Table Of ContentOriginalveröffentlichung in: Bibliothek, Forschung und Praxis 4, 1980, S. 79-115
Günter Burkard
Bibliotheken im alten Ägypten
Überlegungen zum Methodik ihres Nachweises und Übersicht zum Stand der Forschung
Verschiedene und jeweils häufig belegte ägyptische Wörter für „Bibliothek" lassen keinen Zweifel an der Existenz dieser
Institution im alten Ägypten. Einen merkwürdigen Gegensatz dazu bildet die geringe Zahl der bislang bekannten, d.h. der
archäologisch und/oder inschriftlich nachweisbaren Bibliotheksgebäude. Die Untersuchung dient zunächst der Verbreite
rung der methodischen Basis durch Erarbeitung eines Gerüstes, das bei der Befragung archäologischer und
inschriftlicher Befunde Anwendung finden kann. In einem zweiten Teil wird dieses Verfahren praktisch erprobt.
Libraries in ancient Egypt
There are various Egyptian words for 'library', all occurring frequently in literary citations which leave no doubt as to the
existence of such an Institution in ancient Egypt. Yet, there is a remarkable contrast to that as far as library buildings
hitherto known by archaeologic and/or epigraphic proof are concerned. At the beginning, the paper serves as an
enlargement of the methodical basis by working out an outline which may be applied to the treatment of archaeologic or
epigraphic findings. The second part offers the practica! application of this method.
Inhaltsübersicht Neben diesen Zeugnissen auf dauerhaftem Material
sind es vor allem die vielen Papyrusrollen bzw. deren
Einleitung 79 Reste, die sich trotz der Vergänglichkeit dieses Be
I. Zum Stand der Forschung 81 schreibstoffes erhalten haben und heute auf die Mu
II. Methodische Überlegungen 84 seen und Sammlungen in aller Welt verteilt sind, die
III. Verzeichnis ägyptischer Bibliotheken 92
diesen Eindruck bestätigen. Und dabei muß noch in
Abydos 92
Rechnung gestellt werden, daß diese erhaltenen Papy
Achmim 93
ri nur als ein verschwindend geringer Prozentsatz
Amarna 93
„Bibliothek Amenophis'III." 94 dessen anzusehen sind, was insgesamt in Ägypten an
Dendera 94 beschifteten Exemplaren vorhanden war: Schätzungen
Edfu 95 rechnen mit einem Verhältnis zwischen erhaltenen und
Elephantine 96 ursprünglich vorhandenen Papyri in den einzelnen
Heliopolis 98 Epochen der ägyptischen Geschichte von 1 :100.000
Hermopolis 99 oder wenig besser1.
Karnak 99
Dem äußerlichen Reichtum an Papyri entspricht deren
Krokodilopolis 101
vielfältiger Inhalt. Neben den üblichen Verwaltungs
Die „Bibliothek im Gedächtnistempel Pepi's II." 102
und Rechtsurkunden sind zahlreiche literarische, me
Philae 102
Ramesseum 102 diznische, astronomische, lehrhafte und vielfältige an
Die „Bibliothek des Königs Schepseskaf in Giza" .. 104 dere Texte erhalten, die zudem teilweise über Jahrhun
Sais 105 derte und sogar Jahrtausende hinweg immer wieder
snw.fHeiligtum 105 kopiert und so weiterüberliefert worden sind.
Soknopaiu Nesos 106 Vor diesem Hintergrund wird es verständlich, daß vor
Tebtynis 107
allem in den Anfängen der Ägyptologie im letzten
Tod 107
Jahrhundert und etwa zur gleichen Zeit auch auf
Ergebnisse und Perspektiven 108
bibliothekswissenschaftlicher Seite der Eindruck vom
Nachtrag 109
bibliothekenreichen Ägypten vorherrschte: Jedem grö
Literaturverzeichnis 114 ßeren Heiligtum wurde eine Bibliothek an die Seite
gestellt, teilweise wurden sogar deren Bestände „re
Einleitung* konstruiert".
Doch zeigte sich schon bald, daß diesen Ansichten
Wer sich heute mit dem kulturellen Nachlaß der alten
mehr Spekulation und weniger fundierte Fakten zu
Ägypter befaßt, wird auf Schritt und Tritt mit dem
grundelagen. Fritz Milkau hat dieses Kapitel der For
Phänomen konfrontiert, daß die Schrift in dieser
schungsgeschichte nachgezeichnet und anschließend
Kultur von ganz besonderer Bedeutung gewesen ist.
Das zeigt sich am augenfälligsten an den erhaltenen
Gebäuden: Die Wände und Mauern der Tempel sind
von oben bis unten mit hieroglyphischen Inschriften Der vorliegende Aufsatz ist eine überarbeitete Fassung der
Hausarbeit zur Prüfung für den höheren Dienst an wissenschaft
bedeckt, bisweilen in einem Ausmaße, daß daneben
lichen Bibliotheken beim BibliothekarLehrinstitut des Landes
die Reliefs in den Hintergrund zu treten scheinen. NordrheinWestfalen, Köln, 1978. Die Veröffentlichung erfolgt mit
Dazu kommen die Inschriften in den Gräbern, auf Genehmigung des Prüfungsausschusses.
1 Posener, Georges: Histoire et Egypte ancienne. In: Annales 17
Grab und Opferstelen, die zahlreichen Felsinschriften
(1962), S. 631646, zitiert bei Hornung, Erik: Einführung in die
und anderes mehr. Ägyptologie. Darmstadt 1967, S. 31.
80 Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten
dargelegt, wie beim damaligen Stand der Forschung Sammlung und Systematisierung kann uns helfen,
unter Zugrundelegung ausschließlich der bekannten z.B. Spuren bisher nicht bekannter oder nicht er
Tatsachen ein völlig anderes Bild entstehen mußte: kannter Bibliotheken aufzudecken. Denn solange
Bis auf wenige, teilweise zudem unsichere Fälle blieb wir nicht wissen, wo Bibliotheken zu erwarten sind,
nichts mehr vom angeblichen Reichtum Ägyptens an wie sie ausgesehen haben könnten und auch
Bibliotheken übrig2. welche Bestände wir in ihnen erwarten dürfen, wird
Auch in der Ägyptologie ist man längst zu den Fakten es uns auch nicht gelingen, Gebäudereste, Papy
zurückgekehrt, die in deutlichem Widerspruch zu den rusfunde o.ä. zweifelsfrei oder auch nur mit einiger
früheren Spekulationen stehen: Noch 1977 mußte der Wahrscheinlichkeit als Reste von Bibliotheken zu
ungarische Ägyptologe Vilmos Wessetzky resignie bestimmen.
rend feststellen: „Im Vergleich zum Reichtum der Trotz all dieser Problematik besteht aber heute kein
ägyptischen Kultur erscheint das Maß unserer Kennt Anlaß mehr, die Situation so pessimistisch zu beurtei
nisse über die ägyptischen Bibliotheken und Biblio len wie Milkau das tat und wie es erst kürzlich noch
thekare sehr fraglich ... Die in Ägypten relativ ärmli Wessetzky ausgesprochen hat (s. oben). Neue Aus
chen bibliotheksgeschichtlichen Funde sind nicht grabungen haben uns neue Indizien gebracht und auch
ausreichend zur Klärung solcher Probleme wie die ältere Grabungsberichte und Textpublikationen enthal
Lage und Einrichtungen der Bibliotheken, die Unter ten, teilweise versteckt, Hinweise, die uns auf der
bringung der Bücher, der Wirkungskreis der Bibliothe Suche nach altägyptischen Bibliotheken einen Schritt
ken, die Bestimmung von Privatbibliotheken."3 weiterbringen können: Es ist die Absicht dieser Arbeit,
Dies alles kann nun aber nicht bedeuten, daß Ägypten hier eine neue Standortbestimmung vorzunehmen.
in Wirklichkeit arm an Bibliotheken gewesen ist. Dieses Vorhaben ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn
Dagegen spricht einmal ganz sicher der eingangs vorher eine solide methodische Basis errichtet wird:
erwähnte Reichtum an Büchern und deren lange Zunächst sind grundsätzliche Erwägungen anzustellen
Tradierung, zum anderen und vor allem aber die und Kriterien zu erarbeiten, mit deren Hilfe die Suche
Tatsache, daß die Ägypter mehrere Wörter für „Biblio nach Bibliotheken durchgeführt werden kann. Dies
thek" kannten (s. dazu unten im 2. Kapitel), und daß muß daher auch das erste Ziel der vorliegenden Arbeit
wenigstens einige Bibliotheken erhalten bzw. nachge sein.
wiesen sind. Der nächste Schritt wird es dann sein, ausgehend von
Wie ist diese Diskrepanz zwischen dem, was erwartet dieser methodischen Grundlage das zur Verfügung
werden muß, und den tatsächlichen Gegebenheiten stehende Material zu untersuchen, d.h. es nach kon
zu erklären, d.h. warum fällt es heute so schwer, kreten Indizien für die Existenz von Bibliotheken zu
ägyptische Bibliotheken konkret nachzuweisen? befragen. Dabei geht es ausschließlich um Belege für
Es sind wohl vor allem zwei Gesichtspunkte, die ins den Nachweis bestimmter Bibliotheken. Weiterführen
Gewicht fallen: de Fragen, wie die nach deren Einrichtung, Organisa
tion o.ä., bleiben unberücksichtigt, da sie erst einem
1. Man muß davon ausgehen, daß die Bibliotheken im
zweiten Schritt, der auf dem hier dargelegten ersten
Regelfalle nicht aus Stein, sondern aus den viel
basiert, vorbehalten bleiben müssen.
vergänglicheren luftgetrockneten (d.h. nicht einmal
Vollständigkeit wurde nicht angestrebt, sie kann in
gebrannten) Nilschlammziegeln erbaut waren: Das
diesem Rahmen auch nicht erreicht werden: Dazu
dauerhafte Material war den religiösen Bauwerken
bedürfte es umfangreicher und langwieriger Untersu
wie Tempeln und Grabanlagen vorbehalten4, reine
chungen. Doch soll gezeigt werden, daß mit dem im
Nutzbauten einschließlich z.B. der königlichen
ersten Teil erarbeiteten methodischen Gerüst ein In
Paläste wurden in Ziegelbauweise errichtet. Bei
strumentarium zur Verfügung steht, das der Suche
solchen Gebäuden ist somit ein den ägyptischen
nach Bibliotheken in Ägypten dienlich ist: Dies ist das
Tempeln vergleichbarer Erhaltungszustand a priori
zweite Ziel der vorliegenden Arbeit.
nicht zu erwarten. Es kommt hinzu, daß diese aus
Vorher sind jedoch einige Erläuterungen erforderlich,
einem Gemisch von Nilschlamm und Häcksel be
einmal zur zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen
stehenden Ziegel besonders im letzten und am
Begrenzung des Stoffes und zum anderen zu einigen
Anfang dieses Jahrhunderts als Düngemittel für die
in der Besonderheit der altägyptischen Sprache und
Felder sehr begehrt waren: Viele Gebäude und
Schrift begründeten Problemen:
Gebäudereste, die vor 100 Jahren noch gut erhal
ten waren, sind so unwiederbringlich verloren. Zeitliche Abgrenzung: Der berücksichtigte Zeitraum
2. Es ist eine allgemein verbreitete Erscheinung, daß beginnt mit der ersten Phase der ägyptischen Hoch
Selbstverständliches oder Gewohntes eben auf kultur, dem Alten Reich, also etwa um 2600 v. Chr.6
grund dieser Eigenschaft nirgends, sei es schrift
lich oder gar inschriftlich, fixiert wird: Man hält dies 2 Milkau, Fritz: Geschichte der Bibliotheken im alten Orient. Aus
eben nicht für notwendig. So müssen wir uns dem Nachlaß hrsg. von Bruno Meissner. Leipzig 1935, S. 822.
Diese Darstellung wird im folgenden zitiert nach der letzten
beispielsweise handwerkliche oder bautechnische
Überarbeitung durch Josef Schawe, in: Handbuch der Biblio
Verfahren der Ägypter erst mühsam rekonstruieren, thekswissenschaft, begründet von Fritz Milkau, 2. vermehrte und
weil Angaben hierüber meist fehlen5. Es darf uns verbesserte Auflage hrsg. von Georg Leyh, 3. Band, Geschichte
der Bibliotheken, I.Hälfte, Wiesbaden 1955, S. 417.
daher auch nicht wundern, daß wir über Bau,
3 Wessetzky, Vilmos: Gedanken über die Bearbeitung der altägyp
Funktion, Organisation usw. von Institutionen wie tischen Bibliothek. In: Göttinger Miszellen 25 (1977), S. 89 und
Schreiberschulen, Verwaltungseinrichtungen, oder 91.
4 vgl. z.B. de Cenival, JeanLouis: Ägypten, das Zeitalter der
eben von Bibliotheken, so gut wie keine direkten
Pharaonen. Fribourg 1964, S. 7.
Informationen besitzen: Wir sind auf mehr oder 5 vgl. Hornung (Anm. 1), S. 119, § 68.
weniger zufällig erhaltene archäologische oder in 6 hier und im folgenden stütze ich mich in den Jahresangaben auf
Beckerath, Jürgen von: Abriß der Geschichte des Alten Ägypten.
schriftliche Indizien angewiesen und erst deren
München 1971.
Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten 81
und reicht bis zum Ende der „heidnischen" Kultur im Einiges zu der dabei aufgetretenen Problematik wurde
475. Jh. n. Chr. Für die Zeit nach dem 4. Jh. v. Chr. schon erwähnt und manche Ergebnisse dieser Bemü
gilt dabei die Beschränkung auf die genuin ägypti hungen wurden gestreift. Vor weitergehenden Schrit
schen, d.h. in der Tradition auf pharaonische Zeit ten ist es nun zunächst erforderlich, den allgemeinen
zurückgehenden Institutionen. Griechische Institutio Stand der Forschung auf diesem Gebiet zusammen
nen wie die Bibliothek von Alexandria bleiben außer zufassen und kritisch zu würdigen.
Betracht7.
Räumliche Abgrenzung: Es ist das eigentlich ägypti
la. Allgemeine Überblicke und zusammenfas
sche Gebiet vom Nildelta südwärts bis zur Insel
sende Darstellungen12
Elephantine bzw. (in griechischrömischer Zeit) bis zur
Insel Philae berücksichtigt. Zeitweise dem Staatsge 1. Auf bibliothekswissenschaftlicher Seite
biet angeschlossene Regionen südlich von Elephanti
ne/Philae und im Osten, d.h. besonders im heutigen Obwohl einige Jahrzehnte inzwischen vergangen sind,
Syrien und Palästina, blieben außer Betracht. besitzen die bereits erwähnten Untersuchungen Mil
kaus13 nach wie vor zentrale Bedeutung. Mit ihnen
Inhaltliche Abgrenzung: Hier ist einmal das Problem der
soll dieser Überblick daher auch begonnen werden.
Unterscheidung zwischen Bibliothek und Archiv zu
nennen. In Einzelfällen ist diese Trennung zweifellos Milkaus dankenswerte „Abrechnung" mit Teilen der
möglich, z.B. in Amarna, wo Gebäudereste sowohl vorausgehenden Forschungsgeschichte und seine
eines Archivs als auch einer Bibliothek gefunden Beschränkung auf die Fakten wurden bereits genannt.
Ebenso positiv ist zu vermerken, daß er sich um den
wurden, s. dazu unter „Amarna" im 3. Kapitel. In der
konkreten Nachweis bestimmter Bibliotheken bemüht
Mehrzahl der Fälle ist beim jetzigen Stand unseres
hat: Er führt einzelne Bibliotheken auf, die in früheren
Wissens diese Trennung jedoch nicht gerechtfertigt;
sie soll hier daher auch nicht künstlich versucht Untersuchungen als solche bezeichnet oder identifi
werden, ein Verfahren, vor dem schon Milkau warnte8. ziert worden waren, und prüft kritisch die Belege für
ihre Existenz. Diese Zusammenstellung bildet das
Vielmehr soll entsprechend der Definition Wessetzky's
bisher einzige „Verzeichnis" ägyptischer Bibliotheken,
verfahren werden, nämlich „daß wir nur dort, wo es
sich ausschließlich um spezielle Aktensammlungen das gegenüber früherer Euphorie tatsächlich allein
handelt,... von Archiven sprechen, demgegenüber durch seinen Umfang recht ernüchternd wirkt: Es
enthält ganze fünf Bibliotheken, deren Zahl sich durch
aber, wo wir vermuten können, daß planmäßig eben
Milkaus Untersuchungen noch weiter verringert:
auch Bücherrollen gesammelt wurden, von Bibliothe
ken sprechen"9. 1. die Bibliothek des Künigs Schepseskaf in Giza
2. die Bibliothek König Amenophis' III.
Als zweiter Punkt ist zu nennen, daß die Suche auf
3. die Bibliothek König Ramses' II.
solche Bibliotheken bzw. Büchersammlungen be
4. die Bibliothek des Horustempels in Edfu
schränkt bleibt, bei denen man von einer „offiziellen",
5. die Bibliothek des Isistempels auf der Insel Philae
d.h. von einer staatlichen und/oder religiösen Institu
Die Detailergebnisse seiner Untersuchungen zu die
tion sprechen kann. Private Büchersammlungen blei
sen Bibliotheken sind, soweit erforderlich, im 3. Kapi
ben unberücksichtigt, da ihre Charakterisierung als
tel unter den entsprechenden Orten und Namen
„Bibliothek" im Einzelfall durchaus in Zweifel gezogen
berücksichtigt. Hier genügt die zusammenfassende
werden kann, insgesamt gesehen also problematisch
Feststellung, daß er letztlich nur die Bibliothek in Edfu
ist. So mag es vielleicht noch gerechtfertigt sein, den
als sicher nachgewiesen und die auf Philae als
Inhalt einer Bücherkiste, die in einem Grab aus dem
wahrscheinlich akzeptieren kann, während er die
Mittleren Reich im Bezirk des später dort errichteten
Belege für die übrigen Bibliotheken als ungenügend
Ramesseums gefunden wurde, als „Privatbibliothek"
oder zumindest noch nicht ausreichend beurteilt.
zu bezeichnen'0. Nicht zu rechtfertigen ist es aber,
Mit dieser kritischen Zusammenstellung steht Milkau
z.B. mit Caminos11 einen aus einem Grab stammen
ohne Zweifel auf der Höhe der Forschung seiner Zeit,
den Papyrusfund die einzelnen Papyri waren hier
manches des von ihm Gesagten besitzt noch heute
zudem offensichtlich speziell als Grabbeigaben, d.h.
Gültigkeit, zumindest solange eine vergleichbare, die
nicht zur Nutzung bei Lebzeiten, vorgesehen als
„Bibliothek" (Caminos verwendet bezeichnenderweise 7 natürlich ist in griechischrömischer Zeit mit intensiven kulturel
den Ausdruck „tomblibrary"!) des Grabbesitzers zu len Einflüssen auf beiden Seiten zu rechnen. Doch ist beim hier
behandelten Gegenstand, wie sich zeigen wird, die Unterschei
bezeichnen.
dung zwischen ägyptischen und griechischrömischen Elementen
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß es in in der Regel durchaus möglich, ihre Trennung daher auch
Einzelfällen erforderlich sein wird, ägyptische Hierog gerechtfertigt.
8 (Anm. 2), S. 4, 2. Absatz.
lyphen zu verwenden. Dabei ist zu beachten, daß die
9 (Anm. 3), S. 90.
Hieroglyphen von rechts nach links zu lesen sind. In 10 so Hermann Kees in: Orientalistische Literaturzeitung 54 (1959),
diesen Fällen wird jeweils auch die in der Ägyptologie Sp. 2325 (Besprechung von Gardiner, Alan H.: The Ramesseum
papyri, plates. Oxford 1955).
übliche phonetische Transkription beigefügt sowie die
11 Caminos, Ricardo A.: Another hieratic manuscript from the library
deutsche Übersetzung. of Pwerem son of Kil^i (P.B.M. 10288). In Journal of Egyptian
Archaeology 58 (1972), S. 205224.
12 Es sind hier im allgemeinen nur die wichtigsten bzw. umfangrei
cheren Darstellungen der letzten Jahre und Jahrzehnte berück
sichtigt. Kleinere, oft nur halbseitige Beiträge in neueren Handbü
I. Zum Stand der Forschung
chern oder Lexika wurden ebenso übergangen wie alte, inzwi
schen überholte Darstellungen: Erstere sind in das Literaturver
Wie in der Einleitung bereits bemerkt wurde, haben zeichnis aufgenommen wobei Vollständigkeit nicht angestrebt
wurde , letztere sind in den späteren Untersuchungen in der
sich sowohl Bibliothekare als auch Ägyptologen mit
Regel berücksichtigt und dort auch nachgewiesen.
der Frage der altägyptischen Bibliotheken befaßt. 13 (Anm. 2), S. 417.
82 Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten
jüngsten Forschungsergebnisse mit einbeziehende nach wie vor Milkaus Darstellung mit einigen Ergän
Untersuchung noch ein Desiderat bleibt14. zungen wie z.B. denen Wendeis als grundlegend
Eine von Milkau noch nicht berücksichtigte Frage ist anzusehen ist, entscheidende neue Gesichtspunkte
die nach möglichen verschiedenen Bibliothekstypen. sind seither nicht hinzugekommen. Dies ist u.a. sicher
Zu diesem Problem sei auf bibliothekarischer Seite vor darauf zurückzuführen, daß neuere Untersuchungen
allem auf die Darstellung Carl Wendeis verwiesen15, auf ägyptologischer Seite nicht genügend berücksich
der, basierend auf den Untersuchungen vor allem tigt wurden. Doch fällt dieser Vorwurf teilweise wieder
Gardiners16, neben der Handbibliothek des Tempels, auf die Ägyptologie zurück: Die dort vorliegenden
wie sie z.B. die Bibliothek von Edfu darstellte, und die zusammenfassenden Darstellungen bauen zu oft auf
nur den Handapparat für den Kult enthalten habe, auf bereits Bekanntem auf und unterlassen das wegen
die große Bedeutung der „Häuser des Lebens" ver der Streuung über die gesamte Forschungsliteratur
weist. Diese seien in Verbindung mit den Tempeln zugegeben mühsame und zeitraubende, aber auch
gestanden und in ihnen sei die Masse der Literatur weiterführende Sammeln von Einzelindizien. Der
aufbewahrt worden. Bibliothekswissenschaftler muß sich aber in erster
Hierzu muß kritisch angemerkt werden, daß Wendel mit Linie auf solche Darstellungen stützen; das Zusam
keinem Wort auf den zumindest damals noch längst mentragen der einzelnen Fakten ist Aufgabe des
nicht entschiedenen Streit, ob in den „Lebenshäusern" Ägyptologen.
eine Bibliothek vorhanden war oder nicht, eingeht.
Gerade Gardiner, auf den er sich beruht, zieht in seiner 2. Auf ägyptologischer Seite
genannten Untersuchung diese Möglichkeit durchaus
in Zweifel17. Hier ist zunächst auf die zusammenfassende Darstel
Damit ist aber bereits die Summe dessen, was auf lung Eberhard Ottos im Handbuch der Orientalistik zu
bibliothekarischer Seite als „Stand der Forschung" verweisen22. Wie das Wort „Bibliothekswesen" im Titel
bezeichnet werden kann, erreicht. Später erschienene erkennen läßt, ist nicht der Nachweis einzelner Biblio
Überblicke und Zusammenfassungen bieten nichts theken das Ziel Ottos, sondern eine Übersicht über
Neues oder müssen sogar, wie dies vor allem für einige das, was sich unter diesem Stichwort zusammenfas
Abhändlungen aus dem angelsächsischen Sprachbe sen läßt, wie ägyptische Bezeichnungen für Bücher, für
reich anzumerken ist, eher als Rückschritt bezeichnet Bibliothekare, Inhalt der Bücher u.a.m. Für die hier
werden. gestellte Frage ist vor allem wichtig, daß die verschie
denen Bezeichnungen für „Bibliothek" genannt und
Dies gilt beispielsweise für die Darstellung John A.
deren unterschiedliche Funktion erörtert werden. Da
Sperry's, die sich ausschließlich auf veraltete, z.T.
bei sind einmal das „Bücherhaus" und zum anderen
schon von Milkau widerlegte Literatur stützt und
das „Lebenshaus" zu nennen. Unter „Bücherhaus"
wichtige neuere Untersuchungen wie die schon er
wähnte von Gardiner außer acht läßt18. Die Notwen sieht Otto eine Institution mehr allgemeiner Natur, die
unsere Ausdrücke „Bibliothek" und „Archiv" zugleich
digkeit der Existenz von Bibliotheken versucht er u.a.
umfassen. Erst in der Ptolemäerzeit, also seit dem 3.
mit allgemeinen Feststellungen zu belegen wie der,
Jh. v. Chr., sei die Bedeutung „Bibliothek", die das
daß die ägyptische Literatur über sehr lange Zeiträu
Wort natürlich von vornherein haben konnte, die aus
me tradiert wurde. An konkreten Beispielen nennt er
schließliche geworden, während es in der Zeit davor
wenig und nichts Neues. Die ganze Unbefangenheit
mehr allgemein die Bezeichnung für ein Verwaltungs
seiner Argumentation ergibt sich z.B. aus seiner
ressort gewesen sei. Seinen Namen habe dieses
Folgerung, daß die Bibliothek des Tempels von Edfu
daher erhalten, weil dort die einschlägigen Akten
wohl auch ein Skriptorium gewesen sei, da über der
geführt und registriert worden seien. Danach wäre
Tür mehrmals Schreiberpaletten abgebildet seien: Ab
gesehen davon, daß die Abbildung von Schreiberpa
14 ausschließlich auf der Darstellung Milkaus basiert Kampman,
letten einen solchen Schluß durchaus nicht nahelegt,
A.A.: Archieven en bibliotheken in het oude nabije Oosten. In:
hat Sperry es versäumt, die örtlichen Gegebenheiten Handelingen van het zesde wetenschappelijk Vlaamsch Con
in Rechnung zu stellen; sowohl die geringe Größe wie gress voor Boek en Bibliothekswesen. Gent 1941, S. 214220.
Kampmans Darlegung entspricht in der Anlage genau der Mil
auch die ungenügenden Lichtverhältnisse machen
kaus, auf den er sich auch ausdrücklich beruft und enthält keine
den Raum für ein Skriptorium mit Sicherheit ungeei neuen Gesichtspunkte.
gnet. 15 z.B. sein Artikel „Bibliothek" in: Reallexikon für Antike und
Christentum, Bd. 2. Stuttgart 1954, Sp. 231274; diese und
Ähnlich negativ muß auch die Bewertung der Darstel
andere Abhandlungen erschienen auch in: Wendel, Carl: Kleine
lung ausfallen, die Johnson und Harris vom ägypti Schriften zum antiken Buch und Bibliothekswesen, hrsg. von
schen Bibliothekswesen geben19. Besonders kritisch Werner Krieg. Köln 1974 (Veröffentlichung des Bibliothekar
Lehrinstituts des Landes NordrheinWestfalen).
anzumerken ist hier, daß die vermutlich zugrundege
16 Gardiner, Alan H.: The house of life. In: Journal of Egyptian
legte Forschungsliteratur Quellenangaben fehlen in Archaeology 24 (1938), S. 157179, s. dazu auch unten im
der Regel offenbar teilweise mißverstanden wurde. 2. Kapitel.
17 zu dieser Problematik s. im einzelnen unten im 2. Kapitel unter
Nur so ist es beispielsweise zu erklären, daß das
„Lebenshaus".
„Lebenshaus", also eine religiöswissenschaftliche 18 Egyptian libraries: a survey of the evidence. In: Libri 7 (1957),
Einrichtung20, hier selbst als Tempel auftritt, noch S. 145155. Dieser Aufsatz stellt offensichtlich die Zusammen
fassung der Ergebnisse einer Magisterarbeit dar (Ancient Egyp
dazu als eine nur einmal vorhandene, individuelle
tian libraries, Kent State University 1953: typewritten).
Institution. Unerklärlich ist auch, aufgrund welcher 19 Johnson, Elmer D. and Harris, Michael H.: History of libraries in
Quellen die Verfasser die Existenz von „Schulbiblio the Western world, 3. ed., completely revised. Metuchen, N.J.,
1976, S. 2839
theken" nicht nur als Faktum vermerken, sondern
20 s. dazu im 2. Kapitel unter „Lebenshaus".
auch deren Bestände rekonstruieren.21. 21 s. zu diesem Problem unter „Ramesseum" im 3. Kapitel.
Soviel zum Stand der Forschung auf bibliothekari 22 Otto, Eberhard: ägyptisches Buch und Bibliothekswesen, in:
Handbuch der Orientalistik, hrsg. von Bertold Spuler, I.Band:
scher Seite. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß
Ägyptologie, 2. Abschnitt: Literatur. 2. Aufl. Leiden 1970, S. 251 ff.
Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten 83
also, so ist im Anschluß an diese Argumentation zu Darstellungen bzw. der Vorlagen derselben" gewesen
folgern, in vorptolemäischer Zeit der Nachweis eines sei30. Dies folgert er zum Teil aus der Bücherliste der
„Bücherhauses" noch nicht gleichbedeutend mit dem Bibliothek des Tempels von Edfu, steht damit also auf
Nachweis einer Bibliothek, es bedürfte zusätzlicher recht sicherem Boden. Seine weitergehenden Vermu
Kriterien. tungen verlassen dann allerdings diese sichere Basis,
Die Funktion des „Bücherhauses" in ptolemäischer da er keine Belege anführen kann, und bieten damit
Zeit untersucht Otto am Beispiel des Tempels von Anlaß zur Kritik: Beide Bibliotheken hätten auch
Edfu, wo ein solches „Bücherhaus" erhalten ist. Ver wissenschaftliche Werke enthalten und die „Bücher
schiedene Indizien wie die Kleinheit des Raumes und häuser" hätten nur einen Teil der Bestände aufge
das inhaltliche Spektrum der in ihm aufbewahrten nommen, der Rest sei aus Platzgründen in außerhalb
Bücher (die Liste ist in die Wände eingemeißelt) führen des Tempels liegenden Magazinen aufbewahrt wor
ihn zu dem Schluß, daß es sich dabei mehr um ein den. Zu den beiden Institutionen „Bücherhaus" und
Magazin als um eine Bibliothek handle. „Lebenshaus" wird unten im 2. Kapitel ausführlich
Als eigentliche Stelle, an der Bücher aufbewahrt wur Stellung genommen; hier sei nur darauf verwiesen,
den, sieht Otto das „Lebenshaus" an, das „zugleich daß sich weder ein Hinweis finden läßt, daß die
etwa als Bibliothek und geistliche Universität bezeich Bestände der „Bücherhäuser" mehr umfaßten, als z.B.
net werden kann"23. Das „Lebenshaus" sei eine Stät in der Bücherliste von Edfu für diese Bibliothek
te, an der Bücher sowohl aufbewahrt wie auch verfaßt aufgeführt ist, noch daß ein Indiz für die Existenz von
und tradiert worden seien. Er stützt sich dabei auf die zum „Bücherhaus" gehörenden, außerhalb des Tem
schon erwähnten Untersuchungen Gardiners und auf pels liegenden Magazinen bekannt ist.
die Voltens24. Hier muß jedoch der gleiche kritische Von Wessetzky stammt im übrigen auch die jüngste
Einwand erhoben werden wie gegen die Darstellung Zusammenfassung zum Thema „Bibliothek" im Lexi
Wendeis25. Otto verschweigt die erheblichen Unter kon der Ägyptologie31, wo er in knappster Form die
schiede, die zwischen den Auffassungen Gardiners genannten Fakten und Probleme umreißt.
und Voltens bestehen, und vermeidet so die Notwen Schließlich muß hier noch der Name Siegfried Schotts
digkeit, seine Auffassung näher zu begründen26. genannt werden, der ebenfalls in einer Reihe von
Artikeln immer wieder zu Fragen des ägyptischen
Die Ausführungen Ottos lassen sich somit wie folgt
Bibliothekswesens Stellung genommen hat. Gegen
zusammenfassen: Es existierten zwei Arten von Biblio
stand seiner Untersuchungen waren bestimmte Biblio
theken, das „Bücherhaus" und die Bibliothek im „Le
thekstypen (s. dazu unten im 2. Kapitel), aber auch
benshaus". Ersteres ist mehr als Magazin anzusehen
Bücherverzeichnisse, Buchtitel u.a.m. Das von ihm
und kann in vorptolemäischer Zeit ein breiteres Bedeu
geplante Hauptwerk mit dem Titel „Bücher und Biblio
tungsspektrum besitzen. Das „Lebenshaus" ist dem
theken im alten Ägypten" konnte er leider nicht mehr
gegenüber die eigentlich wichtige Stelle, an der Bü
vollenden. Die Herausgabe aus dem Nachlaß ist
cher aufbewahrt wurden.
geplant32, wird aber, besonders was die Frage der
Eine Reihe wichtiger Abhandlungen zum ägyptischen
Bibliotheken betrifft, wohl noch einige Zeit auf sich
Bibliothekswesen verdanken wir dem ungarischen
warten lassen33.
Ägyptologen Wessetzky, der sich unter verschiedenen
Faßt man den Stand der Forschung, wie er sich auf
Gesichtspunkten mit dieser Thematik auseinanderge
ägyptologischer Seite aus den erwähnten Übersichten
setzt hat. Neben Untersuchungen zu konkreten Biblio
darstellt, zusammen, so ist festzustellen; Das Interes
theken wie der des Ramesseums27 befaßte er sich
se galt vor allem grundlegenden Fragen wie den
auch mit der Problematik des Nachweises von Biblio
verschiedenen Bibliothekstypen, den Beständen die
theken in Ägypten allgemein und mit Fragen der dabei
ser Bibliotheken und ihrer Lokalisation im allgemei
anzuwendenden Methodik. Seine Auffassung zur Fra
nen. Eine listenartige Zusammenstellung konkreter
ge der Unterscheidung zwischen Bibliothek und Ar
Bibliotheken, wie sie Milkau erarbeitet hatte, und die
chiv wurde bereits genannt28.
einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung der Frage
In der Frage des konkreten Nachweises bestimmter
nach dem „Bibliothekenreichtum" Ägyptens bilden
Bibliotheken sieht Wessetzky zu Recht eine besonde
könnte, wurde seither nicht wieder vorgenommen.
re Schwierigkeit, aber auch die Voraussetzung er
Gemeinsam ist diesen Übersichten weiterhin, daß sie
folgreichen Suchens in dem Problem, die archäologi
zu wenig ausführlich sind und daß Einzeluntersuchun
schen Gegebenheiten und die schriftlichen Quellen
miteinander in Einklang zu bringen29. Er bezieht sich
dabei vor allem auf Hinweise auf die Existenz von 23 (Anm. 22), S. 255.
„Bücherhäusern" in Tempeln vor der ptolemäischen 24 Aksel Volten, demotische Traumdeutung (Pap. Carlsberg XIII und
XIV Verso). Kopenhagen 1942, S. 17ff.
Zeit, die sich nicht so leicht verifizieren lassen wie in
25 s. oben S. 82.
den ptolemäischen Tempeln; denn nur in letzteren ist 26 s. dazu unten im 2. Kapitel unter,.Lebenshaus".
das „Bücherhaus" auch direkt als solches inschrift 27 s. dazu im 3. Kapitel unter „Ramesseum".
28 s. oben S. 81.
lich gekennzeichnet. In den älteren Tempeln findet
29 vgl. Wessetzky, Vilmos: Zur Problematik des altägyptischen
sich diese Kennzeichnung noch nicht. Buch und Bibliothekswesens. In: Akten des vierundzwanzigsten
Als ein zweites wichtiges Problem ist mit Wessetzky Internationalen Orientalistenkongresses, hrsg. von Herbert Fran
ke. Wiesbaden 1959, S. 8991; ders.: die ägyptische Tempelbi
die Frage nach dem Verhältnis des „Bücherhauses" bliothek, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskun
zur Bibliothek des „Lebenshauses" anzusehen. Wes de 100 (1973), S. 54; ders.: (Anm. 3), S. 9091.
setzky schließt „aus der Natur beider Institutionen", 30 (1973, Anm. 29), S. 55
31 Artikel „Bibliothek" in: Lexikon der Ägyptologie, Bd. 1. Wiesbaden
daß das „Bücherhaus" heilige Schriften, theologische
1975, Sp. 783785.
und magische Trakate enthalten habe und außerdem 32 vgl. Erika Schott, Bücher und Bibliotheken im alten Ägypten. In:
„Sammelstelle der Tempeladministration und der die Göttinger Miszellen 1 (1972), S. 24ff.
33 vgl. Erika Schott, Bücher und Bibliotheken im alten Ägypten. In:
Tempelinschriften bildenden historischen Texte und Göttinger Miszellen 25 (1977), S. 73ff.
84 Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten
gen und versteckte Hinweise der im folgenden Ab rade in der Frage des Nachweises bestimmter Biblio
schnitt behandelten Art zu wenig berücksichtigt wur theken kann ihre Sammlung eine wichtige Hilfe sein,
den. entweder weil auf diese Weise direkte Belege für
Bibliotheken gefunden werden können wie der er
wähnte für das „Lebenshaus" in Edfu , oder weil so
Ib. Einzelhinweise
mehrere, einzeln zu schwache Indizien zusammenge
führt werden können, die gemeinsam dann einen
Neben den bisher besprochenen Übersichten ist nun
eindeutigen Beleg darstellen41.
noch eine Reihe von Einzeluntersuchungen bzw.
hinweisen zu nennen, die sehr verschiedenartig und
über einen großen Teil der Forschungsliteratur ver
II. Methodische Überlegungen
streut sind. Als wichtigste Typen lassen sich die
folgenden nennen: IIa. Grundsätzliches
1. Spezielle Abhandlungen zu Einzelproblemen. De
Im Verlauf des Überblicks über den Stand der For
rartige Untersuchungen, meist in Form von Zeitschrif
schung wurde verschiedentlich auf Unsicherheiten
tenaufsätzen, sind relativ leicht zu finden, da in der
oder Fragwürdigkeiten in der Argumentation bzw. auf
Regel der Titel die Thematik bereits benennt. Als
ungenügende Berücksichtigung unterschiedlicher Mei
Beispiel für diesen Typus sei die schon erwähnte
nungen hingewiesen und die Notwendigkeit einer trag
Untersuchung Gardiners zum „Lebenshaus" ge
fähigen methodischen Basis betont. Um eine solche
nannt34.
Basis zu erreichen, wird es zunächst erforderlich sein,
2. Die Behandlung von Einzelfragen innerhalb von
die Quellen teilweise erneut zu befragen, zu welchen
Aufsätzen oder auch Monographien, wo diese Fragen
der Interpretationen sie uns greifbare Hinweise geben
als Teil oder Randgebiete auftauchen und untersucht
können. Da die unterschiedlichen Meinungen teils so
werden. Ihre Auffindung ist schon erheblich schwieri
grundsätzliche Fragen betreffen wie die, ob im „Le
ger, weil der Titel meist keinen Hinweis gibt, so daß
benshaus" überhaupt eine Bibliothek vorauszusetzen
erst die Auswertung des Inhalts zum Ziel führt. Hier ist ist42, muß die Erörterung dieser Fragen am Anfang
als Beispiel die Publikation eines Papyrus mit magi
stehen. In einem zweiten Schritt sind dann Kriterien zu
schem Inhalt durch Derchain zu nennen, innerhalb der
erarbeiten, anhand derer das zur Verfügung stehende
sich ein wichtiger Beitrag ebenfalls zum „Lebens
ärchäologische und inschriftliche Material nach Indi
haus" findet35.
zien für die Existenz bestimmter Bibliotheken befragt
3. „Versteckte" Einzelhinweise. Hier sind in erster
werden kann.
Linie Grabungsberichte bzw. Publikationen zu nennen.
Diese Zweiteilung des Vorgehens wird im übrigen auch
Beschreibungen von Gebäuderesten oder Fundberich
durch die zwei verschiedenen Arten von Indizien nahe
te von Papyri u.a. können manchmal wertvolle Indizien
gelegt, die man a priori von den Quellen erwarten darf:
enthalten. Dies gilt beispielsweise für Pendlebury's
Einmal Hinweise, die Bibliotheken im allgemeinen be
Publikation der Ausgrabungen in Amarna, wo vermerkt
treffen, also insbesondere ägyptische Bezeichnungen
ist, daß ein Gebäudekomplex aufgrund der entspre
für diese Institution und möglicherweise Nachrichten
chenden Kennzeichnung der dort verwendeten Lehm
über ihre Zweckbestimmung, ihre Bestände o.ä.; zum
ziegel eindeutig als „Lebenshaus" zu identifizieren
anderen spezielle Hinweise für die Existenz einzelner
ist36.
Bibliotheken.
Während derartige Belege noch recht eindeutig sind,
müssen bei anderen oft zunächst noch methodische
Fragen geklärt werden, bevor sie als tatsächlich ernst IIb. Allgemeine Indizien
zunehmende Indizien eingestuft werden können. Dies
Der Begriff „allgemeines Indiz" ließe sich sehr weit
gilt z.B. für einige Publikationen von aus dem Faijum
fassen: Eine Notiz wie z.B. die auf der sog. „Satrapen
stammenden Papyri, wo vermerkt ist, daß die Bestände
stele", wo sich Ptolemaios Lagi unter anderm rühmt,
„aus der Tempelbibliothek" stammen, eine nähere
alle von den Persern geraubten heiligen Bücher der
Begründung dieser Vermutung aber teilweise unter
Tempel von Ober und Unterägypten zurückgeführt zu
bleibt37.
haben43, kann durchaus als Hinweis auf die Existenz
Als letzte sei eine Gruppe von Indizien genannt, die
von Bibliotheken gewertet werden. Man könnte auch,
wohl am schwierigsten aufzuspüren ist, aber zu über
wie dies z.B. Richardson allerdings ohne Erfolg ver
raschenden Einsichten verhelfen kann: Sie finden sich
in der Tat oft sehr versteckt in Textpublikationen
34 (Anm. 16), S. 157179.
verschiedenster Art und besitzen als Primärquellen
35 Derchain, Philippe: le papyrus Salt 825 (B.M. 10051), rituel pour
natürlich besonderen Wert. Ein schönes Beispiel für la conservation de la vie en Egypte, vol. I und II. Bruxelles 1965.
diesen Typ von Hinweisen bietet die Publikation der 36 Pendlebury, J.D.S.: The city of Akhenaten, part III. London 1951,
S. 115, Taf. XX.
Texte des Tempels von Edfu, die mit dem Kult des
37 so z.B. Tait, W.J.: Papyri from Tebtunis in Egyptian and in Greek
dortigen Hauptgottes Horus in Zusammenhang ste (P. Tebt. Tait). London 1977, S. VII.
hen38. Dort ist u.a. der Verlauf einer der Kultprozessio 38 Alliot, Maurice: Le culte d'Horus ä Edfou au temps des Ptole
mees. Le Caire 1949 (= Bibliotheque d' Etüde 20)
nen beschrieben, und darin findet sich auch die
39 Alliot (Anm. 38), S. 531; s. auch Gardiner (Anm. 16), S. 174,
Anweisung, daß die Prozession zum „Lebenshaus" Nr. 50.
hinüberziehen soll, um dort bestimmte Riten zu vollzie 40 im einzelnen s. unten im 3. Kapitel zu „Edfu".
hen39. Das ist ein klarer Beleg für die Existenz eines 41 s. z.B. im 3. Kapitel unter „Sais" oder auch unter „Elephantine",
das allerdings insofern ein Sonderfall ist, als dort zusätzlich noch
„Lebenshauses" in Edfu, von dem sich ansonsten unveröffentlichtes Material zur Verfügung stand.
offenbar keine Spur erhalten hat40. 42 s. oben S. 83.
43 Urkunden des ägyptischen Altertums, Abt. II: Hieroglyphische
Bereits aus diesen wenigen Beispielen wird ersichtlich,
Urkunden der griechischrömischen Zeit, bearb. von Kurt Sethe,
wie bedeutsam derartige Einzelhinweise oft sind. Ge Leipzig 1904, S. 14, Z. 911.
Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten 85
sucht hat44, auf die Suche nach altägyptischen Biblio königlichen Befehle...": Es wurden dort also sowohl
thekaren gehen. Doch solange derartige Hinweise Bücher wie auch Archivalien aufbewahrt.
keine Nachricht über eine bestimmte Bibliothek enthal Die Reste einer Bücherliste, die offenbar dem Ver
ten, erübrigt sich ihre Erörterung durch die einfache zeichnis von Edfu entspricht, wurde im Tempel von Töd
Tatsache, daß uns ägyptische Bezeichnungen für „Bi gefunden. Sie ist leider noch nicht veröffentlicht, doch
bliothek" bekannt sind, an der Existenz dieser Institu sind wenigstens einige Titel bekannt49, die alle auf
tion also kein Zweifel besteht. Bücher religiösen Inhalts verweisen.
Anders ist der Sachverhalt jedoch, wenn versucht wird, Abgesehen von diesen auf konkrete „Bücherhäuser"
diese Bezeichnungen inhaltlich näher zu bestimmen, in Tempeln bezogenen Belegen seien noch drei weite
wenn also nach Funktion, Beständen u.ä. gefragt wird. re von allgemeinerer Natur genannt, die auch alle aus
Und ebenso problematisch ist, wie schon mehrmals ptolemäischer Zeit stammen:
erwähnt, die Frage nach der Existenz von Bibliotheken Im Ritual, das im Verlauf der Einbalsamierung des
im „Lebenshaus". Toten rezitiert wurde60, findet sich die Stelle: (ange
Die gesuchten allgemeinen Indizien sollen also einmal sprochen ist der wiederbelebte Tote) „Du hörst die
die Frage beantworten, wie sich die ägyptischen Wör Bücher im Bücherhaus." Vorher hatte es im gleichen
ter für „Bibliothek" inhaltlich näher bestimmen lassen, Text geheißen: „(der Gott Thot) macht, daß du aus
und zum anderen, ob man im „Lebenshaus" tatsäch dem 'Buche vom Atmen' hörst, die Sprüche der Bü
lich in der Regel eine Bibliothek erwarten darf, ob somit cherhäuser, die im Westen (= dem Totenreich) sind."
der Nachweis eines „Lebenshauses" mit dem Nach Hier kann natürlich nur von religiösen Büchern die
weis einer Bibliothek gleichgesetzt werden kann. Rede sein und nicht von Archivalien; dabei ist es
unerheblich, daß das „Bücherhaus" in diesem Fall ein
jenseitiges, also nicht real existierendes ist, da das
Jenseits als Abbild des diesseitigen Lebens gedacht
1. „Bücherhaus" und „Gottesbücherhaus"
wurde.
Der zweite Beleg stammt von einer Stele51, wo vom
Die beiden Wörter cniaim pr-md3 .t „Bücherhaus"
Besitzer, einem Priester, gesagt ist: „der alles berech
(wörtlich: „Haus der Buchrollen") und f^f^imP''
net für das Bücherhaus, der ausfüllt, was er zerstört
md3 .t-ntr „Gottesbücherhaus" (wörtlich: „Haus der
gefunden hat in den heiligen Schriften." Auch mit den
Buchrollen des Gottes") sind in Ägypten seit dem
„heiligen Schriften" können nur religiöse Bücher be
Alten Reich bekannt. Der wohl wichtigste Beleg findet
zeichnet sein: Das ägyptische Wort b3 w-Re ist wört
sich im Tempel von Edfu, wo ein „Bücherhaus", d.h.
lich mit Gardiner52 als „Emanationen des Re" wieder
ein inschriftlich so gekennzeichneter Raum erhalten
zugeben, diese Bücher gehen also auf unmittelbare
ist, an dessen Wänden sich außerdem Listen mit den
Inspirationen durch den Sonnengott zurück53.
Titeln der dort aufbewahrten Bestände befinden.
Auf einer weiteren, heute im Louvre aufbewahrten
Doch so klar wie im Tempel von Edfu ist der Sachver
Stele54 steht u.a.: „(Ihr Priester,) die ihr eingetreten
halt leider nicht immer. Otto weist auf eine mögliche
seid in die Archive (o.ä.) des Bücherhauses und die
Verlagerung der Bedeutung in Richtung auf „Archiv"
Geheimnisse der heiligen Schriften erklären könnt."
hin so war z.B. das einmal belegte „Bücherhaus des
Auch hier ist ganz sicher nicht von Archivalien die
(königlichen) Speisemeisters" sicher ein Archiv und
Rede.
keine Bibliothek und begrenzt die zweifelsfreie Be
Für die Ptolemäerzeit kann somit zusammenfassend
deutung „Bibliothek" auf die Ptolemäerzeit. Für die Zeit
gesagt werden: Die Bedeutung „Bibliothek" läßt sich
davor sieht er einen erheblich weiteren Be
aus allen genannten Belegen eindeutig erschließen
deutungsumfang: Seiner Ansicht nach wird dort so
und darf, da gegenteilige Belege nicht bekannt sind, in
wohl das Archiv miterfaßt, als auch die zugehörige
dieser Zeit dem ägyptischen Wort pr-mds .t zugrunde
Dienststelle selbst, so daß er im „Bücherhaus" die
gelegt werden. Dabei ist es durchaus möglich, daß
Bezeichnung für ein Verwaltungsressort sieht45.
auch Archivalien in den „Bücherhäusern" aufbewahrt
Die letztere Vermutung geht jedoch, wie im folgenden
dargelegt werden soll, sicher zu weit.
Als Ausgangspunkt soll die Ptolemäerzeit dienen, da
44 Riohardson, Ernest Cushing: Some old Egyptian librarians. New
dort, so Otto, die Bedeutung „Bibliothek" gesichert York 1911; widerlegt von Friedrich Vogelsang: Altägyptische
ist46 Bibliothekare? In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 30 (1913),
S. 1722.
Wichtigster Beleg ist hier das schon mehrfach genann 45 (Anm. 22), S. 254f.
te „Bücherhaus" in Edfu und seine Bücherlisten. Die 46 die im folgenden aufgeführten Belege für „Bücherhaus" stammen,
dort aufgeführten Titel sind mit Alliot47 in vier Sach soweit sie nicht veröffentlicht sind (die Publikation ist dann
angegeben), von den Zetteln des „Wörterbuchs der ägyptischen
gruppen zu gliedern: Sprache", die in der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin
1. Handbücher für den täglichen Kult aufbewahrt werden. Herr Dr. Weber vom Seminar für Ägyptologie
der Universität Köln stellte mir seine Abschriften zur Verfügung,
2. Ritualbücher für besondere Feste
wofür ich ihm an dieser Stelle herzlich danken möchte.
3. Beschwörungen und Schutzbücher, also Texte ma 47 (Anm. 38), S. 147.
gischen Inhalts 48 Junker, Hermann: und Schäfer, Heinrich: Berliner Photos der
Preussischen Expedition 19081911 nach Nubien. Wiesbaden
4. Inventarien der heiligen Orte, ein Handbuch für die
1975 (Ägyptologisches MicroficheArchiv 3), Photo 856.
Tempeldekoration u.a., also Archivalien 49 aufgezählt von Sauneron, Serge: Les pretres de l'ancienne
Ähnlich ist der Sachverhalt offenbar im „Bücherhaus" Egypte. Paris 1962, S. 136137.
des Tempels von Philae. Dort ist der Text am Türpfo 50 P. Boulaq 3, col. 8, Z. 67, s. Sauneron, Serge: Rituel de i'embau
mement, Pap. Boulaq III, Pap. Louvre 5.185. Le Caire 1952, S. 28.
sten rechts des Eingangs zu übersetzen48: „Das ist 51 Wien, Kunsthistorisches Museum, Stele Nr. 154.
das Bücherhaus ... Alle Bücher sind darin an [...] des 52 (Anm. 16), S. 168.
53 vgl. auch Otto (Anm.22), S. 253.
ganzen Lebenshauses. Und auch der Plan dieses
54 Stele Louvre C 232, vgl. auch Gardiner (Anm. 16), S. 172173,
Gaues auf einer Urkunde aus reinem Leder und alle Nr. 43.
86 Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten
wurden, wie die Beispiele aus Edfu und Philae zeigen, dieser Bezeichnung gewiß eher an ein Archiv als
doch spricht das nicht gegen die Interpretation als an eine Bibliothek zu denken: Der Grabherr nennt
Bibliothek55. sich u.a. „Aufseher der Schreiber des Bücherhau
In allen Belegen läßt sich auch ein eindeutiger Zusam ses des Speisemeisters"65.
menhang mit den Tempeln erkennen. Da auch hierzu 5. Auf der Stele eines Königs Neferhotep aus der
keine Gegenbeispiele bekannt sind, darf man davon 13. Dynastie (1785ca. 1650 v.Chr.) wird berich
ausgehen, daß das „Bücherhaus" in der Ptolemäerzeit tet, daß der König die „uralten Bücher des (Got
in der Regel eine zum Tempel gehörende Institution ist. tes) Atum" sehen möchte. Die Hofleute raten dem
Eine wichtige Einschränkung muß freilich berücksich König, ins „Haus der Schriften" zu gehen und die
tigt werden: Geht man von den am besten erhaltenen „Gottesworte" dort einzusehen. Der Text fährt fort:
Bücherlisten in Edfu aus und gegenteilige Belege „Da ging seine Majestät zum Bücherhaus und
stehen auch in diesem Punkt nicht zur Verfügung und breitete die Buchrollen aus."66 Dieses Bücherhaus
berücksichtigt außerdem die geringe Größe des Rau ist ganz eindeutig als Bibliothek zu interpretieren.
mes56, dann zeigt sich deutlich, daß das „Bücherhaus" 6. Auf einer Stele aus der 18. Dynastie (15541305
nicht eine Sammlung im Sinne einer „Universalbiblio v.Chr.)67 findet sich der Titel „Vorsteher der Ge
thek" gewesen sein kann. Aus diesem Grund hat z.B. heimnisse des Bücherhauses"; vgl. den Beleg
Otto im „Bücherhaus" eher ein Magazin als eine Nr. 2: Diese „Geheimnisse" betrafen sicher nicht
Bibliothek gesehen57, doch ist diese Bezeichnung nur Archivalien, sondern auch Bücher.
irreführend: Die Bestände des „Bücherhauses" in Edfu 7. Auf einem Papyrus aus ptolemäischer Zeit, der
sind ganz offenkundig für Zwecke des täglichen Kul religiöse Texte enthält68, findet sich der Vermerk:
tes58 und evtl. der Archivierung wichtiger Urkunden „Gefunden auf einer Papyrusrolle aus der Zeit des
bestimmt. Daher ist eine Bezeichnung wie etwa „Hand Königs Thutmosis und der Zeit des Königs Ame
bibliothek" sicher zutreffender; vielleicht ist es sogar nophis im Bücherhaus des Osiristempels in
erlaubt, von einer „Spezialbibliothek" zu sprechen59. Abydos." Dieser Beleg scheint auf die 18. Dyna
Inwieweit kann nun diese Deutung auf frühere Epo stie zurückzuverweisen und wurde deshalb hier
chen übertragen werden? Zur Beantwortung dieser plaziert, doch ist nicht auszuschließen, daß hier,
Frage ist es notwendig, die greifbaren Belege, die wie das öfter geschah, ein hohes Alter nur fingiert
hierzu verwertbare Indizien enthalten, einzeln zu prü worden ist. Unbestritten bleibt freilich, daß eindeu
fen. Dies soll im folgenden geschehen, wobei die tig eine Bibliothek gemeint ist: Bei Echtheit der
Quellen, soweit dies möglich ist, chronologisch geord Angabe kann dies ein Beleg dafür sein, daß in
net sind60. Abydos schon sehr lange, möglicherweise eben
seit der 18. Dynastie, ein „Bücherhaus" existierte
1. In einem Grab in Giza (4. Dynastie, um 25702450
(denn wo sonst wäre die Papyrusrolle so viele
v.Chr.) hat der Grabbesitzer u.a. die Titel „Vorlese
Jahrhunderte aufbewahrt worden); im Falle einer
priester, Vorsteher der Geheimnisse der geheimen
Fiktion würde der Hinweis nur für die Ptolemäer
Schrift des Hauses der Gottesworte"61. Der Begriff
zeit gelten.
„Haus der Gottesworte" ist sonst nicht belegt und
8. In einem in der 18. und 19. Dynastie (15541196
mit Junker (a.a.O.) zweifellos in Beziehung zu
v.Chr.) mehrfach belegten Opferritual69 lautet eine
„Bücherhaus" zu setzen. Daß mit „geheimen
Passage: „Jene Schrift, welche (der Gott) Thot für
Schriften", mit denen ein Vorlesepriester befaßt
Osiris im Bücherhaus (Variante: Gottesbücher
ist, sicherlich religiöse Bücher und nicht Archiva
lien gemeint sind, leuchtet ohne weiteres ein.
2. In einem zweiten Grab in Giza aus der gleichen
55 vgl. die Definition Wessetzky's oben S. 81.
Zeit trägt der Besitzer u.a. die Titel „Prophet, 56 Wessetzky's Vermutung, die Bestände seien in Magazinen au
Vorsteher der Geheimnisse und Aufseher der ßerhalb des Tempels gelagert worden, muß wie erwähnt (s. oben
S. 83) mangels eines Belegs unberücksichtigt bleiben.
Archivare des Gottesbücherhauses des Großen
57 s. oben S. 83.
Hauses (=des Königs)"62. Hier ist die Funktion als 58 so z.B. auch Alliot (Anm. 38), S. 135.
Archiv offensichtlich stärker betont, doch ist beim 59 die speziellen für den Kult bestimmten Bücherbestände würden
diese Bezeichnung ohne weiteres erlauben; auch die Tatsache,
„Vorsteher der Geheimnisse (sc. des „Gottesbü
daß auch Archivalien dort aufbewahrt wurden, spricht nicht
cherhauses")" wie im ersten Beispiel ganz sicher unbedingt dagegen: in Edfu scheinen dies Urkunden für spezielle
auch mit Bücherbeständen zu rechnen. Bedürfnisse des Tempels gewesen zu sein, in Philae ist ein
Zusammenhang mit den Erfordernissen der dortigen Gauverwal
3. In einer Inschrift aus dem ersten Regierungsjahr
tung erkennbar.
des Königs Neferirkare (5. Dynastie, um 2430 60 die unpublizierten Belege stammen von der Berliner Zettelsamm
v.Chr.) wird u.a. berichtet, daß das „Gottesbücher lung des „Wörterbuchs", s. oben Anm. 46.
haus" des s/wfHeiligtums63 mit Ländereien be 61 Junker, Hermann: Bericht über die von der Akademie der Wissen
schaften in Wien ... unternommenen Grabungen ... bei den
schenkt wird64. Dieser Beleg ist nicht ganz eindeu Pyramiden von Giza, Bd. VII. Leipzig 1944, S. 236.
tig für eine der beiden Interpretationen zu werten, 62 Junker (Anm. 61), Bd. VIII. Leipzig 1947, S. 163164.
63 zu diesem Heiligtum s. unten im 3. Kapitel zur „Bibliothek des
doch läßt sich zumindest sagen, daß die Bezeich
snw. fHeiligtums".
nung „Gottesbücherhaus" und die Angliederung 64 Urkunden des ägyptischen Altertums, Abt. I: Urkunden des alten
an einen Tempel durchaus eher für als gegen die Reiches, bearb. von Kurt Sethe, Leipzig 1903, S. 246, 14.
65 (Anm. 64), S. 47, 13.
Annahme spricht, daß dort auch Bücher aufbe
66 Pieper, Max: die große Inschrift des Königs Neferhotep in
wahrt wurden. Abydos. Leipzig 1929, S. 1314.
4. Aus der gleichen Zeit wie der vorige stammt der 67 Stele Louvre C 65.
68 P. Berlin 3057 („P.Schmitt"), vgl. Möller, Georg: Über die in
bereits genannte Beleg für ein „Bücherhaus des
einem späthieratischen Papyrus des Berliner Museums erhalte
Speisemeisters". Aus dem Kontext dieser In nen Pyramidentexte. Berlin 1900, S. 2f.
schrift, die aus einem Grab stammt, lassen sich 69 zusammengestellt von Schott, Siegfried: Die Opferliste als Schrift
des Thot. In: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertums
keine weiteren Indizien entnehmen, doch ist bei
kunde 90, (1963), bes. S. 109f.
Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten 87
haus) gemacht hat." Auch hier ist eindeutig eine demselben Text zwischen diesen beiden Bezeichnun
Bibliothek gemeint, wenn auch eine im mytholo gen variieren. Auch eine Beschränkung etwa der Art,
gischen Bereich und nicht eine real existierende, daß das „Gottesbücherhaus" nur im Zusammenhang
s. aber oben S. 85 zur Passage aus dem Balsa mit einem Tempel begegnet, also die Tempelbibliothek
mierungsritual: Man kann durchaus davon ausge bezeichnet, ist anscheinend nicht zu rechtfertigen, vgl.
hen, daß hier reale Verhältnisse ins Mythologi bes. den Beleg Nr. 2, wo ein solcher Zusammenhang
sche transponiert wurden. offenbar nicht besteht. Man muß also wohl davon
9. Im Tempel Sethos' I. (13031290 v.Chr.) in Abydos ausgehen, daß beide Bezeichnungen Synonyma sind,
findet sich bei der Darstellung eines Opfers der wobei allenfalls ein chronologischer Unterschied denk
Satz: „(die Götterneunheit,) die auf ihren Sitzen bar ist: „Gottesbücherhaus" ist vor allem im Alten
ruht in ihrer ursprünglichen Gestalt, in ihrer Bil Reich belegt und offenbar nach dem Neuen Reich nicht
dung, die Ptah geschaffen hat gemäß dem, was mehr gebräuchlich, während sich „Bücherhaus" zu
Thot geschrieben hat für sie in dem großen allen Zeiten findet.
Inventar, das sich im Bücherhaus befindet."70 Das Zusammenfassend ergibt die Auswertung der Belege
Wort „Inventar" (so die gebräuchliche Überset somit folgendes Bild:
zung, vgl. Wb IV,36,11) scheint auf ein Archiv In ptolemäischer Zeit bezeichnet das „Bücherhaus"
hinzuweisen, doch ist auch zu berücksichtigen, zweifelsfrei eine Bibliothek im Zusammenhang mit
daß dieses Inventar als von einem Gott verfaßt einem Tempel, wobei da teilweise auch Archivalien
ganz sicher auch als geheiligte Schrift angesehen dort aufbewahrt wurden die Definition dieser Biblio
wurde: Diese Passage ist somit für beide Interpre thek im Sinne Wessetzky's zu verstehen ist75. Die
tationen offen. Besonderheit der Bestände, wie sie z.B. in Edfu durch
10. Im kleinen Tempel Ramses' II. (12901224 v.Chr.) Listen nachgewiesen sind, und äußere Faktoren wie
in Abydos lautet eine Inschrift: „Der Weihrauch, die Raum und Lichtverhältnisse erlauben eine nähere
der reine, angenehme, der Duft, der in den Schrif Spezifizierung als „Handbibliothek" oder mit Abstri
ten steht, die im Gottesbücherhaus sind."71 Es chen als „Spezialbibliothek".
kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese göttli In pharaonischer Zeit ist offenbar eine Verlagerung der
che Emanationen verströmenden Schriften die Bedeutung in Richtung „Archiv" möglich, doch zeigt die
wörtliche Übersetzung von Weihrauch lautet „Got Mehrzahl der Belege die Tendenz zu einer der späte
tesduft" keine Archivalien, sondern (wohl religiö ren Zeit entsprechenden Interpretation; wenn ein „Bü
se) Bücher waren. cherhaus" im Zusammenhang mit einem Tempel belegt
11. Im Papyrus Anastasi I aus der 19. Dynastie steht ist, scheint diese Deutung grundsätzlich möglich zu
der Satz: „Das Büchenaus ist geheim, nicht wird sein: In diesem Fall kann also ein Beleg für ein
es gesehen."72 Vgl. den oben schon mehrmals „Bücherhaus" in der Regel auch als Beleg für die
genannten Titel „Vorsteher des Geheimnisses des Existenz einer Bibliothek gelten, alle anderen Fälle
Bücherhauses": Der Gedanke, daß ein geheimes sind sorgfältig auf zusätzliche Indizien zu überprüfen.
„Bücherhaus" nicht nur Archivalien ent Entsprechendes gilt für das „Gottesbücherhaus", des
hielt, liegt nahe. sen Unterschied zum „Bücherhaus" allenfalls chrono
12. In einem thebanischen Grab aus der Zeit Psam logischer Natur ist.
metichsl. (26. Dynastie, 664610 v.Chr.) findet
sich die Passage: Schreiber, die die Palette
empfangen haben und eingeweiht sind in [die 2. „Lebenshaus"
Gottesworte], die geschickt sind in der Schrift und
Das Wort rr^Tm pr-c nh „Haus des Lebens" ist seit
die ? des Bücherhauses aufrollen."73 Die kaum
dem Mittleren Reich in Ägypten gut belegt. Schon
bezweifelbare Ergänzung „Gottesworte" als gesi
mehrmals wurde oben auf die unterschiedlichen Auf
chert vorausgesetzt, spricht mehr für die Bedeu
fassungen über diese Institution verwiesen. Im hier
tung „Bibliothek", zumindest im Sinne der Defini
interessierenden Rahmen ist dabei vor allem die Frage
tion Wessetzky's74.
von Bedeutung, ob das „Lebenshaus" auch eine Bi
Die Summe dieser insgesamt 12 Belege spricht, dies bliothek besaß oder nicht. Gardiner76 hat das bestrit
läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, entgegen der ten, Volten77 als selbstverständlich angesehen, Späte
oben zitierten Meinung Ottos recht klar für eine Ten re haben jeweils eine dieser beiden Ansichten über
denz zur Bedeutung „Bibliothek", doch kann diese nommen, ohne sich selbst noch mit diesem Problem zu
nicht a priori angenommen werden: In jedem Einzelfall befassen.
ist der Kontext sorgfältig nach weiteren Indizien zu Im folgenden soll die Grundproblematik vor allem
befragen. Etwas eindeutiger scheint die Lage dort zu anhand der Untersuchungen Gardiners und Voltens
sein, wo das „Bücherhaus" im Zusammenhang mit kurz umrissen werden, und anschließend ist es auch
einem Tempel belegt ist: In keinem der entsprechen hier erforderlich, erneut die Quellen zu befragen, ob sie
den Belege findet sich ein Indiz, das gegen eine den
„Bücherhäusern" der ptolemäischen Tempel vergleich
bare Funktion spricht.
70 MarietteBey, Auguste: Abydos, description des fouilles, vol. II.
Es muß nun noch nach dem Verhältnis zwischen der Paris 1880, pl. 9.
Bezeichnung „Bücherhaus" und dem besonders im 71 Mariette (Anm. 70), vol. I. Paris 1869, pl. 44.
72 P. Anastasi I, 11. 56, s. Gardiner, Alan H.: Egyptian hieratic
Alten Reich, aber auch noch bis ins Neue Reich
texts. Leipzig 1911, S. 40.
belegten „Gottesbücherhaus" gefragt werden. Die Be 73 Grab Theben Nr. 36.
lege rufen den Eindruck hervor, daß es sich dabei nicht 74 s. oben S. 81.
75 s. oben S. 81.
um zwei verschiedene Institutionen handelt, vgl. be
76 (Anm. 16), S. 157179.
sonders oben Beleg Nr. 8, wo die Parallelen zu ein und 77 (Anm. 24), bes. S. 1744.
88 Bibliothek 4. 1980. Nr. 2 Burkard - Bibliotheken im alten Ägypten
Aussagen über die Existenz von Büchern im „Lebens Doch sind derartige Vermutungen um solche handelt
haus" enthalten. Denn nur in diesem Fall wird es es sich letztlich natürlich nicht ausreichend für die
möglich sein, durch den Nachweis eines „Lebenshau hier allein interessierende Frage nach der Existenz von
ses" auch die Bibliothek als einen notwendigen Be Bibliotheken im „Lebenshaus". Die Hoffnung, der Lö
standteil dieser Institution eindeutig zu belegen. sung dieses Problems näher zu kommen, ruht allein
In seiner schon mehrfach zitierten Untersuchung hat auf der Aussage der Quellen: Sie müssen nach Indi
Gardiner fast 60 Belege für „Lebenshäuser" zusam zien befragt werden, die eindeutig auf das Vorhanden
mengetragen und nach der Funktion dieser Institution sein von Büchern in den „Lebenshäusern" schließen
befragt. Er gelangte zu dem Ergebnis, daß das „Le lassen.
benshaus" vor allem die Stätte war, an der Bücher Hierfür fanden sich folgende Anhaltspunkte (soweit
kopiert und auch verfaßt wurden, und zwar besonders möglich in chronologischer Reihenfolge):
solche religiösen, magischen und medizinischen In 1. In einem Grab in El Bersheh aus dem Mittleren
halts; außerdem sei es wohl auch eine Stätte der Reich (ca. 20001600 v.Chr.)85 trägt der Grabherr u.a.
gelehrten Diskussion gewesen, in der z.B. Entschei den Titel: „Verwalter (o.ä.) des Geschriebenen im
dungen über königliche und göttliche Titulaturen, über Lebenshaus, dem alle Herrlichkeit (o.ä.) enthüllt wird."
die Feier religiöser Feste und anderes mehr getroffen Das Wort ^ |^ ssi das allgemein mit „Geschriebe
wurden. Die Hauptbedeutung sah er aber offensichtlich nes" wiedergegeben wurde, kann außer der Bedeu
in der Tradierung und Zusammenstellung von Büchern: tung „Schrift", die hier sicher nicht in Frage kommt,
„... that the _'^"_ was neither a school nor a „Schriftstück, Buch" o.ä. bedeuten86. Der Beleg läßt
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university, but rather a scriptorium where books con sich dahingehend interpretieren, daß Geschriebenes
nected with religion and cognate matters were compi ohne nähere Qualifikation im „Lebenshaus" vorhan
led."78 Die Frage nach der Existenz einer Bibliothek den war, und zwar immerhin in einem solchen Umfang,
verneint er ausdrücklich: „... they do not seem to have daß ein Verwalter benötigt wurde. Da diese Schriften
contained libraries of their own. The temples, or at all nicht eindeutig bestimmt sind, kann auch der Beleg
events some temples, possessed libraries, and these nicht als eindeutig gewertet werden; dennoch ist seine
had their special name pr-md3.t"79 Berücksichtigung hier gerechtfertigt: Der zweite Teil
des Titels: „dem alle Herrlichkeit (o.ä.)87 enthüllt wird"
Dieser Auffassung, der sich später beispielsweise
ist, wie die syntaktische Stellung nahelegt, inhaltlich in
Hellmut Brunner anschloß80, steht Voltens im großen
enger Verbindung zu dem „Geschriebenen" zu sehen.
und ganzen auf den gleichen Belegen fußende Inter
Damit können aber auch Passagen wie z.B. oben Beleg
pretation gegenüber, die dem „Lebenshaus" erheblich
Nr. 2, 6 oder 11 für „Bücherhaus" herangezogen wer
umfassendere Funktionen zuweist. Er sieht in ihm ein
den, wo ein Zusammenhang zwischen geheimen Din
Kollegium, das das Leben des Königs und der Götter
gen (die den dazu Berufenen „enthüllt" werden) und
zu schützen hat und sich zu diesem Zwecke der
Bibliothek festzustellen ist.
„Wissenschaften" bedient, zunächst der Magie und
So ist dieser Titel zwar kein eindeutiger Beleg, aber
der Medizin, zu denen später z.B. die Balsamierung,
immerhin ein mögliches Indiz für die Existenz von
das Verfassen theologischer und theologischmagi
Büchern im „Lebenshaus".
scher Werke, Astronomie und Astrologie und anderes
2. Im sog. Papyrus Salt (P.B.M. 10051) aus der
mehr kommen. Sein Urteil faßt Volten wie folgt zusam
30. Dynastie oder 1. Perserherrschaft (4. Jh. v. Chr.)88
men: „Das pr-'nh war also wirklich mutatis mutandis
wird die ideale Struktur des „Lebenshauses" in
eine Art Universität. Der primitive Theologe, der
Abydos beschrieben89. Dort heißt es: „Die Bücher, die
afrikanische Zauberer, hat die Anfänge der Wissen
in ihm sind, sind die Emanationen des Re, damit
schaft erzeugt, die Theologie war in Ägypten, wie
dieser Gott lebt und damit seine Feinde gefällt wer
später in Europa, die Mutter aller anderen Wissen
den." Als Wort für „Bücher" ist md3 .t verwendet, das
schaften ... Und Bibliotheken waren an die Lebens
häuser geknüpft wie an die jetzigen Universitäten."81 auch in pr-md3 .t „Bücherhaus" enthalten ist. Zu den
„Emanationen des Re" als Bezeichnung für heilige
Dieser Auffassung schlössen sich um nur einige
Schriften s. oben S. 85. Ungeachtet der hier ohne
wichtige Stellungnahmen zu vermerken z.B. Jean
Capart82, Baudouin van de Walle83 und Eberhard Otto84 Einfluß bleibenden Frage, ob das beschriebene „Le
benshaus" eine konkrete oder ideale Institution sein
an.
soll, ist klar und deutlich gesagt, daß im „Lebens
Die unterschiedliche Auffassung als „Skriptorium"
haus" Bücher existieren, in diesem Fall offenbar vor
oder „Universität" ist in diesem Zusammenhang nur
allem solche magischen Inhalts bzw. Ritualbücher.
am Rande von Interesse, da keine der beiden Möglich
keiten eo ipso die Existenz oder Nichtexistenz einer
78 (Anm. 16), S. 175.
Bibliothek beinhaltet: So wenig Voltens Verweis auf
79 (Anm. 16), S. 177.
die jetzigen Universitäten für sich allein stichhaltig ist, 80 Altägyptische Erziehung. Wiesbaden 1957, S. 28tf.
kann auf der anderen Seite Gardiners Argumentation 81 Volten (Anm. 24), S. 3839.
82 in der Rezension von Voltens Untersuchung in: CdE 18, 1943,
überzeugen. Selbst wenn im „Lebenshaus" nur die von
S. 259263.
ihm beschriebenen Funktionen ausgeübt wurden, ist 83 la transmission des textes litteraires egyptiennes. Bruxelles
durchaus damit zu rechnen, daß dazu eine Bücher 1948, S. 13.
84 (Anm. 22), S. 255.
sammlung benötigt wurde. Gardiners Verweis auf die
85 Gardiners Beleg Nr. 5, (Anm. 16), S. 160.
„Bücherhäuser" ist nicht überzeugend und wird von 86 Wb III, S. 476477.
ihm selbst unfreiwillig abgeschwächt, da er belegt, daß 87 das Wort dsrw kann „Pracht, Herrlichkeit, Reinheit" o.ä. bedeu
ten, vgl. Wörterbuch der ägyptischen Sprache hrsg. von Adolf
das „Lebenshaus" eine eigene Institution und teilwei
Ermann und Hermann Grapow, Berlin 19261963, Band V, 615;
se auch in einer gewissen räumlichen Entfernung zum Gardiners freie Wiedergabe „private matters" muß somit im Sinne
Tempel gewesen ist (s. dazu weiter unten in diesem von „Geheimnisse, heilige Dinge" o.ä. verstanden werden.
88 Gardiners Beleg Nr. 33, (Anm. 16), S. 167.
Abschnitt).
89 s. Gardiner (Anm. 16), S. 167.
Description:41 s. z.B. im 3. Kapitel unter „Sais" oder auch unter 135 Chassinat, Emile: Le temple d'Edfou, tome 3. Cairo 1928,. S. 339351. 136 (Anm. 2), S.