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Ein kostenloses Angebot
von Gerebooks
»Mit den Menschen, wie sie nun mal waren, mochten sie kämpfen, mochten
sie lieben, mochten sie morden: Ich wollte nichts damit zu tun haben.« Der
englische Journalist Thomas Fowler sieht den Kolonialkrieg der Franzosen in
Vietnam mit kühler Distanz. Er interessiert sich mehr für seine vietnamesische
Geliebte Phuong und die asiatische Lebensart als für Politik. Der Amerikaner
Aldon Pyle dagegen arbeitet angeblich für eine Wirtschaftshilfe-Organisation
und will, scheinbar naiv, sendungsbewußt und demokratiegläubig, etwas Gutes
tun. Erstaunlicherweise benutzt er Plastikbomben dazu.
Graham Greene wurde 1904 in Berkhamsted, Großbritannien, geboren und
starb 1991 in Vevey, Schweiz. Er trat mit 22 Jahren zum Katholizismus über,
lebte längere Zeit in Westafrika und Mittelamerika und zählt zu den
bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Sein umfangreiches Werk
besticht durch eine einzigartige Mischung von Abenteuer, Kriminalistik, Erotik
und Religiosität. Alle seine Hauptwerke sind als Taschenbücher bei dtv lieferbar.
Graham Greene
Der stille
Amerikaner
Roman
Aus dem Englischen
von Walter Puchwein
und Käthe Springer
Deutscher Taschenbuch Verlag
Titel der Originalausgabe:
›The quiet American‹
Vollständige Ausgabe Juni 1993
9. Auflage Dezember 2007
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
www.dtv.de
© 1955 und 1973 Graham Greene
© 1958 und 1986 der deutschsprachigen Ausgabe:
Paul Zsolnay Verlag GmbH, Wien
Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen
Umschlagfoto: gettyimages/Piecework Productions
Gesamtherstellung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen
Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
isbn 978-3-423-13.129-2
Liebe Phuong, lieber René!
Ich habe um Erlaubnis gebeten, Euch dieses Buch widmen zu dürfen – nicht
nur im Gedenken an die glücklichen Abende, die ich im Lauf der letzten fünf
Jahre mit Euch in Saigon verbracht habe, sondern auch aus einem anderen
Grund: ich borgte ganz schamlos den Ort Eurer Wohnung, um darin eine meiner
Romangestalten unterzubringen, und ebenso Deinen Namen, Phuong. Dies tat
ich meinen Lesern zuliebe, weil dieser Name schlicht, schön und leicht
auszusprechen ist, was man nicht von allen Frauennamen in Deinem Land
behaupten kann. Ihr werdet beide feststellen, daß ich sonst sehr wenig geborgt
habe, gewiß nicht den Charakter irgendeines Menschen in Vietnam. Pyle,
Granger, Fowler, Vigot, Joe – für sie findet man im Leben von Saigon oder
Hanoi keine Vorbilder. Sogar die historischen Ereignisse erscheinen hier anders
gereiht. So ging zum Beispiel der große Bombenanschlag in der Nähe des
»Continental« dem Zwischenfall mit den Fahrradbomben zeitlich voraus, und
nicht umgekehrt. Ich habe keine Skrupel, solche Änderungen vorzunehmen. Dies
ist eine Erzählung und nicht ein Stück Geschichte, und ich hoffe, daß sie als
Erzählung über ein paar frei erfundene Gestalten Euch beiden einen heißen
Abend in Saigon vertreiben wird. Herzlichst Euer
Graham Greene
Ich lasse mich nicht gern bewegen; denn der
Wille wird erregt; und die Tat
Ist ein höchst gefährlich Ding; stets bebe ich
vor einer Täuschung,
Einer Übeltat des Herzens, einem
ungesetzlichen Verfahren;
Denn dazu neigen wir so sehr – mit unserem
schrecklichen Begriff der Pflicht.
A. H. Clough
Wir leben im Zeitalter der Patente,
machen Erfindungen,
Um Leiber zu töten und Seelen zu retten,
Und verbreiten sie alle in edelster Absicht.
Byron
Erster Teil
Erstes Kapitel
Nach dem Abendessen saß ich in meinem Zimmer über der Rue Catinat und
wartete auf Pyle. »Spätestens um zehn bin ich bei Ihnen«, hatte er gesagt, und
als es Mitternacht geschlagen hatte, konnte ich nicht mehr stillsitzen und ging
hinunter auf die Straße. Eine Schar alter Frauen in schwarzen Hosen hockte auf
dem Treppenabsatz; es war Februar, und vermutlich fanden sie es im Bett zu
heiß. Der Lenker einer Fahrradrikscha fuhr gemächlich vorüber, in Richtung
Flußufer, und ich konnte den Schein von Lampen sehen, wo sie die neuen
amerikanischen Flugzeuge ausgeladen hatten. Nirgends in der langen Straße war
eine Spur von Pyle.
Er mochte natürlich aus irgendeinem Grund in der amerikanischen
Gesandtschaft aufgehalten worden sein, sagte ich mir; doch in diesem Fall hätte
er bestimmt das Restaurant angerufen – er nahm es mit den kleinen
Höflichkeitsbezeigungen peinlich genau. Schon wollte ich in meine Wohnung
zurückkehren, da sah ich im Hauseingang nebenan eine junge Frau stehen. Ihr
Gesicht lag im Schatten, nur die weiße Seidenhose und das lange, geblümte
Gewand waren zu sehen; trotzdem erkannte ich sie. So oft hatte sie an genau
derselben Stelle und zur selben Stunde auf meine Heimkehr gewartet.
»Phuong«, sagte ich – das Wort bedeutet Phönix; aber heutzutage gibt es keine
Fabelwesen mehr, und nichts erhebt sich mehr aus seiner Asche. Noch ehe sie
Zeit fand, es mir zu sagen, wußte ich, daß auch sie auf Pyle wartete. »Er ist nicht
hier«, sagte ich.
»Je sais. Je t’ai vu seul à la fenêtre.«
»Du kannst ebensogut oben warten«, sagte ich. »Er wird bald kommen.«
»Ich kann hier warten.«
»Lieber nicht. Die Polizei könnte dich mitnehmen.«
Sie folgte mir in meine Wohnung hinauf. Mir fielen etliche spöttische und böse
Bemerkungen ein, aber weder ihr Englisch noch ihr Französisch waren so gut,
daß sie die Ironie verstanden hätte; und so seltsam es klingen mag, ich trug kein
Verlangen, weder sie noch selbst mich zu verletzen. Als wir den Treppenabsatz
Description:Vor dem Hintergrund des französischen Indochina-Krieges spielt sich eine dramatische Dreiecksgeschichte ab: Die junge Vietnamesin Phung verlässt Thomas Fowler, den englischen Journalisten, um sich dem Amerikaner Pyle zuzuwenden. Niemand ahnt, dass sein humanes Engagement einer mörderischen Missio