Table Of ContentAktuelle Fragen der
Organtransplantation
Auszüge aus
Transplantationschirurgie
Herausgegeben von R. Pichlmayr
Zur Information der Ärzteschaft
überreicht von
der Bundesärztekammer,
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
und dem Kuratorium für Heimdialyse,
Gemeinnützige Körperschaft für Dialyse
und Nierentransplantation
AAuusszzuüggee ((zzuumm TTeeiill iinn ggeekkuürrzztteerr FFoorrmm)) aauuss
AAllllggeemmeeiinnee uunndd ssppeezziieellllee OOppeerraattiioonnsslleehhrree .. BBaanndd I1I1I1
TTrraannssppllaannttaattiioonnsscchhiirruurrggiiee
HHeerraauussggeeggeebbeenn vvoonn RR.. PPiicchhllmmaayyrr
SSpprriinnggeerr--VVeerrllaagg BBeerrlliinn HHeeiiddeellbbeerrgg NNeewwY Yoorrkk 11998811
ISBN 978-3-662-37706-2 ISBN 978-3-662-38516-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-38516-6
DDaass WWeerrkk iisstt uurrhheebbeerrrreecchhttlliicchh ggeesscchhuüttzztt.. DDiiee ddaadduurrcchh bbeeggrruünnddeetteenn RReecchhttee,, iinnssbbeessoonnddeerree ddiiee
ddeerr üObbeerrsseettzzuunngg,, ddeess NNaacchhddrruucckkeess,, ddeerr EEnnttnnaahhmmee vvoonn AAbbbbiilldduunnggeenn,, ddeerr FFuunnkksseenndduunngg,, ddeerr
WWiieeddeerrggaabbee aauuff pphhoottoommeecchhaanniisscchheemm ooddeerr iäihhnnlliicchheemm WWeeggee uunndd ddeerr SSppeeiicchheerruunngg iinn DDaatteenn
vveerraarrbbeeiittuunnggssaannllaaggeenn bblleeiibbeenn,, aauucchh bbeeii nnuurr aauusszzuuggsswweeiisseerr VVeerrwweerrttuunngg,, vvoorrbbeehhaalltteenn.. DDiiee VVeerr
gguüttuunnggssaannsspprruücchhee ddeess §§ 5544,, AAbbss.. 22 UUrrhhGG wweerrddeenn dduurrcchh ddiiee ""VVeerrwweerrttuunnggssggeesseellllsscchhaafftt WWoorrtt"",,
MMuünncchheenn,, wwaahhrrggeennoommmmeenn..
DDiiee WWiieeddeerrggaabbee vvoonn GGeebbrraauucchhssnnaammeenn,, HHaannddeellssnnaammeenn,, WWaarreennbbeezzeeiicchhnnuunnggeenn uussww.. iinn ddiieesseemm
WWeerrkk bbeerreecchhttiiggtt aauucchh oohh nnee bbeessoonnddeerree KKeennnnzzeeiicchhnnuunngg nniicchhtt zzuu ddeerr AAnnnnaahhmmee,, ddaaBß ssoollcchhee
NNaammeenn iimm SSiinnnnee ddeerr WWaarreennzzeeiicchheenn--uunndd MMaarrkkeennsscchhuuttzz--GGeesseettzzggeebbuunngg aallss ffrreeii zzuu bbeettrraacchhtteenn
wwäiirreenn uunndd ddaahheerr vvoonn jjeeddeerrmmaannnn bbeennuuttzztt wweerrddeenn dduürrfftteenn..
©© bbyy SSpprriinnggeerr--VVeerrllaagg BBeerrlliinn HHeeiiddeellbbeerrgg 11998811
UUrrsspprriüinngglliicchh eerrsscchhiieenneenn bbeeii SSpprriinnggeerr--VVeerrllaagg BBeerrlliinn HHeeiiddeellbbeerrgg NNeeww YYoorrkk 11998811..
Vorwort
Die Nierentransplantation ist eine anerkannte klinische Behandlungs
methode. Dialyseverfahren und Nierentransplantation ermoglichen zu
sammen und miteinander integriert die bestmogliche Therapie des chro
nisch terminalen Nierenversagens. Gerade die Nierentransplantation hat
eine groBe Bedeutung fUr die Rehabilitation der Patienten.
Im Gegensatz zu dieser Bedeutung der Nierentransplantation steht die
noch immer zu geringe Zahl der durchgefUhrten Nierentransplantationen,
gerade auch in Deutschland. Die Grunde hierfur sind vielfaltig und Schwie
rigkeiten sind verstandlich, da es sich bei der Organtransplantation um eine
prinzipiell neue Behandlungsart mit der Problematik des Bereichs "Organ
spende" handelt. Wenngleich schon deutliche Erfolge mannigfaltiger Be
muhungen sichtbar sind, so bleibt doch gerade auf dem weiten Gebiet der
Organspende noch viel zu tun.
Von entscheidender Bedeutung ist die sachgerechte Aufklarung der
Offentlichkeit. Nur hierdurch kann der fUr die Transplantationschirurgie so
wichtige umfassende Konsens erreicht werden.
Zu einer sachgerechten Aufklarung und Information ist nur die Arzte
schaft befahigt. Dementsprechend wenden sich die Bundesarztekammer,
die Kassenarztliche Bundesvereinigung und das Kuratorium fUr Heimdia
lyse an die praktizierenden Arzte, die standig von einer groBen Zahl von
Menschen um Beratung in vielerlei Fragen, so sicher auch bezuglich einer
moglichen Organspende, um Rat gefragt werden. Die Arzteschaft wird
damit gebeten, durch ihren Rat und ihre Information die Bemuhungen
der Transplantationschirurgie zu unterstCItzen und damit den vielen auf ein
Organtransplantat, speziell ein Nierentransplantat, wartenden Patienten
- selbst wenn diese nicht zu ihren eigenen Patienten zahlen - zu helfen.
Dieser Auszug aus dem Buch "Transplantationschirurgie" von R. Pichl
mayr soil dazu beitragen, dem um Rat befragten Arzt notwendige Basis
informationen uber das Gebiet der Organtransplantation, speziell der Nie
rentransplantation, zu geben. Nach einem Oberblick uber den klinischen
Stand der verschiedenen Organ- und Gewebstransplantationen wird die
Indikation zur Nierentransplantation, die Vorbereitung eines Patienten auf
eine Nierentransplantation und vor allem das Gebiet der Organspende be
handelt.
Bundesarztekammer
Kassenarztliche Bundesvereinigung
Kuratorium fUr Heimdialyse
Derzeit klinisch bedeutsame Organ
und Gewebetransplantationen
R. PICHLMAY R
Die Transplantation der Niere besitzt unter den Organtransplantationen in mehr
facher Hinsicht besondere Bedeutung: sie weist die hochste Erfolgsrate auf,
wird am hiiufigsten durchgefUhrt (bislang weltweit etwa 70000-100000 mal) und
ist eine anerkannte klinische Behandlungsmethode von hohem Wert; dariiber
hinaus hat sie umfassenden Modellcharakter fUr alle anderen klinischen Organ
transplantationen; der iiberwiegende Teil transplantationschirurgischer Erfah
rung beruht auf der experimentellen und klinischen Nierentransplantation.
In der Reihenfolge ihrer klinischen Bedeutung folgen in etwa die Transplanta
tion von Herz und Leber; beide Organe werden bei entsprechender Erfahrung
mit vertretbarem Risiko und mit gewissen Langzeiterfolgsaussichten iibertragen;
bei gegebener Indikation stellen sie somit eine klinische Behandlungsmethode
dar.
Die Transplantation von Pankreas zur Substitution der endokrinen Sekretion
erzielt nach langer Periode des MiBlingens neuerdings gewisse Erfolge sowohl
in Form der Pankreasorgan- als auch der Inselzelltransplantation.
Der Transplantation der Lunge sind dagegen Langzeiterfolge bisher fast
vo1lig versagt geblieben; prinzipiell hiitte auch sie ihr zum Teil weites Indikations
gebiet, doch erscheint ihre DurchfUhrung derzeit wegen der geringen Erfolgsaus
sichten kaum berechtigt.
Neben diesen klassischen Organtransplantationen (Niere, Herz, Leber,
Lunge, Pankreas) sind andere Organtransplantationen technisch-experimentell
moglich (z.B. von Magen, Diinn- und Dickdarm sowie der Milz) , haben aber
heute noch keine klinische Anwendung gefunden und lassen diese erst bei weite
rer Losung der immunologischen Probleme erwarten.
Unter den sogenannten "Gewebe"-Transplantationen werden klinisch haufig
und mit groBem Erfolg vor allem die Hornhaul sowie die Gehorknachelchen
transplantiert.
Die Knochenmarktransplantation bekommt auf dem hamatologischen Indika
tionsbereich (vor allem bei bestimmten Immundefekten, bei aplastischer Anamie
und zur Behandlung von Leukamien) zunehmend Bedeutung; dariiber hinaus
konnte sie auch eine "Wegbereiter-Transplantation" fUr andere Organe darstel
len.
Die Transplantation von Haul - experimentell die wichtigste und grundle
gende Transplantation - hat klinisch beschrankten, aber definitiven Wert bei
schweren Verbrennungen. Dauerhaftes Uberleben allogener Haut wurde bislang
beim Menschen nicht erreicht; dies ist im Rahmen der Verbrennungstherapie
auch nicht unbedingt erforderlich; das Transplantat muB nur so lange erhalten
bleiben, bis eine Autotransplantation moglich ist.
Indikation zur Nierentransplantation
R. PICHLMAYR und A.J. COBURG
I. Allgemeines
Die Indikation zu einer Nierentransplantation ist potentiell bei jedem dialysebe
diirftigen, terminalen Nierenversagen gegeben. In aller Regel wird dieses Sta
dium, d.h. der Beginn der Dialysebehandlung, abgewartet, bevor die Indikation
zur Nierentransplantation diskutiert oder gestellt wird. Nur in besonderen Situa
tionen (z.B. bei Diabetes mellitus oder bei Kindern) kann eine Transplantation
auch vor der absoluten Dialysenotwendigkeit bereits im priiuriimischen Stadium
angebracht sein.
Die Entscheidung zu einer Transplantation, fUr die der Rat der zustiindigen
Arzte und der Wunsch des Patienten ausschlaggebend sind, ergibt sich stets
aus einer Reihe von Faktoren, die unterschiedlich stark fUr oder gegen eine
Transplantation sprechen ; iihnliches gilt fUr den Zeitpunkt, d.h. die Dringlichkeit
einer Transplantation. Absolute Indikationen und absolute Kontraindikationen
sind selten; relative Indikationen iiberwiegen. Allgemein giiltige und verbindliche
Indikationskriterien existieren bislang kaum; entsprechend laufender Fort
schritte auf dem Dialyse- wie dem Transplantationssektor sind weiterhin Ver
schiebungen der Indikationsbereiche und der Indikationsdringlichkeiten zu er
warten. Subjektive Auffassungen aufgrund unterschiedlicher Informationen spie
len bei Patient und Arzt fUr die Indikationsstellung zur Transplantation noch
eine groJ3e Rolle.
Insgesamt kann die Indikation zur Transplantation heute weit gestellt werden
(NAJARIAN et al. 1976; KOUNTZ et al. 1977) nachdem sich die Transplantationser
gebnisse gebessert haben, d.h. besonders das Letalitiitsrisiko im ersten Jahr
nach Transplantation auf etwa 10% oder darunter gesenkt werden konnte (STEN
ZEL et al. 1974; BELZER 1975; GELIN 1976; SALVATIERRA et al. 1977; STUART
1978; PICHLMAYR 1980). Vor allem der hohe Grad der gesundheitlichen Rehabili
tation ist ein Gesichtspunkt fur die Transplantation (PICHLMAYR u. COBURG
1976; GUTMAN u. AMARA 1978; MORRIS et al. 1978). Der umfangreiche Katalog
von Kontraindikationen, giiltig in friiheren J ahren (MERRILL 1968; HAMBURGER
et al. 1972), hat sich aufwenige Punkte eingeengt (LEGRAIN et al. 1974; KOUNTZ
et al. 1977; MAuER u. HowARD 1978; STUART 1978).
Nach den bis 1977 erscheinenden Weltreports der Human Renal Transplant
Registry sowie dem EDTA-Report 1977 stellt die chronische Glomerulonephritis
die hiiufigste Grunderkrankung des zur Transplantation fUhrenden Nierenversa
gens dar, gefolgt von der Pyelonephritis (Tabelle 1). Entscheidende Hiiufigkeits
verschiebungen in den Grundleiden ha ben sich in den letzten Jahren nicht erge
ben; eine leichte relative Abnahme der chronischen Glomerulonephritis- und
Pyelonephritisfiille ist durch vermehrte Einbeziehung von Erkrankungen anderer
4 Indikation zur Nierentransplantation
Tabelle 1. Hiiufigkeit der zur Transplantation fiihrenden Grunderkrankungen (in %)
13. Weltreport 12. Weltreport 5. Weltreport
(1977) (1975) (1967)
n=25108 n=16444 n= 1128
Glomerulonephritis 55 56 55
Pyelonephritis 13 13 23
Terminale Niereninsuffizienz
ungekliirter Genese 7 6
Nephrosklerose 6 5 } 22
Andere Erkrankungen 19 20
Art in die Transplantationsindikation eingetreten. Bei den Dialysepatienten ist
in Anbetracht der zunehmenden Ausweitung der Dialyseindikation in hoheren
Altersstufen eine Verschiebung der Haufigkeit der Grunderkrankungen in Rich
tung Nierenversagen durch Nephrosklerose und Arteriosklerose zu erwarten;
es ist unwahrscheinlich, daB die se Entwicklung in gleicher Weise fUr die Nieren
transplantation giiltig werden wird. Dagegen ist eine Zunahme der bisher selte
nen Indikationen bei congenitalen Erkrankungen (Nierentransplantation beim
Kind) und bei Niereninsuffizienz auf dem Boden eines Diabetes mellitus zu
erwarten.
Die Kalkulationen iiber die Haufigkeit des dialysebediirftigen Nierenversa
gens lagen in den letzten Jahren bei 20-40 Neuerkrankungen pro 1 Million
Einwohner und Jahr; sie sind durch Ausweitung der Dialyseindikation in hOhe
rem Alter auf 40--60 Patienten pro 1 Million Einwohner und Jahr gestiegen.
Die Indikation zur Nierentransplantation erscheint z.Zt. groBenordnungsma
Big bei mindestens 50% der dialysepflichtigen Patienten sinnvoll. Somit kann
ein Bedarf von etwa 20-30 Nierentransplantationen pro 1 Million Einwohner
und Jahr kalkuliert werden, wobei im Laufe der Jahre zunehmend der Bedarf
an Zweittransplantaten (ca. 20-40% der Zahlen der Ersttransplantate) zu beriick
sichtigen sein wird.
Hamodialyse und Nierentransplantation sind dabei stets als Bestandteile eines
gemeinsamen, integrierten Behandlungsprogrammes zu werten (MATHEW et al.
1975; TILNEY et al. 1975; PICHLMAYR u. COBURG 1976; STARZL et al. 1977;
GUTMAN U. ROBINSON 1978).
Weitgehend unabhangig von medizinischer Indikationsstellung, sondern auf
grund regionaler und individueller Initiativen liegt das Schwergewicht in einigen
Zentren und Landern auf der Seite der Transplantation (BELZER 1975; MATHEw
et al. 1975; GELIN 1976; TERSIGNI et al. 1976), in anderen mehr auf der Seite
der Dialyse (KRuMLOVSKY et al. 1975; WING et al.: EDTA 1977).
Bei dem Versuch, zu einer bestmoglichen individuellen Indikationsstellung
zur Nierentransplantation zu kommen, sind zahlreiche Faktoren zu beriicksichti
gen. Vor allem Erfolgsaussichten und Risiken einer Transplantation je nach
individueller Situation sind hierbei entscheidend. Diese diirfen jedoch nicht iso
liert fUr die Transplantation allein betrachtet werden, sondern miissen in Ver
gleich zu den zu erwartenden Aussichten einer Dialysebehandlung gesetzt wer-
Indikation zur Nierentransplantation 5
den. Als Hauptkriterien fUr eine Indikationsstellung sind vor allem zu beriick
sichtigen: Der EinfluB der Grunderkrankung, Sekundarschaden der Niereninsuf
fizienz und allgemeine sowie spezielle Risikofaktoren.
11. Grunderkrankung
Die Art der Grunderkrankung kann die Aussichten einer Transplantation be
einflussen, vor allem durch Rezidiv der Erkrankung im Transplantat (z.B. Oxa
lose) sowie durch Schaden des Transplantates infolge bestehender infektioser
oder funktionell- bzw. morphologisch-urologischer Storungen (z.B. MiBbildun
gen, Harnwegsinfektion).
Von der Grunderkrankung hangen weiter wesentlich die Hohe der allgemei
nen Komplikationen (z.B. cardiovasculare Komplikation bei Nephrosklerose)
ab; das Fortschreiten der Erkrankung kann unter Dialyse und Transplantation
unterschiedlich sein.
Aufgrund zunehmender Erfahrungen auch bei seltenen Erkrankungen kon
nen diese Einfliisse fUr die einzelnen Erkrankungen abgeschatzt und somit in
die Indikationsstellung mit einbezogen werden (Advisory Commitee to the Hu
man Renal Transplant Registry 1975). Dabei bestehen zwischen den Ergebnissen
der Transplantatfunktion beziiglich der haufigsten Grunderkrankungen keine
wesentlichen Unterschiede; solche ergeben sich bei Vorliegen spezieller Grund
erkrankungen, wie Oxalose, bestimmten Formen der membranoproliferativen
Glomerulonephritis, Diabetes mellitus oder Amyloidose (detaillierte AusfUhrun
gen hierzu siehe Gesamtbuch "Transplantationschirurgie").
Ill. Sekundarschaden der Niereninsuffizienz und Storungen
bei Dialyse
Sekundarschaden der Niereninsuffizienz stellen dann eine spezielle Indikation
zur Nierentransplantation dar, wenn diese erwartungsgemaB durch eine Trans
plantation giinstiger zu beeinflussen sind als durch Dialyse. Hierzu gehoren
neben dem subjektiven Befinden vor allem ein sekundarer Hyperparathyreoidis
mus, neurologische Storungen, Schwierigkeiten der Blutdruckregulation und ggf.
eine Pericarditis bzw. Polyserositis. Daneben sind Schwierigkeiten bei der Dialy
sebehandlung, wie Shuntprobleme und das weite Spektrum der psychischen,
familiaren und sozialen Belastungen durch Langzeitdialyse Indikationsgriinde
zur Nierentransplantation.
IV. Risikofaktoren fUr eine Nierentransplantation
Eine gute Konstitution und Gesamtverfassung des Patienten ist fUr die Trans
plantation ebenso wie fUr die Dialyse eine giinstige Voraussetzung. Doch kann
6 Sonstige Gesichtspunkte
sich die Indikation zur Transplantation keinesfalls auf diese Patientengruppe
beschranken. Bei Vorliegen von Risikofaktoren kommt es darauf an, welche
Behandlungsart diesen Risikofaktor erwartungsgemaB am wenigsten zur tatsach
lichen Gefahr und zur Komplikation werden laBt. Auch fUr diese Behandlung
kann und wird der betreffende Patient ein "High-risk-Patient" sein, der stati
stisch eine unterdurchschnittliche Prognose hat - er wird dam it ggf. auch die
Gesamtstatistik dieser Behandlungsart drucken. Fur diesen Patienten ist die
gewahlte Behandlung jedoch individuell - erwartungsgemaB - die bessere.
Das Gesamtrisiko setzt sich aus meist vielen Einzelfaktoren zusammen. Sie
mussen einzeln analysiert, aber moglichst umfassend gewertet werden. Neben
dem Vorhandensein einer Vorschadigung sind deren Starke und Behandelbarkeit
entscheidend.
Wesentliche allgemeine Risikofaktoren fUr eine Nierentransplantation sind
das Alter des Patienten, eine Adipositas, kardio-vasculare und pulmonale sowie
cerebra le Vorschaden. Bei den speziellen Risikofaktoren handelt es sich vor
allem urn die Bereiche der infektiosen, der gastrointestinalen und der onkolo
gischen Vorerkrankungen sowie eines Diabetes mellitus, speziell eines juvenilen,
insulinpflichtigen Diabetes mellitus.
V. Immunologische Gesichtspunkte
Die Blutgruppe und das HLA-Muster des Patienten haben fUr sich - von der
Kompatibilitat bei Transplantation isoliert betrachtet - keinen EinfluB auf das
Ergebnis der Transplantation und somit keine prinzipielle Bedeutung bei der
Indikationsstellung zur Transplantation. Dagegen haben Patienten mit cytoto
xischen HLA-Antikorpern [gegenuber mehr als 5% von Panel-Lymphozyten
(12. Weltreport 1975; CHEIGH et al. 1977; TERASAKI et al. 1978)] insgesamt eine
ungunstigere Prognose bezuglich der Funktionsquote eines Transplantates. Da
die Relevanz dieses nicht sehr groBen Unterschiedes fUr den einzelnen Patienten
nur bedingt bedeutsam ist - zumal er durch einen entsprechenden Grad der
Kompatibilitat zu mildern bzw. aufzuheben ist -, stellt das Vorhandensein von
HLA-Antikorpern im allgemeinen kein Argument gegen eine Transplantation
dar (stark sensibilisierte Patienten mussen jedoch ggf. auf ein kompatibles Organ
lange warten).
VI. Sonstige Gesichtspunkte
Die Moglichkeit einer Nierenspende von einem Verwandten mit der meist deutlich
besseren Prognose der Transplantation kann in die Uberlegungen zur Indika
tionsstellung der Transplantation selbst nicht oder nur bedingt miteinflieBen;
eine Betonung dieses Gesichtspunktes konnte fUr den betreffenden Angehorigen
einen ubermaBigen psychologischen Druck bedeuten.
Die Bedeutung der Dauer einer Dialysebehandlung fUr die Transplantatfunk
tion wird unterschiedlich beurteilt; hierfUr durften kontinuierliche Verbesserun
gen der Dialysebehandlung sowie Indikationsanderungen zur Bluttransfusion
bedeutsam sein (STENZEL et al. 1974; WING et al.: EDTA-Report 1977). Die
Indikation zur Nierentransplantation 7
Liinge der Dialysebehandlung stellt somit fUr sich kein Indikationskriterium
dar.
Die Kostenfrage der Behandlung (Dialyse und Transplantation) kann keine
Rolle bei der individuellen Indikationsstellung spielen. Sie kann allenfalls fUr
das Gesamtkonzept eines integrierten Behandlungsprogrammes Bedeutung ha
ben. Dabei sind die Kostenkalkulationen fUr die Transplantation stets deutlich
unter denen der Dialyse (SCHIPPERS u. KALFF 1976; BURTON 1978), wobeijedoch
moglicherweise nicht alle Faktoren erfaJ3t sind.
VII. Schlu8folgerung
Als generelle absolute Kontraindikationen verbleiben somit nur eine nicht aus
heilbare Infektion und eine manifeste maligne Erkrankung; individuell konnen
je nach Schweregrad Organschiiden, besonders kardiovasculiirer Natur, hinzu
kommen. Griinde fUr eine besonders dringliche Transplantationsindikation sind
Tabelle 2. Ergebnisse der Nierentransplantation (Literaturauswahl)
Leichennierentransplantation
Patienteniiberlebensquote (%) Transplantatfunktionsquote (%)
nach nach
2 3 4 5 Jahren 2 3 4 5 Jahren
Sammelstatistiken
Eurotransplant 1978 62 54 50 46 42
n=3584
13. Weltreport 1977
n= 1183 (1970) 68,5 62,5 57,6 54 51 55,4 47,1 42,3 38,4 34,6
n=2110 (1973) 71,2 65,4 49,5 41,1
EDTA 1979 (BRUNNER et al.) 81,1 74,9 70,6 55,6 50,1 45,7
n=5782
Einzelne Zentren
Goteborg: GELIN (1976) 70 50 69
Oxford: MORRIS et al. (1978) 94 94 94 70 68 68
n=158
Australien: MATHEW et al. 88 79 67
(1975)
Hannover (31.12.1979) 87 81 75 67 62 57 52 51 47 47
n=479
Verwandtennierentransplantation
13. Weltreport 1977
Geschwistertransplanta-
tionen
n=280 (1970) 85,8 83,8 80,6 78,2 78,2 80,3 77,2 72,7 68,8 65,9
n=449 (1973) 88,1 84,6 75,7 70,2
EDTA 1979 (BRUNNER et al.) 87,7 82,2 79,4 82,1 75,4 64,7
n=833