Table Of ContentLili Fehrle-Burger
Die Welt der Oper
in den Schloßgärten
von
Heidelberg
und
Schwetzingen
Fotografische Gestaltung
Robert Häusser
Springer-Verlag Berlin Beideiberg GmbH
Titelbild und S. 89: "L'embarquement pour Cythere" ("Die Ein
schiffung nach Kythera"). Gemälde von Antoine Watteau, 1718
(Staat!. Sammlungen Berlin). Foto von Jörg P. Anders, Berlin, mit
freundlicher Genehmigung der Staatlichen Schlösser und Gärten,
Schloß Charlottenburg, Berlin.
Bildnachweis
S. 26 Landesbibliothek Darmstadt; S. 28 aus: Richard Benz, Hei
delberg-Schicksal und Geist. Jan Thorbecke Verlag, Konstanz
1961, Bild 36; S. 38, 41, 42, 43, 44, 45 aus den im Literaturver
zeichnis angegebenen Werken von Salomon de Caus. Universi
tätsbibliothek Heidelberg; S. 55 aus: Bugen Fehrle, Deutsche Fe
ste und Jahresbräuche. B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1936,
Bild 5; S. 57 aus: Joseph Gregor, Kulturgeschichte des Balletts.
Gallus Verlag, Wien 1944, Bild 35; S. 59 aus: Marie Luise Becker,
Der Tanz. Verlag Hermann Seemann Nachf., Leipzig 1902, Bild
54; S. 73, 79, 112 Kurpfälzisches Museum Heidelberg; S. 77 Uni
versitätsbibliothek Heidelberg
Alle anderen Fotos von Robert Häusser, Mannheim, mit freund
licher Genehmigung der Schloßverwaltung Schwetzingen
Zahlreiche Statuen im Schwetzinger Schloßgarten wurden durch
Kopien von Hans V. Dursy, Ladenburg, ersetzt. Die Originale be
finden sich im südlichen Zirkelbau.
© 1977 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag 1977
Softcoverreprint ofthe hardcoverIst edition 1977
ISBN 978-3-7650-9011-0
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Fehrle-Burger, Lili
Die Welt der Oper in den Schloßgärten von Heidelberg und
Schwetzingen I Lili Fehrle-Burger, Fotogr. von Robert Häusser.-
1. Auf!.·-Karlsruhe: Braun, 1977.
ISBN 978-3-7650-9011-0 ISBN 978-3-662-24613-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-24613-9
NE: Häusser, Robert
Inhaltsübersicht
Der Schwetzinger Schloßgarten einst und jetzt 9 Sommerresidenz Sch wetzingen 90
Das alte Schwetzingen 16 Der Park als Festoper im Freien 92
Das Sonnenfürstentum der Wittelsbacher 19 Das Schwetzinger Schloß 94
Der Heidelberger Hortus Palatinus 28 Die Schloßterrasse 96
Das automatische Spielwerk der Heidelberger Die vier Weltzeitalter 98
Grotten bühnen 37 Das Kreisparterre 99
Opernmotive der Heidelberger Grotten und Arion als Leitmotiv des Schloßparks 102
Brunnen 39
Das Hirschbassin als tragisches Gegenmotiv
Der Einfluß traditioneller Tanzformen auf die zum Arion-Brunnen 104
Parkgestaltung 50
Die vier Elemente 108
Der höfische Tanz des Sonnenkönigs 56
Die Flußgötter 113
Musik und Tanz in den kurpfälzischen
Darstellung der "Jahreszeiten" 116
Residenzen 59
Das Parkmotiv der Galatea 119
Mozart in Schwetzingen 68
Der musikalische Wettstreit zwischen Apollo
"Der Jäger aus Kurpfalz" 73
und Pan 124
Kurpfälzische Maskeraden und Festspiele 74
Der Apollo-Tempel im Naturtheater 131
Aufführungen im Naturtheater 80
Das Badhaus 135
Theaterereignisse im Rokokotheater 83
Das Elysium am "Ende der Welt" 143
Voltaire in Schwetzingen 85
Der Englische Garten als Ausdruck eines
neuen Menschentums 148
Auf Caesars und Cleopatras Spuren 150
Die Göttin der Botanik im Baumtempel
der lsis 152
Am Schwanenteich 154
Der Merkur-Tempel, ein arkadisches Motiv 156
Die türkische Moschee 158
Im Minerva-Hain 163
Literatur 167
V01wort
Die Welt der Oper im Zeitalter des wiederauflebenden des Schlosses durch, aber die von Liselottes Vater
Sonnenkönigtums der Antike wird in diesem Buch noch bevorzugte handfeste Dramatik barocker
im Rahmen der kurpfälzischen Fürstengeschichte stu Tragödien und Komödien war bereits mit den für
fenweise als künstlerische Quelle der Gestaltung des die Oper charakteristischen tänzerischen Zwischen
einstigen Heidelberger Schloßgartens (1 613-1620) spielen verknüpft, die Katharina von Medici von Flo
und des Schwetzinger Schloßparks (1749-1779) veran renz aus, dem Geburtsort der Oper, im 16. Jahrhun
schaulicht. dert mit ihrem Tanzmeister Baltazarini, dem späteren
Der von Salomon de Caus inszenierte Heidelberger Beaujoyeux, am französischen Königshof eingeflihrt
Festzug zum Empfang der englischen Königstochter hatte. Unter seiner Regie entfalteten sich die galanten
Elisabeth Stuart im Juni 1613 stellt die mythologische Feste der Hofbühne unter freiem Himmel zu jenen
Phantasiewelt vor, der die unmittelbar danach begon abwechslungsreich gestalteten Tanzchören und deko
nenen Entwürfe zur figürlichen Ausschmückung des rativen Massenszenen, nach deren rhythmischen
Heidelberger Schloßgartens entsprangen. Sie boten Grundformen der theaterkundige Gartenarchitekt
später wesentliche Anregungen zur Ausgestaltung des LenOtre den Schloßgarten von Versailles entwarf und
Schwetzinger Schloßparks, dem der Hauptteil des Bu dabei durch Anwendung perspektivischer Bühnenef
ches gewidmet ist. Hier haben Brunnenstatuen und fekte eine malerische Gesamtwirkung erzielte, die flir
Figurengruppen in Carl Theodors choreographisch die europäische Gartenkunst vorbildlich wurde.
komponierter Gartenanlage als steinerne Zeugen das Da es sich bei dem Schwetzinger Schloßpark und
mythische Zauberreich der Opernbühne überdauert. dem mythologisch darin nachwirkenden Hortus Pala
Der nur in seinen Fundamenten erhaltene Heidelber tinus um hervorragende Modellfälle europäischer
ger Terrassengarten wurde von 1619 bis 1689 noch Gartenkunst handelt, beschränkt sich das Buch nicht
von dem monumentalen Theatersaal auf dem Dicken aufihre lokalgeschichtliche Bedeutung, sondern schil
Turm überragt, worin Kurflirst Carl Ludwig, der Va dert sie in ihrem geschichtlichen Zusammenhang als
ter der Pfälzer Liselotte, nach · dem Dreißigjähri Kristallisationspunkte glanzvoller Epochen der musi
gen Krieg im Laufe von drei Jahrzehnten eine dem schen Hofkultur des Abendlandes. Denn im 18. Jahr
Wiener Burgtheater vergleichbare Schauspieltradi hundert, als auf der europäischen Opernbühne das
tion begründete. In Erinnerung an die stattliche Hof statuenhafte Pathos durch das klassische Seelendrama
bühne klagte Liselotte, in ihrer Trauer um das zerstör verinnerlicht wurde, bildete die Schloßallee in Schwet
te Heidelberger Schloß: "Nun der dicke thurn nicht zingen die philosophische Promenade einer Elite von
mehr zu Heydelberg leyder ist, kan ich mir nicht Dirigenten, Komponisten, Musikern, Tänzern, Schau
einbilden, wo man das opera spillen wird ..." (12. spielern und Dichtern, die in regem Gedankenaus
Oktober 1702). tausch mit Carl Theodor den Weltruhm seiner Resi
Zwar setzte sich am kurpfälzischen Hof die Oper denz begründeten. Aus dem glückhaften Zusammen
großen Stils erst im letzten Jahrzehnt vor dem Brand wirken von Künstlern wurde dort eine einzigartige
Tradition ins Leben gerufen, deren Ausstrahlung bis rischen Rückblicken zugleich als ge1st1g vertiefter
in die Gegenwart hinein ihre Faszination nicht verlo Führer durch das mythologisch in sich vollendete
ren hat. Kunstwerk des Parks, in dem immer noch der Son
Ein "Rundgang" veranschaulicht anschließend durch nenuntergang eines von der Antike lebendig durchpul
Hinführung zu denzahlreichen Figuren, Tempeln und sten Zeitalters nachleuchtet
Brunnen die künstlerische Eigenart des Gartens und Robert Häusser hat für dieses Buch mit feinem künst
seinen inneren Bezug zu der Welt der Oper und des lerischem Einfühlungsvermögen in dessen Betrach
Tanzes. Er dient neben den geschichtlichen und Iitera- tungsweise die fotografische Gestaltung übernommen.
Dr. Lili Fehrle-Burger
Der Schwetzinger Schloßgarten bildet die klar ausgesprochene Gleichsetzung des
französischen Sonnenkönigs mit Apollo den beherr
einst und jetzt
schenden Mittelpunkt der Parkanlage. Sein Mythos
bleibt jedoch auf die persönliche Glorifikation des
Immer noch eröffnen a:uf der erhöhten Schwetzinger Königs beschränkt und dient noch nicht, wie in
Schloßterrasse die vier monumentalen Barockvasen, Schwetzingen, einer mit dem Naturrahmen verwobe
die einst der leitende Gartenarchitekt Pigage als die nen Versinnbildlichung des Lebensmysteriums. In
"vier Weltzeitalter" bezeichnet hat, das kosmologische Versailles wird auch noch kein sinnfälliger. Zusam
Welttheater der Parkanlage, das die Steinfiguren von menhang der dargestellten Sonnenmythen mit einem
Göttern, Helden, Frauen und Naturgeistern darin gedanklich vertieften Erlebnis des Naturgeschehens
repräsentieren. sichtbar. Vielmehr wird der Tageslauf des Sonnengot
Carl Theodor, der fürstliche Auftraggeber, würde je tes, der repräsentativen Hauptgestalt des Parks, nur
doch heute staunend vor der Verwandlungskunst der durch ergänzend hinzugefügte Szenenbilder illustriert,
Natur stehen. Nachdem sie im Laufe von zwei Jahr wie beispielsweise die Tränkung der Sonnenrosse vor
hunderten die figürlichen Motive in sich aufgenom ihrem stürmischen Aufbruch oder die erheiternde Er
men und ihre eigene Poesie hineinverwoben hat, be quickung des ermüdet heimgekehrten Sonnengottes
darf es einer Rekonstruktion des teilweise nicht mehr durch die Nymphen im Bad seiner göttlichen Schwe
klar überschaubaren Sinnzusammenhangs. Dagegen ster Diana.
sind die Hauptmotive auf der Schloßallee, Arion als Pigage und Sckell haben dagegen das sonnenmythi
Stellvertreter des wiedergeborenen Sonnengottes, in sche Hauptthema der Schwetzinger Schloßallee nach
der Mitte der großen "Weltenuhr" auf dem Delphin musikalisch erprobten Gesetzen zu einer fortlaufen
reitend, und dahinter der leidende und sterbende Son den Schicksalsmelodie ausgestaltet, so daß man vom
nengott in Hirschgestalt, in ihrer mythologischen Rei hell aufjubelnden Dur des Arion-Motivs nach der
henfolge um so dramatischer in Erscheinung getreten. tragischen Wende, die mit dem expressiven Hirschthe
Rings um Arions Lichtkreis ballen sich die Linden ma einsetzt, unter den hohen Bäumen in das Helldun
zu dunklen, dichten Laubmassen zusammen, vor de kel einer weichmalenden Molltonart hinüberwandelt
nen sich am waldartigen Westrand die weißen Riesen Auf Grund der Erkenntnisse, die der junge Sckell
leiber der beiden wasserspeienden Hirsche mit ihren vorher in den englischen Schloßgärten gewinnen
zurückgebogenen herrlichen Geweihen aufbäumen. konnte, bestand dabei seine geniale Leistung in der
Wenn man dahinter im Schatten der hohen Bäume planmäßigen Einbeziehung des weit über seine Zeit
an den sinnenden Liegefiguren der vier Elemente und hinaus vorausgeschauten Wachstums der Natur.
der beiden Flußgötter vorbei bis zu der malerischen Nicht eingeplant war allerdings in Schwetzingen die
Ruinenromantik am Schwanenteich weiterwandelt, romantische Verschleierung der einstigen Kunstgriffe,
gewinnt man unwillkürlich den Eindruck, als ob in durch die die optische Verschmelzung der 1765 vollen
dieser Reihenfolge der Parkmotive der Sonnenunter deten "Weltenuhr" des Kreisparterres mit dem zwi
gang eines glorreichen Jahrhunderts gleichsam vor schen 1777 und 1778 ausgestalteten waldartigen West
programmiert worden sei. teil noch zur Zeit Carl Theodors die kompositorische
Ein Vergleich mit dem ein Jahrhundert früher begon Glanzleistung der Parkanlage zu werden versprach.
nenen Vorbild des Schwetzinger Schloßgartens, dem Die arkadische Heiterkeit des "goldenen Zeitalters"
Park von Versailles, verstärkt diesen Eindruck. Dort im Kreisparterre war damals noch nicht von den
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mächtig emporgewachsenen Linden überschattet, die liatti das Arboretum kultivierte, wurde seit 1761/62
man daher neuerdings etwas ausgelichtet hat, sondern in der prunkvollen Orangerie, einem noch viel größe
dort wölbte sich noch der strahlende Himmel über ren Treibhaus als im Heidelberger Schloßgarten, in
der Lebensfreude anmutig spielender Menschenkin reicher Fülle gezüchtet.
der, in deren Mitte Arions Gesang die Morgensonne In Arions sonnenhellem Lichtreich prangten, von den
begrüßt. Wandelgängen ringsum abgeschirmt, die Früchte der
Am Westrand des Kreisparterres zogen dagegen die Zitronen-, Pomeranzen- und Granatbäume in vene
dunklen Seitenwände der Lindenallee hinter der zianischer Farbenpracht, während das durchsichtige
Hirschgruppe den eingefangenen Blick mit beschleu Blau des Himmels über dem großen Kreis der Wan
nigter Intensität in die Tiefe, bis er sich am hellen del-und Laubengänge wie eine Kuppel zu schweben
Horizont in unendlicher Ferne verlor. Diese künstle schien.
risch einzigartig geglückte Auflösung eines kreisför Die klassisch ausgewogene Schönheit des griechischen
mig in sich geschlossenen Raumbildes in den grenzen Choros und der ihm nachgeformten Rundtempellebt
losen Freiraum der Natur hat mittlerweile ihre kon in diesem luftigen Pantheon ebenso fort wie in Palla
trastreiche Wechselwirkung weitgehend eingebüßt. dios Teatro Olimpico in Vicenza, dem ersten monu
Zu der Veränderung des ursprünglichen Gesamtbildes mentalen Theaterbau Europas, von dem auch das
zugunsten eines waldreichen Charakters trug vor al Rundtheater auf dem Dicken Turm des Heidelberger
lem Gartenbaudirektor J ohann Michael Zeyher durch Schlosses beeinflußt war.
seine Renovierung des Schloßgartens 1804-1843 bei. An palladieske Bauformen knüpften auch die Baumei
Unter dem Einfluß der romantischen Stimmungs ster der Schwetzinger Zirkelhäuser und des Badhauses
kunst warer bestrebt, durch Vermehrung der einhei an. Schon Bernini hatte bei der Ausgestaltung des
mischen Pflanzenwelt und ihres weichen, laubwech Petersplatzes Palladios architektonische Gliederung
selnden Baumwuchses eine harmonische Angleichung des Gartens der Villa Meledo zum Vorbild genom
an die deutsche Waldlandschaft zu erreichen. Die men, als er durch die Übernahme der dort halbkreis
Naturpoesie seines Freundes, des alemannischen förmig ins Freie führenden Wandelgänge gleichsam
Dichters Johann Peter Hebel, dem nach seinem Tod die traditionelle Form eines Eröffnungsreigens auf
1826 nahe dem Park ein Grabdenkmal gesetzt wurde, ein monumental gestaltetes Raumbild übertrug. Aber
hatte ihn darin noch bestärkt. Mit der einheimischen noch nicht in den gigantischen Proportionen des römi
Flora wurde auch der herrliche Fliederschmuck mit schen Petersplatzes und der davon beeinflußten_ba
seinen zarten Pastelltönen und seinem bezaubernden rocken Parkanlage von Versailles, sondern erst in
Duft hereingetragen, in dem man im Frühling den dem täm:erisch beschwingten Rokokogarten Schwet
Gesang der Nachtigallen zu atmen glaubt. zingens kehrte man wieder zu Palladios klassischem
In Carl Theodors sommerlichem Park überwogen Raumempfinden zurück.
dagegen noch die leuchtkräftigen Farbklänge der Die "Kavaliersperspektive",jener Standpunkt auf der
südöstlichen Heimat des Sonnengottes, mit denen Schloßterrasse, vor dem sich die überschaubare Gar
man sich über das rauhere Klima des Nordens ebenso tenanJage jenseits des Kreisparterres ausbreitete, er
hinwegtäuschen wollte wie über die sozialen Probleme zeugte in Schwetzingen nicht mehr das souveräne
des Alltags durch die Flucht in die klassische Phanta Pathos wie in Versailles. Vielmehr hat die harmonisie
siewelt der Oper. Die tropische Pflanzenwelt, für die rende Rückführung auf das epische Gleichmaß palla
Zeyher hinter dem schmiede.eisernen Tor von Raba- diesker Bauformen hier den Menschen wieder zur
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Der Schwetzinger Schloßgarten auf der Achse zwischen König
stuhl und Kaimit
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goldenen Mitte werden lassen. Das starre Gesetz einer
streng geregelten Subordination traditioneller Begleit
motive unter ein herrschendes Hauptmotiv wich
dabei, wie in der weltberühmten Mannheimer Musik
sch~le, immer mehr einer allseitig zunehmenden Ent
faltungsfreiheit persönlicher Impulse.
Die gleiche Wandlung vollzog sich in der bildenden
Kunst, in der Dichtung und, unter dem Einfluß von
Noverre, auch im Tanz. Die Künstler fühlten sich
nicht mehr als Untertanen, sondern auf ihrem Weg
von der Subordination zur Koordination als gemein
same Vorkämpfer eines demokratischen Zukunfts
ideals nach klassischem Vorbild, nicht ohne ein gleich
zeitiges Gefühl des wehmütigen Abschieds von einer
dem Untergang verfallenen Glanzepoche der absoluti
stischen Hofkultur. "Hier steht kein Mensch von der
Musik unter dem Kapellmeister, nicht einmal unter
dem Intendanten", erklärte 1778 der gebürtige Mann
beimer Christian Cannabich, einer der bedeutendsten
Musiker am kurpfälzischen Hof, dem konservativ er
zogenen jungen Mozart. Rousseaus Forderung "Zu
rück zur Natur" wurde hier auch in den erstmals
deutschsprachig aufgeführten Opern spielend erftillt.
Aber die Natur hatte damals noch nicht so weitgehend
vom Schwetzinger Schloßpark Besitz ergriffen.
Die fließenden Übergänge vom klassischen Götterbal
lett in die naturnachahmende Pastorale ließen überall
noch die planmäßig gestaltenden Kunstgriffe von
Meistern erkennen, die den Leitgedanken ihrer Kom
position ebensowenig aus den Augen verloren wie
ein Tänzer das choreographische Schema seiner
Bewegungsmotive, mit denen er sich den Bühnenraum
erobert.
So ließ damals der schlankeWuchs der jungen Linden,
die westlich vom Kreisparterre das gleichmäßige Wei
terschreiten des Hauptthemas akzentuierten, die seit
lichen Durchblicke auf die Begleitmotive der Bosketts
offen. Pan konnte daher noch auf der nordsüdlichen
Querachse des Parks, hinter dem Kreisparterre, über
die Lindenallee hinweg, mit Apollo einen musikali-
Schloßterrasse und nördlicher Zirkelbau
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