Table Of Content.. Schriftenreihe des
Osterreichischen Wasserwirtschaftsverbandes
Heft 25
Abwasserwirtschaft
••
in Osterreich
Von
Dipl.-Ing. Dr. Reinhard Liepolt
Direktor der BundesanstaU fUr Wasserbioiogie und Abwasserforschung
Wien-KaisermUhien
Mit 5 'l'extabbildungen
Die Abwasserwirtschaft
in Kiirnten
Von
Oberbaurat Dipl.-Ing. Otto Koziel
Kiagenfurt
Mit 5 'l'extabbildungen
Wien
Springer-Verlag
1953
ISBN-13: 978-3-211-80317-2 e-ISBN-13: 978-3-7091-5525-7
DOl: 10.1007/978-3-7091-5525-7
Sonderabdruck aus
"Osterreichische Wasserwirtschaft"
Heft 8/9, .Jahrg. 5 (19!J3)
Aile Rechte, inshesondere das der Uherseb:ung
in fremde Sprachen, yorbehalten
Vorwort
In dem vorliegenden Heft unserer Schriften
reihe werden zwei V ortrage. die anlaBlich de'r
Wasserwirtschaftstagung 1953 in Veld en am Wor
therse'e gehalten wurden uud die sich, mit aktuel
len Problemen del' Abwasserwirtschaft he
schaftigt habert, wiedergegeben.
Unser Ehrenprasident Staatssekretar a. D.
S t e p s ki -Dol i v a fiihrte diesbeziiglich in ~einel'
Eroffnungsansprache aniaBIich diesel' Tagung fol
gendes aus:
"Augenblicklich hereitcll UIls die Rein h a 1-
tung del' Gewasser sowie die Abwasserfragell
die schwersten Sorgen. W"ir miissen uns mit aller
:Energie bemiihen, welligstens das Notwendigste
v{)rzukehren, um uicht in kritische, unvermeidli
chI:" Situationen zu kommen.
Der Wichtigkeit dieser Probleme Rechnung
tragend, werden sich von fiinf del' vorgesehenen
Vortrage zwei ausschliel3lich mit del' Reinhaltung
del' Gewasser befassen.
Damit ist abel' noch nicht alles getan. Die tat
kraftigste Unterstii§ung und Fordel'ung del' At"
beiten del' im Dezember 1952 umgebildeten
"Fachgruppe Abwasserwirtschaft" wird je§t
unbere wichtigste Aufgabe sein. Der Vorstand be
sehloB, ehestens entsprechende organisatorische
Verbesserungen in die Wege zu lei ten, um die
zahlreich neu anfallenden Aufgaben ohne Ver
naehlassigung der hiFlherigen mit Erfolg bewalti-
HI
gen zu konnen. J edenfalIs bitten wir die durch
die Wasserverunreinigung aiktiv oder passiv Be
tToffenen, insbesondere Stadte und Gemeinden,
Iudustrie und Gewerbe, Landwirtschaft und Fi
scherci, sich an den Arbei ten unserer A b was·
scrfachgruppe tatkraftig zu beteiligen."
Es entspricht der immer wieder betonten
Auffassung des Verb andes, die Belange alIer
Sparten der Wasserwirtschaft zu betreuen und
zunachst in seinem Rahmen auszugleichen, also
k£inerlei eilll'ieitige Interessen zu vertreten, nnd
nur Partei zu sein fiir das Gedeihen der Wasser
wirb;chaft als groBe iibergeordnete Einheit.
Der geschaftsfiihrende Vizeprasident:
O. Vas
Inhaltsverzeichnis
Abwasserwirtschaft in Osterreich ............ .
Gewassel' ....................................... . 2
Sicdlungen. . . . . . . . . . .. . ........................ . ·t
Gewerbliche und industrielle Ht>triebe .............. . 7
Abwasserreinigungsanlagen ........................ , 9
Wasserrechtsverhaltnisse ........................... 15
Abwasseruntersuchungsstellf'n ...................... L8
Organisation ..................................... 20
Die Abwasserwirtschaft in Kiirnten . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23
1. Charaktcristik der Gewassf'r Karntem ............ 23
2. Siedlung und Industrif' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27
:1. Charakteristik del' Abwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 30
4. Derzeitige Belastung del' GewasRcr . . . . . . . . . . . . . . .. 34
5. Hcreits getroffenf' Mallnahmf'n. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39
Abwasserwirtschaft in Osterreich
Es ist sicherlich kein giinstiges Zeichen der
Zeit, wenn auf der Tagung des OWWV der Ab
wasserwirtschaft ein wcites Feld eingeraumt wer
den muBte. Abet" wenn Osterreich sich ;;einen gu
ten Huf aI,s Kulturstaat erhalten will, so darf es
eben an jenen Fragen, die den Lebensnerv seines
V •.> lkes heriihren, nieht aehtlos vorbeigehen. Die
Ge.sunderhaltung yon Mensch und Tier hangt von
nichts so sehr ab wie von einer ·einwandfreien
Wasserversllrgung UIH) cjner g'Cl'egelten Abwas~,cr
beseitigung. Vorausschauende Planung aller Be'ru~
fen en auf diesem Gebiete und die Reinhaltung
der Grund- und Tagwasser sin d aueh m,e Voraus
senunb fiir 'eine giinstige wirtschaftlichel, gewerb
Iiehe und industrielle Entwicklung. Immer star
ker werdende Alarmrufe aus unseren Nachbar
landern, daB diese Entwicklung bereits in lebens
bedrohendem AusmaBe Storungen durch Mangel
an gesundem Wasser erleidet, lassen uns aufhor
chen, selbstbesinnen und Vergleiche ziehen. Es
ist daher allerhochste Zeit, daB aueh wir UlliS die
Frage nach dem Stand der osterreichischen Ver
haltniJsse vorlegen, zu einer klaren tlbersieht
drangen und priifen, ob nicht in manchem sich
bereits eine empfindJiche negative Ellitwicklung
bern er kbar macht. Denn uns kame der Vorteil
zugute, aus dem Schaden der anderen noch recht
zeitig zu le,rnen.
1
1 Liepolt u. Koziel, Abwasserwirtscbaft
Darum sei es ger;tattet, im Rahmen dieser 1'a
gung einen allgemeinen Uherhlick iiher den gegen
wartigen Zus,tand unserer heimischen Gewa,sser,
iiher die Lage der Ahwasserwirtschaft und die
hierzulande erfonlerlichen ReinhaltungsmaBnah
men zu gehen.
Gewiisser
Um es vorwegzunehmen: bsterreich ist mit
seinen schnellflieBenden Gehirgshachen und Vor
alpenfliissen, seinem was'serreichen Donallstrom
tlnd den verhaltnismaBig gering hesiedelten alpi
nen Seen im Vergleiche zum Auslande im all~e
meinen giinstig,er daran. Die Mehrzahl der gut
durchliifteten FlieB!;1ewiiBser hesit}t eine hiologi ..
sche Selh'3itreinigungskraft, die sie vor aHem dem
Sauerstoffreichtum verdankt. Es hesteht somit
w,eniger die Gefahr, daB dureh die Einleitung
sauerstoffzehrender, organischer Suhstanzen die
Gewasser "umzukippen" heginnen, d. h. daB de ..
hiologisehe Ahhau zum volligen Saue,rstoHschwund
fiihrt, sondern, daB Schadigungen dels Gemein
gehrauches, der Fischerei und der Was5erversor
gung auftreten sci es durch Einleitung verseuch
ter, nieht geniigend gereinigter hzw. nieht ent
keimter Ahrwasser aus Siedlungen, Krankenhau·
sern, Sehlachthofen, Tierkorperverwertungsan
stalten und Gerbereien, sei es durch die Einhrin
gung antibiotischer Giftstoffe, wie gewisser Me
tallsalze, Sauren, Phenole, Chi or usw. od,er sol
eher Fremdstoffe, die eine Verpilzung der FIuBbetle,
eine VeroIung und Verodung der Gewiisser und eine
erhehIiche Anclerung ihrer physikalisch-chemischen
Eigenschaften hervorrufen; und Abwass,erschiiden
werden Ieider nur aIIzuoft hesonder.s vom Gesund
heitsdienst, von der Fiseherei, aher auch hereits
von der Indu:strie und dem Gewerhe gemeIdet.
Soweit die hisherigen Unterlagen e;;; zuIassen,
2
solI zunachs:t von den folgenden FlieBgewas<3ern
eine grobe Dbersicht tiber ihre gegenwartige Be
las tung mit hauslichen, gewerblichen und indll
stridlen Abwassern gegehen werden:
Del' Don a u s t l' 0 m nimmt iu Oberosterreieh Ab" asser
vou 139000, in Niederosterreim yon 80400 uud in Wien von
1 445 000, zusammen also Fakalstoffe vou 1 604400 Men
smen seiner Ufergemeinden auf. Naeh einer vom Bundes
strombanamt in dankenswerter Weise zur Verfiigung ge
stellten 1953 erfolgten El'hebung leite'll auBerdem in Ober
osterreieh 11 (davon 9 direkt) bzw. in Niederoslerrei ..h
15 (6), zusammen 26 (I5) mehr odeI' weniger grolle Betriebe,
darunter je eine Brauerei. Papierfabrik, Starkefahrik nnd
je drei Zncl<cerfabriken nnd Erdolbetriebe ihre nicht odeI'
nul' mangelhaft gereinigten Abwasser ein. Solehe Ver
sehmu\iungen sind anf kurzeren abel' aueh sehr langell
Streclcen, z. B. unterhalb Wiens grobsinnlieh deutlieh wahr
nehmbar nnd gefahrdend. Rei del' Verbaunng des Strome.
muG auf diese Verullrcinigung besonders Riicl<csieht genom·
men werden .
. Einer del' am sehwersten belasteten Voralpenfliisse ist
die M u r. Sie mull auller den stiidtisehen Abfallprodukten
del' zahlreiehen Industrieorte und del' Lande,shauptstadt
Graz Ahwasser von aeht Papierfabriken, vier Eisenwerken
und einer Kohlenwiismc aufnehmen, ebenso die in ihrem
Ul1.terlauf bereits stark verunreinigte M ii l' Z mit den Abwas
sern von funf eisenverarbeitenden Industrien. N am den
UntersucllUngen Stu n d 1s1 1948 hat die Verunreinigung del'
Mur ein Ausmall erlangt, das stellen- und zeitweise die
Grenze des Selbstreinigungsverlllogens erreieht und auch
iibersehreitet.
Aum andere Gl"wiisser, wie Agel', Traun, March,
Liesingba eh, Sc h wechat, Lei tha, G ur k, G a iii tz,
Drau, Lavant, Vellach, Salzllch, Inn, Dornbirner
Ache sowie Traunsee, Zellersee und Bodense~,
urn nul' die wimtigsten Bcispiele zn nennen, sind bereit.,
mehr odeI' weniger durm gewerblime. industrielle und
stadtisme Ahwiisser s{hw~r odeI' sehwerstens belastet.
Hiezu treten we,iters .. ine Unmenge kleinerer Gerinne,
die infolge ibrer sehwamen Wasserfiihrung nieht in dt'r
Lage sind, oft hoehkoll7.entrierte, leieht zerse\iliche orga
nisme Abfallstoffe gewerblimer Unternehmungen (Smliieh
tereien, Molkereien) anfzunehmen.
1 Stundl, K.: Die Mur - ein IndustriefluG. OWW, 2,
H. 5/6, 1950.
1* 3
Siedlungen
Es mag fiir viele erstaunlich seiu, zu erfahren,
daB samtliche Landeo:hauptstiidte Osterreichs und
di.e Bundeshauptstadt Wien die Abwiisser in nicht
gereinigtem Zustande in ihre nachsten Vorfluter
einleiten. Bis je1}t hat nur Wieneinen erfreuli
chen Anfang gemacht und fiir die siidlichen Rand
gemeinden zur Entlastung des a. o. verunreinigten
Lie~ingbaches in jiingster Zeit eine moderne Klar
anlage mit Hochleistungstropfkorper in Betriph
Abb. 1. Hygienisdt unveralltwortliche Fiikalhest'itigung~
anlage am PinkaflllB in Sinner.dorf, Oststeiermark
genommen, an der etwa 20000 Einwohner zur
Zeit angcschlossen sind. Die anderen Hauptstadte
sind aus dem Projekt"tadium Doeh Dieht heraus
gekommen. Hingf'gcn hesi~en eine geringe An
zahl kleinerer Stadte und Gemeinden Reinigun!!:s
anlagen, iiber die noeh Nahen" ausgefiihrt werden
wird. Man kann also ruhig sagen, daB prakti~ch
der gesamte Dnrat der Bevolkerung Osteneichs
unseren Gewassern iiberantwortet wird.
Wa> dies vor aHem ill hygienischer Hinsicht bedeutet,
glaube ich damit zum Ausdruck zu bringen, daB in den
Jahren 1945 bis 1952 im benachbarten deutschen Bundes
gehiet 7378 Erkrankungen an Typhus uod Paratyphus mit
4
1iO Todesfallen (6°/(1) dUllh vcrseurote Trinkwal'scr verur·
sacht wurden2• Leider laBt siro aum ein warnendes Beispiel
aus der oststeirislhell Gemeinde Hart berg anfiihren, in der
1946 aHein ctwa 900 Ty
phuserkranknngen mit 91
Todesfallen auftraten. Heu
te verfiigt diese Stadt he
reits iiber eine moderne
~entrale Abwasserbeseiti
gnngsanlage. Dies kostl'te
4,5 Mio Sroming. Der Wert
von 91 Menschenleben laBt
sid. nimt in Smillingen
hemessen. WareD diese
Opfer notwendig? Aum die
Typhusepidemie in Y h h s
1951 edaBte 312 Perso
nen, wovon 21 {6,7 %) cr
lagen. Als Infektionsherd
konnte die gemeinsame
Kiime der drei betroffe
nen Anstalten festgestellt
werden_ Krankhe<itstrager
war ein Zogling.
Die Gesundheit vie Abb.2. Sanitiitswidrige Abortan
ler Menschen kann von lage am Grobmingbach, Steier
einem Bazillenausschei· mark
der in hochstem Malle
gefahrdet werden. Eine hgienisch einwanrlfreie
Trinkwa6Berversorgnng und Abwas~erbeseitigung
ist daher in jedem FaIle unerlaBlich, ganz beson
clers aher in Siedlungen mit gro/lerer Wohndichtl".
Urn sich in diesem Zw;ammenhang ein Bild iiber
die Verteilwlg dpr Bevolkerung 0sterreichs ma
chen zu konnen, <;ei in Tab. 1 auf die lenten Er
gebnisse der Volkszahlung au., dem Jahre 1951
verwiesen. Demnach Ieben 2983214 Mem;chen,
das sind .1,3°/,. der gesamten Bevolkerung Oster
reichlS, in 36 Gcmcinden von iiber 10000 Einwoh
nern, daB sind 9°/" yon insgesamt 4039 Ge
meinden.
2 "Ahwasser-Dienst", 4, H. 5, ] 953.
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