Table Of ContentDie Auswirkung der thermischen Trocknung auf
die Verkokbarkeit von Steinkohlen
Von der Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen
der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
zur Erlangung des akademischen Grades
eines Doktor-Ingenieurs genehmigte Dissertation
Vorgelegt von
Diplom-Ingenieur Hans-Joachim Schmidt-Holthausen
aus Köln
D 82 (Diss. TH Aachen)
Referent: Professor Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E. h. A. Götte
Korreferent: Privatdozent Dr. rer. nat. habil. H. G. Schäfer
Tag der mündlichen Prüfung: 16. Juli 1966
ISBN 978-3-322-98080-9 ISBN 978-3-322-98719-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-98719-8
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Institut für Aufbereitung, Kokerei und Bri
kettierung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen durch
geführt.
Dem Direktor des Instituts, Herrn o. Professor Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E. h.
A. GÖTTE, danke ich sehr herzlich für die Anregung zu diesen Untersuchungen
sowie für seine stetige wohlwollende und fördernde Beratung.
Weiterhin gilt mein Dank Herrn Privatdozenten Dr. rer. nato habil. H. G. SCHÄFER
für seine wertvollen Hinweise und Anregungen.
Dem Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
danke ich für die Bereitstellung der Geldmittel zur Durchführung dieser Arbeit.
Inhalt
A) Einleitung und Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
B) Grundlagen zum Verständnis der thermischen Trocknung der Steinkohle
unter besonderer Berücksichtigung der Veränderung ihrer Verkokungs-
eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1. Der stoffliche Aufbau der Steinkohlen, die Struktur ihrer organischen
Stoffe und die daraus folgenden technischen Eigenschaften ....... 7
II. Der Vorgang der thermischen Trocknung der Steinkohle. . . . . . . . . 8
III. Die Einwirkung von Sauerstoff auf Kohlen bei erhöhten Tem-
peraturen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12
IV. Das Verhalten der Stein kohlen bei Erwärmung und die Beein-
flussung ihrer Verkokungseigenschaften durch Oxydation ........ 13
V. Schlußfolgerungen für die eigenen Untersuchungen.. . . . . . . . . . . .. 14
C) Versuche..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15
1. Versuche zur thermischen Trocknung von Kokskohlen und der
Veränderung ihrer Verkokungseigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15
a) Technische Großversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 15
1. Kennzeichnung der untersuchten Kohlen. . . . . . . . . . . . . . . .. 15
2. Bedingungen für die Versuche mit einem Schwebegas-
Trockner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17
3. Versuchsergebnisse .. . . . . . . . . . . . . . .. . . ... . . . . . . . . . . . . .. 18
b) Laboratoriums-Versuche.................................. 21
1. Kennzeichnung der untersuchten Kohlen. . . . . . . . . . . . . . . .. 21
2. Versuchsbedingungen . . . . . . . . . . . . ... . . ... . . . ..... .. . ... 23
3. Vereinfachende Voraussetzungen für die Durchführung der
Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27
4. Versuchs ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33
c) Zusammenfassende Betrachtung der bisher erhaltenen Versuchs-
ergebnisse .............................................. 41
11. Versuche zur Steinkohlen-Oxydation an der Luft bei erhöhten
Temperaturen und bei Veränderung verschiedener Einflußgrößen . 45
a) Einfluß der Oxydationsdauer .............................. 45
b) Einfluß der Oxydationstemperatur ......................... 54
c) Einfluß der Korngröße und des Korngrößenaufbaus . . . . . . . . . . 56
d) Einfluß des Aschegehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 62
3
e) Einfluß der Schichtdicke der Probe ........................ 66
f) Einfluß unterschiedlich langer Lagerdauer der Kohle an der Luft 69
g) Einfluß der petrographischen Zusammensetzung der Kohle. . .. 72
h) Oxydation von Mischungen der Kohle F mit reaktionsträgen
Zuschlagstoffen in veränderter Menge und Körnung. . . . . . . . .. 77
1. Zumischung von Koksgrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 77
2. Zumischung von oxydierter Kohle F .................... 81
i) Einfluß der Wärmeleitfähigkeit der Unterlage. . . . . . . . . . . . . . .. 84
D) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 87
Literaturverzeichnis ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 90
4
A) Einleitung und Aufgabenstellung
Im Zusammenhang mit Problemen der Feinstkornaufbereitung erlangt die Frage
der Entwässerung eine immer größere Bedeutung. Dies geht beispielsweise daraus
hervor, daß mit zunehmender Mechanisierung der Gewinnung im Steinkohlen
bergbau der Feinstkornanteil an der Rohförderung und damit die Menge der
Kohle steigt, die heute nahezu ausschließlich durch die Flotation sortiert wird.
Flotierte Kokskohle, die im allgemeinen in der Kornklasse 0,75-0 mm vorliegt,
kann auf Filtern mechanisch nur bis zu etwa 21 % W herab entwässert werden.
Die so entwässerte, flotierte Kohle wird meist der aus Abtropftürmen oder
Schwemmsümpfen mit etwa 10% W abgezogenen Feinkohle zugemischt, um mit
ihr gemeinsam verkokt zu werden. Dabei machen sich im wesentlichen folgende
Nachteile bemerkbar: Der Wassergehalt der Einsatzkohle des Koksofens steigt,
was sich auf die aufzuwendende Verkokungswärme und die Lebensdauer der
Kokskammer-Auskleidungen ungünstig auswirkt. Vor allem aber ist die Zu
mischung von gefilterter, flotierter Kohle zur gewaschenen Feinkohle sehr
schwierig auszuführen, so daß sich in der Ofenfüllung feuchte Kohlenester
bilden können; eine ungleichmäßige Verkokung und damit eine verminderte
Koksfestigkeit ist die Folge.
GäTTE und SCHOLZ [37] * konnten durch Zusätze grenzflächenaktiver Mittel zu
Kohleschlämmen die mechanische Entwässerung in vielen Fällen erheblich ver
bessern, jedoch sind naturgemäß ähnlich niedrige Endwassergehalte, wie sie bei
der thermischen Trocknung erreicht werden können, auf diese Weise nicht zu
erzielen.
So ist man in außerdeutschen Ländern, z. B. in Frankreich, mehr und mehr dazu
übergegangen, flotierte Kokskohle nach einer mechanischen Entwässerung
thermisch zu trocknen. Diese Entwicklung wird möglicherweise auch in Deutsch
land einsetzen, sobald man bereit ist, den der thermischen Trocknung anhaften
den Nachteil erhöhter Kosten in Kauf zu nehmen.
Neben den hohen Kosten hat das Verfahren der Kohletrocknung durch Wärme
möglicherweise einen weiteren Nachteil. Wie als allgemein bekannt vorausgesetzt
werden darf, erweist sich Kohle einer Erwärmung gegenüber nicht unbedingt
beständig; Steinkohle neigt dazu, Sauerstoff aufzunehmen und - bei Anwendung
von Temperaturen oberhalb etwa 350°C - sich zu zersetzen [43].
Oxydation und Zersetzung sind nur dann erwünscht, wenn sie dem Abbau über
schüssigen Kokungsvermägens dienen.
HOLROYD und WHEELER [4] geben den Beginn der Zersetzung mit 300° C an.
BAuNAcK [54] stellte fest, daß auch in modernen Feuergastrocknern bei Gas
Eintrittstemperaturen bis zu 800°C und einer Zeit dauer der Temperatur-Ein-
* Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf das Literaturverzeichnis am Ende der
Arbeit.
5
wirkung von wenigen Sekunden [57] kein Verlust an flüchtigen Bestandteilen
und damit keine Zersetzung eintritt. An anderer Stelle [49] führt derselbe Ver
fasser aus, daß bei Trocknungstemperaturen bis zu 9000 C ein Entgasen oder
Anschwelen der Kohle unterbleibt. Diese Erscheinung ist nach KRISCHER und
KRÖLL [35] leicht zu deuten: Das zu trocknende Gut kann, solange es noch freie
Feuchtigkeit enthält, die Kühlgrenztemperatur nicht überschreiten. Unter Kühl
grenztemperatur ist diejenige Temperatur zu verstehen, auf welche sich die
Grenzschicht einer Flüssigkeit abkühlt, wenn durch Verdampfung oder Ver
dunstung Wassermoleküle aus ihr in die sie umgebende Atmosphäre übertreten.
Die Feuergastemperatur gleicht sich dieser Temperatur an.
Die genannten Zusammenhänge gehen aus der Abb. 1 hervor.
Guts-Temperatur
Trocknungsweg S
Abb. 1 Schematische Darstellung des Temperaturverlaufs
in Trockenluft und Trockengut
Erst wenn in der trocknenden Kohle der sogenannte hygroskopische Wasser
gehalt unterschritten wird, kann eine Erwärmung des Trockenguts über die Kühl
grenze hinaus erfolgen; zu diesem Zeitpunkt ist nämlich freies Wasser nicht mehr
verfügbar, und es tritt keine Abkühlung der Kohlenoberfläche durch verdampfen
des Wasser ein. Die Feuergastemperaturen betragen dann allerdings nur noch
80~120°C [49].
Bei der Wärmetrocknung sind feinste Kohlekörner besonders gefährdet, da sie
zum einen wegen ihrer großen spezifischen Oberfläche Sauerstoff bevorzugt auf
nehmen und weil sie zum anderen zur Übertrocknung neigen.
Diese Ausführungen weisen darauf hin, daß bei der technischen Wärmetrock
nung mit einer Zersetzung der Steinkohle nicht gerechnet zu werden braucht.
Dagegen können Oxydationserscheinungen bei jeder Temperatur auftreten [58];
ihnen ist daher besondere Beachtung zu schenken, und es soll in dieser Arbeit
versucht werden, u. a. diesen Fragen nachzugehen, nachdem das Verhalten von
Kokskohlen bei der thermischen Trocknung hinsichtlich der Beeinflussung ihrer
Verkokungs eigenschaften eingehend untersucht ist.
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B) Grundlagen zum Verständnis der thermischen Trocknung
der Steinkohle unter besonderer Berücksichtigung
der Veränderung ihrer Verkokungseigenschaften
I. Der stoffliche Aufbau der Steinkohlen, die Struktur ihrer organischen
Stoffe und die daraus folgenden technischen Eigenschaften
Wie schon die alltägliche Erfahrung lehrt, besteht die Kohle aus einem brennbaren
und einem nicht brennbaren Anteil.
Der brennbare organische Bestandteil der Kohle ist der Träger der Arteigen
schaften. Den Aufbau dieser organischen, ausschließlich hochmolekularen Ver
bindungen versucht man durch sogenannte Kohlenmodelle zu deuten. Ein solches
Modell muß in Einklang mit der chemischen Zusammensetzung und den physi
kalischen Eigenschaften der Kohle stehen, und es muß gleichzeitig das Verhalten
dieses Rohstoffs bei technischen Vorgängen erklären können.
Diesen Anforderungen entspricht insbesondere das Strukturmodell der Kohle von
W. FUCHS [32,42], das in Abb. 2 dargestellt ist.
Cu.Ho.o• • H/C= O,72
Abb. 2 Aufbau der Steinkohle
Nach FUCHS [32]
Die Kohle besteht nach W. FUCHS [32] aus aromatischen Vielkernen, die durch
aliphatische Ketten miteinander verknüpft sind. Sauerstoff findet sich in ver
schiedener Form in den organischen Stoffen gebunden. Mit fortschreitender
Inkohlung nimmt die Zahl der Hydroxylgruppen und der Gehalt an Aliphaten ab,
die Größe der Aromatkerne steigt an. Infolgedessen enthalten junge Steinkohlen,
z. B. Flammkohlen, etwa 82 Gew.-% Kohlenstoff, 5,5 Gew.-% Wasserstoff und
10 Gew.-% Sauerstoff.
7
Die entsprechenden Werte hochinkohlter Steinkohlen liegen bei etwa 92; 4 und
1,5 Gew.-% [26]. Dies sind Mittelwerte, die besonders für unterschiedliche Ge
füge-Bestandteile stark abweichen können.
Man erkennt, daß mit zunehmender Inkohlung der Gehalt an Kohlenstoff auf
Kosten des Wasserstoff- und insbesondere des Sauerstoffg ehalts ansteigt.
Die wechselnden Gehalte an Hydroxylgruppen und aliphatischen Ketten wirken
sich auf die physikalischen und technischen Eigenschaften der Kohle aus.
Zum Beispiel sind die zwischenmolekularen Kräfte zwischen Hydroxylgruppen
stärker als zwischen paraffinischen Bestandteilen. Die Stärke der zwischen
molekularen Bindung ist gewöhnlich geringer als die der innermolekularen. Da
die zwischenmolekularen Kräfte jedoch mit der Molekülgröße zunehmen, kann
ihr Gesamtbetrag den einer Bindung zwischen zwei Atomen im Molekül über
steigen.
Dies zeigt sich insbesondere bei einer Molekülvergrößerung der nichtaromatischen
Kohleverbindungen infolge Anlagerung von Sauerstoff. Die mit dem Anwachsen
der Moleküle einhergehende Vergrößerung der zwischen molekularen Kräfte
beeinflußt das Erweichungsverhalten der Kohle und verändert somit die Ver
kokungseigenschaften.
Zu den nicht brennbaren Ballaststoffen gehören Wasser und mineralische Bestand
teile. Letztere sind je nach Bildungsbedingungen teilweise sehr innig mit den
organischen Stoffen der Kohle vergesellschaftet. Wasser dagegen findet sich ent
weder als Haftwasser grob in der Kohle verteilt oder auch kapillar in den Poren
und sonstigen Hohlräumen des Haufwerks. Mit zunehmender Kornfeinheit
wachsen gleichzeitig die spezifische Oberfläche und die Zahl der Berührungs
punkte und damit die von ihr ausgehenden, wasserbindenden Kräfte. Dies macht
deutlich, wie sehr Korngröße und Kornverteilung den Wassergehalt beeinflussen
können.
Nur ein geringer Teil des Wassers ist an der Kornoberfläche unmittelbar und sehr
fest insbesondere durch Dipolgruppen an die organischen Stoffe der Kohle
gebunden.
H. Der Vorgang der thermischen Trocknung der Steinkohle
Für die technische Veredelung der Steinkohle empfiehlt sich oft aus wirtschaft
lichen oder auch aus verfahrens technischen Gründen eine vorhergehende ther
mische Trocknung der Kohle.
Je nach Art und Stärke der Vergesellschaftung des Wassers mit der Kohle läßt es
sich mehr oder weniger leicht entfernen. Zwischen stärker adsorbiertem und frei
beweglichem Wasser gibt es Übergänge. Die zeichnerische Darstellung in Abb. 3
macht dies an Hand eines Beispiels, nämlich der Wasserbindung an ein Tonteil
chen, deutlich.
Trägt man in einem Koordinatennetz das Gewicht einer trocknenden Probe über
der Trocknungsdauer auf, so erhält man unter der Voraussetzung einer gleich
bleibenden Wärmezufuhr eine Trocknungskurve, die im allgemeinen in der Art
verläuft, wie sie Abb. 4 zeigt.
8
innere äußere
Kugelschale Kugelschale
I
Ton-Kolloid !a bsorp. tH)'dra-: Obergangschicht I: f reies Wasser
civ ge- ~acions I in thermischer
bunden. I'Xlasser I Unordnung
Wasser I I I
Potential
U = gal va n isches
Potential
r; = c\ekrrokin.
Potential
Abscand r
Abb. 3 Übergang Feststoffoberfläche-Wasser, gezeigt am Beispiel eines Tonkolloids :
Adsorptionsfilm, Hydratationswasser, Übergangsschicht, freies Wasser
Nach GÖTTE [39]
Gutsfeuchtigkeit W
Abschnitt fallender
Trocknungsgeschwindigkeit
tl Temperatur der Luft
I 'P relative Feuchte der
I umgebenden Atmosphäre
I
I v Luftgeschwindigkeit
I Wg Gleichgewichts-Wasser-
: tl = konst. 'P = konst, u = konst gehalt
Kl 1. Knickpunkt
I
I WIU = Wasser gehalt bei Kl
I A Aufheizdauer
-r------r-:I
I I
Kl
I I
I ~ I
I .;; I
I :-> I
-I+ ----t-- I
-~------------------
I ~ I
o Zeit z h
Abb. 4 Trocknungskurve nach LYKOW [45]
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