Table Of ContentHans-Albert Walter
Deutsche Exilliteratur
1933–1950
Band 3: Internierung, Flucht und
Lebensbedingungen im Zweiten Weltkrieg
Deutsche Exilliteratur 1933-1950
Band 3: Internierung, Flucht
und Lebensbedingungen
im Zweiten Weltkrieg
Hons-Abert
Deutsche
Wolter
Exilliteratur
1933-1950
Band 3:
lntemierung,
Flucht und Lebensbedingungen
im Zweiten WeHkrieg
J. B.
Metzlersehe
Verlagsbuchhandlung
Stuttgart
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Walter, Hans-Albert:
Deutsche Exilliteratur: 1933-1950 I
Hans-Albert Walter. - Stuttgart : Metzler
ISBN 978-3-476-00403-1
Bd. 3. Internierung, Flucht und Lebensbedingungen
im Zweiten Weltkrieg
ISBN 978-3-476-00541-0
ISBN 978-3-476-00403-1 (Gesamtwerk)
ISBN 978-3-476-00541-0
ISBN 978-3-476-03185-3 ( eBook)
DOI 10.1007/978-3-476-03185-3
© 1988 Springer-Verlag GmbH Deutschland
Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung
und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1988
Für Walter Jens und Fritz H. Landshoff
Inhalt
Editorische Vorbemerkung
Die kriegführenden europäischen Staaten und ihre Maßnahmen gegen die
deutsche Emigration 1
1.1 Die erste Internierungswelle in Frankreich 7
1.1.1 Juristische und politische Voraussetzungen 7
1.1.2 Die Internierung als Durchgangsstation zur Kriegsteilnahme? 13
1.1.3 Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag als Ursache der
Masseninternierung 34
1.1.4 Verhaftungen und Internierungen 41
1.1.5 Die Institutionalisierung des Camp-Regimes 60
1.1.6 Die >besonderen< Lager 80
1.1. 7 Hilfsaktionen, Interventionen und Entlassungen 92
1.1.8 Fremdenlegion und Arbeitsdienst 107
1.2 Ausländer-Tribunale und Einzelfallprüfung in Großbritannien 113
1.2.1 Politischer und juristischer Hintergrund 113
1.2.2 Die Ausländer-Tribunale und ihre Praxis 119
2 Die Exilierten in der Phase der Kriegshandlungen in Nord-und
Westeuropa 131
2.1 Dänemark und Norwegen nach dem 9. Aprill940 131
2.2 Westeuropa nach dem 10. Mai 1940 139
2.2.1 Die Legende von der deutschen »fünften Kolonne« 139
2.2.2 Deportationen aus Belgien, Internierungen in Frankreich 143
2.2.3 Die Exilierten im Strudel des französischen Zusammenbruchs 153
2.2.4 Asylpolitik und-praxisdes Vichy-Regimes in den Jahren 1940/42 178
2.3 Die Exilierten in Großbritannien nach dem deutschen Angriff im Westen 202
2.3.1 Die Genesis der Masseninternierung 202
2.3.2 Internierungen, Transit-und Dauercamps 218
2.3.3 Deportationen nach Kanada und Australien 230
2.3.4 Internierungsstop, Überprüfung und Freilassung 242
2.4 Exkurs: Die Exilierten in der Sowjetunion 256
2.4.1 Die Auswirkungen des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags 256
2.4.2 Deportationen und Evakuierungen nach dem deutschen Überfall 261
3 Flucht aus Frankreich 273
3.1 Subjektive und objektive Voraussetzungen 273
3.2 Pässe, Visa, Fahrkarten-Fluchtmöglichkeiten und Praktiken der legalen
Ausreise 294
Inhalt VII
3.3 Die Ausnahme und die Regel: die Fälle Alfred Döblin und Otto Zoff 307
3.4 Die Tätigkeit des Emergency Rescue Committee in Marseille -
Fluchtmöglichkeiten und Praktiken der illegalen Ausreise 318
3.5 Die Passagesituation-Schiffe ab Lissabon und Marseille 342
3.6 Das Ende des Centre Americain de Secours und die Wende der französischen
Asylpolitik 358
3.7 Die Schweiz-Zuflucht vor Auslieferungen und Deportationen? 372
3.8 Exkurs: Der Rechtsstatus von Exilierten und Emigranten nach dem
Kriegseintritt der USA 422
4 Materielle Lage und Lebensbedingungen in den Kriegsjahren 429
4.1 Einkünfte aus literarisch-journalistischer Arbeit 434
4.1.1 Einkünfte aus Veröffentlichungen in Exilverlagen 434
4.1.2 Einkünfte aus sonstiger literarischer und publizistisch-journalistischer
Tätigkeit 453
4.1.3 Einkünfte aus der Mitarbeit beim Film 468
4.2 Einkünfte aus berufsfremder Arbeit 491
4.3 Einkünfte aus der Arbeit von Familienangehörigen, aus Unterstützungen
und Stipendien 509
4.4 Lebensbedingungen in den Kriegsjahren 524
Quellen und Anmerkungen 563
Personenregister 616
Editorische Vorbemerkung
Der vorliegende Band ist inhaltlich und zeitlich eng mit Band 2 verbunden und über
schneidet sich mit ihm thematisch bei der Darstellung der Flucht aus Europa. Band 2
brachte insofern einen Vorgriff auf diesen Sachkomplex, als dort in Kapitel 4 für die
jeweiligen überseeischen Aufnahmestaaten bereits Exilierte und Emigranten in großer
Zahl als Ankömmlinge genannt werden, deren Entkommen erst in diesem Band the
matisiert wird. Dieser Bruch in der Chronologie ist der besseren Übersichtlichkeit
geschuldet, denn die Flucht aus Buropa konnte erst auf dem Hintergrund der Asylpoli
tik und -praxis der überseeischen Aufnahmestaaten sinnvoll geschildert werden. Wenn
die Darstellung sich nicht in ein labyrinthisches Chaos auflösen sollte, mußten die
beiden inhaltlich verflochtenen Stoffkomplexe kompositorisch getrennt werden.
Der auf den letzten Seiten von Band 2 als Vorschau präsentierte Stoffumgriff des
vorliegenden Bandes ist-unbeschadet kleinerer Verschiebungen in Abfolge und Struk
tur, die sich bei der Niederschrift ergeben haben - bis auf eine Ausnahme eingehalten
worden: Weggefallen ist das ursprünglich vorgesehene Kapitel »Die Zurückgebliebe
nen«. Bei der Quellenauswertung erwies sich, daß die Sachprobleme dieses Kapitels -
Verhältnis der Bevölkerung eines von den Nazis unterworfenen Gastlandes; Lebensfor
men in der Illegalität oder Halblegalität usw. - in den Darlegungen über die Verhält
nisse in Vichy-Frankreich 1940/42 bereits modellhart aufscheinen. Zudem hat sich
herausgestellt - und hier muß ich mich mangelnder Reflexion bezichtigen -, daß die
Lebens- und Überlebensprobleme der Illegalen etwa in den Niederlanden zwischen
1940 und 1944/45 oder in Frankreich ab Ende 1942 sich von denen der Illegalen in
Hitlerdeutschland allenfalls noch graduell unterschieden haben. Infolge des militäri
schen Zugriffs der Deutschen hatten die in diesen Ländern überraschten Exilierten und
Emigranten eben diesen Status eingebüßt. Sie waren wieder in der Gewalt ihrer Tod
feinde, und es ist recht bezeichnend, daß einige das Asylland, das keines mehr war, mit
Hitlerdeutschland vertauschten: Die Existenzbedingungen blieben im wesentlichen die
gleichen. An solchen Fällen wird besonders deutlich, daß bei diesem Sachkomplex eine
Grenze meiner Darstellung überschritten ist. Aus gutem Grund durfte ich also auf eine
breitere Erörterung verzichten und mich mit stark gerafften Ausblicken begnügen.
Wie in den früheren Bänden wurden bei den zitierten Quellen auch diesmal Druck
fehler stillschweigend eliminiert. Bei der Angleichung der Rechtschreibung bin ich
behutsam vorgegangen. Stileigentümlichkeiten sind nicht angetastet worden, jedoch
habe ich kleinere sprachliche Unkorrektheiten (z.B. die verbreitete falsche Pluralbil
dung von »Visum«) richtiggestellt Im Personenregister sind die Anmerkungen berück
sichtigt worden. Verfassernamen aus dem Anmerkungsteil wurden aber nur bei der
jeweils ersten Zitierung der betreffenden Schrift auch im Register aufgeführt. Pseudo
nyme sind im Register nur insoweit vermerkt worden, als sie für die Darstellung in
diesem Band erheblich sind.
X Editorische Vorbemerkung
Werner Berthold, Johann Wolfgang Brügel t, Max Diamant, Heinz Jacoby t, Lie
selotte Maas, Fritz Pohle und Werner Röder möchte ich für Anregungen und kritische
Hinweise danken, die sie mir in z. T. ausführlichen Gesprächen oder nach der Lektüre
von Teilen des Manuskripts gegeben haben. Mein besonderer Dank gilt dem Deut
schen Literaturfonds, Darmstadt, der mir in der Phase der Recherchen und der Quel
lenauswertung ein einjähriges Arbeitsstipendium gewährte. Last but not least danke
ich all denen, die den Fortgang der Arbeit durch Auskünfte und durch Hilfe bei der
Beschaffung von Quellen erleichtert haben.
Im Juni 1988 HAW
1 Die kriegführenden
europäischen Staaten und
ihre Maßnahmen gegen
die deutsche Emigration
Von tragischer Erleichterung, von grimmiger Befriedigung gar ist vielfach die Rede in
den Kommentaren, mit denen Exilierte die Nachrichten von der französischen und der
britischen Kriegserklärung an Hitlerdeutschland begleitet haben. Schon angesichts der
westlichen Ultimaten an Berlin hatte Thomas Mann im Tagebuch seine »große Er
schütterung« festgehalten, nun da die Westmächte »unsere Sprache« gesprochen und
die deutsche Diktatur endlich so qualifiziert hatten, wie das sechs bittere, lange Jahre
hindurch nur von seiten der deutschen Exilierten geschehen war.[l] Ungewöhnliche
Reaktionen, um so ungewöhnlicher, als sie aus (fast) allen politischen Gruppierungen
der in sich uneinigen, zersplitterten deutschen Emigration mit einiger Einhelligkeit zu
vernehmen waren; Reaktionen freilich, die ohne weiteres verständlich werden, wenn
man nur die Ohnmacht in Rechnung stellt, welche die Exilierten in den Jahren der
westlichen Anpassungs- und Beschwichtigungspolitik quälend durchlebt hatten. Hier
ist nicht der Ort, Ursachen, Motive und Stationen dieser Politik zu referieren oder gar
zu diskutieren, vielmehr wird, wie in den früheren Bänden, die Kenntnis der Zeitge
schichte vorausgesetzt. Um die desolate Lage der Exilierten in der Ära des Appease
ment zu verdeutlichen, genügt es ja aber auch vollkommen, wenn man sich ins Ge
dächtnis ruft, wie sich die politischen Perspektiven noch knapp ein Jahr vor Kriegsbe
ginn gestellt hatten, welche Entwicklungen im Herbst 1938 für möglich und
wahrscheinlich gehalten worden waren - sie bilden Hintergrund und Schlüssel für die
überraschenden Kommentare des Septembers 1939.
Die Stichworte lauten »Sudetenkrise« und »Münchner Abkommen«, und schon vor
diesem vermeintlichen Ausweg aus der von Hitlerdeutschland provozierten Krise;
schon als erkennbar wurde, daß die britische Regierung sie durch erneutes Nachgeben
zu lösen beabsichtigte, war in der führenden deutschen Exilzeitschrift, in Leopold
Schwarzschilds Neuern Tage-Buch zu lesen gewesen:
»Wickeln die Dinge sich gar so ab, wie sie konzipiert worden sind, so mag es sein, daß wir in diesen
paar betäubenden Tagen Zeugen einer Weltwende waren. [ ... ] Diejenigen, die sich der Verantwor
tung für das Vorbildlose unterzogen und diejenigen, die es gefordert oder begrüßt haben, müssen
erbittert darauf beharren, daß sie richtig gehandelt haben. Diejenigen, die das Ereignis für ein
Verhängnis halten, können es nur mit einer Härte beurteilen, die keine Askese des Ausdrucks
abschwächen kann. Diese Zeitschrift will nicht verhehlen, könnte auch nicht verhehlen, daß sie zu
der zweiten Richtung gehört [ ... ]. Aber eben deshalb fühlt sie sich außerstande, ihre Gedanken,
ihr Urteil hier zu formulieren.«[2]