Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 2815/Fachgruppe Huttenwesen/Werkstoffkunde
Herausgegeben vom Minister fftr Wissenschaft und Forschung
Prof. Dr. rer. nat. Winfried Dahl
Prof. Dr. -Ing. Klaus W. Lange
Dr. -Ing. Sun-Hyo Hwang
Institut fur Eisenhuttenkunde
der Rhein. -Westf. Techn. Hochschule Aachen
Untersuchungen
zur Wasserstoffversprodung von Stahl
Westdeutscher Verlag 1979
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Dahl, Winfried:
untersuchungen zur Wasserstoffversprodung von
Stahl / Winfried Dahl ; Klaus W. Lange ; Sun
Hyo Hwang. - Opladen : Westdeutscher Verlag,
1979.
(Forschungsberichte des Landes Nordrhein
Westfalen ; Nr. 2815 : Fachgruppe Hlitten
wesen, Werkstoffkunde)
ISBN-13: 978-3-531-02815-6 e-ISBN-13: 978-3-322-88469-5
DOl: 10.1007/978-3-322-88469-5
NE: Lange, Klaus W.:j Hwang, Sun-Ryo:
© 1979 by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
E1nleitung
2 Sc:hrifttl.1lll3Ubersidlt
2.1 Wedlselwirkungen des Wasserstoffs in Stahl
2.1.1 WedlselwUkungen des Wasserstoffs mit Hahlr1i1.lllE!ll 2
2.1.1.1 WasserstoffllSslidlkeit unter der elastiscnen Sparmung 2
2.1.1.2 Wasserstoffdiffusim in Stahl 2
2.1.1.3 Sparmungsverteilung vor der Hchlraumspitze 3
2.1.1.4 Wasserstoffdiffusim in die versparmte Zme vor der 4
Hchlraunspit ze
2.1.1.5 Wasserstofftransport durdl die Cberfl1idle des Hchlraums 6
2.1.1.6 Wasserstoffgasdruck im Hchlraum 7
2.1.2 Wedlselwirkungen des Wasserstoffs im Gitterbereich 7
2.1.2.1 Wedlselwirkungen des Wasserstoffs mit Gitteratanen 7
2.1.2.2 Wechselwirkungen des Wasserstoffs auf Zwischengitter- 8
pl1itzen
2.1.2.3 Wedlselwirkungen des Wasserstoffs mit Ieerstellen 9
2.1.2.4 Wedlselwirkungen des Wasserstoffs mit Versetzungen 9
2.2 EinfluB des Wasserstoffs auf das nechanisdle Verllalten 10
Val. Stahl
2.2.1 Quasi- statisdle und dynamische Versudle 10
2.2.1.1 EinfluB des Wasserstoffs auf die nedlanisdlen Kennwerte 10
2.2.1.2 EinfluB der Versuc:nsbedingungen auf das nechanisdle 10
VeIhalten beim Wasserstoffeinwirken
2.2.2 Statisdle Versuche 14
2.2.2.1 Besdlreibung des Versudls 14
2.2.2.2 EinfluB der Versudlsbedingungen auf das Zeitstandver- 15
halt en beim Wasserstoffeinwirken
2.3 Theorien der Wasserstoffversproouns: 16
2.3.1 Drucktheorie 17
2.3.2 kisorptianstheorie 20
2.3.3 Troiano-Theorie 20
2.3.3.1 Dekahlisimstheorie 22
IV
2.3.3.2 Versetzungstheorie 24
2.3.3.2.1 Blockierung der Versetzungsre.iegung durdl physikalisdle 24
Wedlselwirkung mit Wasserstoffataren
2.3.3.2.2 Erleidlterung der Versetzungsbewegung durdl 24
physikalisdle Wedlselwirkung mit Wasserstoffataren
2.3.3.2.3 Blockierung der Versetzungsbewegung durdl cherni.sche 25
Wedlselwirkung mit Wasserstoffataren
3 Aufgabenstellung
4 Versuchsbeschreibung und Versuchsergebnisse 26
4.1 Versudlsdurchfiihrung 26
4.1.1 Prabenvorbereitung 26
4.1.2 Beschreibung der Wasserstoffbeladung und Cadmium- 27
plattierung
4.1.3 Durcluressenressung der Zugprcbe 27
4.1.4 Vorversuche 28
4.2 Transportvorgange des Wasserstoffs in Stahl 29
4.2.1 EinfluB der Hahlraurre, Versetzungen und Leerstellen 29
auf das Wasserstoffeffusionsverhalten
4.2.1.1 Das WasserstoffeffusiansveDhalten nach Oew.Kaltrecken 30
(GeIreinsarres Existieren von Hohlraurren, Versetzungen
und I.eerstellen)
4.2.1.2 Das WasserstoffeffusionsveDhalten nach Kaltrecken urrl 31
anschlieBender ~armebehandlung tiber Rekristallisations
terrperatur (Elirninieren der Versetzungen und Ieerstellen)
4.2.1.3 Das Wasserstoffeffusiansverhalten nach Vorverformung 32
und ansdllieBendern Anlassen bei 200CC (Elirninieren
der I.eerstellen)
4.2.1.4 EinfluB des Wasserstoffs auf die I.eerstellendiffusion 33
4.2.1.5 Diskussicnen zum Kap. 4.2.1 35
4.2.2 Aktivierungsenergie urrl langsanster Schritt des 38
Wasserstofftransportes
4.2.3 SdlluBfolgerungen 41
4.3 Ergebnisse der Versudle zur Troiano-Theorie 42
4.3.1 Wiederholung der Troiano-Versuche 42
4.3.1.1 Ergebnisse bei Vorverformungen val 'f'V = 0 %, 1,5 % 42
und 3 %
4.3.1.2 Ergebnisse bei Vorverformungen von 'f'V = 6 % und 10 % 46
V
4.3.2 Best1itigung der Troiano-'rheorie mit Hilfe der 47
Best.1mmmg der Aktivierungsenergie uncI des langsam;ten
Sdlrittes fUr den Wasserstofftransport
4.3.3 EinfluB dar TeIlperatur 49
4.3.4 EinfluB dar Vorverfonwng 51
4.3.5 EinfluB der Wihnebeharnlung 56
4.3.6 Untersudlung der Bruchfllidle 63
4.3.6.1 !.age der Brudlfllidle 63
4.3.6.2 Aussehen der Bruchfllidle 65
4.3.7 SchluBfolgerungen zur tlberprUfung der Troiano-Theorie 67
5 SchluBfolgerung:en und M:XJellvorstellung: ZUllI Mechanisrnus 69
der WasserstoffversprlXlung:
5.1 SchluBfolgerungen zum Mechanisrnus der Wasserstoffver- 69
sprOdung
5.2 Modellvorstellung zum Mechanismus der Wasserstoffver- 74
sprC5dung
6 Zusarcmanfassung: 77
7 Schrifttumsverzeichnis 81
8 Anhang: 87
8.1 ZuscmtenStellung der Behauptungen, Beurteilungen und 87
BegrUndungen Uber das Verllalten des Wasserstoffs in den
Ubergangsnetallen der zweiten H1ilfte
8.2 Tafeln 92
8.3 Bilder 93
, E1nle1tung
D1e Wasserstoffaufnahme w~hrend der Stahlherstellung, -verar
be1tung und des -gebrauchs 1st me1st unvermeidl1ch und verant
wortl1ch fUr e1ne Re1he von Werkstoffehlern, wie Be1zblasen,
Flocken, F1schaugen und Wasserstoffversprodung.
D1e Wasserstoffversprodung 1n Stahl- und E1senleg1erungen ze1gt
s1ch dadurch, daB der W~sserstoff die Z~h1gkeit vermindert und
die Ne1gung zurn verformungslosen Bruch erhoht. Trotz langj~hr1-
ger und weltweiter BemUhungen, die ihren N1ederschlag in vie len
Veroffentl1chungen fanden' b1s 6) , gibt es noch keine vollig
befr1edigende und allseitig anerkannte Vorstellung vom Mechan1s
mus der Wasserstoffversprodung 1n Stahl.
Eine Aufkl~rung des Mechanismus der Wasserstoffversprodung 1st
sowonl vom wissenschaftlichen als auch w1rtschaftlichen Stand
punkt wUnschenswert. Sie erlaubt einerseits die Entwicklung bes
ser gesicherter Vorstellungen Uber die Mechanismen des Bruches
und ermoglicht andererseits die Entwicklung gee1gneter und ge
zielter praktischer MaBnahmen zur Verhinderung des durch Wasser
stoff verursachten Sprodbruches bei Stahl.
2 SchriftturnsUbersicht
Die Thermodynamik eines Systems beschreibt die Moglichkeiten
und den Umfang eines Ph~nomens, d1e Kinetik des Massentrans
portes die Geschwindigkeit, mit der die Moglichkeiten verwirk
licht werden. Die Thermodynamik und Kinetik mUssen mit den
physikalischen, chemischen und mechanischen Eigenschaften in
Zusammenhang gebracht werden, urn den Mechanismus der Wasser
stoffversprodung kl~ren zu konnen. Die Auswahl und Einteilung
der hier folgenden AusfUhrungen orientierte sich an diesen For
derungen.
2.' Wechselwirkungen des Wasserstoffs in Stahl
Die Natur der Wechselwirkungen des Wasserstoffs im Werkstoff
scheint wegen der der Position des Wasserstoffs im periodischen
System zugrunde liegenden physikalisch-chemischen Eigenschaften
einfach zu sein. Um alle bei der Wasserstoffversprodung in Frage
2
kommenden Wechselwirkungen sinnvoll und systematisch unter
suchen und die fUr die Wasserstoffverspr5dung verantwortli-
chen herausfinden zu k5nnen, ist es angebracht, die Platze, in
oder an denen und urn die Wasserstoff existieren kann, gedank
lich zu trennen und die m5glichen Wechselwirkungen des Wasser
stoffs im entsprechenden Bereich zu beobachten. In der vorlie
genden Arbeit werden drei Bereiche im Stahl fUr die Wasserstoff
einlagerung bzw. -ausscheidung unterschieden, namlich der Gitter
bereich, Hohlraume und die Grenzflache der Hohlraume. Der Gitter
bereich umfaBt zwischengitterplatze, Leerstellen und Versetzun
gen. Alle dreidimensionalen Gitterfehler, die groBer als Einzel
leerstellen sind, werden als Hohlraurn bezeichnet, wenn es fUr
sie nicht bestimmte AusdrUcke geben sollte.
2.1.1 Wechselwirkungen des Wasserstoffs mit Hohlraurnen
2.1.1.1 Wasserstoffloslichkeit unter der elastischen Spannung
FUr eine einachsige elastische Spannung und ein System, in dem
das Gitter elastisch und isotrop ist und in dem die inter
stitiell ge15sten Wasserstoffatome das Gitter in alle Richtun
gen gleichmaBig expandieren, gilt nach Li, Oriani und Darken7)
cH
- (,uH - ,u~) = RT In 0 = VHuh ( 1 )
cH
wobei ,uH und ,u~ die chemischen Potentiale des Wasserstoffs mit
und ohne Spannung bei der gleichen Wasserstoffkonzentration,
cH und c~ die Wasserstoffgleichgewichtskonzentrationen mit und
ohne Spannung, VH das partiale molare Volumen des interstitiell
ge15sten Wasserstoffs und uh die hydrostatische Spannung sind.
uh ist positiv bei Zugspannung und negativ bei Druckspannung.
Die Wasserstoffloslichkeit nimmt nach Gleichung (1) bei einer
Zugspannung zu und bei einer Druckspannung abo
2.1.1.2 Wasserstoffdiffusion in Stahl
Die Wasserstoffatome k5nnen von Gitterfehlern z.B. durch
Wechselwirkungen mit Spannungsfeldern angezogen oder abgestoBen
werden und in Hohlraurnen zu WasserstoffmolekUlen rekombinieren,
so daB die Durchschnittsbeweglichkeit des Wasserstoffs im Stahl
3
herabgesetzt wird. Eine befriedigende Ubereinstimmung der ge
messenen Diffusionskoeffizienten des Wasserstoffs wurde nur
bei Temperaturen oberhalb von etwa 3000C festgestellt8,9)
(Bild 1). Nach KOnig und Lange10) gilt im Bereich unterhalb
3000C fUr reines Eisen
1483±86
a-Fe + .
19 DH = (-3,67 - 0,18) - 4 , 575 T (2)
wobei DH der Diffusionskoeffizient des Wasserstoffs und T die
Temperatur sind.
2.1.1.3 Spannungsverteilung vor der Hohlraumspitze
Eine Spannungskonzentration vor der Hohlraumspitze ist beim
Vorhandensein einer auBeren Zugspannung oder Eigenspannung zu
erwarten, die als "Kerbwirkung" bekannt ist. FUr einen ebenen
Spannungszustand und sehr schlanke Ellipsen (L»L') gilt
naherungsweise:
LVl7P
a' = 2 a (3)
z
wobei Lund L' die Halbachsen der Ellipsen,p der Krummungs
radius der RiBspitze, a~ die maximale Zugspannung in der Nahe
der Hohlraumspi tze und a die auBere mi ttlere Zugspannung
sind11,12). In dem Bereich, in dem die Streckgrenze des Werk
stoffs Uberschritten wird, tritt plastische Verformung auf.
Die maximale Wasserstoffkonzentration tritt an der elastisch
plastischen Grenze auf, da dort nach Rice und Johnson13) die
maximale Mehrachsigkeit herrscht. Die Entfernung 8t zwischen
Hohlraumspitze und maximaler Mehrachsigkeit wird nach der
Gleichung
(4)
abgeschatzt, wobei as die Streckgrenze und K die Spannungs
intensitat sind.
Beim Einsetzen typischer Zahlen fur hochfeste Stahle ergeben
sich 8t-Werte von 10-5 bis 10-6 cm. Bild 2 zeigt die Vertei
lung der Normalspannung in Abhangigkeit von der Entfernung von
4
einer Hohlraumspitze. Gestrichelte Bereiche sind die entspre
chenden plastischen Zonen.
Als unmittelbare Folge der Ausbildung einer plastischen Zone
tritt eine Abstumpfung der Hohlraumspitze auf, ohne daB die
wahre RiBlange sich andert:
(5)
wobei p der Krtimmungsradius der RiBspitze, ao der atomare
Gleichgewichtsabstand, Yp die plastische Verformungsenergie
und ~ Oberflachenenergie sind.
-3
Ein Krtimmungsradius p von 5 x 10 cm wurde bei der Beobach-
tung des stabilen RiBwachstums in einem 0,45 C-Ni-C-Mo-Stahl
mit einem Spannungsintensitatsfaktor K (= aVL) von
2432 N/mm3/ 2 und mit a~ = E/10 ftirdie Trennung der Atombindung
berechnet14). Wenn a~gentigend groB ist, kann a~ Werte tiber
der maximalen Kohasionskraft oder 1/20 des E-Moduls annehmen14)
2.1.1.4 Wasserstoffdiffusion in die verspannte Zone vor der
Hohlraumspitze
Ftir den Strom der Wasserstoffatome pro Einheitsflache, der un
ter der Einwirkung eines Gradienten des chemischen Potentials
flieBt 15), gilt
(6 )
wobei jH die Stromdichte und BH die Beweglichkeit sind.
Aus der Kombination der Gleichungen (1) und (6) ergibt sich
V
DH cH H
- DH grad cH + kT grad ah (7)
o
wobei angenommen wurde, daB ,uH und cH durch einen von der ZUSartm211-
setzung unabhangigen Aktivitatskoeffizienten verkntipft wer
den16). Die Gleichung (7) laBt erkennen, daB beim Anlegen einer
Spannung im Gitter sich ein Wasserstoffstrom einstellt, der in
Richtung zunehmender Spannung flieBt.
5
Diese Aussage stimmt mit der von Troiano17) fiberein, der an
genommen hatte, da8 der gelBste Wasserstoff zu dem "dreiachsi
gen maximalen Spannungsgebiet" in der NKhe der Ri8spitze dif
fundiert. Eine solche Wasserstoffdiffusion ist in jedem Gitter
bereich zu erwarten, wo elastische Spannungsgradienten vorhan
den sind. Diese Erwartung wurde durch Beobachtung der Wanderung
von radioaktivem Wasserstoff (Tritium) im Bereich der maximalen
Spannung am Kerbgrund bestKtigt18).
WKhrend die durch Gradienten der elastischen Spannung verursach
te Wasserstoffdiffusion ein klassischer Diffusionsproze8 ist,
in dem Sinne, daB das Springen des interstitiell gelBsten Was
serstoffatomes ausschlieBlich durch die thermodynamische
Triebkraft beeinfluBt wird, istdie durch Gradienten von Tempe
ratur oder elektrischem Potential bedingte Diffusion zusatzlich
ein Resultat der Wechselwirkung der Wasserstoffatome mit anderen
StrBmen16). Je nach Art des betreffenden Metalles kann sich der
Wasserstoff zur warmeren oder kalteren Seite der Probe bzw. zur
positiven oder negativen Seite der Probe bewegen. Anders als
die durch Gradienten der elastischen Spannung verursachte Was
serstoffdiffusion kann die durch Gradienten von Temperatur und
elektrischem Potential hervorgerufene Diffusion zu einer Uber
sattigung ftihren und Ausscheidungen oder chemische Reaktionen er
maglichen16) •
Durch VergroBerung der Zugspannung nahe der Hohlraumspitze fin
det eine Wasserstoffdiffusion von der Umgebung in Richtung der
Hohlraumspitze nach Gleichung (7) statt. Die Folge ist, daB die
Wasserstoffkonzentration in der Nahe der Hohlraumspitze groBer
wird. Dies ist ein thermodynamischer Effekt, dessen Grund in
der reversiblen Dilatation des Gitters und in der Volumenver
groBerung unter der elastischen Zugspannung liegt. Um Uberall
das gleiche chemische Potential zu erreichen, neigt der Wasser
stoff dazu, sich im Bereich der Zugspannungen zu konzentrieren
und den Bereich der Druckspannungen zu verlassen19).
Die Erhohung der Wasserstoffkonzentration nahe der Hohlraum
spitze kann mit Hilfe der Gleichung (1) berechnet werden, wenn
man uh fUr die maxima Ie Zugspannung vor der Hohlraumspitze ein
setzt. Unter der Annahme, daB der Bruch erfolgt, wenn die Zug
spannung vor der Hohlraumspitze die theoretische Bruchspannung