Table Of ContentHans Pfitzner und der Nationalsozialismus
Sabine Busch
Hans Pfitzner
und der
Nationalsozialismus
Verlag J. B. Metzler
Stuttgart . Weimar
»Und wirklich, unserer Zeit gelang es, so vieles zu
verhunzen: das Nationale, den Sozialismus - den
Mythos, die Lebensphilosophie, das Irrationale, den
Glauben, die Jugend, die Revolution und was nicht
noch alles. Nun denn, sie brachte uns auch die
Verhunzung des großen Mannes. Wir müssen uns mit
dem historischen Lose abfinden, das Genie auf dieser
Stufe seiner Offenbarungs möglichkeit zu erleben.«
(Thomas Mann in »Bruder Hitler«)
Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme
Busch, Sabine:
Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus / Sabine Busch
-Stuttgart ; Weimar: Metzler, 2001
M & P Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung
ISBN 978-3-476-45288-7
ISBN 978-3-476-02833-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-476-02833-4
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© 2001 Springer-Verlag GmbH Deutschland
Ursprünglich erschienen bei J.B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung
und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2001
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Inhaltsverzeichnis
Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus
ElN KONSERVATIVER KOMPONIST UND DIE NS-KULTURPOLITIK
1. Vorbemerkung zu Thematik, Literatur und Methodik 9
2. Hans Pfitzner in der Weimarer Zeit - eine
Situationsbeschreibung 19
2.1. "Selbstverständlich war das Podium nur da für die Herren vom
Atonalitätsprinzip, für die Ritter vom Drittel-und
Vierteltone." - oder? Hans Pfitzners Position als Künstler in
der Weimarer Republik 28
2.2. Paul Nikolaus Cossmann und Hans Pfitzner -
Lebensfreundschaft zwischen Publizist und Musiker 43
2.3. Hans Pfitzner als Schriftsteller - Vorläufer des
Nationalsozialismus oder konservativer Kulturanalytiker? 61
2.3.1. Hans Pfitzners "Futuristengefahr" (1917) - gegen Busoni auf
musikalischem und patriotischem Kriegspfad 64
2.3.2. "Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz. Ein
Verwesungssymptom?" (1919) - eine Beethovendiskussion auf
politischem Terrain 70
3. Kulturpolitische Folgen der Machtergreifung: Gründung der
Reichskulturkammer und der Reichsmusikkammer 80
4. Hans Pfitzner im Dritten Reich - ein konservativer Komponist
und die nationalsozialistische Macht 86
4.1. Walter Abendroth - Verehrer und Freund der letzten beiden
Jahrzehnte 90
4.2. Erste Versuche der Annäherung - Hans Pfitzners Haltung zu
den sich konstituierenden kulturpolitischen Verhältnissen im
jungen Dritten Reich 95
4.3. Hans Pfitzner und die Juden - ein Thema in seinen
Variationen 114
4.4. "Und der Wunsch, dass einmal der Führer sozusagen nach mir
hinsehen möchte, ist mir doch wohl nicht zu verübeln." Hans
Pfitzner und die NS-Prominenz l30
4.5. Orientierungsversuche in den entstehenden musikpolitischen
Strukturen: Hans Pfitzner und die "deutsche Jugend" oder "Es
5
tut mir immer wohl, wenn ich fühle, dass die deutsche
musikalische Jugend etwas für mich übrig hat und sich für
mich regt." 152
4.6. Hans Pfitzner und der "Protest der Richard-Wagner-Stadt
München" 1933 - ein garstig Lied, ein politisch Lied ... 160
4.7. "Das wird ihm das nationalsozialistische Deutschland nie
vergessen!" Hans Pfitzners Salzburger Absage 1933 171
4.8. "Das Ganze ist eine wahre Ku1turtragödie." Hans Pfitzner als
Hitlers Wahlkampthelfer 177
4.9. Ehrungen zum 65. Geburtstag - eine stattliche Bilanz 191
4.10. Die "Pensionierungsaffäre" - Hans Pfitzners Kampf um Geld
und Ehre von 1934 bis 1937 197
4.11. Kein Nationalpreis für Hans Pfitzner 208
4.12. Der 70. Geburtstag - ein "verbotener" Ehrentag? 214
4.13. Ein Ruf nach Wien verhallt. .. 223
4.14. Die E-Musik in breiter Front - die "ernsten" Musiker gegen
Schlager und Kitsch 230
4.15. Der "Polenschlächter" als Mäzen: Hans Pfitzner und Hans
Frank 243
4.16. Hans Pfitzner und der neue deutsche Osten - Posen 1942 254
4.17. In aller Stille - Hans Pfitzner und der Robert-Schumann-Preis 264
5. Spielplanpolitik und Kunstästhetik der NS-Zeit in ihren
Auswirkungen auf Hans Pfitzner 269
5.1. Verbotene Aufführungen - von Hans Pfitzners "Klage" und
anderen Beschwerden 274
5.2. "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen". Pfitzner-
Aufführungen im besetzten Ausland 283
5.3. Politische "Sommemachtsträume" 287
5.4. Grundsätzliches über Operninszenierungen und Belohnungen
für gefügige Komponisten - Frankfurt 1934 293
5.5. Hauptstädtisches Kulturleben: drei Opernhäuser in Berlin -
und kein Platz für Hans Pfitzner 301
5.6. Hans Pfitzner versus Julius Bahle, eine ästhetische Diskussion
auf politischem Boden 319
6. Hans Pfitzner nach dem Zweiten Weltkrieg - eine
Entnazifizierung 332
7. Schlußbetrachtung: Hans Pfitzner und der
Nationalsozialismus
(unter Einbeziehung einer Parallele zu Thomas Mann) 363
6
8. Abkürzungsverzeichnis 375
9. Literaturverzeichnis 376
9.1. Schriften Hans Pfitzners 376
9.2. Schriften Hans Pfitzners aus Zeitungen 378
9.3. Sekundärliteratur zur Gesamtthematik 379
9.4. Archivmaterial 389
9.4.1. Amtsgericht München 389
9.4.2. Archiv der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien 389
9.4.3. Archiv der Republik Wien 389
9.4.4. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München: 389
9.4.5. Bundesarchiv Berlin 389
9.4.6. Bundesarchiv BerlinIFilmarchiv 390
9.4.7. Institut für Zeitgeschichte München 390
9.4.8. Staatsbibliothek München HS 390
9.4.9. ÖN Wien, Musiksammlung 390
9.4.10. Staatsarehiv Hamburg 390
9.4.11. Stadt-und Universitätsbibliothek FrankfurtlMain 391
9.4.12. Instytut pamieci narodowej Warschau 391
9.5. Material aus Zeitungen 391
10. Dokumentenanhang 401
10.1. [Stellungnahme Hans Pfitzners über die Affäre Frau "Sch"] 401
10.2. Abschrift eines Briefes Hans Pfitzner an Frl. Stoll
vom 10. 10. 1939 402
10.3. Briefwechsel der Berliner Behörden in der Pfitznerschen
Pensionierungsangelegenheit 405
10.3.1. Brief Hans Meissners an Hans H. Lammers vom 6.4. 1934 405
10.3.2. Brief Annie Abendroths an Hans Meissner vom 4. 4. 1935 406
10.3.3. Briefentwurf Adjudantur Hans H. Lammers an
Annie Abendroth vom 12. 4. 1935 407
10.3.4. Brief des persönlichen Referenten von Joseph Goebbe1s an
Hans H. Lammers vom 24. 5. 1935 408
10.3.5. Brief des Hitler-Adjudanten Wiedemann an Joseph Goebbels
vom 21. 5. 1935 408
10.3.6. Brief Annie Abendroths an Wilhelm BfÜckner vom 4. 4. 1935 409
10.3.7. Briefentwurf von Hans H. Lammers an den persönlichen
Referenten von Joseph Goebbels vom 12.6. 1935 410
10.3.8. Brief Hans Meissner an Hans H. Lammers vom 10.8. 1935 411
10.3.9. Abschrift eines Briefes von Walter Funk an Hans Meissner
vom 7.8. 1935 411
7
10.3.10. Abschrift eines Briefes von Peter Pfitzner an einen ungenanten
Adressaten, in der Adjudantur eingegangen am 12. 7. 1935 412
10.3.11. Briefvon Hitlers Adjudanten Wiedemann an Joseph Goebbels
vom 11. 7. 1935 412
10.3.12. Aktenvermerk Ministerialrat Killys vom 23. 8. 1935 413
10.3.13. Aktenvermerk von Hans H. Lanuners vom 5.9. 1935 414
10.3.14. Briefvon Wienstein an das bayerische Staatsministerium für
Kultus und Unterricht in München vom 9. 9. 1935 415
10.3.15. Brief des bayerischen Staatsministeriums der Finanzen an
Hans H. Lammers vom 8. 10. 1935 415
10.3.16. HansH. LammersanWalterFunk.3l. 10. 1935 417
10.3.17. Brief Hans H. Lammers an Hitlers Adjudanten Wiedemann
ohne Datum (1935) 418
10.3.18. BriefKillyan Hans Meissnervom 2. 1l. 1935 419
10.3.19. Brief aUo v. Keudells an Hans H. Lammers vom 19. 12. 1935 419
10.3.20. Briefabschrift von Leo Ritter an aUo von Keudell vom 15. 11.
1935 420
10.4. Aus dem Gutachten-Konvolut der Spruchkammerakte,
Amtsgericht München 420
10 .4.l. Alma Maria Mahler Werfel 420
10.4.2. Amold Schönberg 421
10.4.3. Telegramm von earl Zuckmayer und Max Straub 421
10.5. Widmung im Klavierauszug von Hans Pfitzners
"Palestrina" 422
8
1. Vorbemerkung zu Thematik, Literatur und Methodik
Warum eine Dissertation über den Komponisten Hans Pfitzner in der Zeit
des Dritten Reiches? Über ihn gibt es, gemessen an seiner geringen Prä
senz im heutigen Musikleben, eine relativ große Menge Literatur, die al
lerdings vor allem aus den 20er und 30er Jahren stammt und daher wohl
kaum einem Interessierten einfach zugänglich sein wird.
Dennoch gilt er allerorts als eine der unbekannten Größen der Opemge
schichte, häufig liest man, daß seine Werke bedeutend und stilistisch weg
weisendl seien, aber heute erscheint bestenfalls einmal eines seiner kam
mermusikalischen Werke oder sein musik-theatrales Hauptwerk ,'palestri
na" auf dem Spielplan. Immer aber, wenn sein Name fällt - und das be
legte auch die in der Presse heiß diskutierte Neuinszenierung seiner "Rose
vom Liebesgarten" in Zürich - wird zugleich mit Pfitzners Werk auch sein
politischer Standpunkt Thema der Diskussion, meist drängt sogar die Er
örterung der historisch-politischen Dimension das Interesse an Werk und
Komponisten in den Hintergrund.
Zwischen den seltenen Auffiihrungen und der fehlenden Aufarbeitung der
politischen Dimension des Komponisten Pfitzners scheint es einen Zu
sammenhang zu geben - zumindest, wenn sich jeder Förderer seiner Musik
nahezu automatisch im politischem Zwielicht sieht. So war es beim Diri
genten Christian Thielemann zu beobachten2 oder als bei Anlaß der gei
stesgeschichtIich kritischen, Pfitzner und sein Werk gezielt in Frage stel
lenden Inszenierungsauffassung von David Pountney in Zürich 1998 er
leichtert festgestellt wurde, daß damit Pfitzner der "Giftzahn"3 gezogen
worden sei.
Obwohl also immer, wenn von diesem Komponisten die Rede ist, die poli
tische Dimension seines Nachlasses mitdiskutiert wird, beschränken sich
Vgl. dazu z. B. Osthoff, Wolfgang "Hans Pfitzner und München" in Münster, Robert (Red.) "Ju
gendstil-Musik? Münchner Musikleben 1890-1918", Ausstellungskatalog Bayerische Staatsbiblio
thek Nr. 40, Wiesbaden 1987, S. 40-48.
Vgl. dazu z. B. Krosbein, Joachim und Salzwedel, Johannes "Es muß was schmissiges her" in DER
SPIEGEL vom 4. 11. 1996, S. 258-263.
So Koch, Gerhard R. "Die Wunde Pfitzner. Zürich wagt sich an 'Die Rose vom Liebesgarten'" in
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. 12. 1998, S. 39, wo es heißt: "Die Pfitzner-Gemeinde hat
die Verirrungen, Verstrickungen ihres Idols entweder schwiemelig verdrängt oder aber trotzig
borniert 'zurechtgerückt'. Den schäumenden deutschnationalen Berserker Pfitzner reinzuwaschen,
ist kaum möglich. Folglich lastet auch auf seinem Werk ein schweres Tabu: Pfitzner-Auffilhrungen
stehen unter besonderem Legitimationsdruck."
9
die wenigen Darstellungen seiner Persönlichkeit aus der Nachkriegszeit auf
den Künstler und sein Werk und meiden ein tieferes Eingehen auf den Zu
sammenhang von Person und Geisteshaltung Hans Pfitzners mit der Politik
des Dritten Reiches.
So sind es z. B. in der voluminösen Darstellung Bernhard Adamys, die
eine Ausleuchtung des Pfitznerschen Geisteshorizontes vor dem Spiegel
seiner Zeit versucht4, gerade einmal vierzig Seiten, die sich auf die Spur
des Hans Pfitzners jener Jahre begeben wollen, und das, obwohl Adamy
sich im Pfitzner-Nachlaß zu Hause fühlen dürfte wie kein zweiter und
seine aufwendig kommentierte Briefausgabe sowie der durch ihn veröf
fentlichte vierte Band von Pfitzners "Gesanunelten Schriften" mit stupen
der Materialfülle aufwarten. Nicht zu Unrecht weist demnach Gottfried
Eberle darauf hin, daß der "politische" Pfitzner in Adamys Buch zu kurz
kommt, ohne aber selbst mehr aufzeigen zu können als eine geistige Prä
disposition Pfitzners zum Denken des Nationalsozialismus - die Überprü
fung historischer Wirklichkeit muß er sich im Anbetracht des geringen
Umfanges seiner Ausführungen versagen. 5
Auch in der knappen, vor allem durch ihr Erscheinen als Rowohlt
Bildmonographie leicht greifbaren und daher populärwissenschaftlich an
gelegten Bildmonographie Johann Peter Vogels6 wird der Nationalsozia
lismus nur gestreift.
Viele Ereignisse um Pfitzner aus den dreißiger Jahren und dem Zweiten
Weltkrieg werden daher als Gerücht kolportiert oder müssen durch den
Interessierten mühsam aus dem umfangreichen veröffentlichten Briefwech
sel erschlossen werden; es kursieren Anekdotensammlungen7, deren Wahr
heitsgehalt zweifelhaft ist, und oftmals soll dann solch gerüchteweise
Überliefertes zur Einordnung der Gestalt Hans Pfitzners in seinen diffizilen
historischen Kontext genügen.
Adamy, Bemhard "Hans Pfitzner. Literatur, Philosophie und Zeitgeschehen in seinem Weltbild und
Werk", Tutzing 1980, ("Veröffentlichungen der Hans Pfitzner-Gesellschaft", Bd. 1).
Eberle, Gottfried "Hans Pfitzner. Präfaschistische Tendenzen in seinem ästhetischen und politischen
Denken" in Heister, Hanns-Wemer und Klein, Hans Günter (Hrsg.) "Musik und Musikpolitik im
faschistischen Deutschland", S. 136-143.
Vogel, Johann Peter "Hans Pfitzner. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt", Rein
bek bei Hamburg 1989, ("Rowohlts Monographien", o. Bd.).
Als jüngstes und vorerst letztes Beispiel dieser Sammlung sei angefilhrt: Grasberger, Renate (Hrsg.)
"Hans Pfitzner und E1eonore/Bruno Vondenhoff. Aussprüche, Gespräche, Erinnerungen nebst Pfitz
ner-Karikaturen von Helmut Jürgens", Tutzing 1997.
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