Table Of ContentDie Bundestagswahl 2013
Karl-Rudolf Korte (Hrsg.)
Die Bundestagswahl
2013
Analysen der Wahl-, Parteien-,
Kommunikations- und
Regierungsforschung
Herausgeber
Univ.-Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte
NRW School of Governance
Institut für Politikwissenschaft
Universität Duisburg-Essen
Duisburg, Deutschland
Redaktion: Jan Schoofs M.A. (Leitung) und Jan Dinter B.A. (NRW School of Gover-
nance, Universität Duisburg-Essen)
ISBN 978-3-658-02914-2 ISBN 978-3-658-02915-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-02915-9
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Lektorat: Dr. Jan Treibel, Monika Mülhausen
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Inhalt
Karl-Rudolf Korte
Die Bundestagswahl 2013 – ein halber Machtwechsel:
Problemstellungen der Wahl-, Parteien- Kommunikations-
und Regierungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Teil I: Wahlforschung
Matthias Jung/Yvonne Schroth/Andrea Wolf
Wählerverhalten und Wahlergebnis:
Angela Merkels Sieg in der Mitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Gerd Strohmeier
Die Bundestagswahl 2013 unter dem reformierten Wahlsystem:
Vollausgleich der Überhangmandate, aber weniger
Erfolgswertgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Ossip Fürnberg
Stimmensplitting bei der Bundestagswahl 2013:
Beendet das neue Wahlsystem den Trend zu mehr Stimmensplitting ? . . . 79
Armin Schäfer/Sigrid Roßteutscher
Räumliche Unterschiede der Wahlbeteiligung
bei der Bundestagswahl 2013:
Die soziale Topografie der Nichtwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
6 Inhalt
Ulrich Rosar/Hanna Hoffmann
Einflüsse der Bewertung der Kanzler kandidaten Steinbrück
und Merkel auf die Wahlchancen ihrer Parteien bei der
Bundestagswahl 2013: War er der Falsche, war sie die Richtige ? . . . . . . 119
Teil II: Parteienforschung
Frank Decker
Zur Entwicklung des bundesdeutschen Parteiensystems
vor und nach der Bundestagswahl 2013:
Überwindung der koalitionspolitischen Segmentierung . . . . . . . . . . 143
Steffen Bender/Matthias Bianchi/Karina Hohl/Andreas Jüschke/
Jan Schoofs/Susanne Steitz
Die ideologisch-programmatischen Positionen
der Parteien bei der Bundestagswahl 2013:
Eine Analyse mit dem Duisburger-Wahl-Index (DWI) . . . . . . . . . . . . 165
Uwe Wagschal/Pascal König
Die Links-Rechts-Positionierung der Parteien
bei den Bundestagswahlen 2005 bis 2013:
Eine empirische Analyse anhand des Wahl-O-Mat . . . . . . . . . . . . . 185
Andreas Blätte
Die Stimmen der Migranten im Bundes tagswahlkampf 2013:
Wahlkampf in der Einwanderungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 211
Sebastian Bukow
Das innerparteiliche Kampagnen management
im Bundestagswahlkampf 2013: Angebotsbasierte Steuerung
als Antwort auf die parteiliche Stratarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
Hendrik Träger
Innerparteiliche Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse
zur Bundestagswahl 2013: Eine Urwahl, zwei Mitgliederentscheide
und neue Verfahren der Wahlprogrammerarbeitung . . . . . . . . . . . 269
Inhalt 7
Teil III: Kommunikationsforschung
Matthias Bianchi/Karl-Rudolf Korte
Die Wahlkommunikation zur Bundestagswahl 2013:
Perspektiven der Parteien- und Mediendemokratie . . . . . . . . . . . . 293
Bettina Westle/Christian Begemann/Astrid Rütter
Wahlprogrammatik und politische Berichterstattung:
Vermittlung politischer Themen und Issues durch Tageszeitungen . . . . . 317
Stephanie Geise/Klaus Kamps
Negative Campaigning auf Wahlplakaten:
Konstruktion, Operationalisierung, Wirkungspotentiale . . . . . . . . . . 343
Sebastian Jarzebski
Wahlkampf als Erzählung: Metaphern und Narrative im TV-Duell . . . . . 367
Andreas Elter/Andreas Köhler
Kollektiverzählungen und mythische Narrative in Politikerreden:
Angela Merkel und Peer Steinbrück im Wahlkampf 2013 . . . . . . . . . . 387
Kay Hinz
Wahlkampf auf Facebook und Twitter:
Einflussfaktoren auf die Informationsaktivität der Kandidaten
zur Bundestagswahl 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
Teil IV: Regierungsforschung
Daniela Kallinich/Frauke Schulz
Eine Regierungsbilanz der schwarz-gelben Koalition 2009 – 2013:
Erklärungsarmer Pragmatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
Eric Linhart/Susumu Shikano
Koalitionsbildung nach der Bundestagsw ahl 2013:
Parteien im Spannungsfeld zwischen Ämter-, Politik-
und Stimmenmotivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
8 Inhalt
Martin Florack
Regierungsbildung der Kernexekutive:
Institutionelle Transformationsprozesse der Regierungsorganisation
zur Herstellung kollektiver Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 485
Timo Grunden
Das Programm der Großen Koalition:
Eine Regierung der sozialstaatlichen Restauration ? . . . . . . . . . . . . 509
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529
Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
Die Bundestagswahl 2013 – ein halber
Machtwechsel: Problemstellungen
der Wahl-, Parteien- Kommunikations-
und Regierungsforschung
Karl-Rudolf Korte
Abstract Trotz ihrer an manchen Stellen historischen Einschnitte wird die Bundestags-
wahl 2013 in der Geschichte der Wahlforschung vermutlich keine signifikanten Spuren
hinterlassen. Angesichts der deutschen Stabilitätskultur, dem ausgeprägten Sicher-
heitskonservatismus und dem hohen Wohlfahrtsniveau erscheint die Große Koalition
im Rückblick als absolut verlässlich erwartbare Konstellation. » Sorgenvolle Zufrieden-
heit «, » entspannter Fatalismus « – in solchen Formulierungen kulminiert eine Form von
stabiler Ambivalenz, die sich durch Einstellungen, Wahlabsichten, Entscheidungen und
Verhandlungen von Akteuren zieht. In sechs Aspekten lassen sich markante Befunde
aus Sicht der Wahl-, Parteien- Kommunikations- und Regierungsforschung struktu-
rieren.
1 Die Bundestagswahl aus Sicht der Wahl-, Parteien-,
Kommunikations- und Regierungsforschung
» Merkel plus X « – so stellte sich für die meisten Wähler die Wahloption für die
Bundestagswahl am 22. September 2013 dar. Über viele Monate hinweg zeichnete
sich für keines der beiden traditionellen Lager von Union und FDP auf der einen
sowie SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf der anderen Seite eine eigene Mehr-
heit ab. Die extrem hohen und stabilen lagerübergreifenden Zustimmungswerte
zur Programm-Person der Kanzlerin machten die Bundestagswahl dieses Mal zu
einer ausgeprägten Personenwahl: Angela Merkel fungierte als Orientierungs-
Auto rität in Zeiten relativer Zufriedenheit. Merkel – plus eine ergänzende, mehr-
heitsbeschaffende Partei, so wollten es die meisten Wähler. Die Kanzlerin konnte
im Parteienwettbewerb triumphieren: Die hohe Zufriedenheit mit ihrer Leistung
steht dabei im Kontrast zu einer gleichermaßen ausgeprägten Unzufriedenheit
mit der Regierungsperformanz. Offenbar lag nur ein partieller Wechselwunsch
Karl-Rudolf Korte (Hrsg.), Die Bundestagswahl 2013, DOI 10.1007/978-3-658-02915-9_1,
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vor. Umfragen dokumentierten erstmals, dass als Wunsch-Koalition eine Große
Koalition der Favorit war (Neu 2013). So kam es zum dosierten Machtwechsel,
bei dem kontinuitätsverbürgend jeweils ein Koalitionspartner aus der vorherge-
henden Regierung auch einen Teil der neuen Regierung stellt. Dieser Typus eines
» halben « Machtwechsels ist der Favorit in Deutschland (Korte 2013a).
Die Kanzlerin nutzte auch in diesem Wahlkampf die Dramaturgie der Ge-
wöhnung an eine ausgeprägte Krisen-Dialektik: » Weiter so ! « und » Keine Expe-
rimente ! « waren die Kernbotschaften. Mit einem Vermeidungswahlkampf auf
Samtpfoten erzwang Merkel auf diese Weise wie bereits bei der Bundestagswahl
2009 systematisch und strategisch professionell eine Demobilisierung der SPD.
Potenziell konfliktträchtige Themen wie der Mindestlohn und die Mietpreis-
bremse übernahm die Union in ihr Programm, so dass die Wettbewerber früh der
Merkel-Mimikry erlagen. Merkel agierte als Kanzlerpräsidentin mit hohen per-
sönlichen Sympathiewerten. Mit forcierter Passivität (Korte 2012a) navigierte sie
durch den Wahlkampf wie auch durch die Krise. Den Wählern genügte das. Fak-
tisch lagen in zentralen innen- und gesellschaftspolitischen Fragestellungen wich-
tige Unterschiede zwischen den Parteien vor, die aber medial kaum eine Rolle
spielten (Bianchi u. a. 2013; Bender u. a., Wagschal/König und Linhart/Shikano in
diesem Band).
1.1 Das Überraschende am Wahlergebnis
1.1.1 Parteien und asymmetrisches Parteiensystem
Unerwartet legten die Volksparteien in der Wählergunst zu. Sie profitierten erst-
mals seit 2002 wieder von Stimmenzuwächsen. Dass die Stimmengewinne der
einen Volkspartei nicht zu Lasten der anderen Volkspartei gingen, sondern beide
zeitgleich zulegten, trat zuletzt bei der Bundestagswahl 1965 ein (Bundeswahl-
leiter 2013: 10). Angela Merkel siegte 2013 in historischen Ausmaßen. Zeitweilig
schien am Wahlabend sogar eine absolute Mehrheit möglich, wie es bislang ledig-
lich Konrad Adenauer 1957 gelang. Nur Adenauer und Kohl schafften es zudem,
nach einer Bundestagswahl zum dritten Mal wiedergewählt zu werden. Merkel ist
die erste Kanzlerin, die drei Legislaturperioden in Folge mit jeweils anderen Ko-
alitionspartnern eine Regierung bildet: Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot.
Doch die Große Koalition von 2005 ist mit der von 2013 nur formal vergleich-
bar. Damals trennten beide Volksparteien knapp 440 000 Stimmen. Diesmal wa-
ren der Abstand deutlich größer (6 913 231 Stimmen) und die Koalition erwart-
bar. Erstmals in der Geschichte der Wahlumfragen wünschten sich die Deutschen
mehrheitlich die Große Koalition (Jung/Schroth/Wolf in diesem Band).