Table Of ContentWALTER PETERS
Baukunst in Südwestafrika
1884—1914
DIE REZEPTION DEUTSCHER ARCHITEKTUR IN DER
ZEIT VON 1884 BIS 1914 IM EHEMALIGEN DEUTSCH-
SUDWESTAFRIKA (NAMIBIA).
Herausgegeben vom Vorstand der SWA Wissenschaftlichen Gesellschaft
Windhoek 1981
Nachdruck oder Übersetzung, ganz oderteilweise, nur mitGenehmigung des Autors und des Vorstandes
der SWA Wissenschaftlichen Gesellschaft.
Verlag und Schriftleitung: Postfach 67, Windhoek.
Druck: John Meinert (Pty) Ltd., Postfach 56, Windhoek.
ISBN 0-949995-34-7
Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 1
ZEIT DER NOMINALHERRSCHAFT 1884-1893 .......22cc2220. 21
Kapitel 2
FRUNDUNGSZEIT 1894-1903... ..................0.. 002 53
Kapitel 3
BESISENJAHRE 19041907 .........2...: cn 121
Kapitel 4
BRONEZEIT ISOT1A 0.2... nee an 167
421 Das neue Eundament ................. 0.0... 167
4.2 Die Christuskirche als „Friedensdenkmal“ . 2. cc. 168
4.3 „Wendepunkt im Baugewerbe“ der Hauptstadt ........2...... 175
4.4 Der Swakopmunder „Baukasten“ ... cn 197
4.5 „Bauliches und Unerbauliches“ in Lüderitzbucht . 222222... 217
4.6 Zwischen Granit- und Kalkstein 2 ec. 247
4. Die Herrenhäuser des Landes... ..... 8 272
4.8 Der „Tintenpalast“ des Gouvernements 2 een 286
4:9 „Barock oder Barack“ ........... 0... 000 300
BSEIBUSSBETRACHTUNG ................. 2 321
i..2..eanren. 327
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Dank des Autors
Für die Hilfe und Unterstützung folgender Personen und Institutionen sei an dieser
Stelle gedankt:
IN SÜDAFRIKA
Prof. Dr. Barrie Biermann, auf dessen Anregung diese Arbeit begonnen ist, der
Bibliothek der University of Natal und der Fotografischen Abteilung des Department
of Architecture und Prof. Dieter Holm.
IN SÜDWESTAFRIKA (NAMIBIA)
Für ein Stipendium der Stiftung Simon van der Stel; Fräulein Christel Stern vom
Staatsarchiv in Windhoek, Frau Ursula Massmann von der Gesellschaft für Wissen-
schaftliche Entwicklung in Swakopmund, Frau Anneliese Dyck vom Lüderitzbuchter
Museum, Edda Schoedder, Piet und Adelheid Odendaal und zahlreichen Südwestern,
die mir ihre Häuser geöffnet und privaten Fotosammlungen anvertraut haben.
IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Für ein Stipendium des, Deutschen Akademischen Austauschdienstes; Prof. Dr.-Ing.
Günther Kokkelink und Prof. Peter Böhme, der Universitätsbibliothek Hannover und
der Niedersächsischen Landesbibliothek, dem Hamburger Welt-Wirtschafts-Institut,
dem Bundesarchiv Koblenz, Herrn Heinrich Bremer und dem Architekturstudenten
Helmut Knocke für sprachliche Hilfe. Frau Helga Feulbach hat die Dissertation mit
der Maschine geschrieben.
Besonderer Dank gebührt meiner Frau Dale für ihre fördernde Anteilnahme an dieser
Arbeit in allen drei Ländern.
Hannover, den 1. Dezember 1980
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"Karte von Deutsch-Südwestafrika
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Vorwort
Drei Jahrzehnte lang, von 1884 bis 1914, stand Südwestafrika unter dem Schutz
des Deutschen Reiches. Die vorkoloniale Zeit kennt keine massiven Häuser und keine
Städte. Daher sind die in der wilhelminischen Kaiserzeit errichteten Gebäude die
ältesten im Lande.
In Südwestafrika verschwinden Bauwerke dieser Epoche oft, ohne daß davon Notiz
genommen wird. Andere werden bis zur Unkenntlichkeit ‚modernisiert‘. Die Haupt-
stadt Windhoek hat diskussionslos einen großen Teil derZeugnisse ihrer Vergangenheit
verloren. Oft werden Bauwerke dieser Zeit mit dem Argument abgewertet, sie seien
nur ausluftgetrockneten Ziegeln gebaut, daher minderwertig und nicht erhaltenswert,
obwohl einige dieser Häuser eine Lebensdauer von 70 und mehr Jahren nachweisen
können. Um diesen und ähnlichen negativen Beurteilungen entgegenzutreten und
wissenschaftliches Rüstzeug zurbauhistorischen Wertung zu schaffen,stellte die Simon
van der Stel-Stiftung, eine Interessengemeinschaft, deren Ziel es ist, architektonisch
und historisch wichtige Gebäude zu restaurieren und zu erhalten, ein Stipendium
bereit, die deutsche Architektur aufzuarbeiten und darzustellen.
Mit dieser Zielsetzung begann die Forschungsarbeit neben meiner Dozententätigkeit
an der University of Natal im Januar 1978. In allen Universitätsferien der nächsten
zwei Jahre, insgesamt zehnmal, besuchte ich Südwestafrika. Systematisch wurden die
Ortschaften bearbeitet und ein Karteiverzeichnis aufgestellt. Kontaktpersonen infor-
mierten über Farmerhäuser und abgelegene Baulichkeiten. Die fotografischen
Aufnahmen und Skizzen wurden im Staatsarchiv in Windhoek überprüft, wo, dank
der im Jahre 1898 erlassenen „Baupolizeiordnung für das südwestafrikanische Schutz-
gebiet“, genehmigte Pläne der Häuser größerer Ortschaften aufbewahrt werden.
Historische Fotografien wurden aus Privatsammlungen, Museen und Archiven in Süd-
westafrika und der Bundesrepublik Deutschland beschafft.
Die wissenschaftliche Verarbeitung dieser Bestände konnte nicht in Südafrika statt-
finden, weil die dazu benötigte Literatur und die erwünschten Gesprächspartner nicht
vorhanden sind. Ein vom Deutschen Akademischen Austauschdienst gewährter
dreisemestriger Aufenthalt an der Universität Hannover ermöglichte eine gründliche
Bearbeitung. Nach diesem Studium ist mir dankbar bewußt, daß meine Dissertation
nur durch die zuvorkommendeHilfe von Mitgliedern des Fachbereiches Architektur
und der Universitätsbibliothek in Hannover gelingen konnte.
In der Zwischenzeit hat sich das Regionalkomitee der Simon van der Stel-Stiftung
in Südwestafrika aufgelöst. Der Südwestafrikanische Architektenbund hat die
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und Arbeitsunterlage dienen und ein Beitrag zur Wertung und zu umfassenden
Erhaltungsmaßnahmen der Gebäude in Südwestafrika-Namibia sein.
Durban, im April 1981
Abkürzungsverzeichnis
DBZ Deutsche Bauzeitung
DKB Deutsches K.olonialblatt
DKG Deutsche Kolonialgesellschaft
DKGfSWA Deutsche Kolonial Gesellschaft für Südwestafrika
DKZ DeutscheKolonialzeitung
DSWA Deutsch-Südwestafrika
DSWAZ Deutsch-SüdwestafrikanischeZeitung
era eigene Aufnahme
Ebd. Ebenda
GfWE Gesellschaftfür Wissenschaftliche Entwicklung, Swakopmund
JBdKBV Jahresbericht der Kaiserlichen Bauverwaltung
KuH Kolonie und Heimat
LBM Lüderitzbucht Museum
LBZ Lüderitzbuchter Zeitung
OMEG Otavi Minen- und Eisenbahn-Gesellschaft
Rbm Regierungsbaumeister
RKA Reichskolonialamt
RMG Rheinische Missionsgesellschaft
SAW StaatsarchivWindhoek
SB Südwestbote
SWA Südwestafrika
Ssz Swakopmunder Zeitung
WN Windhuker Nachrichten
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Einleitung
Militärische Erfolge ermöglichen ein vereinig- neben dem vorherrschenden Klassizismus ver-
tes Deutschland und die Gründungdes Kaiser- schiedene Stile der Vergangenheit aus roman-
reiches unter Kaiser Wilhelm I. (1797—1888) tischen Beweggründen, um Wohnhäuser und
und dem Reichskanzler Otto von Bismarck einfachere Bauten zu dekorieren. Gleichzeitig
(1815—1898) im Jahre 1871. Endlich kann hat man beträchtliche Zweifel an der Richtig-
das einst revolutionäre Bekenntnis Heinrich keit der eigenen Architektur und beginnt mit
Hoffmannsvon Fallersleben (1790—1874) „Ei- der Suche nach einem neuen deutschen Stil.
nigkeit und Recht und Freiheit ... von der Wesentlichen Anstoß gibt Heinrich Hübsch
Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an (1795—1863) in seinem 1828 erschienenen
den Belt“ in Erfüllung gehen. Diese Verse — Heft, in dem er herausfordernd fragt: „In
die spätere Nationalhymne — schreibt der welchem Style sollen wir bauen?“ In Antwort
Dichter im Exil auf der seinerzeit noch aufseine rhetorische Frage preist er den Bogen
englischen Insel Helgoland. Zwischen den ge- als wesentliche Neuerung in der Entwicklung
nannten Flüssen und Meeresarmen leben der Architektur nach den Griechen undschlägt
Deutschsprachige, die nicht mehr durch Gren- deshalb einen Bogen- und Gewölbestil vor,
zen voneinander getrennt sein wollen!. der in der Folgezeit eine Mischung von früh-
christlichen, byzantinischen, italienisch-roma-
Durch den neuerwachten Nationalismus und
nischen und florentinisch-renaissancistischen
gefördert durch geschicktes politisches Manö-
Elementen hervorbringt. Diese historischen
vrieren Bismarcks, sowie die Forderungen der
Formen unterliegen einer Metamorphose mit
Industrie, wird der vom Stapel gelassene neue
dem Endergebnis eines selbständigen Stiles,
Staat zu einer der treibenden Kräfte Europas.
der als der Rundbogenstil bekannt wird’.
Die französischen Kriegsentschädigungen ru-
Dieser neue konstruktive Stil mit seiner Vor-
fen einen außerordentlichen wirtschaftlichen
liebe für den Ziegelbau, der in den 1830er
Konjunkturaufschwung in den Jahren 1871—
und 1840er Jahren hauptsächlich von Hübsch,
1873 hervor. Diese paar Jahre, benannt die
Schinkel, Gärtner, Chateauneuf und Andreae
Gründerjahre des Kaiserreichs, sind von einer
vorgeprägt wurde, findet zunächst Eingang in
rücksichtslosen Ausnutzung des Bodens und
dem Beginn des übertriebenen Prunkes in der den Bereich der Nutzbauten, wie Markthallen,
Krankenhäuser, Schulen, Bahnhöfe und Fabri-
Architektur gekennzeichnet, mit einer allge-
ken*. Überraschenderweise wählt Waesemann
meinen Wandlung von spätbiedermeierlicher
für das von 1859-1870 erbaute sogenannte
Einfachheit in der ersten Jahrhunderthälfte
„Rote Berliner Rathaus“ (Abb. a) ebenfalls
zum großbürgerlichen Luxus?.
die rationale Formensprache des Rundbogen-
Das 19. Jahrhundert beginnt mit einer starken
stils, mit den strengen Kompositionen der vor-
klassischen Architekturrichtung. Jedoch ma-
wiegend runden Öffnungen und Blendbögen
chen die Repräsentanten dieser Strömung,
Karl Friedrich Schinkel (1781—1841) und Leo
von Klenze (1784—1864) den Anfang, mit an-
1 Lemmer, K. Berlin zurKaiserzeit. Berlin: Rembrandt Verlag, 1978,
deren Stilen zu experimentieren, undliefern die Sr>D.
ersten Impulsezur Entstehung des Historismus 2 Zentner, C. Deutschland 1870bis heute. München: Südwest, 1970,
S. 86.
in Deutschland. Klenze wählt die italienische
3 Pevsner, N. Some architectural writers ofthe nineteenth century.
Frührenaissance, Schinkel die englische Gotik. Oxford: Clarendon, 1972, S. 64.
Die Architekten um 1810-1830 verwenden 4 Brix, M. & Steinhauser, M. Geschichte allein ist zeitgemäß. Lahn-
Gießen: Anabas, 1978, S. 210.
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ng von Wahrheit, wobej
i
rk Be Dekoration als „ehr-
lich“ bezeichnet werden kann! In dieser Aus-
legung ist ein früher Beginn funktionellen
Denkens enthalten. Für die Neugotiker auf
der anderen Seite bedeutet die Wahrheit eine
Zweckmäßigkeit des Grundrisses und eine Ent-
blößung des konstruktiven Aufbaus und des
Materials, wofür die gotischen Kathedralen
vorbildlich sind.
Die Repräsentativbauten der Gründerjahre
müssen im Sinne Wilhelm Lübkes (1826-
1893) Buch von 1873 „Geschichte der deut-
schen Renaissance“ gesehen werden. Dieses
Buch führt eine Wiederbelebung der deutschen
Renaissance herbei und liefert einen wichtigen
Beitrag in der Diskussion um die Suche nach
einem deutschen nationalen Stil. Obgleich
dieser Baustil aus Italien und Holland impor-
tiert ist, hat er eine eigene Prägung auf
deutschem Boden gewonnen und wird deshalb
angesichts des starken nationalen Zeitgeistes
als wesenseigen und als angemessen empfun-
den (Abb. b). Besonders findet dieser Stil
im gehobenen Häuserbau und später in Miets-
Abb. a: Berliner Rathaus, 1861-69. (Joseph) häusern seinen Ausdruck.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wird von
und mit der Reihung und Wiederholung iden- einzelnen Hamburger Handelshäusern der Ge-
tischer Bauelemente, wie Lisenen und Eckstab- danke, deutsche überseeische Besitzungen zu
türmchen. schaffen, neu aufgegriffen. Nach der Reichs-
Umdie Jahrhundertmitte beginnt der Historis- gründung werden derartige Pläne von Akade-
mus mit dogmatischen Stellungnahmen zur mikern und Kaufleuten stärker propagiert.
Architektur. Gottfried Semper (1803—1879) Dadurch wird die Gründung zweier Gesell-
verteidigt einen aus der italienischen Hoch- schaften zur Förderung des Kolonialgedan-
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Argumente sich aufden Wahrheitsbegriffkon-
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klärt. Semper, daß die Funktion des Gebäudes —
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