Table Of ContentGabriele Niepel
Alleinerziehende
Gabriele Niepel
Alleinerziehende
Abschied von einem Klischee
+
Leske Budrich, Opladen 1994
Die Deutscbe Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Niepel, Gabriele:
Alleinerziehende: Abschied von einem Klischee / Gabriele Niepel.
- Opladen : Leske und Budricb, 1994
ISBN 978-3-322-92528-2 ISBN 978-3-322-92527-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-92527-5
© 1994 by Leske + Budricb, Opladen
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Vorwort
Bei diesem Buch handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung des
ersten Teils meiner 1993 an der Fakultät für Pädagogik der Universität Biele
feld eingereichten Dissertation mit dem Titel: "Soziale Netzwerke und soziale
Unterstützung alleinerziehender Frauen".
Im ersten Teil dieser Dissertation habe ich einen umfassenden Überblick
über den Diskussions- und Forschungsstand hinsichtlich der Alleinerziehen
denthematik gegeben. Der zweite Teil dokumentiert die Ergebnisse einer
eigenen empirischen Studie zu Netzwerk- und Unterstützungsbeziehungen
alleinerziehender Frauen.
Da beide Teile eine für sich abgeschlossene Einheit bilden, wurde die
Entscheidung getroffen, die Teile als zwei separate Bücher im gleichen
Verlag zum gleichen Zeitpunkt zu veröffentlichen.
Interessierte LeserInnen, die sich einen Überblick über die Thematik des
Alleinerziehens im allgemeinen verschaffen wollen, finden in diesem vor
liegenden Band ,,Alleinerziehende -Abschied von einem Klischee" eine weit
reichende Einführung.
LeserInnen, deren Interesse speziell den sozialen Netzwerken und der sozia
len Unterstützung Alleinerziehender gilt, sowie InteressentInnen aus dem Be
reich der Netzwerk- und Social Support-Forschung seien zusätzlich auf den
zweiten Band: "Soziale Netze und soziale Unterstützung alleinerziehender
Frauen - eine empirische Studie -" verwiesen.
Bielefeld, im Sommer 1994 Gabriele Niepel
5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 5
I. Einführung 11
ll. Einelternfamilien aus soziodemographischer Sicht 14
1. Einelternfamilien in der BRD
- Bekanntes und Überraschendes - 14
1.1 EineIternfamilien - keine Ausnahmeerscheinung deutscher
Familienwirklichkeit - 14
1.2 EineIternschaft
- nach wie vor ein Frauenphänomen - 17
1.3 Familienstände
- die Ledigen kommen - 18
1.4 Zwei Millionen Kinder 25
=
1.5 Einelternfamilie (häufig) Einkindfamilie 25
1.6 Die Kinder sind immer jünger 27
1.7 Die EItern sind immer jünger 30
2. Einelternfamilien im internationalen Vergleich
- wie sich die Situationen gleichen - 36
Ill. Zugänge, Fragen und Entwicklung der Forschung zu
Einelternfamilien 43
1. Entwicklungsphasen der Forschung
- oder wie Familienbilder die Fragen lenken - 43
1.1 Entwicklung der Alleinerziehendenforschung 43
1.2 Entwicklung der Single Parent-Forschung 47
2. Gegenwärtige Forschungszugänge und Forschungsjragen 49
2.1 Forschungszugänge und Forschungsfragen der
Alleinerziehendenforschung 49
2.2 Forschungszugänge und Forschungsfragen der
Single Parent-Forschung 54
7
IV. Lebeossituation und Lebensbewältigung
• ein ÖberbUck über den Forschungsstand • 60
l. Die Lebenssituation Alleinerziehender 60
1.1 Armut - trotz Erwerbstätigkeit 61
1.2 Über die (Un)Vereinbarkeit von Familien- und
Erwerbsarbeit 76
1.3 Nicht Doppel-, sondern Dreifachbelastung 78
1.4 Es bleibt kaum Zeit übrig 79
1.5 Vorurteile werden weniger 80
1.6 Keine Zeit, kein Geld, kein Babysitter
- über die Probleme, soziale Kontakte zu pflegen - 83
1.7 Die schönen Seiten 84
1.8 Einelternschaft ist nicht gleich Einelternschaft
- die Lebensituation alleinerziehender Mütter und
Väter im Vergleich - 88
2. Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden Alleinerziehender
- die Bewältigung der Eineltemschaft - 94
2.1 Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit 95
2.2 Bedingungsfaktoren der Bewältigung lO3
3. Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung
Alleinerziehender 109
3.1 Die Bedeutung sozialer Netzwerke und sozialer
Unterstützung für das Wohlbefinden lO9
3.2 Zum Stand der Single Parent-Forschung 113
3.2.1 Forschungsfragen 113
3.2.2 Soziale Netzwerke Alleinerziehender 115
Veränderung in den Netzwerkstrukturen 115
Zusammensetzung der Netzwerke 117
Netzwerktypen Alleinerziehender 118
3.2.3 Soziale Unterstützung Alleinerziehender 119
Soziale Unterstützung und Wohlbefinden
Alleinerziehender 120
Quellen und Formen der Unterstützung 121
Erhalt sozialer Unterstützung 122
Zufriedenheit mit erhaltener Unterstützung 124
Bedeutung der Reziprozität 125
Belastungen im Unterstützungsprozeß 126
8
Unterschiede zwischen alleinerziehenden Frauen
und Männern 127
3.2.4 Fazit 128
3.3 Zum Stand der Alleinerziehendenforschung 129
3.3.1 Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung bei
Alleinerziehenden
- ein in der deutschen Forschung vernachlässigtes
Thema - 129
3.3.2 Methodische Probleme 132
3.3.3 Soziale Netzwerke Alleinerziehender 138
Sozial isoliert? 138
Veränderungen in der Netzwerkstruktur
- nur wenig bleibt beim alten - 142
3.3.4 Soziale Unterstützung Alleinerziehender 146
QuellC?n sozialer Unterstützung
- die Uberschätzung der Familie - 146
Formen und Ausmaß erhaltener Unterstützung
- viel, aber nicht genug - 149
Zufriedenheit mit erhaltener Unterstützung
- es könnte besser sein - 151
Bedeutung der Reziprozität
- wie du mir, so ich dir - 153
Belastungen im Unterstützungsprozeß
- kein eitel Sonnenschein - 154
Bedingungen des Erhalts von Unterstützung
- von nichts kommt nichts - 155
3.3.5 Fazit 159
3.4 Zusammenfassung 161
V. Über den Abschied von liebgewonnenen Klischees 164
Literatur 175
Tabellenverzeichnis 195
9
I. Einführung
Alleinerziehende bzw. Einelternfamilien sind immer wieder im Gespräch -in
Politik, Wissenschaft und Praxis. Der Berg an Veröffentlichungen zum
Thema ist kaum mehr zu überschauen, doch nirgends findet sich ein Über
blick über relevante Daten, zentrale Diskussionslinien, Praxisprojekte, über
Forschungszugänge und den Forschungsstand der Alleinerziehendenforschung.
Neben dem völligen Fehlen einführender Literatur fällt weiter auf, daß
häufig sogenannte Fakten als allgemein bekannt und damit richtig hingestellt
werden, ohne daß man sich um eine differenziertere Klärung bemüht.
Dieses Buch bietet eine Einführung in die Thematik ,.AlleinerziehendelEin
eIternfamilien". Es basiert auf einer umfassenden Recherche, als deren
Resultat nicht zuletzt liebgewonnene Vorurteile und Pauschalbilder über "die"
Alleinerziehenden! revidiert werden müssen.
Die in diesem Band vorgenomme, für die deutsche Diskussion neue,
Beschäftigung mit der zentralen Bedeutung sozialer Netzwerke und sozialer
Unterstützung für die Bewältigung der Einelternschaft verdeutlicht schließlich,
wie wesentliche Elemente der Lebenssituation Alleinerziehender von der
hiesigen Forschung und Praxis bislang entweder sträflich vernachlässigt wor
den sind, oder wie falsche Vorannahmen festgeschrieben wurden - mit
weitreichenden Konsequenzen insbesondere für die soziale Arbeit mit Allein
erziehenden.
Zur Gliederung dieses Buches:
Im folgenden zweiten Kapitel werden aktuelle soziodemographische Daten
zur Einelternfamilie im Vergleich alte/neue Bundesländer aufgearbeitet.
Es wird deutlich, daß Alleinerziehende nicht länger als Minderheit der
Bevölkerung gesehen und politisch vernachlässigt werden können. Auch wird
gezeigt, daß die Zunahme der Einelternfamilien ein Phänomen ist, welches in
allen entwickelten Industrienationen zu beobachten ist.
Alleinerziehende werden hier definiert als alleinstehende Haushaltsvorstände, die mit ihren
minderjährigen Kindern in einem Haushalt dauerhaft zusammenleben.
11
Wesentliche Merkmale der Einelternfamilien wie z.B. die Anzahl und das
Alter der Kinder werden betrachtet, da zu vermuten ist, daß diese Merkmale
einen Einfluß auf die Lebenssituation(en) von Einelternfamilien haben.
Das Eingehen auf die Famillenstände der Alleinerziehenden sowie auf die
Entwicklung des Anteils geschiedener, lediger, verheiratet-getrenntlebender
und verwitweter Alleinerziehender ermöglicht schließlich eine Annäherung an
eine Analyse der Ursachen der Eineltemschaft.
Die Entwicklung der Forschung zu Alleinerziehenden nachzuzeichnen und
gegenwärtige Forschungszugänge wie Forschungsfragen aufzuzeigen, ist Ziel
des dritten Kapitels, in welchem eine Unterscheidung zwischen der (deut
schen) Alleinerziehendenforschung und der (angloamerikanischen) Single
Parent-Forschung2 vorgenommen wird.
Eine Auseinandersetzung mit dem bisherigen Forschungsstand zu Eineltern
familien!A lleinerziehenden kann sich nicht auf die deutsche Forschung be
schränken, da diese, insbesondere was die Netzwerk- und Unterstützungs
thematik betrifft, defizitär ist. Vielmehr werden auch Ergebnisse internatio
naler Studien, vorzugsweise des englischen Sprachraumes, einbezogen, wobei
es sich dabei in der Mehrzahl um Studien aus den USA handelt, da die
dortige Single Parent-Forschung eine längere Tradition hat. Die Single
Parent-Forschung weist eine größere Vielfalt untersuchter Problemstellungen
als auch eine größere Diversität der Untersuchungen auf. Ein Rekurs auf den
angloamerikanischen Forschungsstand kann somit bislang vorliegende Ergeb
nisse ergänzen, insbesonders aber auch Impulse für neue Fragestellungen und
deren Bearbeitung für die hiesige Forschung liefern.
Hinsichtlich der Rolle sozialer Netzwerke und sozialer Unterstützung ist ein
Eingehen auf die Single Parent-Forschung unbedingt erforderlich, da die deut
sche Alleinerziehendenforschung diese Frage bislang nur am Rande berück
sichtigt hat.
Wie die folgende Darstellung deutscher und angloamerikanischer Ergeb
nisse zeigen wird, stellt sich das Problem der Übertragbarkeit der Ergebnisse
in weit geringerem Ausmaß dar als vielleicht zu vermuten gewesen wäre,
bedenkt man zum einen, daß beispielsweise Einelternschaft in den USA das
dominierende Phänomen bei ethnischen Minderheiten und schwarzen Frauen
ist und daß zum anderen die sozialstaatIichen Sicherungssysteme kaum ver
gleichbar sind. Fakt ist aber eine große Übereinstimmung in den Ergebnissen
2 Im folgenden soll mit dem Begriff der "Alleinerziehendenforschung" die deutsche, mit dem
Begriff der "Single Parent-Forschung" die Forschung im englischen Sprachraum bezeichnet
werden (hier: USA, Großbritannien, Kanada, Australien).
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zu jenen Fragen, die sowohl von der Single Parent-Forschung als auch von
der Alleinerziehendenforschung untersucht worden sind, und für die somit
Vergleiche angestellt werden können. Nicht nur die Zunahme der Einelternfa
milien stellt sich in allen Industrienationen ähnlich dar, sondern auch die Cha
rakteristika ihrer Lebenssituation gleichen sich -jedoch mit einer Einschrän
kung: der ökonomischen Situation.
Die Ergebnisse beider Forschungen werden daher z.T. zusammenfassend
dargestellt, z.T. wird auf je notwendige Spezifizierungen getrennt eingegan
gen.
Basierend auf den Ergebnissen beider Forschungen wird im vierten Kapitel
zunächst eine Analyse der Lebenssituation von Einelternfamilien vorgenom
men. Zwar muß davon ausgegangen werden, daß es die Alleinerziehenden als
homogene Gruppe nicht gibt, denn allein schon die unterschiedlichen Ursa
chen des Alleinerziehens, die Dauer der Einelternschaft, das Alter der Kinder
wie der Alleinerziehenden selbst führen zu z.T. deutlich unterscheidbaren
Lebenssituationen. Dennoch können gemeinsame, für Alleinerziehende eher
typische Merkmale der Lebenssituation herausgefiltert werden, deren Be
schreibung und Analyse Ziel des ersten Teils dieses Kapitels ist.
Zunächst werden die potentiellen besonderen Belastungen in der Lebens
situation Alleinerziehender geschildert: Armut, Probleme der Vereinbarung
von Kind und Beruf, Überlastung, Stigmatisierungserfahrungen, Hindernisse
bei der Pflege sozialer Kontakte, wobei differenziert wird zwischen je spezi
fischen Problemen alleinerziehender Männer und Frauen. Die Lebenssituation
kann jedoch nicht allein unter dem Blickwinkel auf problematische Aspekte
beschrieben werden. Vielmehr werden ebenso mögliche positiven Seiten der
Einelternschaft herausgestellt.
Im zweiten Teil des Kapitels wird die Frage der Bewältigung der Eineltern
schaft untersucht und wesentliche Einflußfaktoren wie z.B. die Ursache der
Einelternschaft, Zahl und Alter der Kinder, die ökonomische Situation,
Normalitätsvorstellungen, Familien- und Lebensformenorientierung und die
Geschlechtsrollenorientierung werden besprochen.
Diese erste Analyse der Bedingungsfaktoren einer positiven Bewältigung
leitet über zum dritten Teil des Kapitels, welcher sich mit der Frage nach den
sozialen Netzwerken und der sozialen Unterstützung Alleinerziehender be
schäftigt. Die Ergebnisse hinsichtlich Netzwerkstrukturen und Unterstützungs
erhalt zeigen zum einen viele offene Fragen, die· nicht zuletzt auch aus
methodischen Problemen resultieren, sie zeigen zum anderen aber auch die
entscheidende Rolle sozialer Netzwerke und sozialer Unterstützung für
Alleinerziehende, die zukünftig intensiver erforscht werden sollte.
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