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Geschlecht und Männlichkeit
Michael Meuser
Geschlecht und Männlichkeit
Soziologische Theorie und
kulturelle Deutungsmuster
Leske + Budrich, Opladen 1998
Gedruckt auf säurefreiem und altersbeständigem Papier.
ISBN 978-3-8100-2000-0 ISBN 978-3-322-95120-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-95120-5
© 1998 Leske + Budrich, Opladen
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Inhalt
Vorwort.................................................................................. 7
Einleitung............................................................................... 9
I. Theorie: Geschlecht und Männlichkeit im soziologischen
Diskurs ........................................................................ 17
1. Zwischen Wesensmetaphysik und soziologischer
Entzauberung. Männlichkeit in den Geschlechtertheorien
soziologischer Klassiker................................................... 17
1.1 Ferdinand Tönnies: Weiblicher Wesenwille und männlicher
Kürwille ........................................................................ 21
1.2 Georg Simmel: Männliche Differenziertheit und weibliche
Einheitlichkeit ................................................................ 31
1.3 Emile Durkheim: Geschlechtliche Arbeitsteilung und der
Mann als Produkt der Gesellschaft..................................... 41
2. Geschlecht: Soziale Rolle oder soziale Konstruktion? ............. 50
2.1 Geschlechtsrollentheorie: Instrumentelle Orientierung und
die 'Gefahren' der männlichen Geschlechtsrolle..................... 50
2.2 Die soziale Konstruktion von Geschlecht: Männliche
Dominanz und das Arrangement der Geschlechter ................. 62
3. Geschlechtersoziologie: Frauenforschung und Männerstudien ... 76
3.1 Patriarchat oder Gender? Mann und Männlichkeit in den
Perspektiven der Frauenforschung ...................................... 76
3.2 Patriarchale Unterdrückung oder hegemoniale Maskulinität?
Die Diskussion der Männerstudien ..................................... 89
4. Geschlecht und Habitus. Überlegungen zu einer soziologischen
Theorie der Männlichkeit .................................................. 104
4.1 Habitusbegriffund Geschlechterverhältnis bei Pierre Bourdieu.. 108
4.2 Geschlechtlicher Habitus -ein Entwurf ....... ....... .................. 112
4.3 Der männliche Geschlechtshabitus. ...................................... 117
5
11. Empirie: Geschlecht und Männlichkeit in den Diskursen
der Männer ................................................................................ 123
5. Multioptionale Männlichkeiten? ................................................ 123
6. Von Mann zu Mann. Dekonstruktionen und Rekonstruktionen
von Männlichkeit in der Männerverständigungsliteratur ........... 129
6.1 Defizitkonstruktionen: Der Mann als Mängelwesen .................. 135
6.2 Maskulinismus: Die Rückbesinnung auf die gefährdete
Männerherrlichkeit . ... ...... ......... ....... ..... ............ ... .... .... ....... ..... ... 148
6.3 Differenz: Die Suche nach authentischer Männlichkeit ............. 156
6.4 Schlußbemerkung: Zur kulturellen Dynamik männlicher
Selbstthematisierung ................................................................. _ 167
7. Unter Männem. Kollektive Orientierungen und existentielle
Hintergründe........ .... ... ... ... ....... ....... ....... ..... ... .... ... ......... ... ... ........ 173
7.1 Zur Methode: Wissenssoziologische Rekonstruktion
kollektiver Orientierungen oder: Wie läßt sich das fraglos
Gegebene zum Sprechen bringen? .............................................. 174
7.2 "Weil das immer so gewesen ist". Verankerung in der
Tradition und habituelle Sicherheit ...... ..... .... ... ........... ...... ......... 183
7.3 "Ich brauche mich dafür nicht entschuldigen". Prekäre
Sicherheiten ............................................................................. _ 203
7.4 "Immer noch so viel Verunsicherung". Institutionalisierte
Dauerreflexion und die Suche nach Authentizität -Die
Sinnwelt der Männergruppen .... .... ........ ..... ....... ............ ... .......... 223
7.5 "Du tust es einfach, du redest nicht". Pragmatische
Arrangements jenseits von Tradition und Verunsicherung ........ 246
7.6 Männerwelten und Frauenbilder. Zur 'männlichen'
Konstruktion der Frau ...... .......... .... ........ ..... ..... ........ ... ... ..... .... .... 262
7.7 Eheliche Beziehungen und homosoziale Männerwelten.
Lebensweltliche Hintergründe männlicher Orientierungen ........ 276
7.8 Konjunktive Erfahrungsräume. Zur Bedeutung von milieu-,
entwicklungs-und generationsspezifischen Besonderheiten ...... 289
7.9 Zusammenfassung: Habitus, männliche Hegemonie und
habituelle Sicherheit ................................................................... 295
Schluß:
Freisetzung aus Traditionen? Krise des Mannes? Ein
modernisierungstheoretisches Resümee ..... ....... ..... ....... ..... ...... ... ... ... 303
Literatur .......... .... ...... .... ...... ... ....... ............ ..... ....... ... ... ..... ..... ....... ..... ... 311
Anhang .................................................................................................. 327
6
Vorwort
Diese Studie ist die leicht überarbeitete Version meiner vom Fachbereich So
zialwissenschaften der Universität Bremen angenommenen Habilitations
schrift. In ihrem empirischen Teil basiert sie auf Daten, die in einem von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekt zusam
mengetragen worden sind. Der Titel des Projekts lautete: "Die Symbolik der
Geschlechtszugehörigkeit. Kollektive Orientierungen von Männem im Wan
del des Geschlechterverhältnisses". Ich möchte an dieser Stelle den wissen
schaftlichen MitarbeiterInnen in dem Projekt, Comelia Behnke, Rainer Hoff
mann und Peter Loos, für ihren hohen Einsatz und ihre niemals ermüdende
Diskussionsbereitschaft danken, ohne die das Projekt nicht hätte erfolgreich
abgeschlossen werden können. Ebenfalls gebührt mein Dank Alexander Gat
tig, Andreas Henkenbehrens, Martin Herberg, Eva Munz, Susanne Peter, Jut
ta Reichelt, Katrin Stinner und Karola Zygmunt, die als studentische Hilfs
kräfte und Praktikantlnnen wertvolle Unterstützung bei Datenerhebung und
-auswertung geleistet haben. In gleicher Weise zu Dank verpflichtet bin ich
den Studentinnen, die in einer zweisemestrigen Lehrveranstaltung zum Ver
fahren der Gruppendiskussion wichtige Arbeit bei der Erprobung des Erhe
bungsinstruments geleistet haben.
Für eine kritische Lektüre des Manuskripts und hilfreiche Hinweise zu
dessen Verbesserung danke ich Rüdiger Lautmann, der das Habilitationsver
fahren federführend betreut hat, Comelia Behnke, Rainer Hoffmann sowie
Karin Gläßer-Meuser.
7
Einleitung
"Wenn man gute Gründe braucht, um soziale Probleme zu untersu
chen, dann solIte man neutrale Analysen sozialer Zusammenhänge
deljenigen durchführen, die mit den Privilegien institutionelIer Macht
ausgestattet sind - Priester, Psychiater, Lehrer, Polizisten, Generäle,
Regierende, Eltern, Männer, Weiße, Staatsangehörige, Medienexper
ten und alI die anderen etablierten Personen, die durch ihre Position in
der Lage sind, ihre Version der Wirklichkeit offizielI durchzusetzen"
(Goffman I 994b, S. 103f.).
Ob 15 Jahre, nachdem Erving Goffman mit diesen Sätzen das Manuskript
seiner -aus Krankeitsgründen nicht gehaltenen -Ansprache als Präsident der
American Sociological Association be endet hat, den Männern die Aufnahme
in den Kreis der privilegierten Wirklichkeitsgestalter noch umstandslos ge
bührt, sei dahingestellt. Daß sie zumindest ein gewichtiges Wort mitreden,
wenn es darum geht, Lebenschancen und Handlungsspielräume von Men
schen festzulegen, steht außer Frage. Insofern ist eine "neutrale", d.h. weder
anklagende noch larmoyante Analyse der 'Männerwelt' eine Aufgabe, die
von der Soziologie zu leisten ist. Die vorliegende Arbeit wendet sich einem
Gegenstand zu, den die deutschsprachige soziologische Geschlechterfor
schung - anders als die angelsächsische - bislang weitgehend vernachlässigt
hat.
Maskulinität, Männerwelten als ein neuer Gegenstand der Soziologie?
Nach und neben der Frauenforschung nun eine Männerforschung? Hat sich
die Soziologie als "männliche Wissenschaft", in einer selbstverständlich vor
genommenen Gleichsetzung des Männlichen mit dem Allgemein-Menschli
chen' nicht seit jeher ausschließlich mit der sozialen Welt des Mannes be
faßt? So jedenfalls lautet die Diagnose feministischer Wissenschaftskritik2•
Die in dieser Art von 'Männerforschung' enthaltenen Annahmen über Män
ner und Männlichkeiten sind jedoch implizit geblieben, sind nicht als solche
kenntlich gemacht worden. Das betonen vor allem die in den achtziger Jahren
entstandenen "men's studies" (s. Kap. 3.2), und das zu ändern definieren sie
als ihr Ziel.
Hierzu hat Simmel (\985, S. 201) bereits zu Beginn der Jahrhunderts scharfsinnige Analy
sen vorgelegt. Ich komme darauf zurück (s. Kap. 1.2).
2 Vg l. allgemein HausenlNowotny 1986, auf die Soziologie bezogen Brück u.a. 1992, S.
17ff.
9
Die Geschlechtsblindheit, mit der die Wissenschaft Soziologie nicht we
niger 'geschlagen' gewesen ist als andere Humanwissenschaften, läßt sich als
Folge ihrer 'Männlichkeit' verstehen. Claudia Honegger (1991) hat in ihrer
Rekonstruktion der Diskurse der Wissenschaften vom Menschen eindrucks
voll gezeigt, wie der im späten 18. Jahrhundert erfolgten 'Erfindung' polar
entgegengesetzter Geschlechtscharaktere (vgl. Hausen 1976) im 19. Jahrhun
dert ein wissenschaftlicher Begründungsapparat an die Seite gestellt wurde,
in welchem mit der Naturalisierung der Frau und der Konzeptualisierung des
Mannes als 'ganzem' - und das meint vor allem kulturfähigem - Menschen
die Grundlagen rur die Deutungsmuster gelegt wurden, die auch heute noch
weitgehend die Geschlechterwahrnehmung des common sense bestimmen.
Paradigmatisch geschieht dies in der institutionellen Ausdifferenzierung einer
Sonderwissenschaft von der Frau: Mit der Herausbildung der Gynäkologie
wird, so Honegger, die Charakterkunde des Weibes physiologisch reduziert3•
Philosophie und Geisteswissenschaften befassen sich wieder mit dem
'ganzen Menschen', hinter dem sich niemand anders als der Mann verbirgt.
Allerdings bleibt dieser so gut verborgen, daß kaum jemand das 'Versteck
spiel' bemerkt.
Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, die kulturelle Konstruktion des Man
nes, wie sie in solchen wissenschaftlichen und in sonstigen Diskursen sich
vollzogen hat, historisch-genetisch zu rekonstruieren. Nur soweit die Sozio
logie daran einen Anteil hat, wird der Blick sich rückwärts richten. Über ex
plizite Thematisierungen des Geschlechterverhältnisses wird nicht allzu viel
zu berichten sein, denn auch rur die Soziologie gilt, daß ein universalistisches
Selbstverständnis den Blick auf die geschlechtliche Segmentierung der so
zialen Welt verstellt hat. Nicht nur die Modeme ist 'geschlechtlich halbiert'
(vgl. Beck 1986, S. 176ff.), auch die Wissenschaft von der Modeme par
excellence ist es lange gewesen. Man denke nur an die Geschlechtsblindheit
der Theorien sozialer Ungleichheit (vgl. Kreckel 1987, 1989; Hradil 1987a)
oder an die Jugendsoziologie, die zu großen Teilen eine (implizite) 'Jungen
soziologie' (gewesen) ist (vgl. Ostner 1986). Daß die Soziologie nicht die
einzige Wissenschaft ist, die solche blinde Flecken aufweist', entlastet sie
nicht, Versäumtes nachzuholen.
Die vorliegende Arbeit will hierzu einen Beitrag leisten, indem sie die
Seite im Geschlechterverhältnis in den Fokus rückt, die zumindest als Gegen
stand empirischer Forschung bislang wenig Aufmerksamkeit gefunden hat.
3 Eine entsprechende Sonderwissenschaft vom Mann hat sich nicht ausdifferenziert. Eine
'Androkologie' existiert (noch) nicht.
4 Wie auch immer man die von Carol Gilligan (1984) getroffene Unterscheidung einer weib
lichen und einer männlichen Moral einschätzen mag (für eine kritische Perspektive vgl.
Nunner-Winkler 1994), eines hat ihre Studie "Die andere Stimme" deutlich gezeigt: daß ein
androzentrischer Bias des Sampies die Forscher nicht notwendig veranlaßt, die Aussage
kraft der Resultate auf die männliche Hälfte der Menschheit zu begrenzen.
10
Zwar fehlt es im rezenten Geschlechterdiskurs auch hierzulande nicht an
Thesen über den Mann, über sein Wesen, über seine aktuelle Befindlichkeit,
über den Schaden, den er anrichtet, auch über die Leiden, die er zu ertragen
hat (s. Kap. 6); empirisch-soziologische Studien sind jedoch an den Fingern
einer Hand abzuzählen.
Ihre "Geschlechtssensibilisierung" (Kreckei) hat die Soziologie durch die
Frauenforschung erfahren. Diese hat aus naheliegenden Gründen zunächst
einmal weibliche Lebenszusammenhänge und die gesellschaftliche Lage der
Frau zum Gegenstand gemacht, galt es doch, einem Androzentrismus von
Forschung und Theoriebildung gegenzusteuern. Allerdings, auch ohne den
Mann ausdrücklich zu betrachten, enthalten die Arbeiten der Frauenfor
schung zahlreiche mehr oder minder explizit gemachte Annahmen über den
Mann und über Männlichkeit5• In einer Relation von zwei 'Elementen' impli
zieren Aussagen über die eine Seite notwendig Annahmen über die andere.
Seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre gibt es zwar nicht sehr viele empi
rische Untersuchungen der Frauenforschung, die den Mann zum Gegenstand
haben, wohl aber eine Diskussion darüber, in welcher Weise, mit welchen
Konzepten, von welchen Voraussetzungen ausgehend und in welchem wis
senschaftssystematischen Rahmen Männer und Männlichkeiten erforscht
werden können und sollen. Die Auseinandersetzungen gelten nicht zuletzt ei
ner "Politics of Naming" (Richardson/Robinson 1994; vgl. auch Hagemann
White/Rerrich 1988): Kann die Erforschung des Mannes im Rahmen von
'women's studies' erfolgen oder übersteigt das deren Zuständigkeiten? Ist ei
ne übergreifende Perspektive in Gestalt von 'gender studies' notwendig oder
eher eine Spezialwissenschaft vom Mann, die 'men's studies'6?
Es ist freilich nicht allein eine wissenschaftsimmanente Entwicklung der
Frauenforschung, die Ende der achtziger Jahre den Mann, wenn zunächst
auch nur zögerlich, vor den Scheinwerfer der sozialwissenschaftlichen Auf
merksamkeit rückt. Frauenforschung und Soziologie befassen sich mit dem
Mann in dem Moment, in dem die Fraglosigkeit seiner sozialen Existenz zu
schwinden beginnt. Auf empirische Indikatoren hierfür werde ich unten ein
gehen. An dieser Stelle sei auf die forschungstrategische Bedeutung des Re
flexivwerdens von Selbstverständlichkeiten hingewiesen. Diese resultiert aus
der Dialektik von Determination und Emergenz und hat grundlagen- wie mo
dernisierungstheoretische Aspekte.
Im Zuge einer Entwicklung, die Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gerns
heim (1990, S. 199) als "erlittene Emanzipation" der Männer beschrieben ha
ben, gewährleistet die unbefragte Reproduktion des Selbstverständlichen zu-
5 Für eine Analyse feministischer Konstruktionen des Mannes vgl. Rave (1991). Rave be
zieht sich freilich über die Frauenforschung i.e.S. hinaus allgemein auf den feministischen
Diskurs.
6 Das ist nicht allein ein Streit um Namen. Es geht auch um die Sicherung von Ressourcen.
11
nehmend weniger Handlungssicherheit und -erfolg. Die durch die Frauenbe
wegung bewirkten Veränderungen in den Strukturen des Geschlechterver
hältnisses erzeugen für immer mehr Männer einen Druck, ihren Ort in den
alltäglichen Geschlechterbeziehungen neu bzw. zum ersten Male bewußt zu
definieren. Wie generell in Umbruch- und Krisensituationen kommt es zu ei
ner erhöhten lebensweltlichen Reflexivität, als deren Folge Deutungsmuster
zumindest zeitweise manifest werden7• Für eine synchronisch ansetzende Ge
schlechterforschung stellen Umbruch- und Krisensituationen ideale For
schungsgelegenheiten dar. Wie auch sonst geht mit der Herausbildung des
Neuen eine von dessen 'Protagonisten' geführte Auseinandersetzung mit dem
Alten einher, aus dem heraus das Neue transformatorisch entwickelt werden
muß (vgl. Oevermann 1991, S. 314f.). Wir haben also die forschungsstrate
gisch günstige Situation, daß sich traditionelle und virtuelle neue Deutungs
muster von Männlichkeit zugleich rekonstruieren lassen8• Zudem wird die
Konstrukthaftigkeit der Geschlechtszugehörigkeit zumindest denkbar.
Die Kulturproduktion hat den Mann schon längst entdeckt. In sämtlichen
Medien, in allen möglichen Sparten von Trivial- und Hochkultur und als Ge
genstand diverser Formen der Betrachtung ist der Mann zunehmend 'ge
a
fragt'. Die öffentliche Aufmerksamkeit reicht von Fernsehsendungen la
"Mann-O-Mann", in der Männer als Objekt weiblicher Lust präsentiert wer
den, über von Parteien veranstaltete Hearings, Titelgeschichten in Print-Me
dien und Verlagsreihen bis hin zu Ausstellungen in Museen (vgl. Völger/
WeIck 1990) und von einer Frauenzeitschrift in Auftrag gegebenen Studien9•
Etablierte und profilierte Bildungs- und Tagungsstätten nehmen sich der
Männer an. Auf dem evangelischen Kirchentag 1993 in München wurde
erstmals in dessen Geschichte ein "Männerforum" veranstaltet, mit einer ge
schlechtsexklusiven Zutrittsregelung. - Der Mann als öffentlich-geschlecht
liches Wesen ist interessant geworden, und er macht sich selbst öffentlich, in
weIcher Form und in weIchen Aspekten seiner Existenz auch immer.
Was außer einer vor allem massenmedial produzierten Aktualität läßt
'Mann' zu einem soziologisch relevanten Gegenstand werden? Auf einer ka
tegorialen Ebene, vorab aller empirischen Evidenz ist darauf zu verweisen,
daß Geschlecht nur relational zu denken ist: Frauen gibt es nur insoweit, als
es Männer gibt, und vice versalO• Eine Forschung, die nur die eine Seite des
7 Das Konzept der sozialen Deutungsmuster nimmt als eine grundlegende Eigenschaft von
Deutungsmustern deren Latenz an (vgl. Meuser/Sackmann 1992).
8 George Herber! Mead hat darauf hingewiesen, daß ohne einen Bruch Kontinuität nicht er
kennbar ist. "Aber schiere Kontinuität wäre nicht erfahrbar. In jedem Moment der Erfah
rung steckt ein Hauch von Neuern .... Ohne diesen Bruch in der Kontinuität wäre die Kon
tinuität unerfahrbar" (Mead 1987, S. 342).
9 Bereits zweimal hat die Zeitschrift "Brigitte" eine Untersuchung über den Mann in Auftrag
gegeben (vgl. Pross 1978; Metz-GöckellMüller 1986).
10 Das ist hier nicht in einem biologischen Sinne gemeint, sondern als soziales Verweisungs-
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