Table Of ContentBERICHTE ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU LEIPZIG
Philologisch-historische Klasse
Band 101 • Heft 5
ALBRECHT ALT
DER STADTSTAAT SAMARIA
19 5 4
A K A D E M I E . V E R L AG - B E R L IN
Vorgelegt in der Sitzung vom 15. Februar 1954
Manuskript eingeliefert am 15. Februar 1954
Druckfertig erklärt am 22. Juni 1954
Erschienen im Akademie Verlag GmbH., Berlin W 8, Mohrenstraße 39
Veröffentlicht unter der Lizenznummer 1217
des Amtes für Literatur und Verlagswesen der Deutschen Demokratischen Republik
Satz und Druck: VEB Werkdruck Gräfenhainichen 343
Bestell- und Verlagsnummer 2026/101/5
Preis: DM 3,—
Printed in Germany
Inhalt
Seite
1. Die Grundlagen 5
2. Der Aufbau 22
3. Der Umsturz 40
4. Die Nachwirkung 50
Verzeichnis der Abkürzungen
AfO Archiv für Orientforschung
BASOR Bulletin of the American Schools of Orientai Research
JPOS The Journal of the Palestine Oriental Society
PEQ Palestine Exploration Quarterly
PJB Palästina-Jahrbuch des Deutschen evangelischen In-
stituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes
zu Jerusalem
RB Revue biblique
ThLZ Theologische Literaturzeitung
ZAW Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft
ZDPV Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins
Verzeichnis der Abkürzungen
AfO Archiv für Orientforschung
BASOR Bulletin of the American Schools of Orientai Research
JPOS The Journal of the Palestine Oriental Society
PEQ Palestine Exploration Quarterly
PJB Palästina-Jahrbuch des Deutschen evangelischen In-
stituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes
zu Jerusalem
RB Revue biblique
ThLZ Theologische Literaturzeitung
ZAW Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft
ZDPV Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins
Vor einigen Jahren habe ich anderwärts die Behauptung auf-
gestellt, daß König Omri mit der Errichtung seiner neuen Resi-
denz Samaria in den siebziger Jahren des 9. Jahrhunderts v. Chr.
zugleich einen Stadtstaat schuf, der als Größe für sich inmitten
des Reiches Israel bestehen sollte und tatsächlich längere Zeit
bestanden hat1. Zu einer eingehenderen Begründung dieser These
fehlte mir damals der Raum; ich mußte mich zunächst mit dem
Hinweis auf ein paar wesentliche Argumente begnügen. In An-
betracht der Wichtigkeit der Sache für das Gesamtverständnis
der Geschichte des Reiches Israel erscheint es mir aber als ge-
boten, die genauere Darlegung der einschlägigen Tatbestände
und Probleme, um die sich bisher noch kaum jemand ernsthaft
gekümmert hat, hier nachzuholen, wenn auch die Dürftigkeit
der uns zur Verfügung stehenden Überlieferung innerhalb und
außerhalb des Alten Testaments von vornherein nicht erwarten
läßt, daß jede Frage, die sich aus der Erwägung der historischen
Zusammenhänge mit Notwendigkeit ergibt, zuverlässig beant-
wortet werden kann.
1. Die Grundlagen
Sogleich in bezug auf die Anfänge der Stadt und des Stadt-
staates macht sich die Unvollständigkeit der Angaben des Alten
Testaments störend bemerkbar. Denn zwar die Nachricht des
ersten Königsbuches, Omri habe für seine neue Gründung einen
bis dahin unbesiedelten Hügel gewählt, den er seinem Vor-
1 Vetus Testamentum 1 (1951) S. 10f., wiederabgedruckt ALT, Kleine
Schriften zur Geschichte des Volkes Israel II (1953) S. 123 f.
Vor einigen Jahren habe ich anderwärts die Behauptung auf-
gestellt, daß König Omri mit der Errichtung seiner neuen Resi-
denz Samaria in den siebziger Jahren des 9. Jahrhunderts v. Chr.
zugleich einen Stadtstaat schuf, der als Größe für sich inmitten
des Reiches Israel bestehen sollte und tatsächlich längere Zeit
bestanden hat1. Zu einer eingehenderen Begründung dieser These
fehlte mir damals der Raum; ich mußte mich zunächst mit dem
Hinweis auf ein paar wesentliche Argumente begnügen. In An-
betracht der Wichtigkeit der Sache für das Gesamtverständnis
der Geschichte des Reiches Israel erscheint es mir aber als ge-
boten, die genauere Darlegung der einschlägigen Tatbestände
und Probleme, um die sich bisher noch kaum jemand ernsthaft
gekümmert hat, hier nachzuholen, wenn auch die Dürftigkeit
der uns zur Verfügung stehenden Überlieferung innerhalb und
außerhalb des Alten Testaments von vornherein nicht erwarten
läßt, daß jede Frage, die sich aus der Erwägung der historischen
Zusammenhänge mit Notwendigkeit ergibt, zuverlässig beant-
wortet werden kann.
1. Die Grundlagen
Sogleich in bezug auf die Anfänge der Stadt und des Stadt-
staates macht sich die Unvollständigkeit der Angaben des Alten
Testaments störend bemerkbar. Denn zwar die Nachricht des
ersten Königsbuches, Omri habe für seine neue Gründung einen
bis dahin unbesiedelten Hügel gewählt, den er seinem Vor-
1 Vetus Testamentum 1 (1951) S. 10f., wiederabgedruckt ALT, Kleine
Schriften zur Geschichte des Volkes Israel II (1953) S. 123 f.
6 ALBRECHT ALT
besitzer in aller Form rechtens abkaufte1, ist gewiß nicht zu
beanstanden und wird sich uns als sehr wertvoll erweisen; sie
hat zudem durch die amerikanischen, englischen und jüdischen
Ausgrabungen auf dem Stadthügel von Samaria sogar eine
doppelte Bestätigung erfahren, indem nun auch der archäo-
logische Befund deutlich zu erkennen gab, daß erstens der Hügel
von Samaria in der Zeit vor Omri noch keine geschlossene
Ortschaft getragen hatte2 und daß zweitens die Gründung Omris
©ine mit einem Male und nach einheitlichem Plan sozusagen
aus dem Boden gestampfte Stadtanlage war, von deren wie
mit dem Lineal entworfenem Umriß noch heute der gebietende
Wille ihres königlichen Urhebers abzulesen ist3. Wenn man
dann aber weiter fragt, warum Omri, als er die bei den Wirren
vor seinem Regierungsantritt stark mitgenommene Residenz
der letzten Könige vor ihm in Thirza nach wenigen Jahren
endgültig aufgab4, seinen Sitz nicht in eine andere alte Stadt
des Reiches verlegte, sondern sich zu einer totalen Neugründung
entschloß und warum er für diese gerade den Hügel von Samaria
ausersah, so erhält man keine Antwort.
Dabei kommt der ersteren Frage schon deswegen eine be-
sondere Dringlichkeit zu, weil die Neugründung Omris in der
sehr bewegten Geschichte der Residenzen des Reiches Israel
einen völligen Bruch mit der bis dahin eingehaltenen Tradition
darstellt. Keiner der Vorgänger war allerdings als König da
wohnen geblieben, wo sein Geschlecht beheimatet war; keiner
1 1. Kön. 16,24.
1 Die bei den Ausgrabungen, gefundenen Reste aus der frühen Bronze-
zeit liegen chronologisch zu weit abseits, und die spärlichen Scherben von
Tongefäßen aus der frühen Eisenzeit bezeugen keine feste Besiedlung.
Vgl. Samaria-Sebaste I (1942) S. 91 ff. (K. M. KENYON).
3 Vgl. besonders das erste israelitische Baustadium auf den Plänen ebenda
PL II und VIII. Das von den Ausgräbern Ahab zugeschriebene zweite
Stadium hat zwar die Anlage der Stadt etwas vergrößert, dabei aber die
Grundlinien des ursprünglichen Planes beibehalten.
4 1. Kön. 16, 17 f. 23. Über die Lage des Ortes ist die letzte Entscheidung
noch nicht gefallen.
Der Stadtstaat Samaria 7
hatte aber einen Sitz gewählt, der nicht schon vorher besiedelt
gewesen war und eine mehr oder weniger lange und bedeutende
Vergangenheit hinter sich hatte. Selbst der erste König Saul
mit seinem Sitz in dem noch sehr jungen Gibea macht von
dieser Regel keine Ausnahme; denn Gibea war kurz vorher von
den Philistern als Stützpunkt ihrer Oberhoheit im Gebiet von
Benjamin ausgebaut worden und insofern gerade zu jener Zeit
ein Ort von politischem Gewicht1. Vollends aber die Residenzen
der folgenden Könige, Mahanaim unter Isbaal, Jerusalem unter
David und Salomo, Sichern und Pnuel unter Jerobeam I.,
Thirza unter diesem und seinen Nachfolgern bis zu Omri hin,
lagen wahrscheinlich alle oder fast alle an der Stelle von Orten,
die schon in der Zeit vor der Landnahme der israelitischen
Stämme Mittelpunkte kanaanäischer Stadtstaaten gewesen
waren2. Im Verhältnis zu der für das Reich Israel in seiner
Frühzeit so charakteristischen Beweglichkeit der Residenzen
muß die Konstanz in der Befolgung dieses Prinzips der Orts-
wahl um so mehr auffallen. Warum ist ihm dann aber nicht
auch Omri treu geblieben ? Wenn er von Thirza nach einem
anderen Ort auf dem samarischen Gebirge übersiedeln wollte,
so hätte er doch zum Beispiel an das Vorbild Jerobeams I.
anknüpfen und sich in Sichern niederlassen können, das nicht
nur wegen seiner geographischen Schlüsselstellung, sondern auch
wegen seines Reichtums sowohl an kanaanäischen wie an israeli-
tischen Erinnerungen wie kaum ein anderer Ort berufen schien,
der Sitz der Könige zu werden. Was mag Omri veranlaßt haben,
statt dessen den nur 11 km von Sichern entfernten und im Netz
der Verkehrswege viel weniger günstig gelegenen Hügel von
1 1. Sam. 13, 3 (lies Gibea). Zur Datierung der zwei Bauperioden der
ersten Befestigungsanlage auf dem Hügel von Gibea (tell el-fûl) vgl. ALBRIGHT,
BASOR 52 (1933) S. 6ff.; ALT, PJB_30 (1934) S. 8f.
* Bei Mahanaim ist die kanaanäische Herkunft allerdings unsicher; vgl.
NOTH, PJB 37 (1941) S. 82 ff. Für Thirza ergibt sie sich mit größter Wahr-
scheinlichkeit aus dessen Stellung im Stammbaum von Man&sse (Num. 26,
33 u. ö.) und in einer Liste kanaanäischer Königsstädte (Jos. 12, 24).
8 ALBRECHT ALT
Samaria zu wählen, der völlig traditionslos, ja bis dahin noch
nicht einmal besiedelt war1 ?
Die Frage spitzt sich noch weiter zu, wenn man berücksichtigt,
daß in der Überlieferung über die Regierungszeit der Dynastie
Omris neben Samaria noch eine andere Residenz hervortritt,
ohne daß man freilich erfährt, ob sie erst von dieser Dynastie
gegründet wurde oder ob sie vielleicht schon vorher neben Thirza
bestanden hatte: Jesreel an der Pforte von der Ebene von
Megiddo zu der Bucht des Jordangrabens bei Beth-Sean, also
eine Residenz im Tiefland neben der im Gebirge und an einem
verkehrsgeographisch sehr wichtigen Punkt2. Da handelt es
sich wieder um einen Königssitz im Weichbild eines längst be-
siedelten, wenn auch anscheinend nicht altkanaanäischen Ortes;
bis zu einem gewissen Grad ist das oben gekennzeichnete Prinzip
der Ortswahl also auch hier gewahrt3. Die Wahl kann übrigens
in diesem Falle durch den Umstand bestimmt gewesen sein,
daß das letztvorhergegangene Königsgeschlecht, das Haus
Baesas, aus Issachar stammte und vielleicht in dem zum Gebiet
dieses Stammes gehörigen Ort Jesreel sein Familiengut besaß,
das dann bei der Ausrottung des Hauses durch Simri oder
später durch Omri zum Krongut geschlagen wurde und so die
Basis für den Aufbau einer Residenz abgeben konnte4. Aber
auch wenn diese naheliegende Vermutung nicht zutreffen sollte,
ist doch klar, daß der Königssitz in Jesreel ebenso wenig wie
die älteren auf völlig neuem Boden errichtet wurde, sondern
sicher mit bewußter Absicht in enger Anlehnung an gegebene
Tatbestände oder geradezu mitten in sie hinein. Selbst also hier,
1 Zur Verkehrslage von Samaria vgl. DALMAN, PJB 2 (1906) S. 27 fi.
2 1. Kön. 18, 45f.; 21; 2. Kön. 8, 29; 9, 16ff.; vgl. Hos. 1, 4 (2,2.24).
8 Jesreel (zer'ïn), das nur einen sehr niedrigen teil aufzuweisen hat, ist
in den Schriftdenkmälern aus vorisraelitischer Zeit nirgends erwähnt und
gibt sieh auch im Alten Testament nicht als kanaanäischer Ort zu erkennen
(vgl. besonders seine Rolle als Lagerplatz des Heerbannes von Israel unter
König Saul 1. Sam. 29, 1). Es ist daher wohl als eine Siedlung des Stammes
Issachar (Jos. 19, 18) zu betrachten.
4 1. Kön. 15, 27.