Table Of ContentEinfluss von Stromstärke und Zyklentiefe auf
graphitische Anoden
Von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
der Rheinisch–Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften
genehmigte Dissertation
vorgelegt von
Diplom-Wirtschaftsingenieur
Jens Münnix
aus Krefeld
Berichter:
Universitätsprofessor Dr. Dirk Uwe Sauer
Universitätsprofessor Dr. Andreas Jossen
Tag der mündlichen Prüfung: 24. Februar 2017
Diese Dissertation ist auf den Internetseiten
der Universitätsbibliothek online verfügbar.
Jens Münnix
Einfluss von Stromstärke und Zyklentiefe auf graphitische
Anoden
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URN: urn:nbn:de:hbz:82-rwth-2017-019158
AACHENER BEITRÄGE DES ISEA
Band 91
Herausgeber:
Univ.-Prof. Dr. ir. Rik W. De Doncker
Leiter des Instituts für Stromrichtertechnik und
Elektrische Antriebe der RWTH Aachen (ISEA)
52056 Aachen
Copyright ISEA und Jens Münnix 2017
ISSN 1437-675X
Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe
Jägerstr. 17/19 • D-52066 Aachen
Tel: +49 (0)241 80-96920 • Fax: +49 (0)241 80-92203
[email protected]
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Vorwort
Die hier vorliegende Dissertation entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Pro-
fessor Dirk Uwe Sauer am Institut für Stromrichtertechnik und elektrische Antriebe (ISEA) der RWTH
Aachen. Meine Tätigkeit in der Arbeitsgruppe Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystem-
technik brachte mir schon während meiner Diplomarbeit das Thema der Lithium–basierten Batterien und
ihre Alterung näher und gab mir die Möglichkeit zur Erstellung dieser Arbeit.
Professor Sauer danke ich für die Betreuung dieser Arbeit und die großen Freiräume für eigenständige
wissenschaftliche Arbeit und die Erfahrungen, die ich am ISEA sammeln konnte, sei es durch zahlreiche
Konferenzbesuche die mir einen tiefen Einblick in die wissenschaftliche Welt eröffneten oder Projekte, die
spannende Fragen in der Batterietechnik zu beantworten versuchten.
HerrnProfessorAndreasJossenvomLehrstuhlfürElektrischeEnergiespeichertechnikanderTUMünchen
danke ich sehr herzlich für die Übernahme des Korreferats und ebenfalls für seine konstruktiven Anmer-
kungen.
Die inspirierende und anpackende Atmosphäre des ISEA und die ungleiche Denkweise der Kollegen und
StudentenderverschiedenenFachbereichehabenwesentlichzumGelingenderArbeitbeigetragen.Dafürein
Dank an alle Kollegen. Besonders bedanken möchte ich mich bei Alexander Warnecke, Meinert Lewerenz,
Stefan Käbitz und Johannes Schmalstieg für lange und fruchtbare Diskussion über die Unmöglichkeiten
von Batterien. Für die große und geduldige Unterstützung beim Thema Röntgenbeugung möchte ich mich
bei Dr. Andreas Neumann und Dr. Lars Peters bedanken. Ein weiterer Dank geht an meine Studenten, die
ich im Laufe der Jahre bereuen durfte, – Lisa Becker, Patrick Oprée, Annette Nordhausen, Tim Konrad
Schultze, Marian Rauser und Niklas Kürten – die mich mit Ihren Arbeiten sehr unterstützt haben.
Ein besonderer Dank geht an Dr. Martin Kiel, mit dem ich mich zufällig über Elektrochemie unterhielt
und mir das ISEA aus eigener Erfahrung empfahl. Dr. Dominik Schulte schaffte es dann mich mit meiner
Diplomarbeit für Batterien zu begeistern. Über das ISEA hinaus gilt mein Dank all jenen Kollegen und
Wissenschaftlern, die ich im Laufe der Jahre im In- und Ausland treffen durfte, für den fachlichen und
persönlichenAustauschunddiestetsneuenImpulsefürmeineArbeit.SchließlichdankeichmeinerFamilie
und Freunden für den steten Rückhalt und Ermunterungen, die sie selbst so meist nicht wahrgenommen
haben, mir damit aber sehr geholfen haben.
Aachen im Februar 2017,
Jens Münnix
Kurzzusammenfassung
Bei der Alterungsuntersuchung an kommerziellen Lithium–Ionen–Batterien zeigen sich bei speziellen Test-
konditionen, die einer realistischen Nutzung entsprechen, unerwartet hohe Degradation. So scheinen be-
stimmte Ladezustände und Bereiche der Nutzung die Zellen stärker zu belasten, als eine vollständige Nut-
zung zwischen den Betriebsgrenzen. Ein Beispiel dafür sind die systematischen Alterungsuntersuchungen
an kommerziellen Rundzellen im BMBF Projekt ePerformance(I).
Bei Berücksichtigung der eingesetzten Materialien fällt auf, dass bei einigen Testbedingungen das Graphit,
das in der Zelle als Anodenmaterial eingesetzt wird, einen Phasenübergang hat, und somit die Alterung
verursachenkönnte.DerPhasenübergangverursachteineVolumenänderungimMaterial.AusdiesemGrund
wird in dieser Arbeit der Einfluss von Stromstärke und Zyklentiefe auf graphitische Anoden untersucht.
Für die Untersuchungen werden verschiedene industriell gefertigte Zellen, die teils kommerziell verfügbar
sindundteilsPrototypensind,mitverschiedenenZellzusammensetzungenuntersucht.DieBatterienunter-
schiedlicher Bauform und Kapazität werden in beschleunigten Alterungstests systematisch gealtert, bevor
sie in der Post–Mortem–Analyse zerlegt und ihre Komponenten auf Alterungserscheinungen untersucht
werden. Eine beschleunigte Alterung wird durchgeführt, um die dominanten Alterungseffekte auszulösen
und die Testzeit im Rahmen zu halten.
EinebreitbandigeAnalytikderBatteriekomponenten,wiesiehierfürMassentestsanmittelformatigenZel-
len angewendet wird, wurde in der Literatur bisher noch nicht beschrieben. Die Herausforderung dabei ist
die Adaption der Methodiken auf die gewünschte Fragestellung unter Berücksichtigung einer minimalen
Probenmenge. Bei einer breitbandigen Post–Mortem–Analyse können die Proben nicht unter für eine be-
stimmteMethodikoptimalenBedingungenentnommenwerden,dadiesemeisteineUntersuchungmiteiner
anderen Methodik behindert. Hinzu kommt die Batchverarbeitung der Proben, da in den Massentests sehr
viele Zellen untersucht werden. Diese Anforderungen werden mit der Inbetriebnahme eines Post–Mortem–
Laborsundderdamitverbundenenneu-undweiterentwicklungvonanalytischenMethodenberücksichtigt.
Mit dem Fokus auf die Graphite der Anoden werden diese zuerst optisch analysiert und im Anschluss
die Oberfläche mittels Ramanspektroskopie auf strukturelle Änderungen untersucht. Die volumetrische
Strukturaufklärung der Proben erfolgt mittels Röntgendiffraktometrie (XRD).
Eine weitere Komponente, die bei dieser Fragestellung untersucht werden muss, ist der Elektrolyt, da er
in Kombination mit dem Graphit die kritischste Einheit in Bezug auf Stabilität in der Lithium–Ionen–
Batterie bildet. Die Komponenten des Elektrolyten sowie dessen Beimischungen und Alterungsprodukte
werden mittels Gaschromatographie bestimmt.
Ziel der Arbeit ist es, zu prüfen, ob es einen Zusammenhang zwischen Stromstärke und Zyklentiefe auf die
Alterung einer Batterie in Form einer erhöhten Degradation der Struktur des anodischen Graphits gibt.
MitdemWissendarumkönnenbessereBetriebsstrategienfürdieNutzungderBatterienabgeleitetwerden.
Die Ergebnisse zeigen keine strukturellen Änderungen am Aktivmaterial, dafür aber einen Effekt an der
Grenze zwischen Anode und Elektrolyt, der die Leistungsfähigkeit der Zelle beschränkt.
(I)Förderkennung13N10656
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Motivation 1
2 Grundlagen und Materialien für Lithium–Ionen–Batterien 4
2.1 Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.2 Lithium–Ionen–Batterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.2.1 Negative Elektrode – Anode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2.2 Positive Elektrode – Kathode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.2.3 Separator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.2.4 Elektrolyt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.2.5 Bauformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3 Kohlenstoffe und ihre Alterungsmechanismen in Batterien 24
3.1 Kohlenstoffe, Graphite und ihr Einsatz in Batterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
3.1.1 Arten und Klassifizierung von Kohlenstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3.1.2 Klassifizierung von Kohlenstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3.1.3 Produktion von Kohlenstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.1.4 Häufige genutzte Kohlenstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.1.5 Strukturen und Parameter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.1.6 Interkalation und Phasenübergänge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.2 Alterungsmechanismen in Lithium–Ionen–Batterien mit graphitischen Anoden. . . . . . . . 37
3.2.1 Alterungsmechanismen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.2.2 Solid Electrolyte Interphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.2.3 Veränderungen im Elektrolyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.2.4 Änderungen an Elektrode und Elektrolyt Interphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
3.2.5 Veränderungen im Aktivmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.2.6 Veränderungen in den Elektrodenmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4 Analyse und Charakterisierung 48
4.1 Untersuchte Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
4.1.1 LFP/C – OMT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
4.1.2 NMC/C I – Kokam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
4.1.3 NMC/C II – MEET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
4.1.4 NMC/C III – EIG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.1.5 NMC/C IV – Sanyo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.1.6 Kurzübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.2 Systematische Zellalterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.3 Post-Mortem-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.3.1 Deassemblierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
iii
Inhaltsverzeichnis iv
4.3.2 Elektrolytbestimmung mittels GC–MS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.3.3 Optische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.3.4 Ramanspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.3.5 Röntgendiffraktometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
5 Ergebnisse und Diskussion 84
5.1 Zellalterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.2 Elektrolytuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.3 Optische Bewertung und Lasermikroskopie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
5.4 Ramanspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5.5 Röntgendiffraktometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
6 Zusammenfassung zu Methoden der Post–Mortem–Analysen an Kohlenstoffanoden 121
6.1 Elektrolyte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
6.2 Optische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
6.3 Ramanspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
6.4 Röntgendiffraktometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
7 Einfluss von Stromstärke und Zyklentiefe auf strukturelle Änderungen graphitischer Anoden
während der Alterung 127
7.1 Zellalterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
7.2 Strukturelle Änderungen graphitischer Anoden während der Alterung . . . . . . . . . . . . 128
Abkürzungsverzeichnis 130
Literaturverzeichnis 135
A Anhang 150
A.1 Zellalterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
A.1.1 Elektrochemie und Halbzellenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
A.2 Deassemblierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
A.3 Elektrolytuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
A.4 Optische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
A.5 Ramanspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
A.6 Röntgendiffraktometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Aachener Beiträge des ISEA 166
1 Einleitung und Motivation
In den letzten 20 Jahren ist die technische Entwicklung in Kommunikation und Mobilität stark vorange-
schritten. Dabei wurden die Geräte immer kleiner und leistungsfähiger, so dass ein heutiges Mobiltelefon
mehr Rechenleistung beinhaltet als ein Personal Computer vor 10 Jahren. Mit dieser fortschreitenden
Entwicklung und dem massiven Trend zur Mobilisierung von Geräten sind die Anforderungen an einen
Energiespeicher, der heute in portablen Anwendungen fast immer eine Lithium–Ionen–Batterie ist, stark
gestiegen. Besonders auffällig sind die Wünsche nach einer längeren Laufzeit, so dass das Nachladen des
Smartphones nicht zur täglichen Routine gehören muss. Dies gilt im Endeffekt für alle Produkte aus den
Bereichen Consumer, Communication und Computer, zusammengefasst als 3C.
Hinzu kommt im Zuge der Energiewende, zumindest in Deutschland, dass die Elektromobilität stark for-
ciert wird um den Gesamtausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und somit den industriell induzierten
Klimawandel zu begrenzen [203]. Diese oder ähnliche Bestrebungen gibt es auch in anderen Ländern, so
dass es mehrere Hersteller von Elektrofahrzeugen (Battery Electric Vehicle, BEV), und hybriden Elektro-
fahrzeugen ((Plugin) Hybrid Electric Vehicle, PHEV und HEV) gibt, die eine elektrische Antriebseinheit
mit einer Batterie als Energiespeicher besitzen oder als zusätzliche Einheit neben einem konventionellen
Antriebsstrang haben. Dadurch lassen sich schädliche Emissionen auf den Stromerzeugungsort zentralisie-
ren oder auch vollständig verhindern, wenn der Strom aus erneuerbarer Energie erzeugt wird. Zusätzlich
sinktdadurchdieStaubbelastunginBallungszentren,sodassdieBildungvonSmogreduziertwerdenkann
[48].
Auch hier sind die Anforderungen an eine Batterie sehr breit, da ein solches Fahrzeug eine Reichweite
zwischen 100 und 500km und gleichzeitig den gleichen Fahrkomfort und Verhalten wie ein konventionelles
Fahrzeug haben soll. Neben der Energiedichte wird hier ein größerer Fokus auf eine hohe Lebensdauer der
Batteriegelegt,dasieeinengroßenKostenanteildesFahrzeugsausmachtundimIdealfallüberdiegesamte
Nutzungsdauer des Autos halten sollte. Zusätzlich sind Sicherheitsaspekte deutlich stärker im Fokus, da
eine Traktionsbatterie eine große Menge Energie beherbergt, die im Falle eines Unfalls freigesetzt werden
kann.
Der dritte Bereich in dem verstärkt Batterien eingesetzt werden ist die stationäre Speicherung von Energie
zum Ausgleich der Volatilität von erneuerbaren Energien, aber auch zur Regelung und Stabilisierung des
Stromnetzes durch die zunehmend dezentrale Energieerzeugung [53, 187]. Diese Anlagen liegen in einer
GrößenordnungzwischeneinigenwenigenkWh inHaushaltenbiszumehrerenMWh inGroßspeichern.Die
hoheZyklenzahlendurchdieNutzungistfürdiemeistenBatteriendiegrößteHerausforderungnebeneiner
Lebensdauer von 10 bis 20 Jahren. Für alle drei Anwendungsgebiete gilt aus ökonomischer Sicht, dass die
Systeme und damit auch die Batterien so günstig wie möglich sein sollten, damit ein rentables Produkt
angeboten werden kann.
Da alle Batterien altern, das heißt über die Zeit oder auch ihre Nutzung Kapazität verlieren, stellt sich
die Frage nach der optimalen Batterie für ein System, mit der die benötigte Leistung abgerufen werden
kann und die Alterung unter den gegebenen Anforderungen derart berücksichtigt ist, dass die gewünschte
Lebensdauer des Produkts erreicht wird.
1
1 Einleitung und Motivation 2
An dieser Stelle gibt es eine Lücke zwischen den Materialentwicklern und den Batterieherstellern, da sie
beide unterschiedliche Herangehensweisen haben. Von Seiten der Materialentwicklung werden Materialien
mit möglichst hohen Energiedichten entwickelt und deren Alterungseffekte unter bestimmten Bedingungen
charakterisiert. Diese Untersuchungen werden meist an Laborzellen oder Technikumszellen durchgeführt.
EinSystementwicklerstelltfüreinebestimmteAnwendungZellenzueinemModulzusammenundbautaus
diesen eine gesamte Batterie, die von den Leistungsdaten dem Geforderten entspricht, kennt aber meistens
nichtdiespezifischenEigenheitenderinderZelleverbautenMaterialien,sodassnichtdasoptimaleSystem
gebaut wird.
Auf Zellebene haben neben den eingesetzten Materialien auch die Bauform, die Gehäusetemperatur und
dieProduktionsprozesseeinenEinflussaufdieLebensdauer.AusdiesemGrundmüssenbeschleunigteAlte-
rungsuntersuchungen nicht nur an Technikumsmaterialien, sondern auch an Großserienprodukten durchge-
führt werden. Diese sollten aufgrund ihrer Reproduzierbarkeit die primären Alterungseffekte in dieser Zelle
aufzeigen können.
Die beschleunigten Tests sind notwendig, da viele Zellen sehr viele Zyklen absolvieren können, bevor sie
für die meisten Anwendungen nicht mehr nutzbar sind. Durch erhöhte Temperaturen laufen viele chemi-
sche Prozesse, zu denen Alterungseffekte gehören, gemäß des Arrhenius Gesetzes deutlich schneller ab und
beschleunigen so die Alterung. Im Kontrast dazu gibt es Alterungseffekte wie beispielsweise das Lithium-
Plating, die mit zunehmender Temperatur eine abnehmende Geschwindigkeit der Alterung aufweisen. So
müssen bei beschleunigten Alterungstests die Anwendungsbedingungen der Zelle berücksichtigt werden.
Darauf basierend können die dominanten Alterungseffekte ausgelöst werden und im Anschluss qualifiziert
und quantifiziert werden. Dies geschieht entweder mittels nicht–destruktiven Methoden oder destruktiven
Methoden. Aus den gewonnenen Daten können Prognosen über das Alterungsverhalten unter anwendungs-
spezifischen Bedingungen getroffen werden.
InverschiedenenUntersuchungenankleinenkommerziellenZellenfürden3CBereichkonntenunterschied-
liche Alterungsverhalten in Abhängigkeit des Ladezustandes und der Nutzungstiefe ausgemacht werden
[40, 43, 105, 119, 169, 208, 229]. Dabei wurde das Graphit, ein Aktivmaterial, das in der Batterie auf der
negativen Elektrode genutzt wird, als Ursache für dieses Verhalten verdächtigt. Da bei rein elektrischen
Alterungsuntersuchungen an Batterien verschiedene Effekte nachgewiesen werden konnten, stellt sich die
FrageinwieweitdieNutzungsbedingungenderZelleeinenEinflussaufdasAlterungsverhaltendesGraphits
haben.
Dies ist insofern interessant, weil, wenn es einen Einfluss gäbe, dieses Wissen in die Betriebsstrategie
einer Batterie mit einfließen kann, um die geforderten Leistungsdaten mit aktueller Technik bedienen zu
können. Mit dem Wissen um diesen Einfluss können entweder technische Lösungen, z.B. in Form von
AuslegungenderZelle,gefundenwerdenoderaberdieBetriebsführungderBatteriebeeinflusstwerden,um
die Anforderungen zu bedienen.
In dieser Arbeit werden verschiedene kommerzielle Zellen systematisch gealtert und im Anschluss daran
demontiert,umdieeinzelnenKomponentenaufihreVeränderungenzuuntersuchen.VielederDaten,sowie
die Zellen selber, stammen aus verschiedenen öffentlichen Projekten. Dies sind namentlich das EU Pro-
jekt „Batteries2020“ (Förderkennung 608936), das BMBF Projekt „MEET HiEnd“ (03X4634B) sowie das
ZIEL2 Projekt „ProLiBat“ (EM-1041F), die mit verschiedenen anderen Forschungseinrichtungen am ISEA
durchgeführt wurden.
Zentrales Ziel der Arbeit ist es neben der Untersuchung von Anodenalterungseffekten auch, Verfahren und
Prozeduren für die Post–Mortem–Analyse zu entwickeln, die für die systematische Alterungsuntersuchung
1 Einleitung und Motivation 3
notwendig sind. Im Rahmen der Dissertation wurde ein neues Labor für Post–Mortem–Analysen in Be-
trieb genommen und die verschiedenen Vorgehensweisen und Prozeduren zur Gewinnung von Proben und
der Anwendung verschiedener quantitativer Analysemethoden neu- und weiterentwickelt. In dieser Arbeit
werden daher auch die Verfahren und Prozeduren immer wieder detailliert erläutert und ihre Stärken und
Schwächen dokumentiert.
Im zweiten Kapitel werden die relevanten Begriffe und Termini im Kontext von Lithium–Ionen–Batterien
definiert und erklärt. Im Anschluss wird in Abschnitt 2.2 die Funktionsweise einer Lithium–Ionen–Batterie
erläutert. Die Abschnitte 2.2.1 bis 2.2.5 beinhalten die einzelnen Komponenten und die jeweiligen Interak-
tionen mit den anderen Materialien werden diskutiert.
Das folgende Kapitel 3 beschreibt in Unterkapitel 3.1 die in Batterien eingesetzten Graphite und in den
Abschnitten 3.1.1 bis 3.1.5 ihre Synthese bis zu ihren eingestellten Eigenschaften. Anschließend werden
die Effekte bei der Einlagerung von Lithium in Graphit und ab Abschnitt 3.1.6 die daraus resultierenden
Änderungen ihrer Eigenschaften vorgestellt.
Zum Abschluss werden in Kapitel 3.2 die Alterungseffekte an Lithium–Ionen–Batterien erörtert um eine
Übersicht der möglichen Veränderungen an den Materialien zu geben.
InKapitel4werdendiesystematischeAlterungandenZellenunddieZellenselbstmitihrenEigenschaften
vorgestellt. Da äußerlich nur die elektrischen Daten aufgenommen werden können, werden die Zellen bei
Erreichen des Testendes demontiert und die Komponenten mit verschiedenen Methoden analysiert. Diese
Methoden mit ihren Möglichkeiten werden mit den entsprechenden Messeinstellungen an den Geräten
vorgestellt.
Die Messergebnisse aus den Untersuchungen aus Kapitel 4 werden in Kapitel 5 erörtert und miteinander
verglichen.
In Kapitel 6 finden sich die Zusammenfassung der Erkenntnisse der einzelnen Methoden und ein Ausblick
auf mögliche weitere Messmethoden und Ansätze für weitergehende Arbeiten.
Description:LiCo1–xNixO2 (Lithium Nickel Kobalt Oxid (LiCo1–xNixO2, NCO)) (mit x=0,4), wie die Metallgehaltsbe NMP ein Artefakt aus der Probennahme ist.