Table Of ContentAlle sieben Sekunden stirbt irgendwo auf unbekannte Sozialbewegungen schießen
der Welt ein Kind unter zehn Jahren an aus dem Boden. Sie kämpfen für eine men-
Hunger, 826 Millionen Menschen sind schenwürdige Welt. Die neue planetarische
permanent schwer unterernährt. Sie sind Zivilgesellschaft ist die Hoff nung der Völ-
Opfer einer Weltordnung, deren Gesetze ker.
nur noch dem grenzenlosen Profi t ver- Jean Ziegler, bis 1999 Nationalrat im
pfl ichtet sind. So das Fazit von Jean Zieg- Schweizer Parlament und derzeit Sonder-
ler in seinem Bericht aus dem Innern der berichterstatter der UN-Menschenrechts-
neuen Weltwirt schaft . Die Globalisierung kommission für das Recht auf Nahrung,
polarisiert die Weltgesellschaft : Den We- hat sich als Schrift steller, der unbequeme
nigen, die über nie gekannten ungeheuren Wahrheiten ans Licht der Öff entlichkeit
Reichtum verfügen, stehen die Millionen bringt, einen Namen gemacht. Seine eben-
Opfer von Hunger, Epidemien und zer- so unbestechlichen wie engagierten Bücher
störten Familien gegen über. Im Zentrum (z.B. »Die Schweiz wäscht weißer«; »Die
dieser mörderischen Ordnung agieren die Schweiz, das Gold und die Toten«; »Die
neuen Herrscher der Welt – die Beutejäger Barbaren kommen. Kapitalismus und or-
des glo ba lisierten Finanzkapitals, die Ba- ganisiertes Verbrechen«) haben immer
rone der transkonti nentalen Konzerne, die wieder heft ige Diskussionen ausgelöst und
Börsenspekulanten. Mit ihrem Tun zerstö- standen monatelang auf den Bestseller-
ren sie den Staat, ver wüsten die Natur und listen. Zuletzt ist von Jean Ziegler erschie-
entscheiden jeden Tag darüber, wer sterben nen: »Wie kommt der Hunger in die Welt?«
muss und wer leben darf. (2000).
In seiner Analyse demaskiert Ziegler
die Profi teure einer privatisierten Welt,
entlarvt ihre menschenverachtenden Me-
thoden und ihre schneidende Arroganz.
Scharf kritisiert er die Rolle von Weltbank,
Weltwährungs fonds und Welthandelsor-
ganisation bei der hemmungslosen Libe-
ralisierung von Waren, Dienstleistungen
und Arbeit. Menschenrech te, Staatensou-
veränität und Gemeinwesen bleiben auf
der Strecke. Die Folgen sind Firmenzu-
sammenbrüche, Korruptionsskan dale, Mas-
senarbeitslosigkeit und sich zuspit zende
gesellschaft liche Konfl ikte. Gegen die zy-
nische Ordnung der neuen Herrscher und
gegen ihre Doktrin von der »Selbstregulie-
rung« der Märkte regt sich Wi derstand.
Überall, auch in Deutschland. Neue, bislang
V. 050405
unverkäufl ich
Jean Ziegler
DIE NEUEN
HERRSCHER DER
WELT
und ihre globalen Widersacher
Aus dem Französischen
übertragen von Holger Fliessbach
C. Bertelsmann
Die Originalausgabe ist 2002 unter dem Titel
»Les nouveaux Maîtres du Monde et ceux qui leur résistent«
bei Fayard, Paris, erschienen.
3. Aufl age
© 2002 by Jean Ziegler © der deutschsprachigen Ausgabe 2003
by C. Bertelsmann Verlag, München,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH Um-
schlaggestaltung: Design Team München
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany
ISBN 3-570-00679-4
www.bertelsmann-verlag.de
Dieses Buch widme ich dem Gedenken an:
Carlo Giuliani aus Genua, Literaturstudent,
20 Jahre alt, von der Kugel eines
italienischen Carabiniere tödlich in den Kopf getroff en
am Samstag, dem. 21. Juli 2001, um 17.30 Uhr
auf der Piazza Gaetano-Alimonda,
als er gegen den G8-Gipfel
in seiner Heimatstadt demonstrierte;
Cornelius Koch, Flüchtlingspfarrer, und
Pierre Bourdieu, Philosoph,
aus der neuen planetarischen Zivilgesellschaft
zu früh verschwunden
JOHANNA:
Eines habe ich gelernt und weiß es für euch
Selber sterbend:
Was soll das heißen, es ist etwas in euch und
Kommt nicht nach außen! Was wißt ihr wissend
Was keine Folgen hat?
[…]
Schnell verschwindend aus dieser Welt ohne Frucht
Sage ich euch:
Sorgt doch, daß ihr die Welt verlassend
Nicht nur gut wart, sondern verlaßt
Eine gute Welt!
Bertolt brecht, Die heilige Johanna der Schlachthöfe
Inhalt
Vorwort: Die Weltgeschichte meiner Seele . . . . . . 9
TEIL I: DIE GLOBALISIERUNG – GESCHICHTE UND KONZEPTE
1. Eine Ökonomie des Archipels . . . . . . . . . . . 21
2. Das Imperium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3. Die Ideologie der Herrscher . . . . . . . . . . . . 61
TEIL II: DIE BEUTEJÄGER
1. Blutgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
2. Die Agonie des Staates . . . . . . . . . . . . . . . 117
3. Die Zerstörung der Menschen. . . . . . . . . . . 128
4. Die Verwüstung der Natur. . . . . . . . . . . . . 142
5. Die Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
6. Das Paradies der Piraten . . . . . . . . . . . . . 166
TEIL III: DIE-SÖLDLINGE
1. Die WTO als Kriegsmaschine . . . . . . . . . . . 177
2. Ein Pianist bei der Weltbank. . . . . . . . . . . . 203
3. Die Feuerteufel vom IWF .. . . . . . . . . . . . . 225
4. Unrentable Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
5. Die Arroganz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
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TEIL IV: DIE WELT DEMOKRATISIEREN
1. Die Hoff nung: die neue
planetarische Zivil gesellschaft . . . . . . . . . . 282
2. Das Prinzip Großmut . . . . . . . . . . . . . . . 289
3. Die Fronten des Widerstands . . . . . . . . . . . 305
4. Die Waff en des Kampfes . . . . . . . . . . . . . . 322
5. Boden und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
Statt eines Nachworts: Morgenröte. . . . . . . . . . . .358
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .373
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
Vorwort
Die Weltgeschichte meiner Seele
Der Tag versprach prachtvoll zu werden. Es war ein 3. August,
mor gens 6.15 Uhr. Die Boeing 747 der Sabena landete pünkt-
lich auf dem Flughafen Brüssel-Zaventem. Eine rote Sonne
stieg am Him mel empor. Während die Passagiere, noch den
Schlaf in den Augen, die Gangway zu den zwei Bussen hin-
abstiegen, inspizierte ein Kon trolleur in weißem Overall die
Maschine.
Aus dem linken Fahrgestellkasten ragten drei Finger ei-
ner Hand hervor, verkrallt in den Rand der Abschottung.
Der Kontrolleur trat näher und entdeckte in dem Fahrge-
stellkasten die Leichen von zwei Jugendlichen, schwarz,
feingliedrig, ausgedörrt, die Gesichts züge von Entsetzen
verzerrt. Es handelte sich um zwei Guineaner, Fodé Touré
Keita und Alacine Keita, im Alter von 15 beziehungs weise
14 Jahren. Bekleidet waren sie mit einfachen Shorts, Hemd
und Sandalen.
Hinter dem Fahrwerkkasten einer Boeing 747 verbergen
sich 16 mächtige Laufräder. Das Abteil ist weiträumig und
zwei Meter hoch. Die Luke ist nur vom Cockpit her zu öff nen,
aber solange das Flugzeug auf dem Rollfeld steht, kann jeder,
dem es gelingt, sich mit dem Wartungspersonal einzuschlei-
chen, durch die Luke ins Innere des Fahrwerks klettern.
Bei Erreichen der Reisegeschwindigkeit fl iegt eine Boeing
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747 in rund 11 000 Meter Höhe; die Außentemperatur beträgt
hier oben mindestens minus 50° Celsius.
Die zwei Jugendlichen waren wahrscheinlich bei der
Zwischenl andung in Conakry in den Fahrwerkkasten ge-
klettert.
In der Hemdtasche von Fodé fand der Kontrolleur ein
sorgfältig gefaltetes Stück Papier, auf dem in ungelenker
Schrift stand: »Und wenn ihr seht, dass wir uns geopfert
haben und unser Leben aufs Spiel setzen, dann darum, weil
wir in Afrika zu sehr leiden und weil wir euch brauchen, um
gegen die Armut zu kämpfen und dem Krieg in Afrika ein
Ende zu machen. Trotzdem wollen wir studier en, und wir
bitten euch, uns dabei zu helfen, damit wir in Afrika so sein
können, wie ihr seid …
Schließlich bitten wir euch inständig, uns zu vergeben,
dass wir es gewagt haben, diesen Brief gerade an euch zu
schreiben, die großen Herrschaft en, denen wir so viel Re-
spekt schulden. Vergesst aber nicht, dass ihr es seid, bei de-
nen wir uns für die Unzulänglichkeit unserer Kräft e zu be-
danken haben.«1
Zu Beginn des neuen Jahrtausends beherrschen die
transkontinen talen kapitalistischen Oligarchien die ganze
Welt. Ihre tägliche Praxis und ihr Rechtfertigungsdiskurs
stehen in radikalem Wider spruch zu den Interessen der
übergroßen Mehrheit der Erdbewohner.
Die Globalisierung führt zur forciert fortschreitenden
Ver schmelzung der nationalen Volkswirtschaft en, zu einem
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Description:Alle sieben Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. 826 Millionen Menschen sind permanent schwer unterern?hrt. Und dies auf einem Planeten, der vor Reichtum ?berquillt. Die neuen Herrscher der Welt - die Beutej?ger des globalisierten Finanzkapitals, die Barone der transkontinentalen Konzerne