Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESfFALEN
Nr. 3138 / Fachgruppe Medizin
Herausgegeben vom Minister für Wissenschaft und Forschung
Prof. Dr. Hans Georg Ruppel
Diplom - Biologe Manfred Möller
Fakultät für Biologie
Universität Bielefeld
Der Einfluß menschlicher Tumorseren
auf das Wachstum pflanzlicher Zellen
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1982
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Ruppel, Hans Georg:
Untersuchungen über den Einfluss menschlicher
Tumorseren auf das Wachstum pflanzlicher Zel
len / Hans Georg Ruppel , Manfred Möller. -
Opladen : Westdeutscher Verlag, 1982.
(Forschungs berichte des Landes Nordrhein
Westfalen , Nr. 3138 : Fachgruppe Medizin)
ISBN 978-3-531-03138-5
NE: Möller, Manfred:, Nordrhein-Westfalen:
Forschungsberichte des Landes .•.
© 1982 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1982
ISBN 978-3-531-03138-5 ISBN 978-3-663-20336-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-20336-0
INHALT
EINLEITUNG 1
~IATERIAL UND METHODE 4
ERGEBNISSE 9
I. Die Wirkung von Kontroll- und Tumorseren
bei Kresse. 9
11. Die Wirkung von Kontroll- und Tumorseren
auf andere pflanzliche Organismen 14
III. Erste Versuche zur Kausalanalyse 17
DISKUSSION 19
ZUSAMMENFASSUNG 23
LITERATUR 24
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EINLEITUNG
"Der Wunsch, Krebs biochemisch zu definieren, ist so alt
wie die Abgrenzung des Begriffes Krebs selbst".
Dieses Zitat Sandritters steht an der Basis einer Fülle
von Experimenten, die seit Anfang dieses Jahrhunderts
durchgeführt wurden, um die Krankheit Krebs mit serolo
gischen Parametern fassen zu können. Der Ausgangspunkt
aller Versuche zur biochemischen Krebsdiagnose war der
Protein-,Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel des Tumor
trägers. 1907 stellte Abderhalden fest, daß die Aktivität
einiger Abwehrproteasen im Serum Krebskranker erhöht war.
1910 beobachteten Freund und Kaminer, daß normales Human
serum eingebrachte Karzinomzellen auflöste, daß diese Zel
len im Serum Tumorkranker aber erhalten blieben.
Mit dem 1942 entwickelten Bohlen-Test konnte der Fibrin
spiegel des Blutplasmas bestimmt werden. Bohlen konnte
zeigen, daß der Fibrinspiegel bei Patienten mit malignen
Geschwulsten oft erhöht war. Er korrelierte aber auch mit
anderen Erkrankungen positiv.
Ein Test, der zeitweise praktische Anwendung erfuhr, war
die proteolytischeReaktion nach Fuchs (1936). Danach soll
Karzinomserum Fibrin aus normalem Plasma abbauen, nicht
aber Fibrin aus Karzinomplasma.
Ebenfalls 1933 gelang die quantitative Bestimmung der
Serumlipase durch Bernhard und Köhler. Sie konnten zeigen,
daß der Spiegel der Pankreaslipasen im Tumorfalle häufig
erhöht war. Nach operativer Entfernung des Tumors ging der
Spiegel zurück, trat aber bei Rezidivbildung wieder auf.
Allen diesen Tests war gemeinsam, daß ihre Tumorspezifität
nicht hinreichend groß war. Ihre klinische Anwendung
scheiterte daran, daß einzelne Tumorarten garnicht, andere
erst im Spätstadium bei Metastasenbildung erkannt wurden.
Durchschnittlich 10 - 30 % aller Versuche mit Seren
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tumorfreier Personen erbrachten positive Ergebnisse.
Zudem konnten andersartige Erkrankungen nicht in erfor
derlichem Maße gegen Krebsgeschehen abgegrenzt werden.
Auch die Kombination von bis zu fünf dieser Testverfahren
verbesserten die Ergebnisse nicht (BAUER 1963).
1965 entdeckte Gold und Freedman im Gastrointestinaltrakt
von Foeten ab dem 6. Schwangerschaftsmonat das Glyko
protein CEA (Carzinoembryonales Antigen) (DIETZ 1980).
Das gleiche Glykoprotein wird von karzinomatösem Gewebe
des Magen - Darm - Traktes gebildet.
Im selben Jahr wies Tatarinow mit dem a-Fetoprotein ein
weiteres tumorassoziiertes Protein nach. Er fand diese
foetalen Antigene vermehrt bei Patienten mit Leberzell
karzinomen und Teratomen. Die auf der Messung dieser
Proteine, vor Allem des CEA, beruhenden Testverfahren
wurden zum ersten Male in größerem Umfang in der klinjschen
Tumorbehandlung angewendet. Das mit der Tumormasse
korrelierende CEA erwies sich als wertvolles Hilfsmittel
zur Beurteilung des Stadiums der Krankheit sowie als
Parameter bei der postoperativen Kontrolle von Tumorpatien
ten. Nach erfolgreicher Operation des Patienten sank der
CEA - Spiegel ab, wurde Krebsgewebe übersehen, blieb er
erhalten. Rezidivbildungen traten in manchen Fällen schon
Monate vor ihrer histologischen Manifestation in Erschei
nung (DIETZ 1980).
Für ein Tumorscreening oder zur Früherkennung von Krebs
krankheiten erwies sich der CEA - Test als wenig brauchbar,
da er einigp Tumorarten (z.B. Lungentumore) erst in fort
geschrittenen Stadien erfasst. Zudem wird der CEA-Spiegel
auch von anderen Krankheiten beeinflußt. Starke Raucher
haben ebenfalls einen erhöhten CEA -Gehalt im Blut.
Seit 1976 führte Dr. med. Doetsch in Köln Versuche durch,
bei denen er die einzellige Grünalge Ankistrodesmus braunii
dem Einfluß von Serum gesunder und tumorkranker Personen
aussetzte. Dabei machte er folgende Beobachtungen: Das
Wachstum der im Tumorserum angezogenen Algen war besser
als bei den Algen, die dem Einfluß desKontrollserums aus
gesetzt waren.
-
-
;;
Der Entwicklungsvorsprung manifestierte .sich in der
Zellzahl pro ml, Zellgröße und Zeitpunkt der Autosporen
freisetzung (DOETSCH 1976, 1977, 1979a, 1979b). Bei
einigen Versuchen blieben die im Tumorserum angezogenen
Algen jedoch gegenüber der Kontrolle im Wachstum zurück.
Doetsch vermutet ein vom Tumorgewebe abgegebenes "Agens",
welches bis zu einer bestimmten Konzentration das Algen
wachstum stimuliere, bei der überschreitung dieser
Konzentration aber hemmend wirke. Die Konzentration dieses
"Agens" sei abhängig von Größe und Malignität des Tumors.
Angeregt durch diese Arbeiten führten wir in Bielefeld
Untersuchungen über den Einfluß von Kontroll- und Tumor
serum auf das Wachstum pflanzlicher Gewebe durch, mit dem
Ziel, die Ergebnisse von Doetsch zu reproduzieren und eine
mögliche Korrelation zwischen Art des zugesetzten Serums
und Pflanzenwachstum zu erhärten. Nach anfänglichen erfolg
losen Versuchen mit der Grünalge Chlorella vulgaris
beobachteten wir bei der Keimung von Kresse (Lepidium
sativum L.) in serumhaitigen Nährmedien auffällige Ent
wicklungsunterschiede, über die wir in dieser Arbeit be
richten möchten.
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MATERIAL UND METHODE
t. PFLANZENMATERIAL
Die Versuche wurden an Kresse (Lepidium sativum L.),
Tomatensamen (Lycopersicum esculentum Mill.) sowie an
der einzelligen Grünalge Chlorella vulgaris durchgeführt.
a) Versuche mit Kresse und Tomaten
Kresse- und Tomatensamen befanden sich in handelsüb-
lichen Papierverpackungen und wurden trocken bei Raum
temperatur (20oC) gelagert. Vor den Versuchen wurden
Samen entnommen und je nach Versuchsbedingungen 5 - 60
Minuten in Leitungswasser vorgequollen. Je 20 der vorge
quollenen Samen wurden in einer Petrischale (Schott 100/15)
auf einem Rundfilter ausgelegt. Das Filter war benetzt
mit 3 ml Incubationsmedium. Als Incubationsmedium wurde
verwendet:
M1 Nährsalzlösung nach Ruppel, pH 6,3 (Ruppel 1962)
M2 : Nährsalzlösung mit Zusatz von Kontrollserum
M3 : Nährsalzlösung mit Zusatz von Tumorserum.
Der Serumsatz betrug zwischen 0,1 und 0,2 ml bei einem
Gesamtvolumen von 3 ml pro Versuchsansatz.
Die Zusammensetzung der Nährsalzlösung ist der Tabelle 1
zu entnehmen.
Die Versuchsansätze wurden 72 Stunden bei 250C im Dauer
dunkel inkubiert. Danach erfolgte die Auswertung. Dabei
dienten die in M1 angewachsenen, vom Serum nicht beein
flußten Keimlinge als Vergleichsstandard.
Als Parameter für die Auswertung wurde die Zahl der
erfolgreichen Keimungen ermittelt, wobei die Keimung eines
Samens dann als erfolgreich definiert wurde, wenn die
Länge der Wurzel mindestens 8 mm betrug, unabhängig von
der Länge des Hypocotyls.
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b) Versuche mit Algen
Die für die Versuche benötigten Algen Chlorella
vulgaris wurden als Massenkultur in Kulturröhren bei
300C und 2500 Lux Weißlicht angezogen. Der Licht-Dunkel
rhythmus betrug 14/10 Stunden, als Kulturmedium diente
Mi mit einem Flüssigkeitsvolumen von 150 ml pro Anzucht
röhre. Begast wurden die Algen mit Pressluft ohne Zusatz
von CO2• Bevor sie im Versuch verwendet wurden, waren sie
den oben angeführten Bedingungen eine Woche lang ausge
setzt.
Für die Versuchsansätze wurde die Algenstammlösung auf
eine relative Zellzahl von 200 verdünnt. Die Verdünnung
erfolgte mit Medium Mi, nachdem die Zellzahl der Stamm
lösung mit Hilfe einer Thomazählkammer unter dem Mikrskop
ermittelt worden war. Die Zellzahl ist die Anzahl der
Algen in 16 Zählfeldern der Thomakammer. Dabei entspricht
die Zellzahl 100 einem Algentiter von 1,56 x 106 Zellen/mI.
Das Flüssigkeitsvolumen der Ansätze Mi, M2 und M3 betrug
6 ml, wobei M2 und M3 einen Serumanteil von 0,2, 0,24 und
0,3 ml hatten. Die Inkubation der Ansätze erfolgte in 25 ml
Erlenmeyerkolben, die mit Wattestopfen verschlossen waren
und in einer Warburgapparatur bei 300C und 2500 Lux Weiß
licht geschüttelt wurden (f- 2 Hz), um eine Sedimentierung
der Algen während des Versuchs zu verhindern. Der Tag
Nachtrhythmus war wiederum auf 14/10 Stunden eingestellt.
Begast wurden die Kolben nicht, jedoch bestand in geringem
Umfang die Möglichkeit zum Gasaustausch über den Watte
stopfen. Zur Ermittlung des Wachstums wurden in zeitlichen
Abständen Proben entnommen (0,2 ml) und in der Thomakammer
ausgezählt. Als Parameter für die Auswertung diente die
Zellzahl in Abhängigkeit der Versuchsdauer, I1ilfsparameter
waren die Größe der Zellen sowie der Grad der Verklumpung
der Algen, die Kontroll- bzw. Tumorserum ausgesetzt waren.
2. SERUMMATERIAL
Blutserum ist der von Zellen und Proteinen des Wundver
schlußsystems (Clotting system) befreite,
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nicht mehr gerinnende, wäßrige Bestandteil des Blutes.
Der Gehalt an Bilirubin bewirkt eine leichte Gelbfärbung.
Die in den Versuchen eingetzten Tumorseren stammten aus
der Universitätsklinik, dem Strahleninstitut, sowie dem
evangelischen Krankenhaus der Stadt Köln, die Kontroll
seren aus der Praxis von Dr. med. Doetsch. Alle Seren
befanden sich in Plastikröhrchen mit luftdichtem Schraub
verschluß und wurden per Post nach Bielefeld geschickt.
Hier wurden sie sofort nach Eintreffen bei -1SoC einge
froren. Allen Seren lagen Begleitschreiben bei, aus denen
Alter, Geschlecht, Zustand der Patienten zum Zeitpunkt
der Blutentnehme, Tumordiagnosen sowie bereits erfolgte
Behandlungen der Serumspender zu ersehen waren. Diese
Daten wurden katalogisiert. In die Versuche kamen nur
Tumorseren von Patienten mit fortgeschrittenen Krankheits
stadien.
Die jeweils ausgesuchten Kontroll- und Tumorseren wurden
bei Zimmertemperatur aufgetaut. Eine Serumentnehme er
folgte erst, wenn der Inhalt der Röhrchen völlig aufgetaut
und gut geschüttelt worden war. Der Rest wurde wieder
eingefroren und konnte für Parallelversuche oder Versuchs
wiederholungen verwendet werden.
3. ANGEWENDETE METHODEN ZUR SERUMFRAKTIONIERUNG
Bei Experimenten zur Serumfraktionierung wurden aus
schließlich Kontrollseren verwendet. Sie wurden dialysiert
oder ultrafiltriert. Die Dialyse erfolgte in Visking
Dialysierschläuchen der Firma Serva mit einem mittleren
Porenradius von 24 A. Bei einer Temperatur von 150C
wurden die Seren gegen destilliertes Wasser bzw. gegen
physiologische Kochsalzlösung dialysiert. In zeitlichen
Abständen wurden dem Schlauch Serumproben entnommen und
im Kressetest auf das Vorhandensein oder Fehlen der Hemm
wirkung untersucht. Nach Beendigung der Dialyse wurde das
Außendialysat ebenfalls auf wachstumshemmende Wirkung
getestet.