Table Of ContentRheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften
Geisteswissenschaften Vorträge· G 182
Herausgegeben von der
Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften
HARRYWESTERMANN
Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers
und ihre Pflichtenbindungen im
öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf
eines Bundesberggesetzes
Westdeutscher Verlag· Opladen
170. Sitzung am 20. Oktober 1971 in Düsseldorf
ISBN 978-3-531-07182-4 ISBN 978-3-322-85629-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-85629-6
@ 1973 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen
Dem Andenken von Hans Korsch
Vorwort
Die Darstellung beruht auf dem Manuskript zu dem Vortrag, den ich
am 20. Oktober 1971 in der Akademie gehalten habe. Das Manuskript ist
mehrfach überarbeitet, insbesondere sind die Literaturnachweise vermehrt
worden. Die Gedanken der Diskussion sind zum Teil im Text, zum wesent
lichen aber in den Anmerkungen verarbeitet.
Die angeschnittenen Fragen sind zum Teil sehr grundsätzlicher Natur;
die Lösungsversuche scheinen mir daher unabhängig vom Schicksal und dem
endgültigen Inhalt des Referentenentwurfs zu einem Bundesberggesetz zu
sein.
Münster, im Oktober 1972 Westermann
Inhalt
Einleitung 11
A. Stellung und Inhalt der Bergbauberechtigung .................. 22
I. Das Berechtsamewesen ................................ 22
1. Das ursprüngliche Berechtsamewesen des ABG .......... 22
2. Entwicklung des Berechtsamewesens im ABG .......... 24
II. Das Berechtsamewesen des RE .......................... 27
1. Die mögliche Entscheidung in der Rechtsreform ........ 27
2. Die Entstehung der Gewinnungsberechtigung .......... 28
a) Grundsätze des RE .............................. 28
b) Die Grundlagen des Systems des RE ................ 30
3. Systematische Grundlage der Methode des RE .......... 31
4. Die Entstehung des Gewinnungsrechts durch konstitutiven
Hoheitsakt ...................................... 35
a) Verfassungsrechtliche Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . .. 35
b) Würdigung des RE an den verfassungsrechtlichen Grund-
sätzen ........................................ 35
c) Die Analyse der Versagungsgründe des § 8 .......... 37
5. Die Art der Gewinnungsberechtigung ................ " 41
a) Vergleich mit dem ABG .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41
b) Die Konstruktion der Gewinnungsberechtigung des RE 42
c) Der Begriff des subjektiv öffentlichen Rechts ........ 47
d) die Bedeutung der Art des Rechts .................. 48
e) Vorteile einer privatrechtlichen Ausgestaltung ........ 49
6. Der Bestandsschutz des Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 51
a) Die Möglichkeit nachträglicher Auflagen ............ 51
b) Rücknahme und Widerruf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56
c) Andere Eingriffe in das Recht .................... 65
10 Inhalt
7. Freigabe oder Einschränkung der unternehmerischen Initia-
tive durch sonstige Institutionen des RE ................ 66
a) Der grenzüberschreitende Abbau .................. 66
b) Das Ausgleichsverfahren ........................ 68
c) Die Abhängigkeit der Verfügungen von Genehmigungen 68
d) Das Betriebsplanverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 71
e) Verantwortliche Personen ........................ 74
8. überblick ........................................ 75
a) Die Sicherung der öffentlichen Interessen als Grundsatz
des RE ........................................ 75
b) Analyse des Begriffs der öffentlichen Interessen 76
B. Rechts- und Pflichtenstellung des Grundeigentümers ............ 80
I. Die Duldungspflicht des Grundeigentümers ........ . . . . . . .. 80
1. Gesetzliche Anordnung der Duldungspflicht ............ 80
2. Die Regelung im geltenden Recht .................... 81
3. Nachbarschaftsverhältnis als Gemeinschaftsverhältnis .... 81
II. Der Ersatz des Bergschadens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 83
1. Grundlage des Anspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
2. Verhältnis Bergbau-Grundeigentum als Anpassungsver-
hältnis .......................................... 83
3. Das System des RE ................................ 84
a) Die Bergschadensschutzgebiete des RE .............. 85
b) Die Problematik der Institution .................. 86
4. Die Verteilung der Kosten durch den RE .............. 87
a) Grundlage der Regelung des RE .................. 87
b) Würdigung des RE .................. . . . . . . . . . . . . 87
5. Andere Lösungen.. ... . . . . . . . . .. ... .... . .. . . . . .. . .. 93
6. Bergbau und öffentliche Verkehrsanstalten ............ 95
7. Die Bergschadensausfallkasse ........................ 98
a) Anlaß ........................................ 98
b) System des RE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 98
c) Würdigung der Regelung des RE .................. 99
III. Die Grundabtretung .................................. 102
1. Wirtschaftlicher Anlaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 102
2. Enteignungsrechtliche Konzeption des RE .............. 103
Literaturverzeichnis .......................................... 109
Einleitung
1. Der Entwurf zu einem Bundesberggesetz (im folgenden RE = Referen
tenentwurf, auch wenn er sich selbst als Entwurf bezeidmet) ist ein Schritt
zur Vereinheitlichung und Modernisierung des Bergrechts, das bisher ein
Dominium des Landesrechts war und in ganz besonderer Weise mit der
Historie der einzelnen Länder und z. T. der Landesteile verflochten gewe
sen ist. Versuche, ein Bundesbergrecht zu schaffen, sind schon mehrfach
gemacht worden, ohne daß bisher ein geschlossener Referentenentwurf ge
lungen wäre Daß jetzt dieser Entwurf geschaffen ist, beweist eine bemer
1.
kenswerte Kraft und Mut zur Vereinheitlichung und zur Rechtsreform.
1 Der erste zusammenhängende Entwurf eines deutschen Berggesetzes wurde zum 4. Deut
schen Bergmannstag 1889 von Adolf Arndt vorgelegt.
Diesem Entwurf diente sowohl das preußische ABG als auch das sächsische Berggesetz
als Vorlage. Der Entwurf basiert auf der Bergbaufreiheit bezüglich der wichtigsten
Mineralien; für Salze und Salzquellen auf dem unechten Staatsvorbehalt. Durch die Ver
leihung als konstitutiver Staatshoheitsakt mit Selbstbindung des Staates bezüglich des
Erlasses entsteht nach dem Entwurf ein privatrechtliches Bergwerkseigentum.
Der zweite Entwurf eines einheitlichen Berggesetzes (Bundesberggesetz 1954) stammt von
Rudolf Isay. Dieser Entwurf tritt für eine Reliberalisierung des Bergrechts, insbesondere
des Berechtsamewesens ein. Das Aneignungsrecht des Grundeigentümers wird in Form
einer Generalklausel eingeschränkt: Seiner Aneignung sind solche Mineralien entzogen,
deren Gewinnung volkswirtschaftlich nützlicher als die durchschnittliche landwirtschaft
liche Nutzung der Oberfläche ist. Nach § 1 Abs. 11 gelten alle wichtigen, in einern Katalog
aufgezählten Minerale als volkswirtschaftlich nützlich. Diese Bodenschätze unterliegen der
Bergbaufreiheit. Damit sollen mit Ausnahme von Uranerzen auch die Kohle, tll und
Salz wieder dem Staatsvorbehalt entzogen und die Bergbaufreiheit wie vor 1907 her
gestellt werden. Ein Staatsvorbehalt besteht nur bezüglich derjenigen Bodenschätze, die
in technisch brauchbarem Maße dem Kernzerfall dienen oder unterliegen, § 1 Abs. V.
Durch den konstitutiven Akt der Verleihung entsteht auch nach diesem Entwurf ein
bürgerlich-rechtlich ausgestaltetes Gewinnungs- und Aneignungsrecht. Ein Anspruch auf
Verleihung besteht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Insoweit soll der
Staat sich selbst binden. Das Lenkungsinteresse kann durch im Verordnungswege aus
gesprochene Schürfverbote bezüglich bestimmter Minerale gewahrt werden.
Der Entwurf beseitigt ferner die Unterscheidung zwischen Benutzung und Beschädigung
der Oberfläche.
In allen Fällen einer Einwirkung des Bergbaus auf ein fremdes Grundstück bedarf der
Bergbautreibende einer behördlichen Ermächtigung. Das Bergwerkseigentum soll also
nicht mehr automatisch die Eingriffsbefugnis geben, der die Duldungspflicht des Grund
eigentümers korrespondierend gegenüberstf'ht. Da die bisherige Bergschadensinstitution
12 Harry Westermann
Die im Thema angedeutete Fragestellung hat bedeutende dogmatisch
systematische Aspekte. Das "richtige" Verhältnis zwischen Freiheit und 50-
zialpflichtigkeit (= Pflicht im öffentlichen Interesse) der Rechtssubjekte zu
finden, ist eine vordringliche Aufgabe gerade der Rechtswissenschaft. In
der allgemeinen Fragestellung konkretisiert sich die Rechts- und Pflichten
stellung des Unternehmers und des Grundeigentümers; für die Bergbau
unternehmen aktualisiert sich die allgemeine Frage aus historischen und
volkswirtschaftlichen Gründen. Die Pflichtenbindung des Grundeigentums
ist schon von jeher "Blickpunkt der Sozialfrage" gewesen; in der Problematik
des Verhältnisses vom Bergwerkseigentum und Grundeigentum spiegelt sich
eine spezielle, aber doch allgemein aussagekräftige Teilfrage des allgemeinen
Problems.
Andererseits ist das Thema auch von praktischer Bedeutung. Unterneh
merische Tätigkeit muß und will frei sein, wenn sie dem Unternehmer per
sönliche Befriedigung und ihm und der Allgemeinheit Erfolg bringen soll.
Ausfluß dieser Duldungspflimt im Verhältnis Grundeigentümer-Bergwerkseigentümer
ist, mußte der Entwurf eine neue Grundlage einer Bergsmadensregelung finden. Jede
Einwirkung, aum die smädigende, bedarf einer Ermämtigung, die einen Ersatzansprum
des Betroffenen auslöst. Diese Ermämtigung wird als eine besondere Art der Enteignung
aufzufassen sein, für die dem Betroffenen ein Ersatzansprum nam Enteignungsgesimts
punkten zusteht.
Das Verhältnis Grundeigentümer-Bergwerkseigentümer wird unter den Gesimtspunkt
gegenseitiger Anpassung gestellt, wobei die Anpassung beider Interessenlagen als raum
gebundene Interessen dem privaten Nambarremt namempfunden ist.
Ein weiterer Versum zur Vereinheitlimung bergremtlimer Vorsmriften bedeutet der
Musterentwurf eines Landesberggesetzes des Arbeitskreises zur Koordinierung der berg
remtlimen Vorsmriften im Bundesgebiet (1956).
In diesem sogenannten Länderentwurf sind drei untersmiedlime Grundformen einer
Bergbauberemtigung vorgesehen: Zunämst ist an dem System der Bergfreiheit mit dem
Institut des Bergwerkseigentums festgehalten. Dann besteht ein unemter Staatsvorbehalt
für Steinkohle, Steinsalze, Phosphor. Dieser Vorbehalt ist als Smürfvorremt des Staates
ausgestaltet. Weiterhin ist ein emter Staatsvorbehalt normiert bezüglim radioaktiver
Erze und Bitumen.
Zum Inhalt des Bergwerkseigentums gehört nam diesem Entwurf aum das Grundabtre
tungsremt.
Der vierte Versum einer einheitlimen Reform des Bergremts wurde durm den Entwurf
eines Bundesberggesetzes der Industriegewerksmaft Bergbau und Energie aus dem Jahre
1964 eingeleitet. In weitgehender Anlehnung an den Musterentwurf eines Landesberg
gesetzes enthält dieser Entwurf nur nom ein Nebeneinander von Bergfreiheit und emtem
Staatsvorbehalt. So ist gemäß § 2 der emte Staatsvorbehalt aum auf Steinkohle und
Steinsalze sowie Bitumen ausgeweitet.
Für Bergsmäden haftet der Bergwerkseigentümer sowie der Bergwerksunternehmer, der
nimt zugleim Bergwerkseigentümer ist, § 79.
Zur Verhütung von Bergsmäden ist der Grundstücksberemtigte verpflimtet, allgemeine
Maßnahmen durmzuführen, vgl. §§ 78, 80. Xhnlim wie im Isay-Entwurf bestimmt die
Landesregierung auf dem Verordnungswege den Umfang und die Art der zur Verhütung
erforderlimen allgemeinen Maßnahmen.