Table Of ContentWERKST ATTB-UCHER
Ft1R BETRIEBSBEAMTE, KONSTRUKTEURE UND FACHA.RBEITEB
HERAUSGEGEBEN VON DR.·ING. H. H..UKE, HAMBURG
Jedes Heft 50-70 Seiten stark, mit zahlreichen Textabbildungen
DieWerkstattbücher behandeln das Gesamtgebiet der Werkstatta
technik in kurzen selbständigen Einzeldarstellungen; anerkannte Fachleute
und tüchtige Praktiker bieten hier das Beste aus ihrem Arbeitsfeld, um ihre
Fachgenossen schnell und gründlich in die Betriebspraxis einzuführen.
Die Werkstattbücher stehen wissenschaftlich und betriebstechnisch auf der
Höhe, sind dabei aber im besten Sinne gemeinverständlich, so daß alle im
Betrieb und auch im Büro Tätigen, vom vorwärtsstrebenden Facharbeiter bis
zum leitenden Ingenieur, Nutzen aus ihnen ziehen können.
Indem die Sammlung so den Einzelnen zu fördern sucht, wird sie dem Betrieb
als Ganzem nutzen und damit auch der deutschen technischen Arbeit im
Wettbewerb der Völker.
Einteilung der bisher erschienenen Hefte nach Fachgebieten
I. Werkstoffe, Hilfsstoffe, Billsverfahren Heft
Der Grauguß. :J. Aufl. Von Chr. Gilles (Im Druck) . . . . . .. . . . • • • • • • . . . .. .. • .. .. • . 19
Einwandfreier Formguß. 2. Aufl. Von E. Kothny . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Stahl- und Temperguß. 2. Aufl. Von E. Kothny . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Die Baustähle für den Ma-schinen- und Fahrzeug bau. Von K. Krekeler . . . . . . . . . . . . • 75
Die Werkzeugstähle. Von H. Herbers . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • 50
Nichteisenmetalle I (Kupfer, Messing, Bronze, Rotguß). 2. Aufl. Von R. Hinzmann • • • 45
Nichteisenmeta.lle II (wichtmetalle). 2. Aufl. Von R. Hinzmann • • . • • • • • . • . • • . • • . . • 53
Härten und Vergüten des Stahles. 5. Auf!. Von H. Herbers . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . • 7
Die Praxis der Warmbehandlung des Stahles. 5. Aufl. Von P. Klostermann . • • . • • • • 8
Elektrowärme in der Eisen- und Metallindustrie. Von 0. Wundram . . • • . . . . . . . . . . . . 69
Brennhärten. 2. Aufl. Von H. W. Grönegreß . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . 89
Die Brennstoffe. Von E. Kothny . • . . . . • . . • . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . 32
Öl im Betrieb. 2. Aufl. Von K. Krekeler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Farbspritzen. Von R. Klose • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Rezepte für die Werkstatt. 5. Aufl. Von F. Spitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . 9
Furniere-Sperrholz-Schichtholz I. Von J. Bittner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • 76
Furniere-Sperrholz-Schichtholz II. Von L. Klotz • . . . . • • • . • . . • . • • . • . • • . • • . • • • • • • 77
ß. Spangebende Formung
Die Zerspanbarkeit der Werkstoffe. 3. Aufl. Von K. Krekeler • • • • • • . • • . . . • • • • • • • • • • 61
Hartmetalle in der Werkstatt. Von F. W. wier . • . . • . • • . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . • . 62
Gewindeschneiden. 5. Aufl. Von 0. M. Müller .. . . . . . . . .. .. .. . . . .. . .. . .. . .. .. .. .. 1
Wechselräderberechnung für Drehbänke. 6. Aufl. Von E. Mayer (Im Druck) • • . . . . . . 4
Bohren. 4. Auf!. Von J. Dinnebier . . • . . • . . . . • . . . • . . • . . . . • • . . . . • . . . • • . • . . . . . . . • . 15
Senken und Reiben. 4. Auf!, Von J. Dinnebier (Im Druck) • . . . . . . • • . . . . . • . • . . . . . • 16
Innenräumen. 2. Aufl. Von L. Knoll • • • • • • • • • • • • • • • • . • • • . . . . . . . • • • • • . . . . . . . . . . . • 26
( Fort8etzung 3. Umschlagseite.')
WERKSTATTBÜCHER
FVR BETRIEB SBEAMTE, KONSTRUKTEURE UND FACH·
ARBEITER. HERAUSGEBER DR.-ING. H. HAAKE, HAMBURG
=====================HEFT31=====================
Gesenlischmieden
von Stahl
Von
Hugo Kaessberg
Wetzlar
Erster Teil
Technologische Grundlagen der Gestaltung von
Schmiedestücken und Schmiedewerkzeugen
Dritte, neubearbeitete Auflage
(13. bis 18. Tausend)
Mit 170 Abbildungen im Text
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
1950
ISBN 978-3-642-53179-8 ISBN 978-3-642-53178-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-53178-1
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort...................................................................... 3
Einleitung: Entwicklung und Wesen des Gesenkschmiedans • • . . • • . • • . . . . . . . • • • . . • • • 3
I. Grundlagen der Gesenkgestaltung . • • • • • • • • • • • • • . • • • . . • . . . . . . . . . . • • . • • • 4
A. Bildsamkeit des Werkstoffes ........................... 0. . . . . . . • • . . . . • . . • 4
1. Das Formungsvermögen eines Werkstoffes S. 4. - 2. Freie und behinderte
Stauchung S. 5. - 3. Fließen im geschlossenen Gesenk S. 60 - 4o Fließen im geteilten
Gesenk S. 7. - 5. Der Kraft• . und Arbeitsbedarf beim Gesenkschmieden S. 9.
B. Arten der Schmiedewerkzeuge ••..... o• . oo 0 • .....•.•••••••.•• 0. . . . . • • . • • • 11
6. Kalt-und Warmarbeit S.ll. -7. Sättel und Gesenke S.ll.-8. Abgratwerkzeuge
S. 12. - 9. Sonderwerkzeuge S. 13.
C. Aufbau der Gesenke ••••.••• o. • • • • . . • • • . . • . • • . • . . • • • • • • • . • • . • • • • . • • • • • • . 13
10. Äußere Form S. 13. -11. Führung der GesenkeS. 13. -12. Teilung der Gesenke
S. 16. - 13. Gratstärke und Gratfläche S. 19. - 14. Seitenschräge der Gesenk
wände S. 20.-15. Abrundimgen der Gesenkkanten S. 21. -16. Unterschneidung
der Gesenkform S. 22. - 17. Rippenbildung im Gesenk S. 22. - 18. Hohlschmiedung
S. 24. - 19 .. Teilung der Gesenkschmiedestücke und Wiederverbindung durch
Schweißen S. 24.
D. Einzelheiten im Gesenkbau . . • • • . • • • • • • • • • . • • • • • • • • . • • . • . . • • • • • • • • • • • . . • • 25
200 Luftlöcher S. 25. - 21. Haltelöcher bzw. Körner S. 25. - 22. Aushebernuten
und Auswerfer S. 25.- 23. Greiflöcher S. 26. - 24. Bohrkörner in Naben S. 26.
E. Gesenkmaße • • • • • • • • • • . . . . . . . . . . . . . . • • • • • • • . . . . . • . • • . . . . . . . . • • . . • • • • • • • 26
25. Schwindmaß S. 26. - 26. Maßhaltigkeit der Gesenkschmiedestücke S. 26.
II. Einfluß der Schmiedeverfahren auf die Gestaltung der Gesenke • • • • • • 26
A. Vor- und Fertigschmieden ......•......••.•••••...•.••••.•....••.•••. , . . • 26
27. Gesenkschmieden ohne Vorformen S. 260 - 28. Freies Vorformen S. 27. -
29. Vorformen im Werkzeug S. 28. - 30. Fließgerechtes Vorschmieden S. 33.
31. Einfluß des Betriebsmittels auf Vor-und Fertiggesenk S. 35. - 32. Berechnung
der Querschnittsform des Vorgesenkes S. 41.
B. Besondere Schmiedeverfahren ..• ·. . . • • • • • • . • . . . • . . . . . • • • • • . • . . . . . . . . . . . . . . 42
33. Das Schmieden von der Stange S. 4/l. - 34. Das Schmieden vom Stück S. 43. -
35. Genauschmieden S. 44. - 36. Mehrfachschmieden S. 46.
ITI. Werkstoff für die Herstellung der Schmiedewerkzeuge ...... ~ .... 48
37. Eignung für Schmiedewerkzeuge S. 48. - 38. Die Wahl des richtigen Werkstoffs
S. 49. - 390 Die Arten des Werkstoffes S. 50. - 40. Sonderstähle für Schmiede
werkzeuge zur Warmformgebung von StahlS. 51. - Vergleichstafel über Brinell
härte, Zerreißfestigkeit, Rockweil B- und C-und Skore-Härte So 59. -Tabellen für
die Gewichtsberechnung von Gesenkblockstahl und Schnittplattenstahl S. 60.
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Vorwort.
Wenn dieses Werkstattbuch nun zum dritten Male erscheint\ so beweist das die
steigende Beachtung der Gesenkschmiedetechnik. Werden doch unzählige Gesenk
schmiedestücke im Stückgewicht von 6 g bis 1200 kg gefertigt. Dabei sind Schmiede
maschinen von 100 bis 100000 kgm Schlagarbeit eingesetzt. Der Konstrukteur muß
sich eingehender mit der Gestaltung der Gesenkschmiedestücke befassen. Zweifellos
wird heute viel von ihm verlangt. Er konstruiert nicht nur den Gegenstand an sich, er
muß auch verstehen, ihn als Gußstück, als Stanzteil, als Schmiedestück, also nach
den Gesichtspunkten der rationellsten Herstellung zu entwerfen. Zweckmäßig, halt
bar und billig! ist die Parole. Die Fertigungsingenieure müssen da helfen und dem
Konstrukteur ermöglichen, sich Aufklärung zu verschaffen.
Auch der Schmiedefachmann selbst braucht beute mehr als früher Anregungen aus
dem Facbscbrifttum. Sein Betrieb ist ja meist auf bestimmte Arbeitsverfahren ein
gestellt und neigt manchmal zur Einseitigkeit. Dabei bietet das Schmieden zahlreiche
Möglichkeiten. So soll dieses Buch, in welchem ältere und neue Herstellungsverfahren
dargestellt sind, mehr demNachdenken als demNachahmen dienen und dazu bei
tragen, eine "Technologie des Gesenkschmiedens" aufzubauen. Als einer der ersten hat
ScHwEISSG UTH mit dem Blick des wissenschaftlichgeschulten Ingenieurs die praktischen
Erfahrungen des Schmiedehandwerks selbstlos und mit großer Lebendigkeit in seinen
schriftstellerischen Arbeiten festzuhalten verstanden. Immer wieder ist ja das Erleb
nis in der Praxis ausschlaggebend· für die Kenntnisse in der Scbmiedetechnik, aber
auch hier wird die Wissenschaft mehr und mehr eine starke Stütze der Erfahrung.
Berufskameraden und Industrie waren so freundlich, den Verfasser bei der Durch
führung seiner Aufgabe zu unterstützen. Er spricht ihnen auch an dieser Stelle seinen
besten Dank aus.
Einleitung.
Bis in die Mitte des 19 .Jahrhunderts war alles Schmieden ein "Freiformschmieden".
Das Gesenkschmieden kam in Deutschland erst auf mit der Verwendung von Hand-,
Seil- und Riemenfallbämmern, zu denen dann aus Amerika und England die Brett
fallhämmer und Dampfhämmer hinzukamen. Vor allem bat die mit der Steigerung
des Verkehrs, der Rüstung und des Maschinenwesens entstandene Massenfertigung
von kleinen Schmiedestücken dem Gesenkschmieden seinen Aufschwung und seine
Bedeutung gegeben. Trotz boher Gesenkkosten kann das Gesenkschmieden schon
von 50 Stück an wirtschaftlieb sein, zumal die erzeugten Werkstücke günstige Eigen
schaften haben: Gußstücken gegenüber ist die größere Festigkeit und Zähigkeit bei
geringerem Gewicht und Rauminhalt kennzeichnend; dazu kommt der größere
Widerstand gegen Verschleiß und die Sicherheit gegen Bruch (Verbiegen besser als
Brechen!); der Werkstoff ist dicht, und sein Faserverlauf entspricht der Werkstück
form im Gegensatz zu Teilen, die durch spanabhebende Bearbeitung aus dem Vollen,
oft unter Zerschneiden der Faser, bergestellt sind. Die Oberfläche der Gesenk
schmiedestücke ist sauber und genau, so daß in vielen Fällen eine Nacharbeit über
haupt fortfallen kann, im übrigen eine ganz geringe Zugabe ausreichend ist. Für den
Hersteller und Käufer ist es wertvoll, zu wissen, daß bei einmal eingerichtetem
und ständig kontrolliertem Fertigungsgang alle Stücke gleichmäßig gut werden
müssen.
Das Gesenkschmieden ist einWarmformen in einer meist allseitig geschlossenen
Hohlform, dem Gesenk, im Gegensatz zum Freiformscbmieden, bei dem die Werk
zeuge (Sättel) den Werkstoff nicht voll umschließen. Schon der Handschmied benutzte
1 Die erste Auflage, von S eh weißgu th t bearbeitet, erschien 1926, die zweite 1938.
4 Grundlagen der Gesenkgestaltung.
eine Art Gesenke, wie z. B. Setzeisen und LochstempeL Auf Grund der Massen
fertigung entwickelte sich mit der Maschine auch das Werkzeug. Die große Stück
zahl gleicher Formen rechtfertigt den Mehraufwand an Zeit, Kosten und Sorgfalt,
H und so ersetzen Maschine und Maschinenwerkzeug mit ihrer
~ Schnellarbeit das langsame Handschmieden.
~ H Schlagen wir ein glühendes Stück Stahl St
in eine Hohlform A
(f f, (Abb. 1 und 2), so
I I i I fließt der Stahl un
Jn a ~----1fe ter der Wirkung der
.4 b C' Schläge des Harn-
Abb. 1. Abu. 2. Abu. s. mers H indenHohl-
Schmieden im Gesenk. Schmiedestück. raum und füllt ihn
aus. Der Überschuß an Werkstoff, dadurch ent
standen, daß der Rauminhalt desStoffesSt größer
ist als düi Hohlform a-b-c-d (Abb. 3), weicht seit
lich aus. Der Hammer schlägt auf diesen Über
schuß a-g-k und d-i-f, "Grat" genannt, bis er
erkaltet, dabei an Festigkeit zunimmt und nicht
mehr dünner wird. Die endgültige Dicke e des
Überschusses nennen wir Gratstärke. Die
Tiefe h (Abb. 2) der Form muß um die Grat
1
stärke e geringer sein als die Höhe h des fertigen
Werkstückes.
Man kennt nun Gesenkschmiedeverfahren auch
ohne Gratbildung, bei denen der Werkstoff ge
nau in das Gesenk paßt. Eine solche genaue Zu
messung des Rohstoffes erfordert aber Mühe, die
sich nur bei kostbarem Metall oder großer Be
arbeitungsersparnis lohnt. Im Werkzeug Abb. 4
wird der Werkstoffüberschuß abgegratet.
DerSchmiedeausschußderArbeitsgemeinschaft
deutscher Betriebsingenieure des Vereins deut
scher Ingenieure hat im Laufe der Jahre tech
Ab b. 4. Abgraten eines Schmiedestückes auf einer nische Richtlinien für die Gestaltung, Herstel-
Abgratpresse (Bauart Pels).
lung und Lieferung von Gesenkschmiedestücken
aus Stahl ausgearbeitet, die als DIN-Normen erschienen sind und Aufklärung geben
.ü ber technische Lieferungsbedingungen, Gestaltungsregeln, Toleranzen, Seiten
schrägen, Bearbeitungszugaben, Rundungen und Wanddicken von Gesenkschmiede
stücken, über ihre Wärme- und Oberflächenbehandlung.
l. Grundlagen der Gesenkgestaltung.
A. Bildsamkeit des Werkstoffes.
1. Das Formungsvermögen eines Werkstoffes beruht auf der Fähigkeit seiner Kri
stalle, Gleitebenen zu bilden, in denen Schiebungen auftreten können, ohne daß der
Zusammenhang der Werkstoffteilchen zerstört wird1. Die Natur arbeitet von innen
nach außen durch den Aufbau von Zellen. Aus dem Ei entsteht das Huhn, aus der
Knospe die Itose. Der Schmiedefachmann dagegen arbeitet von außen nach innen.
Die gedachte Endform muß in der Anfangsform des Rohstückes dem Rauminhalt
1 Vgl. hierzu Werkstattbuch Heft 64, Metallographie.
Bildsamkeit des Werkstoffes. 5
nach enthalten sein. Dann muß sich die neue Form in einer bestimmten Reihenfolge
von Zwischenformen, wie aus Gummi fließend, ohne Zerreißen des Zusammenhanges,
entwickeln. Der Werkstofffluß geht dabei stets in Richtung des geringsten Wider
standes. Es soll außerdem kein Material unnötig vergeudet werden.
So einfach diese Darstellung und Vorstellung der Formung von Stahl durch Schmie
den ist, so schwierig ist oft die Durchführung, technisch und wirtschaftlich. Nur die
schmiedetechnisch richtige Gestaltung der Werkstücke von vornherein bringt eine
Erleichterung der Aufgabe.
Bei der Warmformgebung wird der Werkstoff durch Werkzeuge, wie Walzen, Sättel
oder Gesenke, gezwungen, in bestimmten Richtungen zu "fließen". Außer der For
mungsfestigkeit, d. i. der Widerstand, den der Körper einer Formänderung ent
gegensetzt, gibt es noch andere Einflüsse auf das Fließen, wie Reibung an den Werk
zeugflächen und Abkühlung an den Gesenkwandungen. Beim Gesenkschmieden ist es
besonders schwierig, die Wirkung dieser Erscheinungen zu erforschen, vorauszube
stimmen und den Arbeitsbedarf zu berechnen. Durch Untersuchung der Formungs
vorgänge an einfachen Körpern und bei einschränkenden Voraussetzungen kann man
aber bereits wertvolle Schlüsse ziehen1•
Bislang war beim Gesenkschmieden von Stahl der Hammer, also das Schlag
schmieden, vorherrschend. Mit dem Fortschreiten der Technik kann man das Zu
_nehmen des Gesenkschmiedens unter der Presse (einschließlich Schmiedemaschine
als waagerechte Presse), also das Druckschmieden, und in besonderen Fällen
unter der Schmiedewalze, das Walzschmieden, beobachten.
2. Freie und behinderte Stauchung.
Das Freiformschmieden besteht aus p p p
den Formungsvor
gängen Stauchen
und Recken.
Sie ergeben
den Vor
schub und
Rückschub
in Rich Abb. 6. Fließen beim
Rohstab erster Schlag zweiter Schlag freien Stauchen. Aus
tung des ge Abb. 5. Fließen beim freien Stauchen. gangskörper zylindrisch.
schmiedeten
Stabes und den Drang fließlinien, ·1· Anlbngsform
o'vrcl!.;etflzle /fSit!ll!zylino'er)
. quer zur Stabrichtung. 1/JosfJhor-vno' r h
Es handelt sich dabei um Scbwek.&e,Pnllf:!lt!1 ·
ein Fließen des Werk O(Jr_fesle/11 I · 1
stoffes in seitlich nicht
11 lll
begrenzter Lage, also um
d. f · St Abb.7.FormenbeimfreienStanchen.
le sog· r e l e a U - I Rohblock, li Tonnenform, III Pilzform
eh ung zwischen den
Bahnen des Hammerbären oder Pressenstößels und
des Untersatzes.
Zone
InAbb.5erzeugtder PreßdruckFirn Stab den SchubS
des be);iflo'erlen
und den Drang D, in Abb. 6 mich allen Seiten gleich Werkslo.fl!vsses
große, waagerechte Teilkräfte p. Bei freier Stauchung Abb. 8. Zone der behinderten Formung•
1 Das Gesenkschmieden findet seinen Ursprung im Freiformschmieden. In Heft. 11 der Werk
stattbüchersind eingehend die Grundlagen des Schmiedens geschildert. Die '\iVerkstattbücher für
das Freiformschmieden sind zum Vorstudium für das Gesenkschmieden zu empfehlen. Hier kön
nen nur ergänzende Bemerkungen, soweit sie die besonderen Verhältnisse beim Gesenkschmieden
betreffen, gemacht werden.
6 Grundlagen der Gesenkgestaltung.
fließt der Werkstoff stets in Richtung des geringsten Widerstandes, bei der Flach
stabform Abb. 5 also hauptsächlich in Richtung der Breite B. Ohne Berücksichtigung
der Reibung zwischen den Preßbahnen und der gedrückten Fläche entsteht bei ein
fachen prismatischen und zylindrischen Körpern eine der Anfangsform ähnliche End
form (Abb. 7 I). Unter dem Einfluß der Reibung bilden sich die behinderten Fließ
zonen, und es entstehen aus dem Zylinder (I) die Tonnen (II) und Pilzformen (III),
Form II durch Warmstauchung bei geringer, Form III bei größerer Höhe des Zy
linders I. Abb. 8 zeigt deutlich die Zone der behinderten Formung. Die Preß
flächenreibungsetzt dem Wandern der Teilchen an den Preßflächen Widerstand ent
gegen. Die Preßflächen vergrößern sich mit zunehmender Stauchung dadurch, daß
alle ihnen benachbarten Teile der Seitenflächen sich an die Preßflächen anlegen.
Das Gesenkschmieden stellt im Gegensatz zum Freiformschmieden keinen Vorgang
der freien Stauchung mit Reibung an den Preßflächen, sondern den Fall der be
hinderten Stauchung zwischen den Gesenkwandungen dar, wobei die Stauchung
als hauptsächlichste Formänderung auftritt gegenüber der Längung und Breitung.
3. Fließen im geschlossenen Gesenk. Übt man auf einen hocherhitzten Eisenstab,
der ein geschlossenes Gesenk fast ausfüllt, einen Druck Paus, so wird der Stab zu
nächst von L auf L (Abb. 9a) zusammen
1
gedrückt, bis er die Wände des Gesenkes
berührt. Wirkt dann P weiter, so kann der
Drang, da das Fließen gehindert ist, auf die
Gesenkwände einen so hohen Druck p aus
üben, daß das Gesenk zersprengt wird, denn
im Augenblick des Fließens pflanzt sich der
Druck im Innern des Stoffes ähnlich fort wie
in einer Flüssigkeit. Beschränkt wird das
Fließen dadurch, daß die äußere Schicht des
Werkstoffes, die mit dem gut wärmeleitenden
Abb. 9a. Abb. 9b. Gesenk in Berührung steht, schnell abkühlt,
Fließen im geschlossenen Gesenk.
dadurch größere Festigkeit erlangt und dem
Fließen Widerstand leistet.
Beim Formen im Gesenk ist
es nun von großem Vorteil, die
sen Druck p des Dranges mög
lichst groß zu machen und
zur Formbildung auszunutzen.
Im einseitigen Gesenk Abb.ll
ist dies leicht möglich. Alle
Stoffteilchen haben das Be
streben, wie in Abb. 9a, von
der Mitte aus nach außen zu
entweichen, so daß, wenn man
Abb. 10. Abb.ll. Abb.12. dem Gesenk eine Erweiterung a
Spritzen im geschlossenen Gesenk (Fließpressen).
gäbe, wie Abb. 9b, auch diese
voll ausgefüllt werden könnte. Die Stoffteilchen weichen also unter dem Preß
druck P so lange aus, bis sie auf ·widerstand stoßen.
Gibt man dem Gesenk bei b (Abb. 10) eine Öffnung, so fließt der Stoff hier als
Strahl aus, solange im Innern ein genügend großer Kern K von hoher Temperatur
und damit von genügender Weichheit vorhanden ist. Diesen Vorgang nennt man
Spritzen. Beim Spritzen quillt der Werkstoff durch jede im Gesenk angebrachte
Öffnung heraus, nicht nur in der Richtung des Preßdruckes (Abb. 10), sondern auch
in der des Dranges (Abb. 11). Es hängt dies eben nur vom Druck P und der Tem-
Bildsamkeit des Werkstoffes. 7
peratur des Stoffes ab. Man kann auch in den Druckstempel P hineinspritzen und
erhält dann einen Körper mit einem Zapfen, oder man ordnet in Stempel und Boden
je eine Vertiefung an (Abb. 12), um zu gleicher Zeit zwei Zapfen zu erhalten. Stoffe,
die nicht schmiedbar sind, sind auch nicht spritzbar. Das Spritzen wird ausgenutzt
in den sogenannten Strangpressen1 zur Herstellung von Stäben aus Messing und
Leichtmetall. Auch beim Gesenkschmieden von Stahl wird es angewandt, um Nocken
und Schäfte zu erzeugen. Voraussetzung bleibt immer ein geschlossenes Gesenk mit
einer oder mehreren Spritzöffnungen.
Wenn man einen Absc~nitt hochangewärmten Stahles in einem geschlossenen Ge
senk dem Druck P eines Dornes D aussetzt (Abb. 13), so wird der Rohstoff zusammen
gedrückt, bis er den Boden
der Büchse vollständig ausfüllt.
Setzt man jetzt den Druck fort,
so bilden sich die Druckkegel R I
1
und R2, das sind Zonen derbe
hinderten Formung, und da der
Stoffnur beie ausweichen kann,
so entsteht bei stetigem Vor
schub des Dornes (II) eine
Fließzone, aus welcher der ver~
drängte Rohstoff in der Rich
tung p aufströmt, bis der Dorn
kurz vor dem Erreichen des Ge
senkb odenssehr großemW ider
Abb. 13. Fließen im geschlossenen Gesenk nm einen Dorn.
stande durch den hier stärker
abgekühlten Stoffbegegnet (III). Diese Stoffteile a sind durch die Reibung r des Roh
stoffes an den Gesenkwänden am Fließen verhindert, so daß sie keine Gelegenheit
mehr haben, auszufließen. Der Druck steigt plötzlich von etwa 15 bis auf 45 bis
50 kg/mm2. So ist für jede Dornform eine gewisse Bodenstärke h gegeben, bei deren
Überschreitung Maschinen, Gesenke und Dorne leiden (vgl. Abb. 58d).
4. Fließen in geteiltem Gesenk. Beim Gesenkschmieden kommt eine Formgebung
nach drei Richtungen in Frage, also Länge, Breite und Höhe. ZumRecken und Stau
chen wird noch das Steigen oderWachsen des Werkstoffes hinzugefügt. Darunter
versteht man das Fließen beim Ausfüllen der Form in senkrechter Richtung nach
oben. Je dünner der für die Gratbildung verfügbare Zwischenraum zwischen den
Gesenkhälften ist, um so größer ist der Fließwiderstand, und um so schneller er
kaltet der in den Grat hineinquellende Werkstoff, was den Fließwiderstand noch
weiter erhöht. Der größere Formungswiderstand im immer dünner und kälter wer
denden Grat bewirkt beim Stauchen, daß der Werkstoff aus dem Gesenkinnern nicht
mehr in den Grat nachfließen kann. Er sucht sich einen Auswegr u nd findet ihn im
Emporsteigen in der Gesenkform, da die Ausfüllung _ 0. . f) 'Ch
der Form nach der Länge und Breite durch die er- ~'l'mmesser ~'/me'sser.
folgte Gratbildung abgeschlossen ist. Das ergibt auch · _
in der. Höhe eine scharfe Ausfüllung der Form. ~- - --
Wichtig ist dabei die Gestalt des Schmiedestückes.
Das Steigen in der Mitte der Form (Abb. 14) geht Abb. 14. Abb.l5.
leichter vor sich als das Steigen am Rande, denn steigendes Werkstoffes.
der Fließwiderstand am Rande ist größer als in der Mitte (Abb. 15).
Ein erhöhter Widerstand tritt auch in den scharfen Gesenkecken auf. Die Ge
fahr, daß die Form nicht ausgefüllt wird, vermeldet man durch geneigte Seiten-
1 Vgl. Werkstattbuch Heft 41, Das Pressen der Nichteisenmetalle.