Table Of ContentBBaauuwweelltt FFuunnddaammeennttee 33
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Werner Hegemann
1930
Das
steinerne
Berlin
Geschichte der groDten
Mietskasernenstadt der Welt
Vieweg
Der Text der vorliegenden Ausgabe ist gegeniiber der Originalfassung aus dem Jahre 1930
geringfUgig gekiirzt. Die Herausgabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Jakob
Hegner in Lugano. (12 BUder: LandesbUdstelle Berlin.)
Friedl. Vieweg + Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig
2., unveranderte Auflage 1976
Umschlagentwurf von Helmut Lortz
Gesamtherstellung: Lengericher Handelsdruckerei, Lengerich
© 1930 by Jakob Hegner, Lugano
Alle Rechte auch das der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten
ISBN 978-3-528-08603-9 ISBN 978-3-322-87821-2 (eBook)
001 10.1007/978-3-322-87821-2
Inhalt
Widmung an Hugo PreuB .................................................... 7
I. Die alte und die neue Hauptstadt ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
II. »Die Stimme Gottes« in Berlin. - Wohnten im Jahre 1910 600000 oder
»nur« 567270 GroB-Berliner in Wohnungen, in denen jedes Zimmer mit
flinf oder mehr Personen besetzt war? - .............................. 17
III. Von der Griindung Berlins bis zum Verlust seiner Freiheit. . . . . . . . . . . . . . 20
IV. Von der Ankunft der Hohenzollem bis zum DreiBigjiihrigen Kriege ...... 26
V. Der DreiBigjiihrige Krieg in Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
VI. Der »GroBe« Kurfiirst macht Berlin zu einer Festung Frankreichs ........ 58
fiir
VII. Einquartierung fiir die Berliner und Privilegien Ausliinder ....... . . . . 43
VIII. Berlin wird kiinigliche Residenz ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
IX. Friedrichstadt, Dreifelderwirtschaft, Bodenreform und GroB-Berlin ....... 58
X. Schliiters Triumph als Berliner Bildhauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
XI. Schliiters Niederlage als Berliner Baumeister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
XII. Der »Soldatenkiinig« als Berliner Oberbiirgermeister . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 88
XIII. Friedrich der »GroBe« bringt Militar- und Mietskasemen nach Berlin. . .. 109
XIV. Friedrich der »GroBe« begriindet den Berliner Bodenwucher ......... . . .. 117
XV. Friedrich der »GroBe« baut Palaste ................................... 123
XVI. Das Friedrichs-Forum und die Tragiidie Knobelsdorffs . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 127
XVII. Hof der Universitat, Neue Bibliothek, Unter den Linden,
Friedrichs II. Kolonnaden und Gendarmenmarkt ....................... 138
XVIII. Friderizianische und Wilhelminische Denkmiiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 148
XIX. Schinkels Romantik und unsere neueste Baukunst ...................... 169
XX. Steins Stadteordnung macht in Berlin Fiasko ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
XXI. »Hitzige Feindschaft gegen alle Forderungen der neuen Zeit.« Die kiinst
lichen und verhiingnisvollen Beschriinkungen der Berliner Siedlungsfreiheit 192
XXII. Berliner Wohnungsreformer von 1850-60
V. A. Huber, Prinz Wilhelm (Wilhelm I.), C. W. Hoffmann . . . . . . . . . . . . .. 200
XXIII. Der StraBenplan von 1858 bis 1862. Die Polizei verordnet Mietskasemen
fiir vier Millionen Berliner .......................................... 207
XXIV. Folgen, Kritik und Verteidigung des polizeilichen Planes von 1858 bis 1862 221
XXV. Julius Faucher und die Berliner Volksziihlung von 1861 ................. 234
XXVI. Der Flinf·Milliarden-Schwindel und die Berliner Bau-und Bodenspekulation 243
XXVII. Die verantwortungslosen »hiiheren Stiinde«, Treitschke, Schmoller.
Griifin Dohna: Der griine Giirtel der GroBstadt ........................ 258
XXVIII. Bismarck als Berliner und als Gegner unserer Hauszinssteuer . . . . . . . . . . . .. 276
XXIX. Verkehrsanlagen in.London, New York, Paris
und die fehlende Schnellbahn-Milliarde Berlins ........................ 288
XXX. Berlins Freiflachen, Bodenwucher und Bodenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 318
SchluE: Berlin, die »freie und Reichsstadt« der Zukunft ........................ 341
Brandenburger Tor. Stadtseite. Erbaut von C. G. Langhans 1789 bis 1793
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Dem Andenken von Hugo PreuO
»Hugo PreufJ ist es gewesen,
der den Berliner Gedanken
zum Aufbau der neuen Groflstadt
die Form gab.«
Adolf Wermuth,
der letzte Oberbiirgermeister
des alten Klein-Berlin und der
erste Oberbiirgermeister der
grofJen Einheitsgemeinde Berlin
Mage das steinerne Berlin unter der neuen, volkstilmlicheren Staatsverfassung, die
Hugo PreufJ schaffen half, sich zur geistigen Hauptstadt Deutschlands entwickeln!
Denn dieser hachste Rang blieb Berlin noch versagt unter der aristokratischen Ver
fassung, die 1918 auf die »instandigsten Bitten« der Heeresleitung und der Regie
rung vom alten Herrenhaus abgeschafft wurde, und deren Wesen schon frilher
die PreufJische Kreuzzeitung in ihrem durch Bismarck inspirierten Aufsatze vom
18. April 1866 fast zu unfreundlich geschildert hat: »Das Dreiklassenwahlrecht ist
nichts anderes als die Reprasentation des Geldkapitals mit dem lilgnerischen Schein,
dafJ es eine Vertretung des Volkes ware. Es ist die Herstellung einer modernen Geld
aristokratie, welche alles Hahere und Edlere nach oben wie nach unten je langer
desto mehr in den Staub des gemeinsten Materialismus herunterzieht.«
Hugo PreufJ ist mir seit 1910 ein unschatzbarer Farderer meiner stadtebau- und
geschichtskritischen Bemilhungen geworden. Er wies mich als erster und einziger
auf einen politisch bedeutsamen Irrtum hin, den ich als Generalsekretat der »All
gemeinen Stiidtebau-Ausstellung Berlin I9IO« in meiner ersten Arbeit ilber die
Berliner Baugeschichte veraffentlichte. Mein Buck war auf Grund eingehender Stu""
dien zu einer Verurteilung der im 19. J ahrhundert in Berlin geilbten stiidtebaulichen
Methoden gelangt, hatte aber filr die vorangehenden Jahrhunderte ziemlich kritik
los die herrschende These von der V ortrefflichkeit des Berliner Stiidtebaues wieder
holt. Nachdem meine Arbeit in allen Lagern eine ungewahnlich gute Presse und
sogar ungeteilten Beifall gefunden hatte, widmete ikr Hugo PreufJ eine konstruktive
Kritik (veraffentlicht im »Archiv filr Rechts- und Wirtschaftsphilosophie«, 1913), filr
die ich im zweiten Teile meines Buches ilber die Berliner Stiidtebau-Ausstellung
(veraffentlicht im Sommer 1913) folgendermafJen dankte:
»Sehr wesentlich filr den Verfasser war eine zustimmende AufJerung von H errn
Stadtrat Professor Dr. Hugo PreufJ ilber die im ersten Teile dieser Arbeit ausgespro
chene Ansicht, dafJ der grofJe Berliner Bebauungsplan von 1858-62 im wesentlichen
eine KraftaufJerung des staatlichen Fiskalismus darstelle. Allerdings glaubte Profes·
sor PreufJ hinzufilgen zu milssen, dafJ der Verfasser zusammen mit Paul Voigt und
Rudolf Eberstadt die Leistungen des absolutistiscken Stiidtebaues im 17. und 18.
7
Jahrhundert iiberschiitze. Nachdem der,erste Teil dieser Arbeit in der Tat Anlaf3 zu
diesem Verdacht gegeben hat, kann hier versichert werden, daf3 die fiir den zweiten
Teil erforderlichen Studien den Verfasser von jeder Hinneigung zum Absolutismup
im Stiidtebau geheilt haben, wie das ja auch im Texte klar zum Ausdruck gebracht
ist. Wenn der stiidtebauliche Absolutismus in Berlin schon bald nach der Ober
schreitung der Bevolkerungszahl 100 000 versagte (wie doch vom Verfasser bereits
bei der Beurteilung der zwangsweisen Miethausbauten Friedrichs des Grof3en deut
lich ailsgesprochen wurde), so hat sich der Absolutismus in Paris, wo es sich schon
um eine Grof3stadt und bereits um das mit dem Wachstume der Grof3stiidte noch
heute verbundene politische Albdriicken handelte, mit seinen Versuchen, das stiid
tische Wachstum zu beschriinken, vollig liicherlich gemacht. Was eine wachsende
Stadt zu brauchen scheint, sind weniger despotische Aufkliirung und aus polizeilicher
Einsicht festgelegte Bebauungspliine als vielmehr die Freiheit, sich auszudehnen
und die Kinderkrankheiten durchzumachen nach dem Satze: »Wer Miinner will,
muf3 Knaben wagen.« Der im Auslande so viel bewunderte, friiher absolutistische,
heute polizeiliche Stiidtebau erinnert etwas an die scheuf3lichen Mittel, mit denen
man an den Konigshofen der Renaissancezeit manchmal heranwachsende Knaben
kuriositiitshalber in ein gewolltes widernatiirliches Wachstum zwiingte, so daf3 keine
Miinner daraus wurden, sondern ihre Korper die Gestalt einer wandelnden Spott
figur, Vase oder Aschenurne annahmen. Die kasernierten Stiidte des europiiischen
Festlandes sind'auch derartige widernatiirliche Graburnen.«
Die folgende Baugeschichte Berlins enthiilt eine Zusammenfassung meiner hier er
wiihnten Studien, die zum Teil auf die Anregung von Hugo Preuf3 zuriickgehen.
Die Ergebnisse dieser Studien wurden in meiner 1924 zum ersten Male veroffent
lichten Arbeit iiber Friedrich den Grof3en angedeutet; sie wurden grof3enteils mit
Hugo Preuf3 durchgesprochen und haben seinen Beifall gefunden, wie er auch viel
fiir das Bekanntwerden meines Buches iiber Friedrich den Grof3en getan hat.
1m Geiste von Hugo Preuf3, der nicht nur Gelehrter war, sondern auch Politiker und
ehrenamtlicher Stadtrat, mochte die vorliegende Veroffentlichung »iiber das stei
nerne Berlin« einen gefiihrlichen deutschen Wahn iiberwinden helfen. Es ist ein
deutscher Wahn, eine geistige Hauptstadt konne moglich sein, solange die sogenann
ten Gebildeten sich beinahe etwas darauf zu gute tun, von stiidtebaulichen Dingen
wenig zu verstehen. Nichts aber ist sicherer, als daf3 es auch beim Wachsen der
Stiidte der Geist ist, der sich den Korper baut, und daf3 Berlin, wenn es in vieler
Hinsicht verb aut, protzig und armselig ist, nur dann neu gestaltet werden und die
Hoffnungen der besten Deutschen erfiillen kann, wenn vorher der deutsche Geist
aufhort, in mancher Hinsicht unpraktisch, protzenhaft und armselig zu sein. Vor
liiufig heif3t eine der umfassendsten und vielleicht die erstaunlichste Leistung des
deutschen Geistes: Berlin, die grof3te Mietkasernenstadt der Welt.
Berlin, Januar 193'0 Werner H egemann
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Den~al Friedrichs II. Hauptansicht von Unter den Linden her. - Unter dem Pferde
schwanz: Kant, der nie nach Berlin kam, und Lessing, der aus Berlin vertrieben wurde,
unterhalten sich hinter dem Riicken des Konigs, der die GroJ3en seines Landes nie kennen
lernte. Enthiillt 1851. Von Rauch
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VOID Reichstag (links unten) bis zum Rathaus (rechts oben). Der Turm des roten Rathauses
beherrscht seit 1868 die Blickachse der Via triuIDphalis Berlins
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Die aIte und die neue Hauptstadt
Ob jemand spricht, der nun mag leben,
DaB er je sah reichlicher geben,
Als wir zu Wien durch Ehre han empfangen!
Walther von der Vogelweide, im Jahre I200
Nach Berlin kommt so leicht keiner zum Vergniigen,
Der Berliner GeneralpoZizeidirektor
Wilhelm Stieber (1818-I882)
»Man tut ihm zuviel Ehre, wenn man von Berlin das deutsche Licht und jedes
edlere Streben ausgehen HiBt , , , Nein, vom Siiden und aus der Mitte Germaniens
kam deutsche Kraft und jede edlere Bildung, .. die Berliner, wie die Gaskogner,
haben haufig die Ausrufer dessen gemacht, was anderswo getan und gemacht
war ... Es ist auch unmoglich, daB in einem so strenge gehaltenen und gespannten
Soldatenstaate je das Genialische und Kiinstlerische aufbliihe, was Lebensfrohlich
keit bei den Menschen will.« So schrieb im Jahre 1805 Ernst Moritz Arndt, der
nicht nur ein PreuBe, sondern auch ein guter Deutscher gewesen ist und uns immer
der Dichter des Liedes »Was ist des Deutschen Vaterland?« bleiben wird.
GewiB darf beim Betrachten Berlins niemals vergessen werden, daB diese Haupt
stadt ihren Vorrang in Mitteleuropa mit schweren Opfern fUr das gesamtdeutsche
Vaterland und auf Kosten einer alteren und bessergelegenen, ruhmreicheren deut
schen Hauptstadt erkauft hat. Der vaterlandische Betrachter muB also fragen: was
rechtfertigt diese groBen Opfer und was ist endlich im neuen Berlin besser gemacht
worden als im alten Wien, das Goethe noch »die Hauptstadt unseres Vaterlandes«
nannte?
Wien, wo Kaiser Mark Aurel mehr als 1000 Jahre vor Berlins Griindung starb,
wurde schon so friih eine Hochburg deutschen Geistes und deutscher Waffen, daB
der Ritter Walther von der Vogelweide sich riihmte, dort »singen und sagen« ge
lernt zu haben, lange bevor Berlin-ColIn aus den Siimpfen eines wendischen Neben
fliiBchens aufzutauchen anfing. Zur Zeit, als die ersten deutschen Ansiedler in
Berlin-ColIn unternahmen, den wendischen Namen »Kollen« (d. h. ein von Sumpf
umgebener Hiigel) dem rheinischen Namen Koln (colonia) anzugleichen, wurden in
vVien, am graB ten Strome vVest-Europas, schon die Nibelungenlieder und die Heere
der kreuzfahrenden Hohenstaufenkaiser gesammelt. Der zu Wien regierende deut
sche Fiirst gewann damals eine Prinzessin aus Byzanz, das die letzte Hiiterin antiker
KUltur war. Wien war schon damals die volkreichs'te Stadt zwischen Byzanz und
dem rheinischen Koln und wurde schnell die anerkannte Mitte jenes Mitteleuropa
unter deutscher Fiihrung, des sen Verteidigung nach Westen, dessen Ausbau nach
Osten und dessen tausendjahriger Bestand schlieBlich scheiterte an dem »preuBischen
Partikularismus und seiner Auflehnung gegen das gesamtdeutsche Gemeinwesen«
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