Table Of ContentARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
GEISTESWI SSENSCHAFTEN
108. SITZUNG
AM 21. OKTOBER 1964
IN DüSSELDORF
ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR FORSCHUNG
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
GEISTE SWI S SEN SCHAFTEN
HEFT 131
HARRY WESTERMANN
Das Verhältrus zwischen Bergbau und
öffentlichen Verkehrsanstalten als Gegenstand richterlicher
und gesetzgeberischer Bewertung
HERAUSGEGEBEN
IM AUFTRAGE DES MINISTERPRASIDENTEN Dr. FRANZ MEYERS
VON STAATS SEKRETAR i. e. R. PROF. Dr. h. C., Dr. E. h. LEO BRANDT
HARRY WESTERMANN
Das Verhältnis zwischen Bergbau und
öffentlichen Verkehrsanstalten als Gegenstand richterlicher
und gesetzgeberischer Bewertung
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-322-98164-6 ISBN 978-3-322-98829-4 (eBook)
DOI 10.l007/978-3-322-98829-4
© 1966 by Springer Facbmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen 1966
Vorwort
Das Verhältnis des Bergbaus zu den öffentlichen Verkehrs anstalten ist ein
altes Problem; es ist in jüngster Zeit in einer die Praxis z. T. belastenden Art
aktuell geworden. Das Institut für Berg- und Energierecht der Universität
Münster ist mit den Fragestellungen unter verschiedensten Gesichtspunkten
konfrontiert worden. Die jetzt vorliegende Darstellung faßt die Ergebnisse
der einzelnen Arbeiten zusammen.
Herr Rechtsanwalt Dr. H. Schulte und Herr Assessor Forne/li haben
während der ganzen Zeit der Bearbeitung wesentlich mitgewirkt. Ihnen
und den Herren der Praxis, die durch Diskussionen und Überlassung prak
tischen Anschauungsmaterials geholfen haben, ist auch an dieser Stelle
herzlich zu danken.
INHALT
A. Grundlegung ............................................... 9
1. Eigenart der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1. Überblick .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2. Methodische Besonderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
11. Bedeutung der Kollision von Bergbau und öffentlichen
Verkehrsanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1. Ausdehnung öffentlicher Verkehrsanlagen .............. 10
2. Art der Kollision. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11
3. Belastung des Bergbaus ............................. 11
4. Historische Entwicklung... . ... . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. 16
III. Interessenwiderstreit kollidierender Nutzungsrechte im Raum 22
1. Die beteiligten Interessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22
2. Methode der gesetzlichen Interessenbewertung ....... . .. 23
3. Methode der richterlichen Interessenbewertung . . . . . . . . .. 26
4. Vergleich der Kollisionsregelung des ABG mit dem Plan
feststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 28
B. Das Recht des ABG ........................................ 30
1. Systematische Stellung der § § 153, 154 ABG .............. 30
1. §§ 153, 154 ABG als Sonderfall der Regelung des Ver
hältnisses von Grundeigentum und Bergwerkseigentum . .. 30
2. Allgemeines Verhältnis von Grundeigentum und Berg-
werkseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31
3. Spezialregelung für das Verhältnis von Verkehrsanstalten
und Bergwerkseigentum ............................. 33
II. Inhalt der §§ 153, 154 ABG . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 34
1. Begriff der öffentlichen Verkehrsanstalt. . . . . . . . . . . . . . . .. 34
2. Auslegung der § § 153, 154 ABG ...................... 35
8 Inhalt
3. Auslegung durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . .. 38
4. Auslegung durch das Schrifttum ...................... 44
5. Kritische Analyse der Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . .. 49
6. Eigene Inhaltsbestimmung von § 153 ABG . ... ... .. . ... 70
7. Eigene Inhaltsbestimmung von § 154 ABG ........ , . ... 83
8. Auslegung an Hand allgemeiner Rechtsgedanken . . . . . . . . 90
C. Bergbau und öffentliche Verkehrsanstalten im Planfeststellungsverfahren ., 97
1. System und Inhalt des Planfeststellungsverfahrens . . . . . . . . . . 97
1. Eigenart des Planfeststellungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . .. 97
2. Begriff der Planfeststellung ........................... 98
3. Entscheidungen im Planfeststellungsverfahren .......... , 99
H. Interessenbewertung im Planfeststellungsverfahren ......... 101
1. Arten der Planfeststellungsverfahren ................... 101
2. Verkehrsinteresse ................................... 101
3. Einbeziehung aller betroffenen Interessen. . . . . . . . . . . . . .. 102
4. Ermessen der Planfeststellungsbehärden ................ 106
5. Planfeststellung und Kostentragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 111
D. Bergbau und öffentliche Verkehrsanstalten in der Bergrechtsrefortll ..... , 117
1. Brauchbarkeit der Grundgedanken der § § 153, 154 ABG.. 117
2. Raumgestaltender Charakter des Rechts ................ 118
3. Notwendigkeit des Interessenausgleichs ................ 119
Schrifttumsverzeichnis ......................................... 122
Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 126
Resume ..................................................... 130
Diskussions bei träge
Staatssekretär i. e. R. Professor Dr. h. c., DrAng. E. h. Leo Brandt;
Professor Dr. jur. Harry Westermann; Professor Dr. jur., Dr. jur. h. c.
Hans Peters (t); Professor Dr. jur. Gerhard Reinicke; Professor
Dr. jur. Ulrich Scheuner; Oberbergamtsdirektor Dr. jur. Herbert
Weller; Landtagsabgeordneter Dr. jur. Fritz Kassmann; Professor
Dr. rer. pol. Fritz Wilhelm Hardach ........................... 135
A. Grundlegung
I. Eigenart der Fragestellung
1. Überblick
Das hier zu behandelnde Problem ist alt; es hat schon vor Inkrafttreten
des ABG die Gerichte beschäftigt 1. Wie § § 153, 154 ABG das Verhältnis
von Verkehrsanstalten und Bergbau wirklich regeln, ist aus dem Wortlaut
der Vorschriften nicht oder nur mit Schwierigkeiten abzuleiten; die Frage
blieb daher zunächst offen 2; seit der Grundsatzentscheidung vom 11. XI. 1891
(RGZ 28,341 = ZfB 33, 232) hat sich eine ständige Rechtsprechung des
RG gebildet, die aber im Schrifttum Widerspruch gefunden hat. Besonders
in jüngster Zeit ist das Verhältnis von Bergbau und öffentlichen Verkehrs
anstalten erneut untersucht worden. Überwiegend ist das Schrifttum dabei
zu einem von der Rechtsprechung abweichenden Ergebnis gekommen3•
Angesichts des deutlichen Interessenkonflikts und der erheblichen Summen,
die auf dem Spiel stehen, ist es nicht verwunderlich, daß die Meinungen sehr
unterschiedlich sind und mit Nachdruck vertreten werden4•
2. Methodische Besonderheit
Das Thema zwingt in seinem bergrechtlichen Teil dazu, eine fast 100 Jahre
alte Regelung auf ihre Bedeutung für die heutige Zeit zu prüfen. Schon
dadurch wirft es auch recht interessante methodische Fragen auf. Die
folgende Darstellung soll einen Mittelweg zwischen der Behandlung der
praktischen Fragen und der methodischen einhalten.
1 Vgl. die Darstellung unten S. 19f.
2 Noch in der Entscheidung vom 9. VII. 1881 läßt das RG (RGZ 5, 266 = ZfB 23, 391)
die Frage unentschieden.
3 V gl. die Darstellung unten S. 45ff.
, In einem nicht veröffentlichten Gutachten hat sich Prof. H. Thieme, Hamburg, zu dem
Fragenkomplex geäußert; er kommt im wesentlichen zu einem Ergebnis, das dem
hier vertretenen widerspricht.
10 Harry Westermann
1I. Bedeutung der Kollision von Bergbau und öffentlichen Verkehrsanstalten
Das Problem entsteht dort, wo Anlagen öffentlicher Verkehrsanstalten
im Einwirkungsbereich des Bergbaus liegen. Es handelt sich also um eine
Kollision im Raum. Die weitgehende Ortsgebundenheit sowohl des Berg
baus als auch der Verkehrsanstalten verhindert in den meisten Fällen, daß
die Schwierigkeiten durch ein Ausweichen des Bergbaus oder der Verkehrs
anstalten gelöst werden.
1. Aus dehn ung öffen tUcher Ver kehrs anlagen
Die praktische Bedeutung der Kollision ergibt sich aus der Häufigkeit des
Bergbaus einerseits und aus der Menge der Verkehrsanlagen andererseits.
Gerade in den Bergbaugebieten, insbesondere im Ruhrgebiet, häufen sich
Verkehrsanlagen aller Art, so Straßen, Wasserstraßen mit Schleusen und
Hebewerken usw. Ein dichtes Bahnnetz durchzieht das Revier. Es werden
mehr noch als bisher große und vor allem kleinere Flughäfen in ihm
angelegt werden müssen. Das mag mit einigen Zahlenangaben belegt werden:
Im Gebiet des Ruhrsiedlungsverbandes gibt es heute etwa 6000 km Gleise
der Bundesbahn, etwa 885 km Gleise von Straßenbahnen, 830 km Bundes
straßen sowie 1500 km Landstraßen erster Ordnung Ein anschauliches
6.
Bild gibt die Angabe, daß im Gebiet des Ruhrsiedlungsverbandes je qkm
508 m Bundesstraßen und Landstraßen erster Ordnung existieren6• Ferner
gibt es im Ruhrgebiet insgesamt 250 km Kanäle mit 79 Häfen und 18
Schleusen 7. Die Autobahn Kamener Kreuz-Leverkusener Kreuz (über
Oberhausen) ist etwa 130 km lang, die Linie Kamener Kreuz-Leverkusen
über Hagen etwa 90 km. Dazu kommen 20 km der im Bau befindlichen
Sauerland-Linie (Ickern-Dortmund) und die jetzt fertiggestellte Hansa
Linie von Kamen nach Münsters.
5 Angaben aus Gadegast, Verkehrsprobleme im Ruhrgebiet, in Forschungs-und Sitzungs
berichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung Bd. XII, S.59ff.,
S.61 (Straßennetz, Stand 31. III. 1958), S. 72 (Straßenbahnnetz), S. 78 (Bundesbahn
netz).
6 Angabe nach Planungsatlas des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, Begleittext
zur Karte V/1.
7 Zusammengestellt nach Westdeutschem Schiffahrts- und Hafenkalender 1964, 31.
Aufl., S. 499/500, 504ff., 812ff.
8 Angaben nach eigener Schätzung.
Das Verhältnis zwischen Bergbau und öffentlichen Verkehrs anstalten 11
2. Art der Kollision
Daraus ergeben sich eine ganze Anzahl von Fragen und Schwierigkeiten.
Es kann sein, daß die Folgen des Bergbaus es ausschließen, daß auf der
Tagesoberfläche Verkehrsanlagen ent-oder bestehen. Es muß dann die eine
oder die andere Institution weichen. Häufiger ist es, daß der Bergbau sich
auf die Verkehrsanlagen einstellen muß, sei es durch die Art des Abbaus,
sei es, daß er teilweise auf den Abbau verzichtet (Stehenlassen von Sicher
heitspfeilern). Insgesamt führt das zu einem Verzicht auf den Abbau nicht
unbedeutender Mineralmengen. So umfaßt nach einer Mitteilung von
Heinemann9 der Sicherheitspfeiler für eine Kanalschleuse bei mittlerer Teufe
von 720 m schon mehr als ein Normalfeld. Nach einer älteren Berechnung10
liegen allein unter den Kanälen des Ruhrgebiets 1,25 Milliarden Tonnen
abbauwürdiger Kohle, die nicht gefördert werden dürfen oder können.
Auch die Verkehrsanlagen stellen sich z. T. auf den Bergbau ein. Das
bezieht sich auf die Wahl der Trassenführung, auf die Art der Anlagen, ins
besondere auf die Brücken, die u. U. in einem besonderen System gebaut
werden müssen. Vielfach müssen Kanäle und Straßen höher gelegt werden,
um nicht unbeträchtliche Absenkungen von vornherein aufzufangen. Diese
Erscheinungen lösen in zwei Richtungen Rechtsfragen aus: Es fragt sich,
ob eine solche gegenseitige Rücksichtnahme verlangt werden kann, wer die
Einzelheiten bestimmt und insbesondere welche Folgen auftreten, wenn
solche Maßnahmen nicht getroffen werden. Besonders bedeutungsvoll ist
die Frage, wer die meist erheblichen Kosten der Maßnahmen trägt.
Auch wenn beim Bau der Verkehrsanlagen die bergbaulichen Einwir
kungen berücksichtigt werden, sind Schäden an den Anlagen u. U. nicht
vermeidbar. Kanäle, Schleusen, Weichen, insbesondere solche besonderer
Art, Ablaufberge, Brücken über Straßen usw. sind besonders empfindlich
gegen Veränderungen des Untergrundes. Die Behebung solcher Schäden ist
meistens recht kostspielig.
3. Belastung des Bergbaus
Die Aufwendungen, die die Bergbauunternehmer zugunsten von Ver
kehrsanstalten machen müssen, lassen sich nicht in Zahlen für das Bundes
gebiet oder für einzelne Bergbaureviere belegen. Sicher ist, daß die Auf
wendungen insgesamt erheblich sind. Insbesondere fallen Kosten für bau-
g Bergschaden, S. 20.
10 Weißner, Mitteilungen aus dem Markscheidewesen 1953, S. 27.