Table Of ContentUdo Zolleis
Die CDU
Udo Zolleis
Die CDU
Das politische Leitbild
im Wandel der Zeit
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1.Auflage 2008
Alle Rechte vorbehalten
© VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2008
Lektorat:Monika Mülhausen
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Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Satz:Anke Vogel
Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands
ISBN 978-3-531-15548-7
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis...........................................................................................................9
Vorwort.................................................................................................................................11
1 Einführung.....................................................................................................................13
1.1 Einleitung................................................................................................................13
1.2 Gegenstand und Ansatz der Untersuchung.............................................................15
1.3 Analysezugang........................................................................................................19
1.3.1 Innerparteiliches Leben.................................................................................29
1.3.2 Agieren auf dem politischen Markt..............................................................34
1.3.3 Zentrale Fragestellung...................................................................................37
1.4 Zeitliche und inhaltliche Eingrenzung....................................................................37
1.5 Grundlage und Aufbau der Arbeit..........................................................................39
2 Ursprünge der Christdemokratie in Deutschland und Europa......................................41
2.1 Einleitung................................................................................................................41
2.2 Die Wurzeln der Christdemokratie in Europa........................................................43
2.2.1 Die Entstehung der konfessionellen Parteien in Europa...............................43
2.2.2 Die politische Konzeption der christlichen Parteien.....................................45
2.2.3 Die Organisation der konfessionellen Parteien.............................................48
2.3 Die christdemokratischen Wurzeln in Deutschland...............................................50
2.4 Zusammenfassung..................................................................................................60
3 Die Entwicklung christdemokratischer Parteien in der Nachkriegszeit und die
Herausbildung ihrer Wirtschaftspolitik.................................................................................63
3.1 Einleitung................................................................................................................63
3.2 Das christdemokratische Politikverständnis...........................................................69
3.3 Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft............................................................75
3.3.1 Entstehung der Sozialen Marktwirtschaft.....................................................75
3.3.2 Personalismus und Soziale Marktwirtschaft.................................................77
3.4 Recht auf Eigentum................................................................................................79
3.5 Mitbestimmung.......................................................................................................81
3.6 Umwelt und Wirtschaft...........................................................................................83
3.7 Zusammenfassung..................................................................................................85
4 Die CDU als Mitglied der christdemokratischen „famille spirituelle“.........................89
4.1 Einleitung................................................................................................................89
4.2 Das politische Leitbild der CDU............................................................................90
6 Einleitung
5 Die CDU im christdemokratischen Jahrzehnt...............................................................97
5.1 Einleitung................................................................................................................97
5.2 Gründung der CDU.................................................................................................98
5.3 Der Einfluss des Sozialkatholizismus und der bürgerlichen Sozialreform
auf den Eigentumsgedanken der CDU.................................................................107
5.4 Die Miteigentumspläne: eine gescheiterte Initiative zur Eigentumspolitik
der CDU................................................................................................................109
5.4.1 Grundkonzept..............................................................................................110
5.4.2 Innerparteiliche Diskussion.........................................................................111
5.5 Das erste Vermögensbildungsgesetz: Die erfolgreiche Durchsetzung
der Eigentumspläne..............................................................................................122
5.6 Zusammenfassung: Die Wirtschaftspolitik der CDU in den 1950er und
1960er Jahren........................................................................................................125
6 Die CDU entwickelt sich zu einer Mitgliederpartei....................................................129
6.1 Einleitung..............................................................................................................129
6.2 Die CDU organisiert und besinnt sich neu...........................................................130
6.2.1 Die traditionellen Linkages werden schwächer..........................................133
6.2.2 Das innerparteiliche Leben.........................................................................135
6.2.3 Programmatische Neuorientierung.............................................................142
6.3 Die Mitbestimmungsforderungen in der christdemokratischen Tradition...........146
6.3.1 Mitbestimmung und Katholizismus............................................................147
6.3.2 Mitbestimmung und Protestantismus..........................................................149
6.3.3 Traditionen in der deutschen Sozialpolitik.................................................150
6.4 Die Mitbestimmung als politisches Thema der 1960er und 1970er Jahre...........151
6.5 Die Mitbestimmung als wirtschaftpolitischer Zankapfel innerhalb der Union....153
6.5.1 Mitbestimmung als Streitthema in der CDU der 1960er und
1970er Jahre................................................................................................153
6.5.2 Die Blöcke bilden sich: Reformkräfte vs. Wirtschaftsflügel......................161
6.5.3 Der Streit eskaliert: Der Düsseldorfer Parteitag von 1971.........................169
6.5.4 Die Parteiführung nimmt sich des Themas „Mitbestimmung“ an..............172
6.5.5 Die neue Linie setzt sich durch: Der Hamburger Parteitag 1973...............177
6.6 Zusammenfassung................................................................................................179
7 Die CDU vor der Wiedervereinigung als pragmatische Regierungspartei der Mitte.183
7.1 Einleitung..............................................................................................................183
7.2 Die neue Lagerbildung im politischen Markt.......................................................186
7.3 Innerparteiliches Leben........................................................................................190
7.4 Programmformulierung........................................................................................193
7.4.1 Der programmatische Willensbildungsprozess in der Union.....................194
7.4.2 Das programmatische Profil der CDU........................................................196
7.4.3 Die Entwicklung einer CDU-Umweltpolitik..............................................204
7.4.4 Bremer Programmparteitag.........................................................................205
Inhalt 7
7.5 Umweltmaßnahmen der schwarz-gelben Bundesregierung.................................207
7.5.1 Großfeuerungsanlagen-Verordnung............................................................208
7.5.2 Einführung des bleifreien Benzins..............................................................209
7.5.3 Etablierung des Bundesumweltministeriums..............................................211
7.6 Zusammenfassung................................................................................................212
8 Die CDU in den 1990er Jahren...................................................................................215
8.1 Einleitung..............................................................................................................215
8.2 Politischer Markt...................................................................................................217
8.3 Innerparteiliches Leben........................................................................................221
8.3.1 Die CDU bekräftigt ihre Werte: Das Grundsatzprogramm von 1994........223
8.4 Petersberger Steuervorschläge..............................................................................227
8.5 Die Privatisierung in der Politik der CDU............................................................229
8.5.1 Privatisierung des Fernmeldewesens..........................................................231
8.5.2 Die Privatisierung der Bahn........................................................................232
8.6 Zusammenfassung................................................................................................233
9 Die CDU nach Helmut Kohl: Zwischen Euphorie und Parteikrise –
Die Oppositionsjahre 1998 bis 2005...........................................................................235
9.1 Einleitung..............................................................................................................235
9.2 Politischer Markt...................................................................................................237
9.3 Innerparteiliches Leben........................................................................................243
9.4 Programmarbeit....................................................................................................247
9.4.1 Wirtschaft und Arbeit als Kernthema im Wahlprogramm von 2002..........251
9.4.2 Die Leipziger Beschlüsse von 2003............................................................254
9.5 Zusammenfassung................................................................................................259
10 Konklusion: Zwischen Werteidentität und politischem Markt –
Die CDU als christdemokratische Partei..............................................................261
10.1 Die christdemokratischen Grundwerte in der CDU.........................................261
10.2 Der Wandel des politischen Leitbildes in der Geschichte der CDU...............264
10.2.1 Die CDU in der Adenauerzeit.....................................................................264
10.2.2 Die CDU reformiert sich.............................................................................267
10.2.3 Die CDU in der Zeit Helmut Kohls............................................................269
10.2.4 Die CDU in der zweiten Oppositionsphase................................................271
10.2.5 Die CDU im Wandel...................................................................................272
Literatur...............................................................................................................................277
Inhalt 9
Abkürzungsverzeichnis
ACDP Archiv für Christlich-Demokratische Politik
BDKJ Bund der Deutschen Katholischen Jugend
CDA Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft
CDU Christlich-Demokratische Union
CSU Christlich-Soziale Union
CSV Chrislich-Soziale Volkspartei
CVP Christelijke Volkspartij
CVP-PSC Christelijke Volkspartij-Parti social chretien
DC Democracia Cristiana
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund
DKP Deutsche Kommunistische Partei
DP Deutsche Partei
EVP Europäische Volkspartei
FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung
FDP Freie Demokratische Partei
FR Frankfurter Rundschau
KAB Katholische Arbeit(nehmer)bewegung
KCVP Konservativ-christliche Volkspartei
KVP Katholische Volkspartei
MRP Mouvement Republican Populaire
ÖVP Österreichische Volkspartei
PCS Parti Chrétien Social
PPI Partido Populare Italiano
SKVP Schweizerische Konservative Volkspartei
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
StBKAH Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus
SZ Süddeutsche Zeitung
Vorwort
Christdemokratische Politik hat mich seit meinen ersten politischen Gesprächen mit mei-
nem Großvater fasziniert und interessiert. Im Laufe meines Studiums stieß ich in zahlrei-
chen Seminaren, Übungen und Vorlesungen auch wissenschaftlich auf die Frage, was unter
Christdemokratie eigentlich verstanden werden kann, welche Elemente sie charakterisieren
und ob ihre Leitideen überhaupt noch zeitgemäß sind. Nachdem ich meine Masterarbeit an
der LSE mit Blick auf diese Fragen über die irische Partei Fine Gael geschrieben hatte,
wählte ich für mein Promotionsvorhaben die CDU – sicherlich bis heute neben ihrer baye-
rischen Schwesterpartei die erfolgreichste „C“-Partei in Europa.
Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung
meiner Dissertation, die im Wintersemester 2006/2007 vom Promotionsausschuss der Sozi-
alwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen angenommen wur-
de. Mein erster Dank gilt daher meinem Doktorvater Prof. Josef Schmid. Er übernahm nicht
nur die Betreuung und kritische Begleitung, sondern er ermutigte mich immer wieder bei
diesem Projekt und spornte mich zu weiteren wissenschaftlichen Tätigkeiten bis zum heuti-
gen Tag an. Zudem danke ich Prof. Hans-Georg Wehling, der als Zweitgutachter diese
Arbeit prüfte und dessen konstruktive Kritik die Arbeit verbesserte. Auch gilt mein herzli-
cher Dank Prof. Peter Lösche, der, vor allem zu Beginn meiner Arbeit, durch eine Vielzahl
von Anregungen und Hilfestellungen mein Promotionsvorhaben ganz entscheidend prägte.
Ganz besonders danke ich auch Prof. Berthold Rittberger, der meine wissenschaftlichen
Aktivitäten seit gemeinsamen Londoner Tagen stets freundschaftlich und motivierend be-
gleitet hat. Für zahlreiche Anregungen ist weiterhin Daniel Buhr ebenso wie Stefan Bürzle,
Maria Josua, Andrea Lindlohr, Simone Mager und Dennis Weilmann zu danken. Mein ganz
besonderer Dank für die zahlreichen Layoutarbeiten gilt Mathias Gabel. Verbliebene Fehler
gehen selbstverständlich zu Lasten des Verfassers. Zu danken ist vor allem auch dem Cusa-
nuswerk. Die Bischöfliche Studienförderung samt ihren Mitarbeitern und „Cusanern“ ha-
ben dieses Promotionsvorhaben materiell wie auch ideell sehr unterstützt.
Zuletzt möchte ich aber meiner Familie ganz herzlich danken. Ohne die Unterstützung
meiner Eltern und meines Bruders Kai über die Jahre hätte ich meinen bisherigen Lebens-
weg so nicht gehen können. Dies gilt ganz besonders nach dem überraschenden Tod meines
Vaters vor zehn Jahren für meine Mutter. Sie ermunterte mich stets, mein Studium und
meine Promotion durchzuführen, auch wenn dies für sie persönliche Einschränkungen be-
deutete. Daher ist ihr von ganzem Herzen dieses Buch gewidmet.
Tübingen/München, im August 2007
Udo Zolleis
1 Einführung
1.1 Einleitung
Die Frage nach der Gültigkeit des „C“ in der CDU wurde bereits früh gestellt. Schon in den
1960er Jahren konstatierte der Jesuit und katholische Sozialwissenschaftler OSWALD VON
NELL-BREUNING: „Ihr Christentum hat die CDU restlos ausgeschwitzt und ist zu einer
treuen Kapitalistenpartei geworden.“1 Ähnlich argumentierte rund dreißig Jahre später der
Kölner Erzbischof KARDINALMEISNER, der der CDU das Recht absprach, das „C“ in ihrem
Namen zu führen.2 Aber nicht nur katholische Vertreter zweifelten am „christdemokrati-
schen“ Kern der CDU. So folgerte der österreichische Politikwissenschaftler FRANZHOR-
NER, dass aufgrund der zunehmenden gesellschaftlichen Säkularisierung und dem Ab-
schwächen soziokultureller Milieus sich christdemokratische Parteien zwangsläufig zu
diffusen liberal-konservativen Sammlungsparteien gewandelt hätten.3 Auch Medien und
Publizisten fragten nach der Gültigkeit des „C“ in der Politik der CDU. So erklärte die
Wochenzeitung RHEINISCHER MERKUR in den siebziger Jahren: „Was heißt christliche
Politik? Die Pragmatiker verweisen auf Wählerumfragen, nach denen das „C“ bei der
Wahlentscheidung kaum mehr eine Rolle spiele. Die CDU sei für die Wähler die Partei der
sozialen Marktwirtschaft, der europäischen Einigung, der Staatsautorität. Die Union solle
sich … weniger als christliche denn als konservative Partei profilieren.“4 Die Reaktion der
CDU-Parteiführung auf das schwache Abschneiden bei der Bundestagswahl 2005, das
CDU-Grundsatzprogramm zu überarbeiten und damit die Grundlage für bessere Wahler-
gebnisse zu schaffen, belegt auch die hohe politische Bedeutung der eigenen Identität, die
sich im politischen Leitbild manifestiert. Denn in Zeiten komplexer und komplizierter Ent-
scheidungen geben politische Leitlinien nicht nur Orientierung für die Wählerschaft, son-
dern helfen auch der politischen Elite, ihr Handeln zu legitimieren und Unterstützung für
ihre Politik inner- und außerhalb der eigenen Reihen zu organisieren. Das politische Leit-
bild, das heißt die Summe aller normativen Wertvorstellungen einer Partei – positioniert
diese auf dem politischen Markt, zieht den roten Faden für deren politisches Handeln und
strukturiert ihr innerparteiliches Leben.
Aber auch politiktheoretisch ist die Frage nach dem politischen Leitbild der CDU inte-
ressant. Denn trotz ihrer Bedeutung in der bundesrepublikanischen Politik ist die wissen-
schaftliche Lücke über die CDU deutlich.5 SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die FDP, aber auch
rechtsextreme Parteien haben mehr Interesse in der akademischen Welt gefunden als die
1 Zitiert nach Bock 1976: 64
2 Vgl. Welt vom 17.6.1992. Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 19.6.1992
3 Horner 1984: 134
4 Rheinischer Merkur vom 5.10.1973
5 Broughton 1994: 101
14 1 Einführung
CDU.6 Noch stärker sticht die wissenschaftliche Lücke bei der Betrachtung der unterschiedli-
chen Abhandlungen über die CDU hervor. Sie sind entweder sehr personen- oder politikfeld-
orientiert oder Studien über eine bestimmte Organisationsbeschaffenheit der Partei.7 Arbeiten,
die sich mit dem Wandel des politischen Leitbildes der CDU beschäftigen, sind bis dato nur
als allgemeine Überblicksdarstellungen über die Parteigeschichte vorhanden.8
Aber nicht nur in den einzelnen CDU-Studien, auch in der politikwissenschaftlichen
Theorie über den Wandel des innerparteilichen Lebens spielen Leitbilder von Parteien kei-
ne übergeordnete Rolle. Dies zeigen nicht zuletzt die in den vergangenen Jahren erschiene-
nen Studien zum Organisationswandel von Parteien. Sie erklären die veränderten gesell-
schaftlichen Bindungen, gehen auf die veränderte Mitgliederlogik der Parteien ein und
beschäftigen sich mit Wahlkämpfen und dem Verhältnis der Parteien zum Staat. Über den
Wandel und die Kontinuität von politischen Leitbildern als Kitt dieser Organisationen sa-
gen sie nichts aus.9 Dabei schaffen diese erst die logische Verknüpfung zwischen der Struk-
turierung des politischen Lebens, der eigenen Positionierung und dem Handeln auf dem
politischen Markt sowie die eigene Programmposition. Gerade historische Umbrüche in der
Geschichte bedeutender Parteien zeigen den engen Zusammenhang zwischen den unter-
schiedlichen Bereichen und Funktionen von Parteien. Ein gutes Beispiel für den grundle-
genden Wandel ist die italienische KPI. In der ersten Republik waren die italienischen
Kommunisten auf dem politischen Markt eine Anti-System-Partei. Als geborene Oppositi-
onspartei entsprach ihre Parteiorganisation bis in die 1980er Jahre des 20. Jahrhunderts der
einer ideologischen Massenpartei.10 Sie besaß organisationsstarke Vorfeldorganisationen,
eine breite Parteibürokratie und eine Massenmitgliedschaft. Ihre Wahlkämpfe wurden nicht
für den medianen Wechselwähler, sondern zur Mobilisierung der eigenen Stammwähler-
schaft geführt. Aus diesem Grund gab es auch weder einen endogenen noch exogenen
Druck, die eigenen programmatischen Leitlinien aufzubrechen oder sich innerparteilich zu
reformieren. Dies geschah erst, als sich das Parteiensystem Anfang der neunziger Jahre
deutlich veränderte und die Partei ihr bisheriges politisches Leitbild abstreifte.11 Das Bei-
spiel der KPI zeigt, wie eng verknüpft die programmatische Positionierung, die Strukturie-
rung des innerparteilichen Lebens und das Handeln auf dem politischen Markt sind. Diese
Arbeit basiert auf der theoretischen Grundannahme, dass diese Trias nicht zufällig ist, son-
dern die programmatische Positionierung, die Strukturierung des innerparteilichen Lebens
und das Handeln auf dem politischen Markt durch bestimmte politische Leitlinien ver-
knüpft sind, die sich im politischen Leitbild wieder finden.
Folglich analysiert diese Arbeit das Wirken und die Ausprägung des politischen Leit-
bildes der CDU. Sie fragt, inwieweit die CDU in den vergangenen sechzig Jahren eine
„christdemokratische“ Partei geblieben ist. Aus diesem Grund wird die vorliegende Arbeit
nicht nur klären, was historisch und im Ländervergleich unter einer „christdemokratischen“
6 Uertz 2004: 32f
7 Vgl. Yorck 1996, Heidenheimer 1960, Bösch 2001, Schmid 1990, Schönbohm 1985, Zohlnhöfer, Reimut
2001
8 Siehe hierzu insbesondere die beiden detailreichen Studien: Kleinmann 1992, Bösch 2002
9 Vgl. hierzu: Beyme 1997: 359-383, Panebianco, Angelo 1988, Katz und Mair 1995: 5-28, Katz 2002 87ff
10 Vgl. Hine 1993: 114-117
11 Daniels 1999: S. 71ff