspsychometrie im
hOheren Lebensalter (w. D. OSWALD) ........... 30
Rapport der Diskussion (K.-P. KUHL und H. GUTZMANN) 38
Teil B. Biophysikalisch-biochemische Himfunktionsanalyse
Zur Erfahrungsreprasentation im Gehirn - Psychophysiologische
Grundlagen zur Erforschung und Diagnostik des hirnorganischen
Psychosyndroms (R. SINZ) ..................... 45
Das EEG bei visuomotorischer Tatigkeit. Beziehungen zwischen
Vigilanzdynamik, Beanspruchung und Leistung (R. KRIEBITZSCH). 73
Evozierte Potentiale und EEG-Dynamik (E. BA~AR) ...... 83
Ereignisbezogene Potentiale, Aufmerksamkeit und motorische
Aktion (G. GRUNEWALD und E. GRUNEW ALD-ZUBERBIER) .. 99
Zielverhalten und Auge-Hand-Koordination
(K. OFFENLOCH, G. ZAHNER, B. NICKEL und D. BRUNNER) .... 105
Positronenemissions-und Kernspinresonanztomographie
(W.-D. HEISS) .............................. 113