Bilder von dem Einen Gott: Die Rhetorik Des Bildes in Monotheistischen Gottesdarstellungen Der Spätantike

350 Pages·2016·3.503 MB·German

by  Nicola Hömke (editor)

Bilder von dem Einen Gott
Philologus
Zeitschrift für antike Literatur und ihre Rezeption /
A Journal for Ancient Literature and its Reception
Supplemente /
Supplementary Volumes
Herausgegeben von / Edited by
Sabine Föllinger, Therese Fuhrer, Jan Stenger,
Martin Vöhler, Katharina Volk
Band 6
Bilder von
dem Einen Gott
Die Rhetorik des Bildes in monotheistischen
Gottesdarstellungen der Spätantike
Herausgegeben von
Nicola Hömke, Gian Franco Chiai, Antonia Jenik
Gedruckt mit Mitteln, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt hat.
ISBN 978-3-11-051673-9
e-ISBN (PDF) 978-3-11-051756-9
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-051704-0
ISSN 2199-0255
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© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany
www.degruyter.com
Inhalt
Einleitung 1
I Den Einen Gott denken: Definition und sprachliche
Verbildlichung des Göttlichen im theologischen und
philosophischen Diskurs
Alfons Fürst
Trinitarische Bilderwelten. Die Funktion von Bildern bei der Konfiguration des
christlichen trinitarischen Monotheismus 11
Rainer Hirsch-Luipold
Viele Bilder – ein Gott. Plutarchs polylatrischer Monotheismus 43
Jan R. Stenger
„Sollen wir über das Unsagbare schreiben?“ Bilder des Göttlichen in der
Theologie Kaiser Julians und seiner Anhänger 69
Ilinca Tanaseanu-Döbler
Das synthema des Vaters: Bemerkungen zur Darstellung Gottes bei Synesios und
Proklos 95
Peter Van Nuffelen
There’s Always the Sun. Metaphysics and Antiquarianism in Macrobius 127
Desmond Durkin-Meisterernst
Beschreibung der (zwei) obersten Prinzipien in manichäischen Texten: Wie stehen
Visualisierung undkonzeptuelle Erfassung zueinander? 145
II Den Einen Gott darstellen: Strategien zur Visualisierung und
Funktionalisierung des Göttlichen
Stephan Witetschek
Den unsichtbaren Gott sehen? Die Darstellung des nicht Darstellbaren in der
Thronsaalvision der Johannesapokalypse (Apk 4) 161
VI Inhalt
Danuta Shanzer
Monotheists’ Predication and Narrative: Challenges and Strategies in Late
Antique Latin Christian Hymns 175
Nicola Hömke
Bilder von der Einen Göttin im Pervigilium Veneris 193
Bardo Maria Gauly
Pronuba fit Natura deis: Liebesgötter und Natur in Claudians Gedicht über den
Magneten 217
Gian Franco Chiai
Akzeptanz, Ablehnung oder Umdeutung? Macrobius und die traditionellen
Götterbilder 235
Barbara E. Borg
Slumber Under Divine Protection: From Vague Pagan Hopes to Christian
Belief 263
Monika Schärtl
Der imperiale Gott – oder zur Christianisierung Menorcas 289
Informationen zu den Autoren und Herausgebern 309
Index nominum et rerum 311
Index nominum et rerum (griechisch) 325
Index locorum 327
Einleitung
Die religionsgeschichtliche Situation der griechisch-römischen Spätantike zeichnet
sichdurcheineKoexistenzverschiedenerAusprägungenvon‚Ein-Gott-Auffassungen‘
aus, die sich nicht sinnvoll auf dichotome Klassifizierungen, etwa ‚christlich‘ und
‚pagan‘, reduzieren lassen. Das lange für gültig erachtete Denkschema ‚christlich-
monotheistisch‘versus‚pagan-polytheistisch‘hatsichgleichfallsalssimplifiziertund
inadäquat erwiesen und ist der Erkenntnis gewichen, dass die Herausbildung des
frühchristlichen Monotheismus im Kontext ähnlicher historischer, philosophischer,
literarischer, religions- und kultgeschichtlicher Tendenzen der spätantiken Welt be-
griffenwerdenmuss.Die Intensitätder hierzu aktuellgeführten Diskussionspiegelt
sichinzahlreichenPublikationenwider,indenenWegeaufgezeigtwerden,derimmer
deutlicherzutagetretendenPluralitätsingularisierenderodergarmonotheisierender
GottesvorstellungeninhaltlichundterminologischRechnungzutragen.¹
WennantikeAutoren(ungeachtetihrerreligiösenAusrichtung)überdenoderzu
dem einen Gott sprechen, bedienen sie sich in ihrer Rhetorik nicht nur einer
sprachlich-abstraktenBegrifflichkeit,sondernaucheinerbildhaftenAusdrucksweise.
Der Begriff ‚Bild‘ ist dabei durchaus mehrdeutig zu verstehen und gegenüber dem
archäologischen oder kunstgeschichtlichen Bildbegriff deutlich erweitert: Er subsu-
miert die rhetorische Stilisierung des Erzählinhalts durch Tropen und Figuren (Ek-
phraseis, Metaphern, Allegorien, Gleichnisse,Vergleiche etc.) ebenso wie die Ver-
wendung einzelner Symbole oder ganzer Symbolkomplexe, die in analoger oder
synekdochischer Beziehung auf einen anderen Sachverhalt verweisen. Schließlich
müssenauchgraphischeoderplastischeBilder,alsoreligiöseKultbilderoderKunst-
werke, in die Diskussion über monotheistische Denkmodelle einbezogen werden,
denn ihre ikonographische Analyse kann Aufschluss geben über Visualisierungs-
strategienundBedingungenfürdieVeränderungvonWahrnehmungskontexten.²
Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge thematisieren eben diesen
vielschichtigen‚GriffzumBild‘:SiestellensichderLeitfrage,welcheBilderdieAutoren
bzw.KünstlerauswelcherIntentionherausverwenden,wennsiedieSingularität,die
‚Ein-heit‘ Gottes ansprechen und im Rahmen ihrer Darstellungsabsicht funktionali-
sieren.Die Fokussierungauf die‚Rhetorikdes Bildes‘ dientdabeinicht nurder me-
thodischenundinhaltlichenPräzisierung,sondernerlaubtzugleich,sichdemThema
ausverschiedenenPerspektivenzunähern.
EinnaheliegenderersterSchrittbestehtdarinzuuntersuchen,mitwelchenrhe-
torischen Mitteln in theologischen Diskursen und literarischen Betrachtungen des
Göttlichen Bildlichkeit erzeugt oder auch in Frage gestellt wird. Gerade vor dem
 Vgl.z.B.dieDiskussionzurExistenzeines„paganenMonotheismus“(dazuAthanassiadiu.Frede
;Kratzu.Spieckermann;Mitchellu.VanNuffelenaundb;Fürstetal.);
besonderszurTerminologies.VanNuffelen().
 Vgl.hierzuz.B.Dohmenu.Wagner().
DOI10.1515/9783110517569-001
2 NicolaHömke,GianFrancoChiai,AntoniaJenik
HintergrundderimfrühenChristentumsicherstschrittweiseausbildendenDogmatik
(etwahinsichtlichderTrinität),aberauchreligiösverankerterBilderverboteerhältdie
sprachliche Verbildlichung des Göttlichen ja eine besondere Bedeutung. In umge-
kehrterBlickrichtungermöglichtdieAnalysebildhafterSignaleundbildhafterSpra-
che Rückschlüsseaufdiedahinterstehenden Prozesseder Terminologiefindungund
diedamitverbundenengedanklichenKontexte.
EineanderePerspektiveeröffnetsich,wennman‚Rhetorik‘nichtaufdieEbeneder
Sprachkunstbeschränkt,sonderndarunterinweiteremSinneeinInstrumentariumim
Dienst der Persuasion³ versteht: In diesem Fall geht es darum,welcher Argumenta-
tionsstrategien sich etwa ein Autor im Umgang mit Bildlichkeit bedient, um deren
‚richtige‘LesartinderHermeneutikzuverankern–undwelcherAbwehrstrategien,um
inderAuseinandersetzungmitrivalisierendenEntwürfengegen‚falsche‘Bildervor-
zugehen.DieserAspektlenktdasAugenmerkauchaufdiegrundlegendeProblematik,
ob die Verwendung von Bildern überhaupt sinnvoll ist, und welche Chancen und
Gefahren sich ergeben,wenn man das eigentlich Nicht-Darstellbare in Bildern ver-
anschaulichen und begreiflich machen will, ohne dadurch die Unvergleichlichkeit,
Einzigkeit und Transzendenz des Einen Gottes in Zweifel zu ziehen. Besonders im
spätantikenDiskursüberdasGöttlichekommtdieserdiffizilenVermittlerfunktiondes
Bildes im Erkenntnisprozess,dem genauen Verhältnis zwischen Abbild und Bildur-
sprungeinefundamentaleBedeutungzu.
Obendrein gilt es zu bedenken, dass viele der gewählten Vergleiche und Meta-
phern, etwa Naturphänomene, nicht einem eindeutig ‚christlichen‘ oder ‚paganen‘
Bereichentstammen,sondernlängstTeileineruniversalenMetapherntraditionsind,
diewiederumdasVerständnisimaktuellgemeintenKontextbeeinflussenkann.Wenn
die intendierte Argumentationsstrategie einen Umdeutungs-, Adaptions- oder Ab-
lehnungsprozessbegleitet,derausderverändertenWahrnehmungdieservertrauten
Bilderwelt resultieren soll, muss der Autor der ‚Rhetorik des Bildes‘ besondere Auf-
merksamkeitschenken.
Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge widmen sich den hier skiz-
zierten Fragestellungen in verschiedenen methodischen Zugängen und aus unter-
schiedlichen Fachrichtungen (Klassische Philologie, Theologie, Religionswissen-
schaft,KlassischeArchäologie,Iranistik,Judaistik).DerBlickrichtetsichdabeinicht
nur auf das westliche Imperium Romanum, sondern auch auf den griechischspra-
chigenOsten.DerzeitlicheSchwerpunktliegtzwaraufdemausgehendendrittenbis
sechsten nachchristlichen Jahrhundert, ist aber bewusst durchlässig gewählt, um
auch die z.T. weit zurückreichende Genese bestimmter Bildtraditionen und Mono-
theismustendenzenangemessenwürdigenzukönnen.DaherwerdennebenAugustin,
Synesios und Macrobius auch die Darstellungdes nicht Darstellbaren in der Johan-
nesapokalypseundderpolylatrischeMonotheismusbeiPlutarchbehandelt.
 Vgl.hierzuFürst()f.
Einleitung 3
AlleBeiträgeentstammenderTagung„BildervondemeinenGott“,dievom26.bis
28.September2013vonNicolaHömke,GianFrancoChiaiundThereseFuhrerander
Ludwig-Maximilians-Universität München veranstaltet wurde. Den finanziellen und
organisatorischen Rahmen bildete dabei das DFG-Projekt „Die Rhetorik des Mono-
theismus im Römischen Reich“, dessen Teilprojekt „Monotheistische Rede in Prosa
und Poesie der Spätantike“ unter Leitung von Therese Fuhrer (Latinistik) von Sep-
tember2011bisMärz2013anderFreienUniversitätBerlin,danachbisNovember2015
an der Ludwig-Maximilians-Universität München angesiedelt war.⁴ Die Herausgeber
des vorliegenden Tagungsbandes haben zu unterschiedlichen Zeiten als wissen-
schaftlicheMitarbeiterindiesemProjektgeforscht.
DiebereitswährendderTagungsichabzeichnendeAkzentuierungderjeweiligen
Herangehensweisen findet ihren Niederschlag in der Gruppierung der Beiträge im
Tagungsband:DieersteGruppe(„DenEinenGottdenken:Definitionundsprachliche
Verbildlichung des Göttlichen im theologischen und philosophischen Diskurs“)
widmet sich der theoretischen Grundlegung für die Darstellung des und die Kom-
munikationüberdasGöttliche,indemsiediegedanklichen KonzeptionenundDefi-
nitionendesGöttlichenhinterfragt.DieindenTextenbehandeltenAutorensindselbst
auf der Suche nach geeigneten Darstellungsformen: Sie ‚erfinden‘ und verwenden
Bilder, setzen sich kritisch mitder Bilderwahl andererAutoren auseinander und re-
flektierenüberdieEignungkonkreterBildersowieüberdieBildlichkeitansich.Immer
wiederwirddabeieinetheologisch-philosophischeKoineoffenbar,wennsichchrist-
licheundnichtchristlicheAutorenderselbenBilderbedienen(dasBildderSonnezieht
sichbeispielsweisedurchallesechsBeiträgedieserGruppe).
Der Auftaktbeitrag von Alfons Fürst thematisiert mit der Bildkonfiguration der
TrinitäteinesderdrängendstenundschwierigstenProblemederAltenKirche.Insofern
die von Tertullian, Justin und Origenes gefundenen Lösungen die Wesenheit Gottes
lediglich dem Dinglichkeitscharaktervon Naturbildernunterwarfen,waren sie letzt-
lich zum Scheitern verurteilt und mündeten in die grundsätzliche Bilderkritik der
Kappadokier,aberinsbesondereAugustins.
DieDiskrepanzzwischenKonzeptionundbildhafterUmsetzungdesEinenGottes
sowiedieFragenachderLegitimitätderBilderverwendungbeschäftigtauf‚paganer‘
SeiteauchPlutarch:FürdessenSyntheseausmonotheistischerGotteskonzeptionund
polytheistischer Kultpraxis führt Rainer Hirsch-Luipold in seiner Analyse den
Neologismus„polylatrischerMonotheismus“ein.
Die folgenden zwei Beiträge kreisen beide um das Problem der Darstellungdes
nicht Darstellbaren: Jan R. Stenger argumentiert, dass gerade die Wettbewerbssi-
tuation, in der sich Neuplatoniker wie Julian, Salutius und Eunap gegenüber ihren
christlichenKonkurrentenbezüglichmonotheistischerGotteskonzeptionenbefanden,
 DaszweiteTeilprojekt„Christlich-monotheistischeRhetorikderAbgrenzungvonpaganenGottes-
vorstellungen“warunterLeitungvonAlfonsFürstanderWestfälischenWilhelms-UniversitätMünster
beheimatet.
4 NicolaHömke,GianFrancoChiai,AntoniaJenik
die Notwendigkeit bildlicher Konkretisierung offenkundig machte, sodass der Rhe-
torikdesBildeseinewichtigepersuasiveAufgabebeiderVermittlungneuplatonischer
Theologiezukommt.
IlincaTanaseanu-Döblerführthingegenanhand deschristlichenAutorsSyne-
sios und des paganen Autors Proklos zwei ideologisch scheinbar gegensätzliche
neuplatonischeAutorenvor,diesichjedochbeiderVisualisierungdeshöchstenGottes
ähnlicher Strategien bedienen, indem sie ihn in Beziehung zur menschlichen Seele
setzenunddamitimGesamtgefügederWeltverorten.
EbenfallseineneuplatonischeRichtunggibtMacrobiusseinenÜberlegungen,als
ersich–circadreiJahrhundertenachPlutarch–derFragewidmet,wiemetaphysische
Wahrheiten durch Kultbilder ausgedrückt werdenkönnen:Erdeutet,wiePeterVan
Nuffelen darlegt, alle paganen Götterstatuen, Mythen und Kulte als Allegorien des
EinenGottes,derwiederuminderSonneseinesichtbareAnalogiefindet.DieWahr-
haftigkeit der Kultbilder ist ihrerseits durch die Inspiration ihrer Erzeuger vom gött-
lichenLogosgewährleistet.
Desmond Durkin-Meisterernst rückt mit seinem Aufsatz noch eine weitere in
derSpätantikebedeutsameReligionslehreindenBlick:ErrichtetdieFragenachder
(Nicht‐)DarstellbarkeitdesGuten,indiesemFalldesoberstenGutenPrinzips,andas
manichäische System und wählt dabei den Wegüber die Analyse der Darstellungs-
formen des Bösen Prinzips in Gestalt von Mensch- und Tierbildern sowie Mythen.
DiezweiteGruppe(„DenEinenGottdarstellen:StrategienzurVisualisierungund
FunktionalisierungdesGöttlichen“)setztandemPunktan,andemVorstellungendes
Göttlichen nicht mehr erst formuliert, reflektiert und diskutiert werden müssen,
sondernbereitsausgebildetundvorhandensind.Hiergehtesdarumumzusetzen,was
indentheologisch-philosophischenTextenvonGruppe1mehrfachgefordertwurde:
Gott muss veranschaulicht werden, um dem Publikum nahegebracht werden zu
können,zumalwenndiesesnichtodernurinanderenBereichenvorgebildetist.Dieso
herausgebildeten Visualisierungsstrategien werden im Folgenden an zwei verschie-
denenTextsortenuntersucht:DieerstenbeidenBeiträgebetreffenliturgisch-sakrale
Texte,dieaneinreligiösmehroderwenigerkonformesPublikumadressiertsindund
inihrerFunktion,diegemeinsamenÜberzeugungenzustärken,zuveranschaulichen
und zu kommunizieren, zumindest einen latent normativen bzw.präskriptiven Cha-
rakteraufweisen.
Ein bemerkenswertes Paradoxon von schwelgender Bildhaftigkeit bei gleichzei-
tigerUnanschaulichkeiterläutertStephanWitetschekinseinerAnalysederThron-
saalvision in der Johannesapokalypse: Während der Seher in seiner Vision Thron,
ThronsaalundHofstaatfarbenfrohschildert,bleibtGottselbstfürihneinNicht-Bild
undkannnurmithilfesprachlicherVermittlungsleistungerschlossenwerden.
Dochwasgeschieht,wennnichtdasPublikumdurchspeziellaufeszugeschnit-
teneTextegeformtwerdensoll,sondernumgekehrtVeränderungeninderreligiösen
Haltung des Publikums eine Neuorientierung der althergebrachten Textgestaltung
erfordern? Dieser Frage geht Danuta Shanzer bei ihren Betrachtungen zur Heraus-