Table Of ContentSabine Manzel
Carla Schelle Hrsg.
Empirische Forschung
zur schulischen
Politischen Bildung
Empirische Forschung zur schulischen
Politischen Bildung
Sabine Manzel · Carla Schelle
(Hrsg.)
Empirische Forschung
zur schulischen
Politischen Bildung
Herausgeber
Sabine Manzel Carla Schelle
Universität Duisburg-Essen Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Essen, Deutschland Mainz, Deutschland
ISBN 978-3-658-16292-4 ISBN 978-3-658-16293-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-16293-1
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Lektorat: Dr. Jan Treibel
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Vorwort
Die Idee zu diesem Band ist während der Tagung des Arbeitskreises Fachun-
terrichtsforschung Politik (AFP) entstanden, die 2015 an der Universität Duis-
burg-Essen stattgefunden hat. Dabei konnte der Austausch auch zwischen
unterschiedlichen Forscher*innengenerationen wieder angeregt werden. Inso-
fern knüpft die nun vorliegende Publikation an den Vorgängerband „Empiri-
sche Forschung in gesellschaftswissenschaftlichen Fachdidaktiken“ an. Die hier
versammelten Beiträge zeigen erneut die Bandbreite aktueller empirischer For-
schungsprojekte rund um Themen schulischer Politischer Bildung in Deutsch-
land. Diesmal ist jedoch insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs vertreten
und präsentiert Forschungsideen und neue Studien, die das Fach weiterentwi-
ckeln.
Die Debatten über Qualitätskriterien in den vergangenen Jahren haben dazu
geführt, dass die Vertreter*innen sowohl qualitativer als auch quantitativer Verfah-
ren, die teils hier mit eigenen Beiträgen zu Wort kommen, sich darin einig sind,
dass es Standards als Maßstab für gute Forschung geben muss. In diesem Sinne
ist der fachdidaktische Austausch in der Community zur Normalität zurückge-
kehrt, die Aufgeregtheiten über unterschiedliche methodische Zugänge sind abge-
ebbt und lassen vielmehr inhaltliche Diskussionen zum Vorschein kommen. Dies
freut uns als Herausgeberinnen, da wir eine polarisierende Debatte über die „bes-
sere Forschungsmethode“ in einer überschaubar großen Fachdisziplin für wenig
zielführend halten. Vielmehr haben unterschiedliche erkenntnistheoretische Sicht-
weisen mit ihren präferierten Forschungsmethoden ihre eigenen Stärken. Sie brin-
gen in ihrer Dualität die Schul- und Unterrichtsforschung auch in der Politischen
Bildung konstruktiv weiter1. Und können, wie auf der AFP-Tagung sichtbar
1Keynote von A. Scheunpflug am 13.6.2016 anlässlich des Tags der Lehrerbildung und
Bildungsforschung an der Universität Duisburg-Essen.
V
VI Vorwort
wurde, auch zu neuen Fragestellungen führen, z. B. was die Möglichkeiten der
Kombination unterschiedlicher methodischer Verfahren anbelangt. Im Überblick
lassen sich die Beiträge unterschiedlichen Schwerpunkten zuordnen, die nicht
immer ganz trennscharf abgegrenzt werden können. Sie changieren zwischen
einer Orientierung an Lehrpersonen, Schüler*innen und Gegenständen. Die the-
menbezogenen Beiträge in diesem Band sind daher in drei Kapitel untergliedert:
Im ersten Themenblock werden Orientierungen, Hintergrundvariablen und
Sichtweisen zum Unterricht untersucht.
Georg Weißeno und Barbara Landwehr gehen der Frage nach, ob es einen
Zusammenhang von Systemvertrauen und Wissen gibt. Die Daten von 1071
Schüler*innen wurden in 51 neunten und zehnten Klassen erhoben und probabi-
listisch ausgewertet. Es zeigt sich nur ein geringer Effekt der Partizipationserfah-
rung auf das Wissen. Jedoch zeigt sich eine positive Auswirkung des politischen
Wissens auf die Partizipationsbereitschaft.
Im Rahmen des BMBF-Projektes SchriFT untersuchen Sabine Manzel und
Farina Nagel quantitativ anhand einer Teilstichprobe (N 372) von insgesamt
=
18 Klassen an 8 verschiedenen Schulen, wie sprachliches und fachliches Lernen
zusammenhängen. Die Studie beleuchtet sowohl das Fachwissen Politik als auch
das Bearbeiten eines Schaubildes zur Gewaltenteilung in einer Demokratie. Es
gibt entgegen der POWIS-Studie Anzeichen dafür, dass Mehrsprachigkeit auf das
Fachwissen keinen Einfluss hat, jedoch beim fachsprachlichen Schreiben diffe-
renziert werden muss.
Anke Wegner rekonstruiert die Sicht von Schüler*innen im bilingualen Sach-
fachunterricht Politik und Wirtschaft in Hessen anhand von Interviewdaten und
kann zeigen, dass diese über didaktische und hermeneutische Kompetenzen ver-
fügen. Sie plädiert dafür, das schulische Lernen stärker als bisher aus der Subjekt-
perspektive von Schüler*innen zu betrachten, weil sie Expert*innen ihres Lernens
sind und über eigene Sinnkonstruktionen wertvolle Hinweise für die Gestaltung
des Unterrichts einbringen können.
Der zweite Themenblock nimmt die Wissens- und Handlungsebene der
Akteure im Unterricht in den Blick. Dabei stehen in den ersten drei Beiträgen die
Lehrkräfte im Zentrum der Auseinandersetzungen. In den darauffolgenden drei
Beiträgen werden die Schüler*innen genauer betrachtet.
Barbara Reichhart untersucht mittels einer quasi-experimentellen Studie das
politische Selbstkonzept von Grundschullehramtsstudierenden (N 145) in Bay-
=
ern und kann zeigen, dass dies tendenziell schwach ausgeprägt ist, sich nicht ohne
weiteres verändern lässt und daher über neue Maßnahmen nachzudenken wäre.
Insbesondere ist die Lehrerausbildung und -professionalisierung zu überdenken,
wenn ein Großteil der Grundschullehrkräfte weder auf ein entsprechendes Stu-
dium der Fachwissenschaft noch der Politikdidaktik zurückblicken kann.
Vorwort VII
Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen der Methode der videobasierten
Diagnostik als Alternative zu Paper-Pencil-Testverfahren gibt Dennis Neumann.
Mögliche Vorzüge von computerbasierten Videovignetten sind, dass sich einige
der Charakteristika realer Unterrichtssituationen – wie Anforderungsreichtum,
Situativität und Komplexität – angemessener in die Aufgaben einbetten lassen, als
es in schriftlichen Items möglich ist.
Stefanie Kessler richtet einen explorativen Blick auf die Handlungsorientie-
rungen fachfremd unterrichtender Lehrer*innen im Fach Politik. Sie liefert erste
Anhaltspunkte dafür, dass bei den Betroffenen außerschulische biografische Ein-
flüsse prägend sind und eine Diskrepanz zwischen Orientierungen gemäß der
eigenen normativen Vorstellung gelungenen Politikunterrichts und Orientierungen
entsprechend externer Anforderungen und Erwartungen (z. B. Lehrpläne, Schul-
leitung, Prüfungen, Zielgruppe) besteht.
Robert Baar untersucht in 25 Gruppendiskussionen mit je drei bis fünf
Zweitklässler*innen aus sechs verschiedenen Schulen in Baden-Württemberg
kindliche Präkonzepte zum Thema Familie. Die Analyse der Gruppengespräche
zeigt, dass Präkonzepte abhängig vom Gesprächsimpuls sowohl an Grenzen sto-
ßen als auch Potenziale entfalten können. Der Autor plädiert auf der Basis seiner
Befunde dafür, Präkonzepte als Gegenstand von Unterricht zu nutzen.
Matthias Sowinski nimmt die Methode der Concept Maps zur Erfassung von
Wissensstrukturen im Politikunterricht bei Schüler*innen der 8. Jahrgangsstufe
unter die Lupe. In der quasi-experimentellen Studie mit Pre-Post-Design kann ein
Anstieg fachlich korrekter Propositionen festgestellt werden, allerdings sind die
Unterschiede beider Gruppen im Posttest nicht signifikant, was u. a. auf Legestra-
tegien der Schüler*innen zurückgeführt werden kann.
Mit der dokumentarischen Methode rekonstruiert Farina Nagel explizite und
implizite Werthaltungen von Schüler*innen in Prozessen der politischen Urteils-
bildung zum Thema Flüchtlinge. Unterschiedliche Orientierungsgehalte und der
Rückgriff auf außerschulische Erfahrungen (z. B. eigene Fluchterlebnisse) lassen
sich rekonstruieren. Dabei zeigt sich das Potenzial von diskursiven Gruppenge-
sprächen in Ergänzung bzw. trianguliert zu schriftlichen Dokumenten Einzelner.
Der dritte Themenblock setzt sich mit Materialien, Inhalten und Thematisie-
rungen im Unterricht auseinander. Dabei werden zuerst Forschungsbeiträge zu
Schulbüchern vorgestellt. Nach der Auseinandersetzung mit schriftlichem Mate-
rial werden Studien zu mündlichen Thematisierungen und Inhalten präsentiert.
Der Themenblock schließt mit einer Agenda zu Computerspielen für die schuli-
sche Politische Bildung ab.
Monika Oberle und Christian Tatje untersuchen anhand eines 6-faktoriellen
Modells die Schulbuchnutzung im Politikunterricht quantitativ mittels teilstan-
dardisierter Fragebögen bei 1076 Schüler*innen der Sekundarschulen und 123
VIII Vorwort
Lehrkräften in Niedersachsen. Die Ergebnisse weisen neben einem Gendereffekt
bei der Leistungsvorbereitung unter anderem darauf hin, dass Schulbücher insbe-
sondere für Schüler*innen mit Migrationshintergrund bedeutungsvoll sind.
Einen qualitativ-hermeneutischen Weg gehen Annika Rauch und Carla
Schelle. Sie rekonstruieren exemplarisch Seiten eines französischen Sprachlern-
buchs zur Darstellung deutscher Identität und problematisieren die kulturell-
politischen Zuschreibungen, die anders als erwartet Fragen politischer Bildung
aufwerfen und binationale Forschungsdesiderate offenbaren.
Ebenfalls in der Tradition der hermeneutischen Rekonstruktion wirft Thomas
Beier die Frage nach der Legitimierung von Sachzwängen anstatt der Ausbildung
von Mündigkeit auf. Er analysiert die Einstiegsseite eines kompetenzorientierten
Schulbuches in Hinblick auf bereits darin angelegte Widersprüche.
Mit mündlichen Argumentationsmustern von Schüler*innen beschäftigt sich
Dorothee Gronostay. Dabei beleuchtet sie methodische Herausforderungen
des Toulmin-Modells anhand des Transkriptes einer Fishbowl-Diskussion zum
Thema NPD-Parteienverbot. Sie empfiehlt eine Weiterentwicklung des Analyse-
instruments für die Politikdidaktik in Anlehnung an Erduran, Simon und Osborne.
Christopher Hempel, David Jahr und Dieter Koop thematisieren das Ein-
bringen von Fachwissen und subjektivem Wissen bei der Konstitution des
Gegenstandes im Politikunterricht. Mithilfe der dokumentarischen Analyse von
Unterrichtsgesprächen zu Terroranschlägen 2015 in Paris zeigen sie an einem
Fallbeispiel, wie stark darin etablierte Interaktionsmuster die Gegenstandskonsti-
tution bestimmen. Sie fordern eine methodische Weiterentwicklung, um das Mit-,
Neben- und Gegeneinander beider Wissensebenen sichtbar zu machen.
Ein Plädoyer für die Nutzung digitaler Spiele im Politikunterricht halten
zuletzt Marc Motyka und Frank Lipowsky. Sie kritisieren die Desiderata zum
Nutzen von Computerspielen und entwickeln eine Forschungsagenda für die Poli-
tische Bildung mit den drei Forschungsansätzen kognitive Konsequenzen, Medi-
envergleich und Mehrwert-Studien, wobei die beiden letzten für die Politische
Bildung fruchtbarer scheinen.
Die Herausgeberinnen danken den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der
AFP-Tagung für anregende Diskussionen und vor allem den Autorinnen und
Autoren für ihre Mitarbeit und das Zustandekommen dieser Publikation, mit der
der fachliche und methodische Diskurs in der schulischen Politischen Bildung
weiter vorangebracht und vertieft werden soll.
Duisburg-Essen, Deutschland Sabine Manzel
Mainz, Deutschland Carla Schelle
Inhaltsverzeichnis
Teil I Orientierungen, Hintergrundvariablen und
Sichtweisen zum Unterricht
Zum Zusammenhang von politischem Vertrauen,
Partizipation und Leistung ...................................... 3
Georg Weißeno und Barbara Landwehr
1 Anlass und Ziel der Studie .................................... 3
2 Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand ................... 5
3 Fragestellungen ............................................. 8
4 Design der Studie ........................................... 9
5 Ergebnisse ................................................. 10
6 Diskussion und Ausblick ...................................... 13
Literatur ...................................................... 15
„Links unten steht der Bundespräsident“ – erste Ergebnisse
zu sprachlichen und fachlichen Herausforderungen im
Umgang mit politischen Schaubildern ............................. 19
Sabine Manzel und Farina Nagel
1 Einleitung ................................................. 19
2 Theoretischer Hintergrund: Zusammenhang von Sprache und Fach .... 20
3 Hypothesen, Datenlage und Auswertungsverfahren ................. 23
4 Ergebnisse ................................................. 25
5 Diskussion und Ausblick ...................................... 26
Literatur ...................................................... 27
IX
X Inhaltsverzeichnis
Politik und Wirtschaft bilingual – Praxis und Perspektiven
des bilingualen Sachfachunterrichts aus der Sicht
von Schüler*innen ............................................. 31
Anke Wegner
1 Empirische Befunde zur hermeneutischen und didaktischen
Kompetenz von Schüler*innen ................................. 31
2 Politik und Wirtschaft bilingual aus der Sicht von Schüler*innen ...... 34
3 Fazit: Subjektperspektiven und die Ermöglichung von
Lernen und Bildung .......................................... 39
Literatur ...................................................... 41
Teil II Wissens- und Handlungsebene der Akteure im Unterricht
Das politische Selbstkonzept von Grundschullehramts-Studierenden –
Ausprägung und Veränderung im Rahmen einer
Interventionsmaßnahme ........................................ 45
Barbara Reichhart
1 Politische Bildung im Sachunterricht ............................ 45
2 Theoretischer Hintergrund .................................... 46
3 Schlussfolgerungen und Forschungsfragen ........................ 47
4 Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
5 Ergebnisse ................................................. 49
6 Diskussion und Ausblick ...................................... 50
Literatur ...................................................... 51
Möglichkeiten und Grenzen videobasierter Diagnostik professioneller
Kompetenzen von Lehrer*innen in der Politikdidaktik .............. 55
Dennis Neumann
1 Einleitung ................................................. 55
2 Modellierung von Kompetenzen ................................ 56
3 Messung von Kompetenzen ................................... 56
4 Fazit und Ausblick ........................................... 62
Literatur ...................................................... 62
Fachfremder Politikunterricht – Ein explorativer
Blick in die Handlungsorientierungen fachfremd
unterrichtender Lehrer*innen im Fach Politik ..................... 65
Stefanie Kessler
1 Einleitung ................................................. 65
2 Methodologie und empirischer Zugang .......................... 66