Table Of ContentErgebnisse der
Inneren Medizin und
Kinderheilkunde
Herausgegeben von
P. Frick G.-A. von Harnack G. A. Martini
A. Prader R. Schoen H. P. Wolff
Neue Foige 34. Band
Mit 42 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin· Heidelberg· New York 1974
ISBN -13: 978-3-642-65748-1 e-ISBN- 13: 978-3-642-65746-7
001: 10.1007/978-3-642-65746-7
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wertung, vorbehalten. Bei Vervielfiiltigungen £iir gewerbIiche Zwecke ist gemiiB § 54 UrhG eine Vergiitung an den
Verlag zu zahlen, deren Hohe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © by Springer-VerlagBetlin . Heidelberg 1974.
Library of Congress Catalog Card Number 73-15291.
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1974
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auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daJrsolche Namen im Sinne der Warenzeichen- und
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Satz-, Druck- und Bindearbeiten: BtUhlsche Universitiitsdruckerei GieJ3en
Inhalt
MIESCHER, P. A. Immunosuppressive Therapie. 1
GEREBTZOFF,A. Mit 4 Abbildungen
UMBERT,P.H.
CoNN,].W. Primary Reninism, A Surgically Curable Form 23
of Hypertension. With 5 Figures
FABRE,]. Drug Selection and Dosage in Renal 45
OHR,I. Insufficiency. With 15 Figures
BINSWANGER, U. Calcium Metabolism and Kidney 105
Disease. With 18 Figures
EGGERS, ClI. Prli-, peri- und postnatal bedingte 155
BrcKEL,H. Schwachsinnsformen
Sachverzeichnis 207
Inhalt der Bande 1.34 der Neuen Folge 225
Mitarbeiter
BICKEL,H. Professor Dr., Direktor der Universitats-
Kinderklinik, D-6900 Heidelberg
BINSWANGER, U. Dr., Kantonsspital Ziirich, Departement fiir Innere
'. Medizin der Universitiit, Medizinische Klinik,
CH-8006 ZUrich
CoNN,J.W. M. D., L. H. Newburgh Distinguished University
Professor of Internal Medicine and Director,
Division of Endocrinology and Metabolism,
University of Michigan Medical School,
Ann Arbor, MI 48104/USA
EGGERS,CH. Privatdozent Dr., Universitats-Kinderklinik,
D-6900 Heidelberg
FABRE,J. Professor Dr., Policlinique Universitaire de Medecine,
CH-1200 Geneve
GEREBTZOFF,A. Dr., 213 B Avenue de Peville, B-4030 Grivegnee
LAMBERT,P.H. Dr., Assistant Lecturer, H6pital Cantonal,
WHO Research Unit, Blood Transfusion Center,
CH-1211 Geneve 4
MmsCHER,P.A. Professor Dr., H6pital Cantonal, Division d'Hematologie
et Centre de Transfusion Sanguine, CH-1211 Geneve 4
OHR,I. B.A., M.D., M. Sc. (Med.), Policlinique Universitaire
de Medecine, CH-1200 Geneve
Immunosuppressive Therapie*
P. A. MIESCHER, A. GEREBTZOFF und P. H. LAMBERT
Mit 4 Abbildungen
1. Grundlagen der immunosuppressiven Therapie. 2
II. Allgemeiner Tell. . 4
1. Alkylantien . . 5
2. Antimetabolite . 5
a) Purinanaloge 6
b) Folsaure-Antagonisten 6
3. Enzyme ..... . 7
4. Antibiotica. . . . . 7
5. Pflanzliche Alkaloide 7
6. Hormone ..... 7
7. Virale Immunosuppression. 8
8. Antikorperbedingte Immunosuppression. 8
III. Spezieller Teil. . . . . . . . . . . . . . 8
1. Systematischer Lupus Erythematodes (SLE) 9
2. Aktiv chronische Hepatitis. . . . . . . . 11
3. Polyarteriitis Nodosa . . . . . . . . . . 12
4. Dermatomyositis . . . . . . . . . . . . 12
5. Rheumatoide Arthritis und diffuse Sklerodermie 13
6. Hamatologische Affektionen 13
7. Nierenaffektionen. . . . . 14
8. Cutane Vasculitis. . . . . 15
9. Magen-Darm-Erkrankungen 15
10. Verschiedene Affektionen 15
11. Transplantationen. . . . . 16
12. Rh-Prophylaxe ..... . 16
IV. Nebenwirkungen immunosuppressiver Therapie 16
1. Cytotoxische Nebenwirkungen. . . 16
2. Immunosuppressive Komplikationen 16
3. Teratogene Nebenwirkungen. 17
4. Cancerogene Nebenwirkungen 18
Literatur ............ . 18
Der Begriff "Immunosuppression" erscheint zunachst paradox. Warum sollte man
die fiir die mikrobielle Abwehr unerlaBliche Immunoantwort dampfen wollen.
Dazu werden Medikamente gebraucht, welche in de): Regel sehr relevante direkte
oder indirekte Nebenwirkungen verursachen. Es ist deshalb begreiflich, daB die
* Division d'Hematologie, Hopital universitaire, Geneve.
2 P. A. MIESCHER, A. GEREBTZOFF und P. H. LAMBERT
Entwicklung einer immunosuppressiven Therapie auf groBen Widerstand gestoBen
ist.
1m Falle einer Transplantation war man schneller bereit, dem Patienten eine
immunosuppressive Behandlung 2U geben. Es hat sich namIich herausgestellt, daB
der MiBer£olg einer Gewebsiibertragung in erster Linie auf einer Gewebsinkompati-
bilitat beruht, welche nur in ganz seltenen Fallen durch Typisierung des Gewebes
vermieden werden kann. Selbst im Falle dner "HLA-Identitat" kann immer noch
dne Histo-Inkompatibilitat besteben, da es auBer dem HLA-System noch weitere
Histokompatibilitatsantigene gibt. Demgegeniiber ist es durch sorgfaItige "Immuno-
manipulation" des Empfangers eines Organes moglich geworden, die Erfolgs-
chancen einer Gewebsiibertragung ganz wesentlich 2U verbessem. Hier hat sich die
Immunosuppression widerspruchslos eingefiihrt.
1m Falle von Affektionen, welche entweder ganz oder tellweise durch immuno-
pathologische Phanomene verursacht sind, hat man in den letzten Jahren eben£alls
versucht, die immunologische Reaktionslage zu dampfen, ohne eine fUr den Patienten
ge£ahrlkhe Immunosuppression 2U erzielen. Aus den oben genannten Grunden und
wegen der haufig groBen Schwierigkeiten, den Therapie-Erfolg objektiv fassen zu
konnen, befindet sich diese Anwendung einer Immunosuppression noch im "ex-
perimentellen" Stadium.
1m Gegensatz zur generellen Immunosuppresion haben sich in den letzten Jahren
Wege einer spezifischen Immunosuppression einem definierten Antigen gegeniiber
eroffnet.
Ein erstes praktisches Beispiel stellt die Rhesus-Immunoprophylaxe vor, welche
eigentlich "Immunosuppressionsprophylaxe" genannt werden sollte. Das der Rh-
negativen Patientin unmittelbar nach Geburt eines Rb-positiven Kindes verabreichte
anti-Rhesus-Serum unterdriickt namIich spezwsch die Sensibilisierung gegeniiber
dem Antigen D.
Eine weitere Moglichkeit, eine spezifische Immunosuppression 2U erzielen,
bestebt in der gleichzeitigen Verabreichung von Antigen und einem immuno-
suppressiven Medikament. Gewisse immunosuppressive Medikamente konnen zum
Zustand einer spezifischen Immuntoleranz gegeniiber demjenigen Antigen fiihren,
welches im Moment der Medikation verabreicht wird. Dieses Prinzip wird vor allem
als V orbereitungstherapie oder "Immunosuppressionsprophylaxe" fUr eine Trans-
plantation in Erwagung gezogen. Die rur das 2U transplantierende Organ spezifischen
Transplantationsantigene miiBten also zusarnmen mit einem geeigneten Immuno-
suppressivum verabreicht werden, mit dem Ziel, damit eine gegeniiber diesen fUr
den Patienten relevanten Transplantationsantigenen spezifische Immuntoleranz zu
erreichen, d. h. eine Verwer£ung des transplantierten Organes zu verhindem.
1m folgenden ist der Stoff in 4 Tellen bebandelt: Grundlagen der immuno-
suppressiven Therapie. - Allgemeiner Tell. - Spezieller Tell. - Nebenwirkungen.
I. Grundlagen der immunosuppressiven Therapie
Schon £rUh in der Anwendung cytotoxischer und cytostatischer Medikamente wurde:
eine Immunosuppression als "Nebenwirkung" beobachtet. SCHWARTZ hat sich dieser
Frage mit dem Ziel angenommen, die "chemische Immunosuppression" therapeu-
Immunosuppressive Therapie 3
tisch anzuwenden [83]. Dabei gelang ihm nicht nur der Nachweis der unspezifischen
Unterdriickung des Immunsystems am Kaninchen, sondern er entdeckte bereits das
Prinzip der spezi6schen, medikamentos induzierten Toleranz [82]. Kaninchen,
welche gleichzeitig mit 6-Merkaptopurin (6-MP) und bovinem Serumalbumin
(BSA) behandelt wurden, bildeten nicht nur keine Antikorper gegen BSA, sondern
konnten in einem spateren Moment, nachdem die 6-MP-Therapie !angst abgesetzt
worden war, nicht mehr gegen BSA immunisiert werden. Diese Mitteilung loste
erst so richtig die heutige klinische Forschung iiber die medikamentose Immuno-
suppression aus.
Die Abb. 1 faBt die heutige Konzeption der Immunisierung zusammen und zeigt
gleichzeitig an, wo Medikamente wahrscheinlich eine Wirkung ausiiben: In einer
ersten Phase kommt es zur Aufnahme von Antigenen durch Makrophagen.Phago-
cytose hemmende Stoffe konnen in dieser friihesten Phase bereits eingreifen. Es sei
aber bemerkt, daB nicht aile Antigene diese "Makrophagen-Phase" passieren
miissen. Auch gehen noch die Auffassungen iiber die Bedeutung dieser ersten
Phase auseinander. Einerseits wird angenommen, daB die Antigene im Makrophagen
Cellulare Primare Anamnestische
Immunoreaktion AntikOrper· Reaktion
Bi ldung
LyT .Ig M IgM.lgG,lgD,lgE,lgA ,
ANTIGEN--.-. Zell·bedingte Ant ikorper· bedingte
Phanomene Phanomene
7 7
Abb. 1. Immunisationsmechanismus unter Hinweis der Angriffspunkte immunosuppressi-
ver Stoffe. Phase I: Celluliire Wechselbeziehungen zwischen Makrophag, T und B Lympho-
cyten. 1 Phagocytose-Hemmung (Pflanzen-Alkaloide, Corticosteroide). 2 Blockierung der
Lymphocyten-Oberflache (Antilymphocytenserum, Corticosteroide (Wirkung beschrankt
auf B Lymphocyten). 3 Cytotoxische Wirkung auf Lymphocyten (Antilymphocytenserum,
Vincristin, alkylierende Stoffe, groBe Dosen von Glucocorticosteroiden). Phase II: Spezi-
fische Umstimmung von Lymphocyten. 4 Transformation von Lymphocyten in Lympho-
blasten (Antimetaboliten, Antibiotica, Pflanzenalkaloide). 5-Primare IgM Antik6rperbildung
(Alkylantien). 6 Phase III: Anamnestische Reaktion (Antimetaboliten, Alkylantien, Anti-
biotica, Antik6rper, Corticosteroide in hoher Dosierung). Phase IV (Entzlindliche Immuno-
reaktion. 7 Membranaktive und antiinflammatorische Stoffe (Corticosteroide, Antiphlo-
gistica, 6-Merkaptopurin
4 P. A. MmSCHER, A. GEREBTZOFF und P. H. LAMBERT
verarbeitet werden, urn als "Superantigen" ausgeschieden zu werden [29]. Anderer-
seits sehen die meisten Forscher die Rolle der Makrophagen in ciner "cell to cell
interaction" wobei die antigenen Determinanten an der Oberflache der Zelle den
Lymphocyten wirkungsvoll angeboten wiirden [60]. Die darauf folgende Phase
kann als Induktion des Immunisierungsprozesses in den T- und B-Lymphocyten
aufgefaBt werden. Fiir gewisse Antigene kommt es nur bei voller Funktions-
tiichtigkeit der T-Lymphocyten zur Antikorperbildung, wahrend andere Antigene
unabhangig der T-Lymphocyten cine Antikorperbildung auslosen konnen. Die T-
(Thymus-abbangige) Achse der Immunisierung laBt sich durch die meisten Immuno-
suppressiva leichter unterdriicken a1s die B (Bursa-Aquivalent-abhangige) Achse der
Immunisierung. Femer ist die BeeinfluBbarkeit der primaren Antikorperbildung
verschieden von derjenigen der "anamnestischen" Antikorperbildung. Letztere ist
leichter unterdriickbar, erstere ist resistenter. Ferner kann aligemcin festgehalten
werden, daB die induktive Phase der Immunisierung (4 der Abb. 1) leichter unter-
driickbar ist als die proliferative Phase (5 und 6 der Abb. 1).
Immunosuppressiva wirken entweder auf die Nuc1cinsaure-Synthese (RNS und
DNS) oder auf die Protcinsynthese (z. B. Epsilon-Amino-Kapronsaure), oder es
handelt sich um membranaktive Substanzen (Antilymphocyten-Serum, Gluco-
corticoide).
II. Aligemeiner Teil
Die Frage, ob cin Medikament immunosuppressive Eigenschaften aufweist, wird
zunachst im Tierexperiment geklart. Dabei muB beriicksichtigt werden, daB es
species-bedingte Unterschiede gibt, so daB die erzielten Ergebnisse nur schwer auf
den Menschen iibertragen werden konnen. Generell wird im Tierexperiment zunachst
die Wirkung ciner Substanz auf die Antikorperbildung getestet (z. B. Immunisierung
von Kaninchen mit BSA, oder Immunisierung von Mausen mit Ratten- oder Schaf-
erythrocyten). Dann wird die Fahigkeit, die cellulare Immunantwort zu beeinflussen,
am Meerschwcinchen durch Sensibilisierung mit cinem geeigneten Antigen und
anschlieBender intracutaner Testung gepriift. 1m Falle ciner gUnstigen therapeuti-
schen Breite kann dann die Substanz an verschiedenen komplizierteren Modellen
getestet werden.
Die Beurteilung der Wirkung am Menschen ist auBerordentlich schwierig. Mit
Ausnahme der Immunosuppression bei Patienten, welche infolge Nierentransplan-
tation entsprechend behandelt werden, ist sie am einzelnen Individuum schwer oder
nicht objektivierbar. Kritische Kliniker haben sich deshalb sogar gefragt, ob die
klinisch in Erschcinung tretende Wirkung iiberhaupt Folge ciner Immunosuppression
oder nicht vielmehr Folge anderer Eigenschaften der Medikamente sei. Die Frage
erschien noch berechtigter, nachdem festgestellt werden konnte, daB verschiedene
Immunosuppressiva antiphlogistische Eigenschaften aufweisen. Diese Eigenschaften
werden dann leicht in den Vordergrund gestellt, besonders wenn der Kliniker kcine
eigene Erfahrung im Tierexperiment hat. Der experimentelle Kliniker iiberwertet
die antiphlogistischen Eigenschaften etwas weniger. Es miissen namlich auBer-
ordentlich groBe Dosen der Medikamente (z. B. 6-MP oder Cyc1ophosphamid)
verabreicht werden, urn eine nur bescheidene antiphlogistische Wirkung nachweisen
Immunosuppressive Therapie 5
zu kannen [11, 68]. Bekannte antiphlogistische Medikamente wie Glucocorticoide,
Salicylate, Phenylbutazon und Indomethacin sind unvergleichbar viel wirksamer
in dieser Hinsicht. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Beurteilung der "klini-
schen" Wirksamkeit immunosuppressiver Medikamente bei verschiedenen Krank-
heiten. Unkontrollierte Einzelbehandlungen sind nicht oder schwer objektivierbar,
streng kontrollierte Versuchs-Serien selten und zwar oft well sich die Forscher
verschiedener Kliniken nicht zur Annahme eines statistisch auswertbaren Protokolls
einigen konnten. Wir werden auf diese Fragen im klinischen Teil am Beispiel der
Behandlung der verschiedenen Affektionen zurtickkommen.
1m folgenden seien die heute wichtigsten Medikamente kurz zusammenge£aBt:
1. Alkylantien
Diese Medikamente alkylieren DNA, RNA und Protein, und da sie mindestens zwei
alkylierende Gruppen aufweisen, kommt es leicht zu Bruckenbildung zwischen den
genannten Substanzen. Durch Bindung an N7 von Guanin im DNS-Molekiil kommt
es zu einer Labilisierung der Glucosid-Brucken zwischen Base und Deoxyriboside,
was zur Spaltung der DNS-Spirale ruhren kann. Damit wird die Synthese von RNS
und DNS gestart [9, 33, 48, 79, 100]. Unter diesen Umstanden kommt es zu einer
falschen Kodifizierung. SchlieBlich kann emmal eine Starung auftreten, welche sich
durch Replikation der Zelle auf die Tochterzelle tibertragt. Die beschriebenen
Reaktionen geben dem Kliniker gleichzeitig einen Lichtblitz tiber die Ge£ahren
dieser Behandlung, einerseits in Form einer teratogenen, andererseits in Form einer
carcinogenen Wirkung.
Am hiiufigsten in der Klinik gebraucht ist Cyclophosphamid [1, 43]. In einer
Dosierung von 50-100 mg taglich (1-2 mg je kg Karpergewicht) wird Cyclo-
phosphamid meist gut vertragen, unter nur geringen Nebenwirkungen. In haherer
Dosierung kommt es leicht zu lastigem Haarausfall. Ferner wachst die Ge£ahr der
hamorrhagischen Cystitis. Bei Beeintrachtigung der Nieren- und Leberfunktion
wird das Medikament schlecht vertragen.
Chlorambucil [48] wird ebenfalls als Immunosuppressivum verwendet, und zwar
in einer Dosierung von 4-6 mg taglich (0,08-0,1 mg je kg Karpergewicht).
Nebenwirkungen sind gering.
Procarbazin, ein Methylhydrazin-Derivat, kann ebenfalls als Alkylans bezeichnet
werden [30, 94]. Es wird in einer Dosierung von 50-150 mg verwendet. Neben-
wirkungen von seiten des Magen-Darm-Traktes limitieren den Gebrauch dieses
Medikamentes als Immunosuppressivum.
Alkylantien scheinen besonders gut auf Immunopathien mit IgM-Antikarper-
bildung zu wirken. SCHUBOTHE hat schon lange auf diese Tatsache bei der Behand-
lung der Kalteagglutininkrankheit hingewiesen [81].
2. Antimetabolite
Wir bezeichnen als Antimetabolit eine synthetische Substanz, welche strukturelle
Analogien mit Nucleinsaure-Bausteinen aufweist und aus diesem Grunde die
Nucleinsaure-Synthese start. Wir unterscheiden Purinanaloge, Pyrimidinanaloge
und Folsaure-Antagonisten. Hier werden wir nur auf die erste und letzte Kategorie
6 P. A. MIESCHER, A. GEREBTZOFF und P. H. LAM1!ERT
cingehen, da Pyrimidinanaloge z. Z. noch nicht in die Klinik Eingang ge£unden
haben.
a) Purinanaloge
Die Antimetaboliten 6-Mercaptopurin und dessen Imidazolderivat Azathioprin
haben sich als immunosuppressive Substanzen bewahrt [5, 24, 25, 26]. Azathioprin
wird in der Leber unter Abspaltung des Imidazolringes zu 6-MP abgebaut. 6-MP
dringt in die Zelle cin, wobei es in cin Ribosidtriphosphat und Thioinosinsaure
iiberge£iihrt wird. In dieser Form erfolgt Intetterenz an verschiedenen Stellen der
DNS-Synthese. 6-MP und Azathioprin sind im Prinzip in ihrer Wirkung einander
gleichzusetzen. In einigen experimentellen Bedingungen erwies sich Azathioprin
dem 6-MP iiberlegen. In der Klinik kann aber kcin Unterschied festgestellt werden,
wenn die beiden Medikamente in aquimolaren Mengen verabreicht werden (100 mg
Azathioprin entsprechen 55 mg 6-MP). 6-MP wirkt nicht auf die Phagocytose-
Aktivitiit. Es verhindert auch nicht wesentllch die RNS-Synthese, d. h. die Umwand-
lung von klcinen Lymphocyten in pyroninophile Zellen im Falle ciner Immuni-
sierung. Dagegen wird der weitere Vorgang stark unterdriickt, wobei die ana-
mnestische Reaktion mit kleineren Dosen unterdriickt werden kann, als die primare
Antikorperbildung. Am meisten wirkt 6-MP wahrscheinlich auf die celluliire
Immunantwort [69]. Ferner wurde cine antiinB.ammatorische Wirkung von 6-MP
beschrieben [68]. Dies gilt vor allem fUr Antikorper-iibermittelte entziindliche Reak-
tionen. Dagegen konnten wir die passiv indizierte Tuberkulin-Reaktion beim Meer-
schwcinchen auch mit massivster Vorbehandlung von 6-MP nicht unterdriicken [11].
Beim Menschen wird vor allem Azathioprin in ciner Dosierung von 2-4 mg/kg
Korpergewicht verwendet. Es besteht jedoch kein Grund, anstelle von Azathioprin
nicht das billigere 6-MP zu verwenden (Dosierung: 1-2 mg/kg Korpergewicht).
b) Foisaure-Antagonisten
Methotrexat hat sich als einzige Substanz dieser Familie durchgesetzt [8, 9, 45, 84].
Sie bindet Dehydrofolat-Reductase, wodurch die Konversion von Dehydrofolsaure
zu Tetrahydrofolsaure gehemmt wird. Damit wird der Einbau von 1C-Fragmenten
in der Synthese von Purin und Thymidin gehemmt, d. h. es kommt zu ciner gestorten
Nuclcinsaure-Synthese ood zwar hauptsachlich von DNS.
Die Methotrexat-Wirkung kann durch Folinsaure riickgiingig gemacht werden
[6,19]. Dieses Prinzip kann dadurch zur Anwendung gebracht werden, daB man dem
Patienten iiber kurze Zeit eine maximale Methotrexat-Wirkung zukommen liiGt,
welche dann durch Verabreichung von Folinsaure unterbrochen wird. Je nach der
Methotrexat-Dosierung muG Folinsaure (z. B. Leucovorin) in ciner Dosierung von
6 mg 3-5 Tage lang alle 6 Std verabreicht werden.
Methotrexat konnte am Tierexperiment wie beim Menschen als kriiftiges Im-
munosuppressivum erkannt werden, welches die primare und die sekundiire Immun-
antwort unterdriicken kann. Die verzogerte Hautreaktion kann nicht nur am frisch
sensibilisierten Tier verhindert werden, sondem auch am bereits iiberempfindlichen
Tier. 1m Tierexperiment hat sich Methotrexat in der Behandlung experimenteller
Autoimmunopathien als wirksam erwiesen [14, 91].